Darcy - Der Glückskater und die Päckchenfee - Gesine Schulz - E-Book

Darcy - Der Glückskater und die Päckchenfee E-Book

Gesine Schulz

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Beschreibung

Tessa liebt ihr beschauliches Leben in der Kleinstadt, das sie sich nach ihrer geplatzten Hochzeit aufgebaut hat. Sie mag ihre Arbeit und schlendert gern durch die Straßen und Geschäfte von Cheltenham. Aber vor allem hält sie mit Vorliebe Ausschau nach Zubehör für die ganz besonderen Geschenkpäckchen, die sie zu Geburtstagen, Weihnachten und anderen Anlässen an Freundinnen, Familie und gute Bekannte verschickt. Mit Tessas geliebter Ruhe ist es plötzlich vorbei, als sie eine streunende Katze bei sich aufnimmt. Das allein hätte sie vielleicht noch nicht aus der Bahn geworfen, doch mit dem Kater tritt auch ein Mann auf den Plan: Roberto. Und bei dem verspürt Tessa zum ersten Mal wieder richtiges Herzklopfen. Dabei wollte sie von der Liebe doch nichts mehr wissen! Als wäre das noch nicht genug der Unruhe, ruft aus heiterem Himmel auch noch Hugo an, Tessas Ex-Verlobter. Zum ersten Mal nach sieben Jahren.
Kann Glückskater Darcy Tessa helfen, dem Gefühlschaos zu entkommen?

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Seitenzahl: 208

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Inhalt

CoverDarcy – Die SerieÜber diese FolgeÜber die AutorinTitelImpressumProlog1. Vorfreude2. Ankunft in Cheltenham3. Tee bei Lady Grey4. Pizza-Pause5. Damals (1)6. Bummel mit Fiona7. Darcy hört seinen Namen8. Wochenende9. Zur Agentur10. Bong Jour11. Damals (2)12. Im Rausch13. Italienisch für Anfänger14. Das Komitee15. Damals (3)16. Überraschung am Abend17. Estée lädt ein18. Hugo googelt19. Im Park20. Tessa unter Druck21. Roberto schaut auf22. Darcy zieht ein23. Tea for Two24. Unruhe am Abend25. Damals (4)26. Treff mit dem Ex27. Bertie, der Glückshund28. Aschenputtel auf Italienisch29. Fernweh30. Der Anruf31. ArrivederciIn der nächsten Folge

Darcy – Die Serie

Darcy ist ein Glückskater. Ein Kater, der um die Welt streunt, plötzlich bei dir auftaucht und innerhalb weniger Wochen dein Leben verändern wird.

Denn wo auch immer er hinkommt, bewirkt er ein kleines Wunder – macht das Leben ein bisschen leichter, tröstet oder hilft, endlich loszulassen.

Über diese Folge

Tessa liebt ihr beschauliches Leben in der Kleinstadt, das sie sich nach ihrer geplatzten Hochzeit aufgebaut hat. Sie mag ihre Arbeit und schlendert gern durch die Straßen und Geschäfte von Cheltenham. Aber vor allem hält sie mit Vorliebe Ausschau nach Zubehör für die ganz besonderen Geschenkpäckchen, die sie zu Geburtstagen, Weihnachten und anderen Anlässen an Freundinnen, Familie und gute Bekannte verschickt. Mit Tessas geliebter Ruhe ist es plötzlich vorbei, als sie eine streunende Katze bei sich aufnimmt. Das allein hätte sie vielleicht noch nicht aus der Bahn geworfen, doch mit dem Kater tritt auch ein Mann auf den Plan: Roberto. Und bei dem verspürt Tessa zum ersten Mal wieder richtiges Herzklopfen. Dabei wollte sie von der Liebe doch nichts mehr wissen! Als wäre das noch nicht genug der Unruhe, ruft aus heiterem Himmel auch noch Hugo an, Tessas Ex-Verlobter. Zum ersten Mal nach sieben Jahren.

Kann Glückskater Darcy Tessa helfen, dem Gefühlschaos zu entkommen?

Über die Autorin

Gesine Schulz liebt Katzen, Krimis und Gärten. Ihre Schwäche für klassische Five o'Clock Teas hat sie von einem Großonkel geerbt, der Butler in London war. Derzeit lebt sie als freie Schriftstellerin im Ruhrgebiet. Ihr zweiter Schreibtisch steht in Irland, Schauplatz ihres Erfolgsbuchs »Eine Tüte grüner Wind«.

