Dark Wings - Kat Reid - E-Book

Dark Wings E-Book

Kat Reid

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Beschreibung

Fio weiß, dass sie besser die Finger von dem heißen Typen lassen sollte, den sie auf ihrem Heimweg in der U-Bahn kennenlernt. Als er jedoch wenig später ihr Leben vor zwei Angreifern rettet und sie im Gegenzug um ein Date bittet, kann sie ihrem Retter den Wunsch nicht ausschlagen. Sie ahnt nicht, dass Zac sie nur als Mittel zum Zweck sieht – und dass ihre Vergangenheit ein düsteres Geheimnis birgt, das sie nur mit seiner Hilfe aufdecken kann. Denn die Attacke war kein Zufall, und nicht nur Fios Leben, sondern auch ihre Seele ist in Gefahr …

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Veröffentlichungsjahr: 2017

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Die AutorinKat Reid heißt im echten Leben Katharina Mittmann und wurde 1989 in München geboren, wo sie bis heute lebt. Wenn sie nicht gerade Superheldin spielt und die Welt rettet oder ihren Protagonisten das Herz zerfetzt, studiert sie Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt Literatur. Mal mehr oder mal weniger motiviert, je nachdem, wie dringend sie gerade Herzen brechen muss. Seit 2015 ist sie im Team der Schreibnacht tätig und betreut dort unter anderem die Schreibwerkstatt. Neben dem Schreiben sind ihre zwei Pferde ihre größte Leidenschaft.

Das Buch

Fio weiß, dass sie besser die Finger von dem heißen Typen lassen sollte, den sie auf ihrem Heimweg in der U-Bahn kennenlernt. Als er jedoch wenig später ihr Leben vor zwei Angreifern rettet und sie im Gegenzug um ein Date bittet, kann sie ihrem Retter den Wunsch nicht ausschlagen. Sie ahnt nicht, dass Zac sie nur als Mittel zum Zweck sieht – und dass ihre Vergangenheit ein düsteres Geheimnis birgt, das sie nur mit seiner Hilfe aufdecken kann. Denn die Attacke war kein Zufall, und nicht nur Fios Leben, sondern auch ihre Seele ist in Gefahr …

Kat Reid

Dark Wings

Zwischen Licht und Schatten

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Mai 2017 (1)  © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © Sebastian Muxeneder  ISBN 978-3-95818-185-4  Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Kapitel 1

Das Telefon schrillte unablässig, die Katze stiftete Verwüstung in der kleinen Wohnung und brachte Fios Sachen durcheinander. Auf der Fußmatte, unter dem Briefkastenschlitz, türmten sich Rechnungen und Mahnungen, die sich zu dem unbeantworteten Papierchaos auf ihrem Couchtisch gesellen würden. Abermals läutete das Telefon, und Fio stürzte aus dem Badezimmer, um abzunehmen.

»Winkler«, meldete sie sich.

»Fiona! Endlich erreiche ich dich.«

»Hallo, Mama.« Lediglich in ihr Handtuch gewickelt, ließ Fiona sich auf ihren Lieblingssessel sinken. »Wie geht’s dir?«

»Ich habe mir Sorgen gemacht«, ertönte die vorwurfsvolle Stimme ihrer Mutter Irene am anderen Ende der Leitung. »Ich habe mehrmals angerufen, aber du bist nie rangegangen.«

Für Irene war das ein Indiz dafür, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.

Fio rollte mit den Augen. So sehr sie ihre Mutter liebte, dass diese so überfürsorglich war, nervte sie. Andererseits war es kein Wunder, es gab nur sie beide.

»Ich war unter der Dusche, Mama. Da telefoniert es sich so schlecht.«

»Ach so. Wie geht es dir, mein Schatz? Alles in Ordnung? Wie läuft das Geschäft?«

Fio schielte durch die offene Küchentür zu ihrem Esstisch, den sie zur Schmuckschmiede umfunktioniert hatte, und auf dem sich Halsketten, Armbänder, Ohrringe und vieles mehr stapelten, ohne einen Abnehmer zu finden. Der Traum, sich nach ihrer Ausbildung als Gold- und Silberschmiedin selbständig zu machen, entpuppte sich immer mehr als Alptraum. Das würde sie allerdings nicht zugeben. Nicht nachdem sie trotz Abitur und abgeschlossenem Sozialpädagogikstudium unbedingt noch diese Lehre hatte absolvieren wollen.

»Ganz gut«, log sie und wickelte sich eine rotblonde Strähne um den Zeigefinger. »Es kommt langsam ins Rollen.«

»Toll, also musst du nicht mehr in dieser furchtbaren Bar arbeiten?«

Diese furchtbare Bar war so furchtbar gar nicht und der einzige Grund, weshalb Fio ihre Miete zahlen konnte.

»Doch, noch ein bisschen. Damit ich eine finanzielle Absicherung habe, bis das mit dem Schmuck so richtig gut läuft.«

»Aber hast du nicht gerade gesagt, dass es gut läuft?«

»Ja, tut es ja auch«, erwiderte Fio hastig. »Nur für den Fall, dass das Geschäft mal einbricht, solange ich noch keine konstanten Einnahmen habe.«

»Dann kannst du mich ja bald mal besuchen kommen, oder?« Irene klang hoffnungsvoll. »Du warst schon so lange nicht mehr hier draußen, und so weit ist es wirklich nicht.«

Von München bis an den Tegernsee, wo Irene lebte, war tatsächlich keine Weltreise, und Fio hätte sie liebend gerne besucht, bloß hatte sie keine Zeit. Wenn sie frei hatte, versuchte sie, so viel Schlaf wie möglich nachzuholen, der bei ihren vielen Abend- und Nachtschichten generell zu kurz kam.

»Ich schau mal, wann ich es einrichten kann, okay?«, sagte Fio.

»In Ordnung. Dann koch ich dir was Schönes. Was hättest du denn gerne?«

»Hm, weiß nicht.«

Fio zuckte zusammen, als ihre schwarze Katze Onyx auf ihren Schoß sprang und sich dort zusammenrollte. Während sie den Erzählungen ihrer Mutter lauschte, kraulte sie Onyx hinter den Ohren. Die Katze schnurrte und ihr ganzer Körper vibrierte dabei.

Irene versprach ihr, dass sie hausgemachte Lasagne und Zitronenkuchen machen würde, sobald Fio zu Besuch kam. Dann erzählte sie ihr, dass die Katze der Nachbarin überfahren worden war, woraufhin Fio Onyx fest an sich drückte, und wie groß die Kälbchen auf der gegenüberliegenden Kuhweide geworden waren. Heimweh kroch über Fios Rücken und nistete sich in ihrer Brust ein. Nicht wegen der Kälbchen auf der Weide oder den Kuhglocken, die sie um den Hals trugen und deren Bimmeln Fio als Kind oft abends in den Schlaf gesungen und morgens geweckt hatte. Auch nicht wegen des Sees und der Wiesen und Wälder, die sich um diese Jahreszeit rotgold färbten. Und der Klatsch und Tratsch, der unweigerlich in so einem kleinen Dorf kursierte, fehlte ihr erst recht nicht.

Fio vermisste ihre Mutter, vermisste Geborgenheit und Wärme. Sie hatte die Einsamkeit und Anonymität der Großstadt satt. Obwohl es natürlich nicht an der Stadt lag, dass sie sich oft alleine fühlte, das wusste sie.

Als sie auf die Wanduhr schielte, die über ihrem Esstisch hing, erschrak sie.

»Mama, ich muss los«, unterbrach sie Irenes Redefluss darüber, dass sie sich eine E-Mail-Adresse zugelegt hatte. »Es tut mir leid, aber ich bin spät dran. Ich muss in einer Stunde im Alternativ sein und sitz hier noch im Handtuch rum.«

»In Ordnung, mein Schatz«, sagte Irene. »Gib mir Bescheid, wann du kommst, ja?«

»Ja, mach ich«, erwiderte Fio. »Ach, und Mama?«

»Ja?«

»Ich hab dich lieb.«

»Ich dich auch, mein Schatz.«

Nachdem Fio aufgelegt hatte, schubste sie Onyx von ihrem Schoß, erntete dafür ein empörtes Fauchen, und eilte durch ihr Appartment, um pünktlich zur Arbeit zu kommen.

Eine knappe Stunde später kam sie abgehetzt im Alternativ an und schmiss ihre Umhängetasche hinter die Bar. In dem alten Kellergewölbe, dessen Decken von grob gehauenen weißen Säulen gestützt wurden, waren nur sehr wenige Gäste. Die Lichter waren noch nicht gedimmt und die Musik noch leise. Das würde sich in kürzester Zeit ändern.

»Hey, Fio«, sagte Manu, der Barkeeper und bei der Arbeit so etwas wie ein Freund für Fio war. Er drückte ihr ein Küsschen auf die Wange. »Was ist denn los? Du siehst gestresst aus.«

»Mütter und öffentliche Verkehrsmittel«, antwortete Fio, während sie ihre Schürze und ihren Kellnergeldbeutel anzog. »Noch Fragen?«

»Nein, alle Klarheiten beseitigt.« Er grinste und strich sich die braunen Haare aus dem Gesicht. »Bereit für heute? Wir haben zwei Reservierungen mit jeweils über 20 Personen, die trinken und essen wollen. Ach, und Alex ist erkältet, Tessa springt ein. Sie kommt aber erst in einer halben Stunde.«

Fio stieß genervt die Luft aus. Alex war eine neue Servicekraft und ein Prinzesschen auf der Erbse, das zwar den männlichen Gästen schöne Augen machen und dementsprechend Trinkgeld einfahren konnte, jedoch weder besonders belastungsfähig noch zuverlässig war.