Gesine Schulz

Der Glückskater und die Päckchenfee

beHEARTBEAT

Digitale Originalausgabe

»be« - Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Dieses Werk wurde vermittelt durch die agentur literatur Gudrun Hebel.

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dorothee Cabras

Lektorat: Anna-Lena Römisch

Covergestaltung: Jeannine Schmelzer unter Verwendung von Motiven © shutterstock/Gordon Bell | Evgeny Karandaev | kryvushchenko | Caron Badkin © istockphoto/cgbaldauf

Datenkonvertierung E-Book:

hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-3119-6

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Prolog

Im Wurf war er der Kleinste gewesen. Doch schon sieben Wochen nach seiner Geburt hatte er ordentlich zugelegt, und seine unverhältnismäßig großen Tatzen ließen darauf schließen, dass er zu einem stattlichen Kater heranwachsen würde.

Mit drei Monaten nahm er ohne Bedauern Abschied von seiner Mutter und den fünf Geschwistern und zog bei einem Menschenpaar ein, das sich ohne Zögern für ihn, »den kleinen Bunten da«, entschieden hatte.

Nach einigen Diskussionen darüber, welchen Namen er erhalten sollte, setzte sich die junge Frau durch. Sie liebte die Romane von Jane Austen, besonders den, in dem Elizabeth Bennet und Mr. Darcy nach vielen Missverständnissen und Verwicklungen endlich zusammenfinden. »Wenn der Kater nicht Darcy heißen darf, dann nennen wir eben unseren Sohn so.« Sie legte die Hände auf ihren leicht gewölbten Leib. Woraufhin der Ehemann umgehend nachgab.

So war Darcy in einem Haus mit Garten mitten im Grünen aufgewachsen, hatte bei Katerkämpfen erste Blessuren davongetragen, Konkurrenten das Fürchten gelehrt und dafür gesorgt, dass sie die Grenzen seines Reviers respektierten. Als das Baby zur Welt kam und bei ihnen einzog, hatte er es ausgiebig beschnuppert und eine tiefe Zuneigung zu dem kleinen Wesen gefasst.

Im folgenden Sommer fuhr die junge Familie samt Darcy im Wohnwagen in die Ferien. Bei einem seiner Streifzüge über den Campingplatz stieg er frühmorgens in ein Wohnmobil, aus dem es köstlich nach gebratenem Fisch roch. Kurz darauf klappte die Tür zu, der Motor sprang an und das Gefährt rumpelte vom Platz. Als die Tür nach endlos scheinenden Stunden geöffnet wurde, schoss Darcy hinaus ins Freie und verschwand in der Dunkelheit.

Seitdem suchte er den Weg zurück nach Hause. Meist war er auf vier Pfoten unterwegs, manchmal als blinder Passagier. Er hatte Glück.

Immer wieder führte sein Weg ihn zu Menschen, die ihn freundlich aufnahmen. Doch nirgends hielt es ihn lange. Er hatte ein Ziel. Er wollte heim.

1. Vorfreude

Benedict legte die Lupe beiseite, durch die er eine fragliche Stelle des Manuskripts beäugt hatte. »Reines Augenpulver, die Schrift dieses Mannes!« Er seufzte theatralisch. »Ich brauche einen Tee. Du gehst sicher bald, Tessa? Oder möchtest du auch einen?«

Tessa sah auf ihre Armbanduhr. »Oh, schon gleich halb? Verflixt. Ich wollte heute doch früher los! Nein, danke, Benedict, keinen Tee. Ich bin so gut wie weg.«

»Dann bis morgen.« Er hatte die Tür des Büros hinter sich offen gelassen. Tessa hörte ihn am Ende des Gangs in der Teeküche hantieren.

Sie markierte auf der ausgedruckten Seite die Stelle, bis zu der sie mit der Überprüfung der Quellen gekommen war, legte die Blätter aufeinander und beschwerte den Stapel mit dem dicken Wörterbuch von 1929, das vermutlich seit damals zum Inventar der Academic Temps Agency gehörte. Tessa gehörte der Agentur für wissenschaftliche Hilfskräfte erst im siebten Jahr an, seit sie nach Cheltenham gezogen war. Wenn ihr die Zahl in den Sinn kam, konnte sie es nie fassen. Sie zog eine Grimasse. Immerhin, seit bald zwei Jahren arbeitete sie nur noch dreißig Stunden die Woche; das kam ihr sehr entgegen. Und letztlich wusste sie auch nicht, wo sie sonst hätte arbeiten wollen. Akademischen Ehrgeiz hatte sie nie besessen, und die Hilfsarbeiten, die sie hier für Geisteswissenschaftler erledigten, waren meist interessant genug, um den Arbeitstag nicht langweilig werden zu lassen.