»In Ordnung«, sagte sie. »Bist du heute alleine an der Bar?«

»An einem Freitag? Sehe ich für dich lebensmüde aus?« Manu schüttelte den Kopf. »Ne, David ist auch da. Der ist gerade im Keller, Bierfässer wechseln. Den Damen aus der Tagschicht ist das zu schwer.«

Fio lachte und boxte Manu gegen den Oberarm. »Tja, kann ja nicht jeder so muskelgestählt sein wie du. Ich geh mal die Kerzen anzünden, bevor wir Schichtübergabe machen.«

Wenig später dröhnten harte Hip-Hop-Beats aus den Lautsprechern, die Bässe wummerten und die Luft war stickig und vibrierte. In der kleinen Bar wimmelte es nur so vor Menschen, und Fio hatte Mühe, sich mit ihrem Tablett und den Tellern durch die Menge zu schlängeln. Ihre Füße klebten bei jedem Schritt am Boden fest, der Geruch nach exotischen, zuckrigen Cocktails und Alkohol waberte durch den Raum und überdeckte den Schweißgestank. An den Stehtischen, dem Tresen und jedem freien Durchgang dazwischen wippten die Feierwütigen zum Takt der Musik, an den Sitztischen saßen größere Gruppen und genossen mexikanisches Essen. Hinter der Bar und in der Küche herrschte Hochbetrieb. Das Personal rotierte, um alle Gäste zufriedenzustellen und die Bestellungen abzuarbeiten, die schneller hereinkamen, als man sie umsetzen konnte.

Der Black Friday boomte und zauberte den Laden jede Woche brechend voll – gut für Fios Geldbeutel, schlecht für ihre Nerven und noch schlechter für ihr Schlafpensum. Dafür wiederum war es gut für ihren Unterhaltungsfaktor. Trotz der vielen verschwitzten Körper, der schwülen Luft und den ganzen Betrunkenen, machte ihr die Arbeit Spaß. Sie ließ sich treiben in dem Fluss der Feiernden, schwamm mit ihnen mit und gehörte zwar nicht mit dazu, aber konnte sich einreden, in diesem Moment nicht alleine zu sein.

Gegen drei Uhr nachts verabschiedeten sich die letzten Gäste und schwärmten in die benachbarten Clubs oder in ihre Betten. Als Manu das Licht andrehte, musste Fio blinzeln, bis sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnten.

»So, wer von euch putzt jetzt meine Bar?«, fragte Manu und grinste.

Tessa zeigte ihm den Vogel. »Vergiss es. Aber du kannst gerne meinen Servicebereich putzen.«

»Nein, kann er nicht«, warf Fio ein. »Er putzt meinen.«

Manu lachte. »Keine Chance! Ich finde, David hat den Abend über noch nicht genug geschwitzt. Er kann ja Bar und Servicebereich machen.«

»Klingt super«, sagte Fio.

»Ihr könnt mich mal«, grummelte David und schleppte eine Kiste Leergut in Richtung der Treppen. »Ich geh auffüllen, während ihr den Putzlappen schwingt.«

»Spielverderber«, seufzte Manu. »Dann lasst uns mal loslegen. Ich will heute noch hier raus.«

Eineinhalb Stunden später war alles blitzblank sauber und wartete nur darauf, von der Tagschicht in Betrieb genommen zu werden. Zusammen mit Tessa lief Fio zur U-Bahn-Station. Es war noch dunkel und Nebel waberte in Fetzen über den Boden. Feuchte Kälte kroch durch Fios Kleidung, und sie fröstelte. Der Herbst war da und hatte den Sommer abgelöst, eindeutig.

Fio verpasste ihre U-Bahn knapp, und da Tessa in einem anderen Stadtteil wohnte und ihr Zug keine zwei Minuten später einfuhr, musste Fio alleine warten. Eine geschlagene Viertelstunde. Dabei war sie so müde. Ihre Augen brannten und sie gähnte unkontrolliert. Als Ablenkungsmaßnahme fummelte sie ihren iPod aus ihrer Jackentasche und steckte sich die Stöpsel in die Ohren. Musik an, Realität aus.

Third Eye Blind dröhnte aus ihren Kopfhörern und vertrieb die Müdigkeit ein bisschen. Aus Langeweile sah sie sich um. Außer ihr waren nur wenig andere um diese Uhrzeit in der U-Bahn-Station. Ein paar Partygänger, vermutlich Studenten und jünger als Fio, ein Obdachloser mit einem Hund, der aussah wie ein Beagle, aber wahrscheinlich keiner war, und ein hünenhafter Mann in einem bodenlangen schwarzen Mantel. Fios Blick blieb an ihm hängen – so wie jedes Augenpaar in der U-Bahn-Station an ihm zu kleben schien. So einen Mann hatte sie noch nie gesehen. Zumindest nicht live und in Farbe und außerhalb der Kinoleinwand oder irgendwelcher Lifestylemagazine.

Abgesehen davon, dass er riesig war, ein breites Kreuz und noch breitere Schultern hatte, war er auffallend gutaussehend. Seine blonden Haare waren militärisch kurz geschnitten und betonten seine geradlinigen Züge. Hohe Wangenknochen prägten sein Gesicht genauso wie seine markante Kinnpartie. Seine Augenfarbe konnte sie auf die Entfernung nicht erkennen, auf jeden Fall waren sie hell. Alles in allem war das ein Mann, von dem Fio sich besser fernhalten sollte.

***

Wenn diese Frau ihn weiter so angaffte, würde Zac sie fragen, ob er es ihr gleich hier besorgen oder lieber mit zu ihr gehen sollte. Es war offensichtlich, dass sie ihn begehrte. Seit sie in die U-Bahn eingestiegen waren und sie in dem Sitzabteil saß, an dessen Abtrennung er lehnte, beobachtete sie ihn auffällig unauffällig. Das war Zac bereits an der Station aufgefallen, er war es gewöhnt, angestarrt zu werden. Er schien eine starke Faszination auszustrahlen und sehr anziehend auf Frauen zu wirken. Und er hatte gelernt, das für sich zu nutzen. Wenn er schon an dieses Leben gekettet war, wollte er zumindest die Vorzüge auskosten. Von denen gab es nicht besonders viele, die meiste Zeit waren sie ihm zuwider. Aber Sex genoss er. Genauso wie gutes Essen und Trinken.

Die Frau beobachtete ihn noch immer, das sah er aus dem Augenwinkel. Er drehte den Kopf und starrte zurück. Auf den ersten Blick wirkte sie durchschnittlich. Ihre Größe, ihr Aussehen, ihre Statur – alles Durchschnitt. Passend dazu trug sie eine durchschnittliche Jeans mit durchschnittlichen Converse-Chucks und einer durchschnittlichen Lederjacke.

Mangels Alternativen betrachtete Zac sie genauer. Da sie saß, war ihre Größe schwer einzuschätzen, aber sie war klein, verdammt klein sogar. Und sie war zierlich, nicht nur verglichen mit ihm. Aus ihrem unordentlichen Pferdeschwanz fielen ein paar rotblonde, gewellte Strähnen heraus. Ihre Gesichtszüge waren feingliedrig und nahezu perfekt symmetrisch. Auf ihrer Stupsnase und ihren Wangen tummelten sich Sommersprossen und brachten Abwechslung in ihre sonst so blasse Haut. Ihre Augen allerdings waren außergewöhnlich. Sie waren bernsteinfarben, wie flüssiger Honig, so eine Augenfarbe war ihm bisher kaum untergekommen, und er hatte schon wirklich viel gesehen. Obwohl diese Frau alles, aber keine klassische Schönheit war, auf den zweiten Blick war sie hübsch. Und für eine kleine Unterbrechung seiner eintönigen Langeweile reichte es allemal.

Just in diesem Moment begann sie, den Boden anzustarren und auf ihrer Unterlippe zu kauen. Nicht aufreizend, sondern als würde sie sich unwohl fühlen.

»Macht das Spaß?«, fragte Zac und lehnte sich lässig gegen die Wagontür.

Ihr Blick schnellte zu ihm. »Was?«

»Deine Lippe zu malträtieren«, erwiderte er und grinste. »Ist doch schade drum.«

»Mag sein.« Sie runzelte die Stirn. »Wieso interessiert dich das?«

»Wieso nicht?«

»Weil es fünf Uhr morgens ist, du wahrscheinlich gerade aus irgendeinem Club oder von einem Date kommst und dir so was dementsprechend nicht auffallen sollte.«

»Interessante Theorie«, sagte er. »Stimmt aber nur zur Hälfte, eigentlich nur zu einem Drittel.«

»Das heißt?« Sie zwirbelte eine rotblonde Strähne zwischen den Fingern. Vielleicht war sie nervös. Wegen ihm. Der Gedanke bereitete Zac Vergnügen.

»Ich komme aus einem Club, aber nicht, weil ich aus war, sondern weil ich gearbeitet habe«, sagte er, bemüht um einen gelassenen Tonfall. »Und ein Date lässt sich mit meinem Job zwar vereinbaren, aber heute war ich den ganzen Abend allein.«

Als Türsteher etwas mit einer Frau anzufangen, die den Club besuchte, in dem man arbeitete, brachte auf Dauer nur Ärger. Vor allem, wenn man wechselnde Bettbekanntschaften pflegte.

»Aha.« Sie legte den Kopf schief und zog die Brauen zusammen. »Was machst du denn?«

Er verstand sie absichtlich falsch. »Gerade? Tja, gerade versuche ich, mich mit dir zu unterhalten, aber du kommst mir nicht besonders entgegen.«

»Das meinte ich nicht«, entgegnete sie augenrollend. »Ich wollte wissen, was du beruflich machst – was ja zeigt, dass ich mich sehr wohl mit dir unterhalte. Und übrigens weiß ich, dass du mich schon beim ersten Mal ganz genau verstanden hast.«

Scheinbar war die durchschnittliche Schönheit eine überdurchschnittliche Zicke. Darauf hatte Zac keine Lust. Ein Glück, dass die U-Bahn gerade an der Station einfuhr, an der er raus musste.

»Das mit dem Unterhalten solltest du aber noch üben«, sagte er und zog an dem Hebel, um die Tür zu öffnen. »Mach's gut.«

Zwar registrierte er, dass sie auch ausstieg, doch er schenkte ihr keine Beachtung. Mehr als fünf Minuten seiner Zeit war diese Frau nicht wert.

Als er am Ende der Rolltreppe draußen ankam, blieb er stehen, zog eine Schachtel Zigaretten aus seiner Manteltasche und suchte nach seinem Feuerzeug. Es war noch komplett dunkel und nicht einmal ein Hauch am Nachthimmel ließ erahnen, dass der Tag in Kürze anbrechen würde. Wenn er daran dachte, dass ihm bald die kälteste und dunkelste aller Jahreszeiten bevorstand, musste er ein Schaudern unterdrücken. Wenn es das nächste Mal an der Zeit war, weiterzuziehen, würde er ein wärmeres Land wählen. Spanien oder so.

Zuletzt hatte er fünf Jahre in Dublin gelebt. Abgesehen vom Wetter war das in Ordnung gewesen, doch er riskierte es selten, zu lange am selben Ort zu bleiben. Seit knapp neun Monaten hielt er sich nun in München auf. Und na ja, es war okay, mehr aber nicht.

Zac inhalierte den Rauch tief und machte sich auf den Weg zu seiner Wohnung. Als er von der Hauptstraße auf einen Supermarktparkplatz abbog, schnippte er die abgebrannte Kippe weg. Es war eine Abkürzung, die er immer benutzte. Hinten, an der Lagerhalle, wurden gerade Kisten aus einem LKW geladen und Licht fiel in einem breiten Streifen auf den Asphalt. Als er sich von der Lichtquelle entfernte, verschluckte ihn die Dunkelheit erneut. Zac runzelte die Stirn. Er war fast am Ende des Geländes des Supermarkts angekommen, und eigentlich konnte man von hier aus schon die Straßenlaternen der kleinen Seitenstraße sehen, durch die er immer ging. Nur heute nicht. Selbst aus der Entfernung erkannte er, dass keine einzige Laterne leuchtete. Dafür lag eine elektrische Spannung in der Luft, streckte ihre Tentakeln nach Zac aus und hüllte ihn ein. Jede Muskelfaser seines Körpers spannte sich an und seine Sinne schärften sich. Er beschleunigte seine Schritte, bis er den restlichen Parkplatz joggend überquerte. Kaum, dass er in die Seitenstraße gebogen war, prallte er gegen eine Wand aus Dunkelheit – eine Dunkelheit, die man nicht sehen, aber fühlen konnte.

Inmitten dieser Dunkelheit, nur wenige Meter von Zac entfernt, griffen zwei Männer eine Frau an und wollten sie mit sich schleifen. Sie wehrte sich mit Händen und Füßen, schlug um sich und schrie.

»Lasst mich los! Hilfe! Hilfe!«

Keine Menschenseele hörte sie, nur Zac.

Kapitel 2

Autsch!

Fios Schädel dröhnte und ihr rechtes Jochbein pochte im Takt ihres Herzschlags. Ihre linke Seite stach bei jedem Atemzug. Mist. Sie öffnete die Augen und blinzelte, konnte aber nichts erkennen. Die Welt um sie herum nahm keine klaren Konturen an. Vorsichtig tastete sie über ihr Gesicht, das sich erstaunlich heil anfühlte, gemessen an den Schmerzen in ihrem Wangenknochen. Weshalb hatte sie überhaupt Schmerzen?

Mit einem Paukenschlag setzte die Erinnerung wieder ein.

Der Überfall! Die zwei Kerle! Die Schläge!

Ruckartig richtete sie sich auf, woraufhin ihr schwindlig und schwarz vor Augen wurde. Sie stöhnte und hielt sich die Stirn.

»Ich würd’s nochmal langsamer versuchen«, ertönte eine tiefe, eindeutig männliche Stimme, die ihr vage bekannt vorkam. »Sonst haut’s dich gleich wieder um.«

Die Welt verschwamm erneut vor Fios Augen, als sie den Kopf in die Richtung drehte, aus der die Stimme kam. Alles, was sie sehen konnte, war eine riesige, schemenhafte Gestalt, die neben ihr hockte. Panik kroch über ihren Rücken, legte sich um ihre Kehle und ließ ihr Herz gegen ihren Brustkorb trommeln. Blindlings krabbelte sie rückwärts, weg von dem Mann. Doch ihre Flucht endete vorschnell, als sie mit dem Ellbogen gegen etwas Hartes stieß – vermutlich eine Hauswand – und einknickte.

»Hey, langsam«, sagte er. »Du tust dir noch weh.«

»Geh weg!«, fauchte sie. »Lass mich in Ruhe.«

»Ich hätte schon ein bisschen mehr Dankbarkeit erwartet«, erwiderte er. »Oder behandelst du so deinen Retter? Wenn ja, hättest du vielleicht gar keine Hilfe gebraucht.«

»Hä?« In Fios Kopf ergaben seine Worte keinen Sinn. Das Einzige, was sie verstand, war, dass von ihm keine Gefahr auszugehen schien. Fürs Erste.

Sie hörte ihn seufzen. »Wenn du schon so kratzbürstig zu Leuten bist, die dir nur helfen wollen, möchte ich nicht wissen, wie du zu jemandem bist, der dir Böses will. Vielleicht wärst du gut allein klargekommen.«

»Wohl kaum.« Ihre Augen nahmen ihre Arbeit wieder vollständig auf und sie zog die Brauen zusammen. Der Mann, der neben ihr auf dem Gehsteig kniete, war das Model aus der U-Bahn, der arrogante Typ, der sie angesprochen und dann stehengelassen hatte.

Fantastisch. Es war ja nicht schlimm genug, dass sie überfallen worden war, nein, sie musste auch noch von Mister Perfekt gerettet werden.

»Wo sind sie hin?«, fragte sie, nach wie vor etwas benommen.

»Die Arschlöcher, die dir dieses hübsche Veilchen verpasst haben?«

Sie nickte.

»Weg. Und sie kommen auch nicht wieder.« Er legte den Kopf schief und musterte sie. »Tut dir was weh?«

Hallo? Was war das denn für eine Frage? Sie war von zwei Kerlen angegriffen und k.o. geschlagen worden.

»Nur mein Gesicht und meine Rippen ein bisschen«, sagte sie. »Nicht weiter tragisch.«

»Gut, kannst du aufstehen?«

»Ja, ich denke schon.« Tatsächlich gelang es ihr, sich hochzustemmen und auf die Beine zu kommen. Zwar zitterten ihre Knie und der Erdboden schien unter ihren Füßen zu schwanken, aber sie stand.

»Wo wohnst du?«, fragte der blonde Kerl.

Fio runzelte die Stirn, ihre lädierte Gesichtshälfte protestierte. »Wieso interessiert dich das?«

»Glaubst du, ich lass dich hier allein rumlaufen, nachdem ich dich vor diesen Wichsern gerettet habe?« Er schnaubte. »Das kannst du vergessen. Deswegen bring ich dich nach Hause. Also, wo wohnst du?«

Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass ihn das gar nichts anging, aber das wäre ihr undankbar erschienen.

»Ich kenn dich doch gar nicht«, sagte sie lahm. »Ich weiß noch nicht mal, wie du heißt.«

»Zac.«

»Was?«

Ein Grinsen zupfte an seinem Mundwinkel. »Das ist mein Name. Na ja, eigentlich heiße ich Zacharias, aber das ist ein wenig umständlich. Und du?«

»Fio.«

»Fio? Das ist ein komischer Name. Ist das auch 'ne Abkürzung?«

»Ja, von Fiona.«

»Fiona klingt schön«, sagte er. »Also, Fiona, wo wohnst du?«

»Du musst mich wirklich nicht nach Hause bringen«, sagte sie und straffte die Schultern. »Ich schaff das auch allein.«

»Mir egal«, sagte Zac. »Ich bestehe darauf, dich nach Hause zu begleiten.«

Irgendetwas an seinem eindringlichen Blick und seiner Tonlage verriet Fio, dass Widerrede zwecklos war.

Sie gab sich geschlagen und setzte sich in Bewegung. »Ist nicht weit.«

Den ganzen Weg über schwiegen sie. Fio fühlte sich unwohl in ihrer Haut. Nicht nur, dass sie angegriffen worden war und erwartete, jeden Moment einen hysterischen Heulkrampf zu erleiden, nein, sie nahm auch noch einen Kerl mit nach Hause, von dem sie sich fernhalten sollte. Immerhin hatte er zwei kräftige Männer alleine in die Flucht geschlagen. Vielleicht war er genauso gefährlich wie die Typen, die sie überfallen hatten. Und selbst wenn nicht … für sein Aussehen brauchte er definitiv einen Waffenschein. Schlechte Voraussetzungen.