Patty sah über ihre lilafarbene Lesebrille. »Geht’s jetzt zum Treffen mit deinen Freundinnen?«

»Ja. Eigentlich wollte ich vorher noch nach Hause. Aber egal.« Sie freute sich auf das traditionelle Treffen mit ihren drei Schul- und College-Freundinnen. Es fand alle zwei Jahre statt, wenn Fiona von ihrer Familie Heimaturlaub bekam und zwei Wochen in England verbrachte.

Tessa knipste die Schreibtischlampe aus, griff nach ihrer Popelinjacke und der Handtasche. Dann würde sie eben nicht nach Hause gehen und sich umziehen, sondern direkt zum Treffen laufen, dafür war reichlich Zeit; sie könnte in aller Ruhe hin bummeln und vielleicht sogar einen Blick in ein oder zwei Läden werfen.

»Bye-bye, Patty. Bis Montag!« Sie lief die Stufen vom Dachgeschoss ins Parterre hinunter, ließ die rote Tür hinter sich zufallen und befand sich mitten im Gewusel von eiligen Einwohnern, fotografierenden Touristen, sich träge durch die Einbahnstraße schiebendem Verkehr. Ein Sonnenstrahl ließ eine Fensterscheibe im Haus gegenüber aufblitzen. Ein Grüppchen japanischer Touristen stand über einen aufgefalteten Stadtplan gebeugt. Im Vorübergehen beobachtete Tessa sie und bewunderte den schlichten Chic der Frauen.

Sie ließ sich vom Strom der Passanten bis zur Kreuzung treiben, betrachtete Leute und Schaufenster. Das vom Charity Shop für Kriegsveteranen war neu dekoriert, ganz in frühlingshaftem Grün, mit gelben und rosafarbenen Akzenten. Tessa staunte immer wieder, dass aus den kunterbunten und meist gebrauchten Sachspenden solch attraktive Fenster dekoriert werden konnten. Ein Stapel alter Penguin-Krimis, moosgrüne Pumps; eine deckellose Wedgwood-Teekanne in müdem Salbeigrün mit einem Riss in der Tülle; Hosen, Blusen, Kinderkleidung, die ins farbliche Schema passte, ebenso wie der antike Essteller, dessen Glasur über dem blassgrünen Muster von feinsten Rissen durchzogen war wie das Antlitz einer Greisin. Ein Bildband mit Sudeley Castle auf dem Cover lag auf einer schmalen Schachtel auf.

Ehe Tessa sich es versah, war sie im Laden und ließ sich die Roger & Gallet-Schachtel zeigen. Innen haftete ihr noch die Grüne-Tee-Note der Seife an, und sie war gut erhalten. »Die nehme ich, Mrs. Croydon.«

Die ehrenamtliche Leiterin der Filiale nickte. »Habe ich mir gedacht, als ich die im Spendenkarton entdeckte. Wenn das mal nicht eine schöne Schachtel für Miss Hartley-Blessington ist, habe ich gesagt. Nicht wahr, Elsie?«, rief sie einer kleinen alten Frau zu, die am Drehständer Blusen einsortierte. »Habe ich nicht gleich gesagt, dies ist sicher was für Miss Hartley-Blessington?« Die Kollegin reagierte nicht. »Hat wohl ihr Hörgerät wieder ausgeschaltet«, flüsterte Mrs. Croydon. »Es pfeift manchmal.«

»Wie unangenehm.« Tessa öffnete ihr Portemonnaie und nahm fünfzig Pence heraus. Sie deutete auf den Hundekorb neben der Theke. »Bertie ist heute nicht mitgekommen?«

»Nein, Mr. Croydon hat ihn mal wieder mit zum Rennen genommen. Bringt ihm Glück, meint er ja. Und beim nächsten Mal soll Bertie natürlich unbedingt auch mit, dann läuft ja Ihr Pferd.«

»Rubberlegs.« Tessa lächelte.