Der Himmel verfärbte sich und wurde langsam heller, doch die Nebelschwaden verzogen sich nicht. Sie waberten in dicken Wolken über die Wiese und schlängelten sich um die Sträucher in dem kleinen Park, an dem sie vorbeikamen und in dem Fio oft spazieren ging.

Als sie an dem Durchgang zu dem von Gebäudekomplexen umschlossenen Hinterhof ankamen, in dem auch Fios Wohnung lag, blieb sie stehen und drehte sich zu Zac.

»Hier wohne ich«, sagte sie. »Also, nochmal danke, dass du mich gerettet und nach Hause gebracht hast. Mach’s gut.«

»Ich komme mit rein.« Das klang wie ein Befehl, dem sie sich nicht zu wiedersetzen hatte.

Fio klappte die Kinnlade herunter. »Nein, tust du nicht.«

»Doch, tu ich«, knurrte er und seine Kiefermuskeln spannten sich an. Erst jetzt, da er sie so anfunkelte, erkannte Fio seine Augenfarbe. Grau wie eine Sturmfront und hart wie Stahl.

Automatisch wich sie einen Schritt vor ihm zurück und begann in ihrer Handtasche nach ihrem Schlüsselbund zu wühlen, ohne dabei den Blick von Zac abzuwenden. Sie hatte mal an einem Selbstverteidigungskurs teilgenommen, den ihre Mutter ihr aufgezwungen hatte, und gelernt, dass ein Schlüssel eine perfekte Waffe war.

Zac runzelte die Stirn. »Hast du Angst vor mir?« Seine Gesichtszüge wurden ein wenig weicher. »Musst du nicht haben, ehrlich. Schau mal, ich will nur sichergehen, dass mit dir alles in Ordnung ist. Im Moment stehst du unter Schock, das macht das Adrenalin. Aber wenn es nachlässt, wird es dir vielleicht nicht mehr so gut gehen und dann solltest du nicht alleine sein. Außerdem kann es sein, dass du doch mehr abbekommen hast, als du glaubst, und es nur noch nicht merkst. Adrenalin ist auch ein verdammt wirksames Schmerzmittel.«

»Aha.« Sie verkniff sich jeglichen Protest, der ihr auf der Zunge brannte. Zac hatte recht, das wusste sie. In ihrer Wohnung wollte sie ihn trotzdem nicht haben, unter keinen Umständen, selbst wenn das Kribbeln in ihrer Magengrube etwas ganz anderes erzählte.

Wahrscheinlich stand sie wirklich unter Schock, anders konnte sie sich nicht erklären, was sie als Nächstes tat.

»In Ordnung«, sagte sie und drehte sich zu dem Durchgang um. »Aber ich hab nicht aufgeräumt.«

***

In diesem Apartment regierte das Chaos. Auf dem Couchtisch stapelten sich ungeöffnete Briefe, auf dem braunen Zweisitzsofa lagen Klamotten verstreut und der abgewetzte rote Sessel passte nicht ins Bild. Über einem Bücherregal, das als Raumteiler diente, hingen bunte Tücher und Schals, und dahinter konnte er die Ecke eines ungemachten Bettes ausmachen, daneben lag ein Kopfkissen auf dem Boden. Und dann war da noch die nachtschwarze Katze, die Zac von ihrem Katzenbaum aus mit unheimlich grünen Augen beobachtete. Er hatte das Gefühl, dass sie durch ihn hindurchsah. Neu war das nicht, alle Tiere waren ihm gegenüber misstrauisch.

Die Badezimmertür öffnete sich und Fiona trat ins Wohnzimmer. Sie trug eine schwarze Jogginghose und einen weiten grauen Pulli. Ihre Haare fielen ihr in nassen Wellen über die Schultern und ihr Gesicht war gerötet, vermutlich hatte sie heiß geduscht. Ein bläulicher Schimmer zog sich über ihr rechtes Jochbein. Ansonsten war die Durchschnittsfrau ungeschminkt überraschend hübsch. Das machte den Umstand, dass er sich mit ihr abgeben musste, angenehmer.

»Du solltest das kühlen«, sagte er und deutete auf ihre Wange. »Sonst hast du morgen ein Veilchen.«

»Großartig«, grummelte Fiona und schlurfte an ihm vorbei in die Küche.

Zac folgte ihr, lehnte sich in den Türrahmen und vergrub die Hände in den Taschen seiner Jeans. »Wie geht’s dir sonst? Noch andere Blessuren?«

»Nur ein paar geprellte Rippen und blaue Flecken.« Sie sah geistesabwesend aus dem Küchenfenster, durch das man den sich grau färbenden Himmel erkennen konnte. »Nichts, was nicht wieder wird.«

»Gut.« Er zögerte einen Moment. »Weißt du, was die Typen von dir wollten?«

Sie schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Mein Geld, vermute ich. Oder was anderes. Was weiß ich. Sie haben nichts gesagt.« Sie schauderte leicht und schlang die Arme um ihren Oberkörper.

Für einen Sekundenbruchteil kompletten Irrsinns verspürte Zac das Verlangen, ihr zu sagen, dass alles gut werden würde. So schnell, wie diese Gefühlsregung gekommen war, verbannte er sie wieder. Er war kein Seelenklempner und erst recht nicht hier, weil er sich um ihr Wohlbefinden sorgte. Er hegte kein persönliches Interesse an ihr.

Die Sache war nur die: Fiona war nicht von zwei dahergelaufenen Männern angegriffen worden. Es waren Zacs Feinde gewesen, also war es sein Job, herauszufinden, was da vor sich ging. Außerdem war dieser Kampf das Spannendste gewesen, was ihm in den letzten Jahren widerfahren war. Nur das Aufräumen hinterher war eine lästige Begleiterscheinung.

»Wie ist das denn passiert?«, hakte Zac weiter nach.

Fiona schnaubte: »Wie soll es schon passiert sein? Ich bin von der U-Bahn nach Hause gelaufen und in der Straße haben sie mich angegriffen.«

»Klar.« Zac versuchte, die Ungeduld aus seiner Stimme zu vertreiben und ihr einen ruhigen Klang zu verleihen. »Aber haben sie irgendetwas zu dir gesagt? Oder hast du sie davor schon mal gesehen?«

»Nein, das hab ich bereits erzählt. Und ich kannte die auch nicht.« Auf einmal blitzten ihre bernsteinfarbenen Augen und sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Außerdem frage ich mich, wieso du ständig in der Wunde bohrst und mich nicht einfach in Ruhe lässt. Das vorhin war für mich nicht gerade ein Trip nach Disneyland.«

Zac musste den Impuls unterdrücken, mit den Augen zu rollen. Mann, das würde ein hartes Stück Arbeit werden. Ohne eine gehörige Portion Geduld und Einfühlungsvermögen würde er hier nicht weiter kommen. Nicht unbedingt seine Königsdisziplin.

»Entschuldige«, sagte er. »Ich dachte nur, du möchtest vielleicht darüber reden.«

»Möchte ich nicht.«

Scheiße. »Okay.«

Einen Moment schwiegen sie und Zac überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. Er konnte diese Situation nicht unbereinigt lassen, also musste er mit den Karten spielen, die ihm gegeben waren. Und die ließen nur eine erfolgversprechende Möglichkeit zu. Flirten, seinen Charme tanzen lassen und Fiona um den Finger wickeln. Wenn er eines über Menschen wusste, dann, dass man sich ihr Vertrauen verdienen musste.

Fiona seufzte und gab ihre ablehnende Haltung auf. »Willst du was trinken? Ich hab nur Wasser, Milch und Bier.«

»Ich nehme ein Bier.«

Sie öffnete den Kühlschrank und holte eine Flasche und eine Packung Milch heraus. »Brauchst du ein Glas?«

Über diese Frage musste er grinsen, ja, schon beinahe lachen.

»Was?« Fiona erstarrte in der Bewegung und sah ihn mit gerunzelter Stirn an. »Was ist so lustig?«

»Situationskomik.«

»Bedeutet?«

Zac zuckte mit den Schultern. »Na ja, hier sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen, aber du fragst mich, ob ich mein Bier aus der Flasche oder einem Glas trinke. Das passt nicht zusammen.«

»Ach so.« Sie schmunzelte und reichte ihm das Bier. »Sorry, das ist eine Berufskrankheit.«

»Saftschubse?«

Sie verengte die Augen. »Ja. Und meine Wohnung schaut nicht immer so unordentlich aus. Nur dann, wenn ich keinen Besuch erwarte.«

»Werde ich mir merken. Das nächste Mal kündige ich mich vorher an.«

Ihre Brauen schossen nach oben. »Das nächste Mal?«

Grinsend legte er den Kopf schief. »Sicher. Schließlich habe ich dich gerettet und da wäre eine Belohnung angebracht, oder nicht?«

Ihre Augen weiteten sich.

»Setz dich doch«, sagte sie unvermittelt und deutete auf den Küchentisch, der vollbeladen war mit irgendwelchen Instrumenten. Ihre Reaktion war nicht das, was Zac erwartet hatte, aber er kam ihrer Aufforderung nach. Nachdem er es sich auf einem der Stühle bequem gemacht hatte, erkannte er, dass der ganze Kram großteils Werkzeug war – Schmiedewerkzeug, um genau zu sein. Und Schmuck. Er griff nach einer silbernen Kette, die an einem Ständer zwischen vielen Armbändern hing. Sie war feingliedrig und der Anhänger war ein einzelner, geschwungener Flügel. Das Metall war fein gearbeitet und die jeweiligen Federn waren beeindruckend detailgetreu. Er erinnerte Zac an einen Engelsflügel. Oder auch an jedes andere Geflügel.

»Hast du das gemacht?«, fragte er.

»Ja, ist schon ein bisschen länger her.«

»Ist hübsch.«

»Danke, aber für hübsch bezahlen die Leute nicht.« Ihr verbitterter Unterton ließ Zac aufblicken, bevor er sich daran erinnerte, dass ihn das nicht interessierte, dass sie ihn nicht interessierte. Fiona stand am Herd und rührte in einem Topf. Er hatte nicht einmal mitbekommen, dass sie die Herdplatte angeschaltet, geschweige denn einen Topf herausgekramt hatte.

»Was machst du da?«, fragte er.

Sie sah ihn über ihre Schulter hinweg an und lächelte verschämt. »Heiße Milch mit Honig. Hat mir meine Mutter früher immer gemacht, wenn es mir nicht gut ging.«

Zac biss sich auf die Zunge, um sich einen spöttischen Kommentar zu verkneifen. So viele Menschen waren so furchtbar rührselig, hielten an alten Bräuchen, Traditionen und Ritualen fest und zogen aus ihnen Trost, obwohl nichts davon das Problem löste oder die Ursache ausmerzte. Lächerlich, dass sie sich trotzdem besser fühlten.

Kurze Zeit später saß Fiona ihm gegenüber und pustete in ihre dampfende Tasse, während er an seinem Bier nippte und überlegte, wie er sie möglichst schnell und effizient dazu bringen konnte, das zu tun, was er von ihr wollte. Die Katze schlich in die Küche und sprang auf Fionas Schoß, um Zac von dort aus misstrauisch zu beäugen.

»Wie heißt sie?« Er trank einen Schluck von seinem Bier.

»Onyx«, antwortete Fiona und streichelte die Katze. »Sie mag dich nicht.«

»Hab ich bemerkt.«

Sie grinste. »Aber sie mag fast niemanden, also mach dir nichts draus, dass sie sich nicht von dir blenden lässt.«

»Wieso sollte sich irgendjemand von mir blenden lassen?«

»Keine Ahnung.« Sie betrachtete die Katze, die sich schnurrend ihren Händen entgegenreckte. »Du wirkst wie jemand, der es gewohnt ist, andere zu beeindrucken.«

»Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun«, sagte er und lehnte sich ihr ein Stück über den Tisch entgegen. »Aber egal, beeindrucke ich dich?«

»Ich finde dich beeindruckend ungehobelt und unsensibel«, antwortete sie eine Spur zu hastig und widmete sich etwas zu intensiv ihrer Katze.

Aha. Zac hatte den Nagel also auf den Kopf getroffen. Das machte die Sache leichter.

»Ich glaube, das ist nur die halbe Wahrheit.« Wie von selbst wanderte sein Blick über ihr Gesicht und ihren Hals bis zu ihrer Brust, die in diesem Zelt von einem Pullover steckte, und wieder zurück zu ihren Augen. Dort verharrte er – nicht gewillt, sie entkommen zu lassen. »Was bekomme ich als Belohnung, Fiona? Was wäre deiner Ansicht nach angemessen?«

Dieses Mal wich sie ihm nicht aus, sondern sah ihn direkt an. »Du hast ein Bier von mir gekriegt.«

»Schlechte Antwort. Probier’s nochmal.«

»Wie wär’s mit meiner ewigen Dankbarkeit?«

Amüsiert zog er eine Braue nach oben. »So unkreativ?«

Sie seufzte. »Okay, was schwebt dir vor?«

»Ein Date«, erwiderte Zac schlicht.

»Was?« Ihre Augen weiteten sich, bevor sie vehement den Kopf schüttelte. »Nein, auf gar keinen Fall.«

Er runzelte die Stirn. »Wieso nicht? Komm schon, es ist doch nicht zu viel verlangt, mit mir einen Kaffee trinken zu gehen – im Gegenzug dafür, dass ich dein Retter in der Not war.«

»Mein Retter in der Not?« Fiona lachte tonlos. »Das klingt ein wenig heroisch und zudem übertrieben, findest du nicht?«

»Nein, gar nicht. Kein Mensch weiß, was passiert wäre, wenn ich nicht dagewesen wäre. Und außer mir war niemand da, der dich aus der Scheiße hätte befreien können. Das macht mich ganz eindeutig zu deinem Retter in der Not.« Er grinste schief. »Außerdem will ich dich nicht heiraten oder dich gleich flachlegen, sondern dich kennenlernen. Das ist doch nicht verboten, oder?«

»Wieso willst du das?«, fragte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen. »Mich kennenlernen?«

Zac unterdrückte einen Fluch und fuhr sich durch die kurzen Haare. »Zur Hölle, warum denn nicht? Ich finde dich halt interessant.«

»Und warum?«

Weil du angegriffen wurdest und ich rausfinden muss, ob es ein Zufall war oder ob du in krumme Dinger verwickelt bist. Und wenn ich es richtig anstelle, bist du möglicherweise die Lösung all meiner Probleme.

»Weil du anders bist.«

Fiona hob eine Augenbraue an. »Ein Standardspruch? Was Besseres fällt dir nicht ein?«

Am liebsten hätte er sie an den Schultern gepackt und geschüttelt, doch das wäre wohl kontraproduktiv gewesen.

»Das ist die Wahrheit«, sagte er. »Was anderes kann ich dir nicht bieten.«

»Das ist echt lahm.« Fiona gähnte.

»Müde?«

»Und wie.«

»Wann hast du das nächste Mal frei?«

»Morgen.« Sie schielte zu dem Fenster, durch das man inzwischen die Morgenröte am blauen Himmel ausmachen konnte. »Na ja, eigentlich heute.«

»Gut, treffen wir uns später um drei an der Münchner Freiheit? Oder wann hast du ausgeschlafen?«

»Ich bin nie wirklich ausgeschlafen«, sagte sie trocken und rieb sich über die Schläfe, die in ihr lädiertes Jochbein überging. Sie verzog das Gesicht und stieß leise die Luft zwischen den Zähnen aus.

Seltsam, aber der behutsame Tonfall ging Zac gar nicht so schwer von der Zunge, als er fragte: »Tut’s sehr weh?«

»Geht schon.«

»Sicher?«

Sie seufzte. »Ehrlich gesagt fühlt es sich an, als würde mein Herz in meinem Schädel schlagen.«

»Wenn du eins da hast, nimm ein Schmerzmittel – nur kein Aspirin – und schlaf«, sagte er, während er aufstand. »Und leg Eis drauf oder kühl es irgendwie. Das hilft wirklich. Zumindest gegen die Schmerzen.«

»Okay.« Sie nahm die Katze auf den Arm und erhob sich ebenfalls, wobei sie leicht schwankte und sich den Kopf hielt. Ehe Zac bewusst darüber nachdachte, griff er nach ihrem Unterarm, um sie zu stützen. Doch sobald er sich sicher war, dass sie selbständig stehen konnte, ließ er sie los.

»Kommst du alleine klar?« Nicht, dass die Antwort ihn wirklich interessierte. Aber er musste seinen Plan befolgen und ihr Vertrauen gewinnen.

Fiona nickte. »Natürlich.«

Sie begleitete ihn bis zur Wohnungstür, wo er sich noch einmal ganz ihr zuwandte.

»Kommst du morgen zur Münchner Freiheit?«, fragte Zac und neigte den Kopf. »Oder muss ich sichergehen und dich abholen?«

»Bist du immer so aufdringlich?«

»Nein, eigentlich nie.«

»Großartig.« Sie schnaubte.

»Ist es. Also? Abholen oder dort treffen?«

Seufzend verdrehte sie die Augen. »In Ordnung. Um drei an der Münchner Freiheit. Und jetzt lass mich endlich schlafen.«

»Süße Träume wünsche ich.« Er grinste und wackelte mit den Augenbrauen. »Bis später.«

Als er sich umdrehte, hörte er sie hinter sich murmeln: »Schönlinge haben auch nur Standardsprüche drauf, was, Onyx?«

Um ein Haar wäre Zac stehengeblieben und hätte sich verteidigt. Für was, wusste er nicht genau. Dafür, dass er kein Schönling war? Weil er mehr war als eine hübsche Hülle, die sonst nichts vorzuweisen hatte?

Aber er biss sich auf die Zunge, egal, wie sehr ihre Worte in seinen Eingeweiden rumorten.

Kapitel 3

Von Anfang an war Fio klar gewesen, dass es keinen Grund gab, sich in Schale zu werfen, nur weil sie sich mit Zac traf. Oder überhaupt einen Gedanken daran zu verschwenden, was sie anzog. Und schon gar nicht, sich die Mühe zu machen, das Veilchen zu überschminken, das ihren Wangenknochen zierte.

Gar keinen Grund.

Trotzdem hatte sie all ihre Klamotten durchwühlt, um schlussendlich festzustellen, dass so gut wie alles in der Wäsche war und sie sowieso nichts zum Anziehen hatte. Zumindest nichts, was Zac gefallen würde. Sie schätzte ihn als den Typ Mann ein, der auf Frauen in edlen Kleidern, sexy High Heels und teurem Schmuck stand.