»Pst!« Mrs. Croydon sah sich besorgt um.

»Sorry.« Aber die einzige andere Kundin wühlte im hinteren Teil des Ladens in einer Spielzeugkiste. Zu weit weg, um den Namen von Mr. Croydons Geheimtipp fürs große Rennen gehört zu haben.

»Und Sie wollen wirklich nicht mit Mr. Croydon hingehen, Miss Hartley-Blessington? Na, ich kann es verstehen. Mich bringen ja auch keine zehn Pferde zur Rennbahn. Diese Menschenmassen! Aber unserem Bertie macht’s nix aus. Scheint ihm dort sogar Spaß zu machen.« Sie schlug kurz den Blick zum Himmel.

»Grüßen Sie die beiden von mir, Mrs. Croydon.«

»Mache ich. Haben Sie Zeit für ein Tässchen Tee?« Sie deutete auf die angelehnte Tür am Ende des Ladens, hinter der zwischen gestapelten Kartons und Säcken voller Spenden eine gemütliche Sitzecke für die freiwilligen Helferinnen ausgespart war, wie Tessa wusste.

»Leider nicht, Mrs. Croydon. Oh, jetzt bin ich doch ein bisschen spät dran. Nein, lassen Sie nur, die Schachtel nehme ich so.« Tessa steckte sie in die Handtasche, eine Hälfte ragte heraus. »Ich bin mit ein paar Schulfreundinnen bei Lady Grey verabredet.«

»Na, dann aber hurtig!«

»Bye-bye, Mrs. Croydon.« Tessa winkte. Mit einem inneren Seufzer dachte sie an Mr. Croydons Wett-Tipp, den sie einfach nicht hatte ignorieren können, wenn sie den kleinen Mann nicht verletzen wollte. Fünfzig Pfund hatte sie auf den Außenseiter Rubberlegs setzen lassen, nachdem der Ex-Jockey sie aus großen enttäuschten Augen angesehen hatte, als sie gesagt hatte: »Hier ist ein Zehner.«

»Aber es ist ein supersicherer Tipp!«, war seine Reaktion gewesen. »Als kleiner Dank für Ihre Hilfe, Miss Hartley-Blessington.«

Tessa hatte es nicht übers Herz gebracht und vier weitere Zehn-Pfund-Noten aus dem Portemonnaie genommen. Geld, das sie nicht wirklich entbehren konnte. Dabei war es ja tatsächlich keine Mühe gewesen, die CD mit seinen Röntgenbildern an James zu schicken. Sie hatte es gern getan. Sieben Monate hatte Mr. Croydon im Rahmen des Nationalen Gesundheitsdienstes auf den Termin bei einem Spezialisten warten sollen. Sieben Monate, in denen die Möglichkeit einer nicht ungefährlichen Rückenoperation drohend am Horizont gestanden hätte, deren Notwendigkeit der Hausarzt für wahrscheinlich hielt. Mrs. Croydon hatte das noch mehr geängstigt als ihren Mann. Dankbar hatte sie Tessas Angebot angenommen, ihren Bruder einen Blick auf die Aufnahmen werfen zu lassen. Mrs. Croydon waren Tränen in die Augen geschossen.

»Aber ich bitte Sie«, hatte Tessa abgewehrt. »Wozu habe ich einen Bruder, der orthopädischer Chirurg ist? Und James ist keiner der Chirurgen, die meinen, alles mit dem Messer heilen zu müssen.«

Die Erleichterung der Croydons über das beruhigende Urteil war so groß gewesen, dass sie nun fünfzig Pfund los war. Irgendwie verrückt, aber nicht zu ändern. Schwamm drüber.

Drei Jahre hatte sie Fiona nicht gesehen. Eigentlich kamen sie vier nur ihretwegen zusammen. Sie war es, die so großen Wert auf die üblicherweise zweijährlichen Treffen legte. Letztes Mal hatte Fiona die Reise ausfallen lassen müssen. Ihr Mann hatte einen Unfall mit einer Farmmaschine erlitten und war mit einem komplizierten Schulterbruch im Krankenhaus gelandet; Fiona hatte ihn auf der Farm in Tasmanien vertreten müssen. Worüber sie in ihren E-Mails nicht gejammert hatte, wohl aber darüber, dass sie die zwei Tage Shopping in London, den Besuch bei ihrer Mutter im Lake District sowie das Treffen mit ihren liebsten Schul- und College-Freundinnen verpassen würde. Die waren sich schnell einig gewesen, auf ein Dreier-Treffen zu verzichten. Weil es ohne Fiona nicht so schön wäre, außerdem nicht das richtige, traditionelle Treffen, so war der Tenor der Begründung für Fiona gewesen. In Wahrheit war es so, dass die drei nicht mehr als eine sehr lose, lediglich in ihrer Jugend wurzelnde Freundschaft verband. Fiona war in der Gegenwart das verbindende Glied.