Den Punkt hatte sie schnell abgehakt und sich in einen fast bodenlangen bunten Rock und einen Rollkragenpulli geschmissen. Wenn sie keinen heißen Fummel aus dem Ärmel zaubern konnte, wollte sie sich wenigstens wohlfühlen. Ganz anders verhielt es sich mit ihrem Gesicht. Gefühlte Ewigkeiten hatte sie damit verbracht, das Veilchen mit Make-up zu überkleistern, was sonst nicht ihre Art war. Es schimmerte zwar noch leicht bläulich hindurch, aber insgesamt war das Resultat annehmbar. Leider ließen Erinnerungen sich nicht überschminken.

Das war das einzig Gute an der Verabredung mit Zac. Er lenkte Fio davon ab, darüber nachzudenken, dass sie letzte Nacht beinahe Opfer eines Verbrechens geworden wäre. Was eignete sich auch besser als Verdrängungsstrategie, als ein Date mit einem Kerl, der außerhalb der eigenen Liga spielte und sich noch nicht einmal richtig ins Zeug für einen legte? Es sei denn, seine Standardsprüche zeugten nicht von seinem unterdurchschnittlichen Ansporn, sie zu umwerben, sondern von seiner unterdurchschnittlichen Intelligenz. Für geistige Zerstreuung taugte das eine so gut wie das andere.

Der Vorfall der letzten Nacht hatte ihr vor Augen geführt, dass sie ihr Leben in vollen Zügen genießen sollte. Man wusste nie, wann es endete. Die schmerzhafte Erfahrung, dass Menschen schneller aus dem Leben gerissen werden konnten, als man glaubte, hatte sie schon machen müssen. Bei dem Gedanken daran verknotete sich ihr Magen.

Als Fio die letzten Stufen der Treppe, die aus der U-Bahn-Station ins Freie führte, erklommen hatte, sah sie sich nach Zac um. Sie entdeckte ihn sofort. Die eine Hand lässig in der Manteltasche vergraben, in der anderen eine Zigarette und die Gesichtszüge regungslos, lehnte er im Schatten einer Hauswand neben einem Sushi-Restaurant. Seine stahlgrauen Augen ruhten auf Fio. Der kühle Herbstwind zerrte an ihr und machte die Wärme der strahlenden Sonne zunichte, und ein Schauer rieselte über ihren Rücken.

Fio verlangsamte ihre Schritte. Vielleicht sollte sie vorsichtig sein. Dieser Mann war gefährlich. Wenn nicht für die Vitalfunktionen, dann doch für ihr Selbstvertrauen. Seine Attraktivität und Anziehungskraft konnte sie nicht leugnen, und ihr Entschluss, ihr Leben voll auszukosten, geriet ins Schwanken. Was brachte ihr ein Leben beladen mit Selbstzweifeln, nur weil sie sich mit dem falschen Kerl eingelassen hatte? Am Ende würde Zac ihr noch einen waschechten Minderwertigkeitskomplex verpassen.

Jetzt einen Rückzieher zu machen und Zac einfach stehenzulassen, war jedoch keine Option. Die Lösung war, einen Mittelweg zu finden. Fio würde einen Kaffee mit ihm trinken gehen und einen netten Nachmittag mit ihm verbringen, mehr allerdings nicht. Sie würde sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen oder sich gar emotional involvieren lassen. Sie würde es genießen, aber einen großzügigen Sicherheitsabstand wahren.

Ja, das war ein guter Plan.

Als sie fast bei Zac angekommen war, warf er die abgebrannte Kippe auf den Boden, stieß sich von der Hauswand ab und trat ihr entgegen.

»Hey, wie geht’s dir?«

Noch ein Standardspruch. Aber ein verzeihlicher.

»Ganz gut«, erwiderte sie. »Und dir?«

»Schlechten Menschen geht’s immer gut.« Er legte den Kopf schief und musterte sie. Sein Blick schien sie zu prüfen und sie war sich nicht sicher, ob sie standhielt. »Stehst du noch unter Schock oder hast du es tatsächlich so schnell verarbeitet?«

»Weder noch.«

»Sondern?«

Fio zuckte mit den Schultern. »Verdrängen lautet das Zauberwort. Wo willst du hin? Irgendwas Bestimmtes im Sinn?«

»Nein, ich richte mich nach dir.«

»Sicher?«

Zac rollte mit den Augen. »Nein, ich sage das einfach nur so, um dir schlussendlich doch meinen Willen aufzuzwingen, weil es mir eine diebische Freude bereitet, andere zu unterjochen und zu tyrannisieren.«

»Gut, dass wir das geklärt haben«, schmunzelte Fio. »Komm, wir gehen da lang.«

Kurze Zeit später spazierten sie mit jeweils einem Pappkaffeebecher durch das herbstliche Farbspektakel des Englischen Gartens. Ein rotgelbes Meer aus Baumkronen wölbte sich dem strahlend blauen Himmel entgegen und bunte Blätter tanzten über die Wege und die Wiesen. Für einen Sonntagnachmittag war erstaunlich wenig los, wahrscheinlich den frischen Temperaturen und dem eisigen Wind geschuldet. Nur vereinzelt begegneten sie anderen Menschen. Je weiter sie in den Park vordrangen, desto mehr erschien es Fio, als würde er ihnen allein gehören. Hier waren nur die Sonne, der kleine See, der inmitten der Wiesen und Wege eingebettet lag, die Bäume, der Wind und sie beide, Zac und Fio. Die meiste Zeit schwiegen sie. Fio fand es angenehm, sich nicht mit Small Talk aufhalten zu müssen, sondern ihr kleines Stückchen Natur mitten in der Stadt, ihre Parallelwelt, genießen zu können.

Schließlich brach Zac das Schweigen. »Wie geht’s eigentlich deinen Verletzungen? Schmerzen?«

»Verletzungen klingt so dramatisch«, murmelte Fio und lächelte, wobei ihre rechte Gesichtshälfte sich sofort meldete. »Mein Schädel brummt nicht mehr, seitdem ich mich mit Ibuprofen vollstopfe, und meine Rippen merke ich auch fast gar nicht.«

»Was ebenfalls am Ibuprofen liegen könnte.«

»Möglich.«

»Ziemlich sicher.« Er blieb stehen und deutete auf eine Bank, die am Ufer des Sees stand. »Wollen wir uns setzen?«

Ohne ihre Antwort abzuwarten, steuerte er auf die Bank zu. Fio folgte ihm seufzend. Schlau wurde sie aus diesem Mann und seinem Verhalten nicht. Irgendetwas an ihm wirkte … unecht. Nicht authentisch. Sie konnte nicht bestimmen, was es war, doch wenn sie hätte raten müssen, hätte sie gesagt, er wollte sich nicht wirklich mir ihr abgeben und tat es dennoch.

»Wie genau ist das gestern eigentlich passiert?«, fragte Zac, kaum, dass sie sich mit einigem Abstand neben ihn gesetzt hatte.

Jeder Muskel in Fios Körper verhärtete sich, ihr Magen krampfte sich zusammen und um ihre Kehle legte sich eine eiserne Schlinge, die sich langsam zuzog. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und starrte auf den See hinaus, dessen Oberfläche im Sonnenlicht glitzerte und sich unter dem Wind leicht kräuselte.

»Das habe ich dir doch schon erzählt.«

»Nein, nicht wirklich. Du hast mir eine schlechte Kurzfassung geboten. Also? Was genau ist passiert?«

»Was interessiert dich das eigentlich?«, zischte Fio und wirbelte zu ihm herum. »Wieso reitest du die ganze Zeit darauf rum?«

Zac legte den Kopf schief und musterte sie aus stahlgrauen Augen. Seine Gesichtszüge waren absolut regungslos. »Weil ich glaube, dass du das verdrängst und in dich reinfrisst. Und das möchte ich nicht, weil ich mich für dich interessiere. Denn ich will dich kennenlernen und wissen, was du denkst und fühlst.«

Noch mehr Standardfloskeln. Standardfloskeln, die Fio ihm beinahe abgekauft hätte, hätte er nicht so gefühlskalt gewirkt. Das Einzige, was sie ihm glaubte, war, dass er tatsächlich wissen wollte, was heute Morgen auf ihrem Heimweg geschehen war. Dabei wollte Fio alles, aber nicht darüber nachdenken. Den ganzen Tag schon schob sie die Erinnerungen von sich, wann immer sie in ihr Bewusstsein drängten. Und dann hatte Zac, derjenige, der eigentlich als ihre Ablenkung dienen sollte, nichts Besseres zu tun, als sie auszufragen und darauf zu stoßen.

»Ich will aber nicht darüber reden«, sagte sie.

Zacs Augen verengten sich leicht und seine Kiefermuskeln spannten sich an. »Du solltest darüber reden.«

»Wieso?«

»Weil es dich sonst auffressen wird.« Seine Worte klangen bedrohlich.

Dennoch zuckte Fio gleichgültig mit den Schultern. »Kann sein. Bevor das passiert, kann ich aber immer noch mit Freunden oder meiner Mutter sprechen.«

Als ob sie das tun würde. Richtige Freunde hatte sie in München nicht, nur Kollegen und gute Bekannte, und ihre Mutter würde einen Herzanfall erleiden, sollte sie erfahren, dass Fio angegriffen worden war. Genau deshalb konnte sie es auch nicht ihrer besten Freundin aus Kindheitstagen, Insa, erzählen. Sie würde sich ebenso große Sorgen machen wie Irene, und das wiederum würde Fio nicht verkraften. Sie hasste es, wenn es Menschen, die ihr nahestanden, schlecht ging – und wenn sie der Grund dafür war, hielt sie es fast nicht aus.

»Mag sein, aber die waren nicht dabei«, beharrte Zac. »Außerdem habe ich dich gerettet. Du schuldest es mir quasi.«

»Ach ja?«

Seine Mundwinkel hoben sich zu einem Grinsen, sein Blick allerdings blieb steinhart und so aufmerksam, dass es Fio einschüchterte. »Schon vergessen? Ich bin dein Retter in der Not und somit der Inbegriff des Ritters in der strahlenden Rüstung. Ich hab nur kein Pferd, sorry.«

Obwohl sie sich nicht danach fühlte, musste sie schmunzeln. »Blöd, ohne Pferd wird das nichts.«

»Hm, muss ich mir wohl eins besorgen.« Er reckte den Hals und sah sich um. »Ist hier nicht irgendwo eine Reitschule? Da krieg ich bestimmt eins her.«

Jetzt konnte Fio nicht anders, als zu lachen. »Und was willst du dann machen? Ein Pferd stehlen?«

»Wenn’s sein muss.« Die Andeutung eines Lächelns zupfte an seinen Lippen, und das erste Mal am heutigen Tag verloren seine Gesichtszüge ein klein wenig Spannung. »Aber es wäre mir lieber, du würdest es mir so erzählen.«

»Wieso ist dir das so wichtig?«

»Darum.«

Sie seufzte. »Du wirst nicht locker lassen, oder?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein.«

»In Ordnung.« Sie senkte den Blick und rollte ihren Kaffeebecher zwischen den Handflächen. Ihre Finger waren auf einmal schweißnass und ihr Mund staubtrocken.

»Also …« Sie stockte und räusperte sich. »Ich bin denselben Weg wie immer gelaufen. Aus der U-Bahn raus, den Frankfurter Ring lang und dann eine Abkürzung über den Supermarktparkplatz. Ich hatte meine Kopfhörer auf und habe Musik gehört …«

Crystal Baller von Third Eye Blind dröhnte aus Fios Ohrstöpseln und konnte ihre Müdigkeit dennoch nicht vertreiben, genauso wenig wie die Kälte es vermochte. Fio wickelte ihren Schal enger um den Hals und unterdrückte ein Gähnen, als sie über den Parkplatz lief. Normalerweise nahm sie den fünf Minuten längeren Gehweg in Kauf und ging die selbst um diese Uhrzeit stark befahrenen Straßen entlang, aber heute nicht. Sie wollte nur in ihr Bett und schlafen.

Plötzlich stellten sich ihre Nackenhaare auf und ihre Schädelbasis begann zu kribbeln, als würde sie jemand beobachten. Doch als Fio sich umdrehte, war hinter ihr nichts als der leere Parkplatz und ein paar Lieferanten, die in einiger Entfernung Kisten aus einem LKW hievten. Fio schüttelte das Unbehagen ab und lief weiter. Das Gefühl, verfolgt zu werden, wollte sich nicht vertreiben lassen und jagte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken. Sie zog die Stöpsel aus den Ohren und drehte sich erneut um. Nichts. Schon wieder. Dennoch beschleunigte sie ihre Schritte und verfluchte sich, nicht so lange wie möglich an der sicheren Hauptstraße geblieben zu sein.

Nervosität rumorte in ihrer Magengegend und verwandelte sich schlagartig in Angst. Ihr Herz begann zu stolpern und zu rasen und ihr brach der kalte Schweiß aus. Obwohl ihr Verstand ihr sagte, dass niemand hinter ihr war, sah sie noch einmal über ihre Schulter. Der Parkplatz lag nach wie vor ruhig da. Keine Menschenseele oder sonst etwas Ungewöhnliches zu entdecken.

Als Fio den Blick wieder nach vorne wandte, schrak sie zusammen und blieb wie angewurzelt stehen. Keine zwei Meter vor ihr, in der Abzweigung zu der Straße, in die sie musste, stand ein Mann, der eben noch nicht da gewesen war. Als wäre er aus dem Erdboden geschossen. Und obwohl er nur dort stand und Fio ansah, verstärkte sich das Rumoren in ihrem Bauch und die Angst legte sich wie Drahtseile um ihre Kehle. Von dem Mann schien eine Bedrohung auszugehen, etwas Dunkles, das Fio nicht greifen konnte. Für einen Sekundenbruchteil schoss ihr der abstruse Gedanke durch den Kopf, wie lächerlich das war. Menschen strahlten keine Dunkelheit aus. Doch die Gefahr war nicht zu leugnen, all ihre Instinkte brüllten in Alarmbereitschaft.

Fio zwang sich, sich aus ihrer Schockstarre zu lösen und langsam rückwärtszugehen, ohne den Blick von dem Mann abzuwenden. Er folgte ihr nicht. Gut.

Gerade als sie erleichtert aufatmen wollte, stieß sie mit dem Rücken gegen etwas Hartes, Unnachgiebiges. Wie ein Blitz jagte die Erkenntnis durch ihr Nervensystem, und sie erstarrte erneut. Ein Arm legte sich um ihren Oberkörper und zerrte sie in die Seitenstraße. Eine Hand griff in ihre Haare und riss ihr den Kopf in den Nacken. Schmerz schoss durch ihre Kopfhaut, erweckte sie aus dem lähmenden Schreckmoment und ihren Kampfgeist zum Leben.

»Lass mich los!«, fauchte Fio, das Herz bis zum Hals schlagend, und versuchte, nach ihrem Angreifer zu treten. Ihre Füße traten ins Leere.

»Vergiss es«, sagte eine eiskalte Stimme. »Wir haben eine Rechnung zu begleichen.«

Fio schluckte, als der Kerl vor ihr auf sie zukam. Mit ihrem gesamten Gewicht warf sie sich gegen den Griff des Arschlochs, das sie festhielt, vergrub die Fingernägel in seinen Armen und versuchte, mit ihren Zähnen in die Nähe seines Fleischs zu kommen, ihn irgendwie zu verletzen.

»Hör auf«, sagte der Vordere und schlug ihr mit der Faust ins Gesicht, sodass ihr Kopf zur Seite geschleudert wurde. »Sei brav und ich verpass dir nicht noch eine.«

Ein metallischer Geschmack breitete sich in Fios Mund aus. Das Blut wummerte in ihren Ohren, und seltsamerweise fühlte sie nur ein dumpfes Druckgefühl an der Stelle, wo der Drecksack sie getroffen hatte. Ein Grund mehr, ihm nicht zu gehorchen. Sie würde nicht kampflos aufgeben.

Fio trat und strampelte mit den Beinen, rammte ihre Ellbogen in den Bauch des Hinteren, aber es brachte alles nichts. Ihr Kraftaufwand schien keinen Effekt zu haben. Bis auf den, dass der Kerl hinter ihr ihren Ellbogen auf ihren Rücken drehte und nach oben riss. Glühende Qual biss in ihre Schulter und trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie ignorierte es.

»Was wollt ihr denn von mir?«, rief sie.

»Alles«, erwiderte der Vordere. »Und jetzt halt endlich dein Maul!«

Dieses Mal donnerte er ihr die Faust in den Rippenbogen, dass ihr die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Langsam dämmerte Fio, was sie eigentlich von Anfang an gewusst hatte: Sie hatte keine Chance. Egal, was sie tat oder wie sehr sie sich wehrte, sie würde nie die Oberhand gewinnen.

Noch mehr Tränen rannen über ihre Wangen, und verzweifelt schrie sie: »Lasst mich los! Hilfe! Hilfe!«

Nach dem nächsten Fausthieb zuckten Lichtblitze vor ihren Augen, ihre Sicht verschwamm. Sie glitt in die Dunkelheit, die sich um sie hüllte wie ein beschützender Freund, der zu lange auf sich hatte warten lassen.

»Das war’s.« Fio holte tief Luft und zwang sich in die Realität zurück – in die Sonne und den Park, an diesen wunderschönen Herbstag, der rein gar nichts Bedrohliches an sich hatte. »An mehr erinnere ich mich nicht. Als ich wieder wach wurde, warst du schon da, und was in der Zwischenzeit passiert ist, weißt du wohl besser als ich.«

»Hm«, murmelte Zac und musterte sie, als wolle er durch sie hindurchsehen. »Und mehr ist da wirklich nicht?«

»Nein.« Fio schüttelte den Kopf und schluckte die Enttäuschung über seine Reaktion hinunter. Sie wusste nicht, was sie von ihm erwartet hatte und wieso sie enttäuscht war, es nicht bekommen zu haben. Vielleicht hatte sie sich ein wenig Mitgefühl und auch Trost erwartet, nachdem er gemeint hatte, sie solle darüber reden und es nicht in sich reinfressen. Selbst wenn Zac nicht wie der Typ Mann wirkte, der einem seine starke Schulter anbot.