Liebe Fiona, dachte Tessa. Mit einem Mal konnte sie es nicht mehr abwarten. Leichtfüßig wand sie sich durch die Passanten, gestattete sich nicht einmal einen einzigen Blick ins Fenster des neuen Schuhgeschäfts.

Schon aus der Ferne sah sie, dass die Tische vor dem Tea-Room bis auf den letzten Platz besetzt waren. Er war noch recht neu und die Essenz nostalgisch-britischer Lebensart. Merry Old England hoch zehn. Überaus beliebt bei Touristinnen, natürlich, aber auch gerne frequentiert von heimischen Damen mit Hut. Männer verloren sich selten hinein und wenn, dann in Begleitung ihrer Frau, Tochter oder Tante. Tessa hatte dort einen Tisch reserviert und hoffte, Lady Grey würde Fionas Erwartungen erfüllen.

2. Ankunft in Cheltenham

Darcy war auf der Ladefläche eingeschlafen. Ein paar leere Säcke, zwischen die er sich zum Schutz gegen den kühlen Wind gewühlt hatte, waren eine weiche Lagerstatt. Das Brummen des Motors und das leise Klirren in den Getränkekästen hatten Darcy in den Schlaf gelullt. Der Traum, den er manchmal träumte, war zurückgekehrt. Bilder von einem Haus, einem Garten, Kinderlachen, streichelnden Händen, einer Frauenstimme, die ihn zärtlich Darcy nannte; Futter, das ihm zweimal am Tag serviert wurde, frisches Wasser, so viel er wollte. Darcys Schnurrhaare bewegten sich, seine Pfoten zuckten, als wäre er selbst im Traum dorthin unterwegs.

Als das Motorengeräusch erstarb, die Flaschen schwiegen, weckte die plötzliche Stille ihn wie ein Schuss. Er krabbelte zwischen den Säcken hervor, setzte sich auf und blinzelte. Es war noch hell. Der Wind war verstummt. Darcys feines Gehör nahm einen niedrigen unablässigen Geräuschpegel wahr, der ihm verriet, dass er wieder in einer Stadt gelandet war. Er schnupperte. Seine Nase bestätigte den Eindruck. Landluft war das nicht.

Eine Autotür wurde zugeworfen, schwere Schritte waren entlang des Lieferwagens zu hören. Darcy spähte um eine Getränkekiste und beobachtete durch den Spalt, den andere Kästen ließen, wie die Klappe am Ende der Ladefläche hinabgelassen wurde. Er sah eine kräftige Hand, einen Jackenärmel, eine Schulter. Ein Getränkekasten wurde hinausgehoben, dann die nächsten. Mit einem Grunzen hievte sich der Mann auf die Ladefläche. Darcy duckte sich. Der Mann schob weitere Getränkekästen an den Rand, sprang hinab, hob die Kästen runter.

Nun hatte Darcy einen unverstellten Blick auf ihn: ein kräftiger Mensch, nicht besonders groß, mit blasser Haut und einem Haarschopf in der gleichen Farbe wie die orangeroten Flecken in Darcys geschecktem Fell.

Der Mann stemmte die kräftigen Hände wieder auf die Ladefläche. Vielleicht ein guter Augenblick, um vom Wagen zu fliehen. Darcy trat aus seiner Deckung. Der Mann sah auf. Ihre Blicke trafen aufeinander. Die Augen des Mannes wurden groß, sein Mund öffnete sich. »Ja, was –«

Weiter kam er nicht. Darcy nahm Anlauf, rannte geradewegs auf den Mann zu. Der riss die Augen noch weiter auf, machte einen Schritt zurück, hob abwehrend die Hände. Darcy berührte erst mit den Vorderpfoten, dann mit den Hinterbeinen die Schultern des Mannes, benutzte sie als Sprungbrett, landete weit hinter ihm auf dem Betonboden, rannte weiter über den großen Hof und hin zum Rand, wo weitere Lieferwagen parkten. Unter einem blieb er stehen und schaute zurück. Der Mann sah sich suchend um, kratzte sich den Nacken und schüttelte den Kopf. Dann wandte er sich ab, lud weitere Kästen ab und stapelte sie auf einen Rollwagen.