»Und was genau hat der Wichser zu dir gesagt, als du meintest, er soll dich loslassen?«

»Dass wir eine Rechnung zu begleichen hätten.«

»Interessant.« Zac runzelte die Stirn. »Und sonst nichts?«

»Nein, sonst nichts«, antwortete Fio genervt. »Und was soll das eigentlich? Spielst du gerne Detektiv, oder was ist mit dir los?«

Kurz traten seine Kiefermuskeln hervor, doch dann entspannten sich seine Gesichtszüge. »Entschuldige, ich wollte dich nicht ausfragen. Ist eine alte Angewohnheit von mir.«

»Ist eine schlechte Angewohnheit.«

»Na ja, sagen wir mal, in meinem alten Job lag das an der Tagesordnung.«

Fio zog die Augenbrauen zusammen. »Was hast du denn gemacht? Und was machst du jetzt?«

»Jetzt bin ich Türsteher und Security in einem Club, im Danger. Früher hab ich was ähnliches gemacht, auch Sicherheitsbereich. Ist aber nicht sehr spannend.« Zac winkte ab und lächelte. Es erreichte seine Augen nicht und wirkte unecht, als hätte er etwas zu verbergen. Obwohl Fio sich nicht von ihrer Neugier leiten lassen wollte, war ihr Interesse geweckt. Vielleicht war er bei einer Sondereinheit oder bei der Bundeswehr oder sogar irgendeinem ausländischen Geheimdienst gewesen. Irgendetwas Geheimnisvolles, das seinen Drang zu ermitteln und zudem seine körperliche Verfassung und seine Kampfkünste erklärte. Dass das mehr als unwahrscheinlich war, war Fio klar, aber die Vorstellung war unterhaltsam. Und sie konnte die Gelegenheit nutzen, um ihn im Gegenzug auszufragen und mehr über ihn zu erfahren.

»Kommst du aus dem Ausland?«, fragte Fio. »Oder deine Eltern? Zacharias ist ja nicht gerade ein typisch deutscher Name.«

»Nein.« Zac lachte. »Meine Eltern sind beide von hier, haben aber einen Faible für hebräische Namen. Fast alle in meiner Familie haben hebräische Namen.«

»Klingt, als wärt ihr viele.«

»So viele, dass es oft schwer ist, den Überblick zu behalten.«

»Muss schön sein«, murmelte Fio und wurde wehmütig bei dem Gedanken, dass ihre Familie nur aus ihr und ihrer Mutter bestand.

Zac legte den Kopf schief und grinste. »Manchmal. Aber meistens gehen sie mir tierisch auf’n Sack.«

Unwillkürlich musste Fio lachen und spürte dabei, wie ihre Rippen sich schmerzhaft zurückmeldeten. Es war wohl Zeit für die nächste Schmerztablette.

Schlagartig wurde Zac ernst und sein Blick schweifte ab. »Ich habe sie alle lange nicht mehr gesehen. Sehr lange.«

»Dann besuch sie doch einfach.«

»Ja.« Er starrte geistesabwesend auf den See und fuhr sich durch die kurzen blonden Haare. »Das mache ich, sobald ich kann.«

Es klang, als wäre das noch eine ganze Weile nicht der Fall, und Fio wollte nachfragen, was ihn davon abhielt, seine Familie zu besuchen. Aber in seinen Worten schwang eine solche Endgültigkeit mit, dass es ihr die Kehle zuschnürte.

Zac wandte den Kopf wieder zu Fio, sein Gesicht eine perfekte Maske. »Wollen wir was essen gehen?«

Kapitel 4

Eigentlich war Fiona ganz unterhaltsam. Sie machte es Zac leicht, Zeit mit ihr totzuschlagen, aber es war schwer, mehr Informationen aus ihr herauszukitzeln. Er hatte das Gefühl, bei ihr nur an der Oberfläche zu kratzen. Hätte sie nicht eine winzige Kleinigkeit angesprochen, hätte er den Überfall inzwischen als Zufall abgestempelt und wäre zu dem Schluss gekommen, dass Fiona einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war.

Sie hätten eine Rechnung mit Fiona zu begleichen. Das war kein einfach so dahin gesagter Satz. Dementsprechend alarmiert war Zac, und er war nun noch weniger gewillt, Fiona aus den Augen zu lassen.

»Es tut mir übrigens leid für dich«, sagte Zac.

Fiona erstarrte, mit der Gabel in der Hand auf halbem Weg zu ihrem Mund. »Was tut dir leid?«

»Dass du überfallen wurdest und das durchmachen musst.« Ursprünglich waren diese Worte Teil seines Plans gewesen, Fiona um den Finger zu wickeln. Doch jetzt, da er sie aussprach, bemerkte er, dass er es … nun ja, nicht aus tiefstem Herzen ehrlich meinte, aber es fühlte sich auch nicht an, als würde er lügen. Was ihn selbst überraschte, für die Befindlichkeiten anderer hatte er sonst nie Verständnis.

»Ähm, okay.« Sie ließ die Gabel sinken und schob ihre Penne al Forno über den Teller. »Du bist komisch, weißt du das?«

Zac hob eine Augenbraue an. »Was ist denn so komisch an mir?«

Sie zuckte mit den Schultern und stocherte weiter in ihren Nudeln. »Alles.«

»Wie aussagekräftig.«

»Ich verstehe dein Verhalten nicht.« Der Blick ihrer bernsteinfarbenen Augen heftete sich an ihn und durchbohrte ihn. »Wieso fragst du mich erst aus, um dann nichts dazu zu sagen? Wieso fällt dir dann später das ein, was du genauso gut da hättest sagen können? Wieso habe ich das Gefühl, dass es dich nicht interessiert, wie es mir dabei ging, als ich überfallen wurde? Und wieso heuchelst du es trotzdem vor? Was willst du von mir? Weißt du, es ist nicht so, dass ich keinen Spaß mit dir habe, ich verstehe dich einfach nicht.«

Scheiße. Ihr entging weniger als ihm lieb war.

»Wie oft durchschaust du denn normalerweise Menschen, die du so gut wie gar nicht kennst?«, gab er zurück, darum bemüht, sein Pokerface aufrechtzuerhalten. »Und verstehst sie? Vielleicht bin ich nur nicht besonders sozialkompetent, interessiere mich aber trotzdem für dich. Vielleicht will ich dich einfach nur kennenlernen und stell mich nicht allzu geschickt dabei an. Ist das ein Verbrechen?«

Fiona schwieg und kaute auf ihrer Unterlippe, während sie ihn weiter ansah, als würde sie in seinem Gesicht nach etwas suchen. Dann schlug sie die Lider nieder und pikste ein paar Penne auf ihre Gabel. »Nein, ist es nicht. Entschuldige, ich glaube, heute ist nicht mein Tag. Ich werde schon paranoid.«

»Kein Problem und nach letzter Nacht kein Wunder.« Zac setzte sein selten genutztes freundliches Lächeln auf und winkte nach der Kellnerin. »Willst du auch noch was trinken?«

Während des Nachtischs wurde Zac langsam nervös. Draußen war es bereits dunkel und viele Fußgänger eilten an den Fenstern des italienischen Restaurants vorbei, in dem er und Fiona saßen. Hier in Schwabing waren massig Passanten unterwegs und er sah keine Gefahr für Fiona, wenn er sie alleine ließe. Die vielen Menschen wirkten wie ein Schutzwall. Außerhalb des Szeneviertels allerdings und überall dort, wo sich bei den kalten Temperaturen kaum eine Menschenseele vor die Haustür verirrte, war sie in Gefahr. Das Problem war bloß, dass er nicht wusste, wie er sie weiter beschäftigen sollte. Ihre Unterhaltung drehte sich nur noch um Nebensächlichkeiten und es hätte Zac gewundert, wenn Fiona nicht mindestens so gelangweilt davon war wie er. Außerdem wirkte sie müde, hatte eine Schmerztablette geschluckt und verzog dennoch immer wieder das Gesicht, als hätte sie Schmerzen.

»Willst du noch einen Kaffee?«, fragte er, als die Kellnerin ihre leeren Tiramisu-Teller abräumte.

Fiona schüttelte den Kopf. »Nein, danke.«

Verdammt! Zac biss die Zähne zusammen und sagte zu der Kellnerin: »Die Rechnung bitte.«

Dann wandte er sich wieder an Fiona. »Wollen wir noch was anderes machen? Ins Kino gehen oder so was in der Art?«

»Sei mir nicht böse, aber ich will nach Hause. Ich bin total erledigt und muss dringend ein bisschen Schlaf nachholen – tut mir leid.«

Sie sah so aus, als würde es ihr aufrichtig leidtun, und das stellte irgendetwas in Zac zufrieden, von dessen Existenz er bis eben nichts gewusst hatte. Und das, obwohl ihre Antwort rein gar nicht zufriedenstellend war. Er konnte sie nicht beschützen, wenn er nicht bei ihr war. Sein Instinkt verriet ihm, dass die Aufreißermasche nicht ziehen und er Fiona nicht nahe genug kommen würde, um über Nacht bei ihr bleiben zu können. So schmachtend sie ihn den ganzen Nachmittag immer wieder aus dem Augenwinkel gemustert hatte, so sicher war er sich, dass heute kein Weg in ihr Bett führte und dass das nicht der Ort war, von dem aus er auf sie aufpassen konnte.

Versuchen würde er es trotzdem. Und sich notfalls einen Plan B überlegen.

»In Ordnung«, sagte er und kramte sein charmantestes Lächeln aus seinem Repertoire. »Dann bringe ich dich nach Hause.«

Obwohl er mit Protesten ihrerseits gerechnet hatte, widersprach sie nicht, sondern nahm dankend an.

Während der U-Bahnfahrt redeten sie kaum und auch die wenigen Minuten Fußweg, die die U-Bahn-Station von Fionas Wohnung trennten, verbrachten sie schweigend. Fiona ging ein kleines Stück vor Zac und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Gut, er war sowieso nicht auf Konversation aus.



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