Darcy verharrte eine Weile in seinem Versteck. Doch hier verlockte ihn nichts zum Bleiben. An der Hofmauer entlang näherte er sich dem aufstehenden Gittertor. Gegenüber befand sich ein Parkplatz, weiter rechts eine Tankstelle und – eine Pizza-Bude! Gegen ein Stück Teigkruste mit Resten von verlaufenem Käse und vielleicht etwas Schinken hätte er nichts einzuwenden. Eine kleine Stärkung, bevor er sich daranmachte, diesen Ort zu erforschen. Darcy trat aus dem Tor und trabte los.

3. Tee bei Lady Grey

Gemma verzog den Mund, als sie auf ihre schmale Armbanduhr sah. Die lässt den Arm noch rundlicher aussehen, dachte sie zum wiederholten Mal. Ein teurer Fehlkauf. Positiv gesehen, war die Uhr mehrmals am Tag eine Erinnerung daran, dass sie ein paar Pfund abnehmen wollte. Oder jedenfalls nicht mehr zunehmen. Eine gepflegte Molligkeit kam durchaus bei den Kundinnen ihrer Kosmetiksalons an, doch es musste im Rahmen bleiben. Sie nippte am Tee, der ihr ohne Zucker nicht wirklich schmeckte. Und Süßstoff war nicht das Gleiche, führte außerdem aus irgendwelchen Gründen langfristig ebenfalls zur Gewichtszunahme, wie man herausgefunden hatte. Na, vielleicht einen halben Löffel Zucker, zur Feier des Tages quasi, anlässlich der Heimkehr Fionas. Die war nach der überschwänglichen Begrüßung verschwunden, um sich »die Nase pudern zu gehen«, und noch nicht wieder aufgetaucht. So allmählich könnten auch Zoe und Tessa eintreffen. Seit mehr als zwanzig Minuten saß sie schon hier und wartete. Die Fahrt von Manchester war schneller gegangen als erwartet.

Das dezent dahinplätschernden Geplauder und das Aneinanderklingen von Geschirr und Besteck stockten. Die beinahe atemlose Pause ließ Gemma aufblicken. Zoe stand am Eingang des Cafés und sah sich suchend um. Ein Auftritt, ganz ohne ihr Zutun. Wie immer. Ein Blick auf die weiblich kurvige und trotzdem schlanke und elegante Erscheinung der Freundin, und Gemma legte den silbernen Löffel zurück in die Zuckerschale. Sie hob den Arm und winkte. Zoes Gesicht strahlte auf.

Von bewundernden Blicken begleitet, schritt sie durch den Raum, der Nische entgegen, in der Gemma saß. Ich darf nicht vergessen, Zoe zu fragen, welches Rouge sie aufgetragen hat, nahm sie sich vor. Wie der Abglanz eines Feuerscheins lag es auf der dunklen Haut und betonte die Wangenknochen. Vielleicht wäre die Marke etwas für manche ihrer Kundinnen.

»Gemma, Chérie.« Zoe küsste die Luft neben Gemmas Wangen, stellte die Handtasche auf den Boden und zog die kurze schwarze Leinenjacke aus, die mit dem bordeauxroten Etuikleid ein Ensemble bildete.

»Zoe, ist das etwa Dior?«

»Nein, ein junger belgischer Designer, der gerade im Kommen ist. Wenn du das nächste Mal nach Paris kommst, stelle ich ihn dir vor. – Und ich bin einmal nicht die Letzte, wie schön. Der Flug war auch überpünktlich. Rückenwind, behauptete der Pilot.«

»Wir warten nur noch auf Tessa. Fiona ist im Waschraum. Sie konnte es nicht erwarten, den zu besichtigen. Sie hoffte auf Blümchentapete und Lavendelseife. Ah, da kommt auch Tessa. Wie immer viel zu dünn. Ich finde ja, in unserem Alter ist das nicht mehr –«

»Sie ist grazil gebaut. Wenn sie ihre Kleidung nicht immer eine Nummer zu groß kaufen würde, wäre …«

»Und alles in Nude! Bei ihrer blassen Haut. Unscheinbarer geht’s wirklich nicht. – Tessa, ich sage gerade zu Zoe, du brauchst mehr Farbe.«

»Hallo, ihr beiden.« Tessa legte ihre Popelinjacke über die Stuhllehne, verteilte Wangenküsse und setzte sich. »Ich habe es nicht mehr nach Hause geschafft, sonst hätte ich mich mit Lippenstift und Schal für euch aufgehübscht. Fiona ist noch nicht da?«

Von hinten legten sich nach Lavendel duftende Hände über ihre Augen. »Doch, ich bin auch schon da, Darling. Du bist diesmal die Letzte.« Tessa stand auf und umarmte die braun gebrannte Freundin.

Fiona rief: »Und Zoe – elegant wie immer! So schön, dich zu sehen. Jedes Mal, wenn Naomi Campbell im Fernsehen oder in einer Klatschzeitung auftaucht, sage ich: ›Meine Freundin Zoe könnte ihre jüngere Schwester sein.‹«

Zoe lachte. »Bitte beachte meinen neuen Haarstil.«

»Sieht fantastisch aus.«

»Doch, muss man sagen: Das kurze krause Haar steht dir gut«, meinte Gemma, »du hast die perfekte Kopfform dafür. War mir gleich aufgefallen, dass du die Haare nicht mehr relaxt.«

»Ja, damit habe schon vor einer ganzen Weile aufgehört. Eine Befreiung. In mehr als einer Hinsicht.« Sie grinste. »Ich bin jetzt ein ›Nappy Girl‹. Kommt davon, wenn man eine politisch gesinnte Stieftochter hat.«

»Nappy Girl?«, fragte Fiona.

»So nennt man in Frankreich Frauen afrikanischer Abstammung, die ihr Afro-Haar nicht mehr chemisch relaxen«, erklärte Gemma. »Ich habe mehrere Kundinnen in den Salons, die ihre Haare wieder natural tragen.«

Zoe nickte. »›Nappy‹ ist angeblich zusammengesetzt aus ›natural‹ und ›happy‹. Laura sieht es als eine Frage des Selbstbewusstseins, von Stolz auf die eigene Herkunft. Sie ließ nicht locker, bis ich es ihr nachtat. Inzwischen bin ich froh darüber.«

»Wie geht’s Laura?«, fragte Fiona.

»Modelt sie noch?«, wollte Gemma wissen.

»Nein, das hat sie nur während ihres Studiums getan.«

»Wie du damals.«

Zoe nickte. »Mit dem Unterschied, dass ich meinen Lebensunterhalt und die Studiengebühren davon bestritten habe. Laura machte es aus Spaß und um ihr Taschengeld aufzubessern. Aber jetzt ist sie in Tansania. Sie wollte nach ihrer Sozialarbeit in den Vorstädten eine Auszeit nehmen. Um ihre afrikanischen Wurzeln zu entdecken. Jean-Pierres Eltern sind ja aus Tansania.«

»Wird Laura bald aus Afrika zurückkommen?«, fragte Tessa.

Zoe zuckte mit den Schultern. »Seit ein paar Monaten arbeitet sie für ein Hilfsprojekt in Singida. Sehr engagiert, wie sie so ist. Daher wird sie wohl noch eine Weile dort bleiben.«

»Och«, rief Fiona, »so weit weg! Ich fürchte mich heute schon vor dem Gedanken, meine Kinder könnten zum Studium rüber nach Melbourne wollen. Dabei sind sie ja noch recht klein.« Sie nahm die Menükarte für Afternoon Tea in die Hand. »Liest sich alles köstlich. Ein Tea-Room wie aus meinen Träumen. Hast du wieder schön ausgesucht, Tessa. Im Waschraum hängt sogar eine Rosentapete von Cath Kidston, und es gibt Lavendelseife von Yardley. Die habe ich zu Hause zwar auch, aber hier riecht sie irgendwie anders.« Sie schnupperte an ihrem Handrücken.

»Ladys, sind Sie bereit zu bestellen?« Die junge Bedienung in schwarzem Kleid, weißer Schürze und passendem Häubchen wäre auch in Downton Abbey nicht fehl am Platze gewesen. Abgesehen, dachte Tessa, von dem Totenkopf-Tattoo, das kurz zu sehen war, als der Kleiderärmel etwas hochrutschte.

»Ja, bitte, wir sind so weit.« Fiona strahlte. »Bringen Sie uns das volle Programm. Was meint Ihr, Mädels?« Sie wartete die Antworten nicht ab und bestellte Scones mit Clotted Cream und diversen Konfitüren, Crumpets, Lardy Cake und verschiedene Sandwiches. »Dazu Tee für drei und eine Kanne Earl Grey, danke. – Du siehst, Zoe, ich habe deine Abneigung gegen die ›braune Brühe‹ nicht vergessen. Ich weiß noch, wie du Miss Morrow damit schockiert hast, als du neu in der Schule warst und dich geweigert hast, schwarzen Tee zu trinken.«

Vergnügt verfiel Fiona in Erinnerungen an die gemeinsame Schulzeit in Bath und an die College-Jahre in Oxford. Es war bei jedem Treffen ähnlich. Sie tauchte in die Vergangenheit wie in ein Bad, erzählte von Schulerlebnissen, an die sich die anderen kaum erinnerten. Von Minute zu Minute wurde ihr in vielen Ehejahren erworbener tasmanischer Akzent schwächer, und sie wurden alle vier wieder etwas vertrauter miteinander. Vorübergehend, wusste Tessa. Denn außerhalb dieser Treffen gab es sie als Gruppe nicht.

Einzig Gemma und Zoe trafen einander ein, zwei Mal im Jahr, wenn Gemma zu einer Kosmetik-Messe nach Paris flog und Zoe, die viel beschäftigte Finanzberaterin, sich Zeit für ein Treffen nehmen konnte.

Tessa widmete sich ihrem Scone – die Himbeermarmelade schmeckte wie frisch vom Strauch gepflückt – und lauschte der Plauderei der drei, nickte mal zustimmend, lächelte. Sie überlegte, ob Gemmas rechtes Lid schon vor drei Jahren etwas asymmetrisch nach oben gestanden hatte, entschied, dass nicht, und zog den Schluss, dass dafür wohl ein Lid-Lifting verantwortlich war – gerade als Gemma sagte: »… unters Messer würde ich mich aber nie legen, nicht für eine kosmetische Operation.«

Tessas und Zoes Blicke trafen sich kurz. Zoes Mundwinkel zuckte minimal.

Tessa gab einen Klecks der dicken Sahne auf die andere Hälfte des Scones, hörte mit einem Ohr weiter zu. Das Café war bis auf den letzten Platz besetzt. Sie ließ den Blick schweifen, versuchte die Beziehung zu erraten, die Tischnachbarinnen zueinander hatten. Mutter und Tochter. Freundinnen. Bloße Bekannte. Oma und Enkelin. Ein junges Liebespaar, das Italienisch miteinander sprach.

Gemma versuchte auf ihre hartnäckige Art, Fiona zu überreden, ihrer sonnengebräunten Haut Cremes von Gemmas Hausmarke für Gesicht, Hals und Hände zu gönnen. »Andernfalls, in ein paar Jahren, selbst als Brünette …«

»Ich weiß, Gemma. Ich trage im Sommer zwar einen Hut, wenn ich zu den Schafen gehe, und schmiere mein Gesicht vorher ein, aber die Sonne erwischt mich trotzdem.« Fiona lachte unbekümmert. »Mein Mann liebt meine Lachfalten.« Ihre Serviette rutschte zu Boden. Fiona hob sie auf und entdeckte die Seifenschachtel, die aus Tessas Handtasche ragte. »Ich wasche mich in Tasmanien mit englischer Seife, und du kaufst in England französische? Ist ja witzig.«

»Die Schachtel ist leer.«

»Oh!« Fiona legte ihre Hände gegeneinander. »Eine deiner berühmten Schachteln, ja? Woher nimmt sie nur die Ideen?, denke ich immer.«

»Berühmte Schachteln?«, wiederholte Gemma und sah Tessa fragend an.

»Fiona übertreibt.«

»Tue ich nicht. Es sind doch bezaubernde Päckchen, die sie schickt. Oh – euch nicht?«

»Mir nicht.« Gemma lächelte säuerlich.

»Care-Pakete in die Antipoden?«, fragte Zoe amüsiert.