Das Alte Testament - Arik Brauer - E-Book

Das Alte Testament E-Book

Arik Brauer

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Beschreibung

Die Schöpfung, Adam und Eva, Noahs Arche, Josef und seine Brüder, Moses, die Zehn Gebote, David und Goliath, der Prophet Jona im Bauch des Wals: Arik Brauer hat diese und viele weitere Geschichten aus der Bibel meisterhaft illustriert und erzählt sie in bester Tradition der großen jüdischen Humoristen.

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Mit 60 Zeichnungen

Bibelstellen werden nach folgenden Ausgaben zitiert:Die Bibel. Nach der deutschen Übersetzung D. Martin Luthers. EvangelischeHaupt-Bibelgesellschaft zu Berlin, Berlin 1954Tora, newim, we katuwim. Hebrew Bible. London 1953

Die deutschen Übersetzungen aus dem Hebräischen von Arik Brauer basieren auf dem Hebräischen, wie es heute in Israel gesprochen und verstanden wird.

Besuchen Sie uns im Internet unter: amalthea.at

© 2018 by Amalthea Signum Verlag, WienAlle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: Elisabeth Pirker, Beatrice Bognar/OFFBEATUmschlagabbildungen: © Arik Brauer, Foto Arik Brauer: © Jonathan MeiriAlle Abbildungen im Buch: © Arik BrauerHerstellung und Satz: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH, HeimstettenGesetzt aus der 12,5/16,3 pt Arno ProDesigned in Austria, printed in the EUISBN 978-3-99050-127-6eISBN 978-3-903217-13-3

Dieses Buch widme ich meiner Frau Naomi, der ich meine Kenntnisse der hebräischen Sprache verdanke.

INHALT

Vorwort

Die Schöpfung

Die Sintflut

Abram

Sodom und Gomorra

Die Opferung

Isaak und Rebekka

Jakob und seine Söhne

Josef

Moses, unser Lehrer

Die Zehn Gebote

In der Wüste

Josua

Die Richter

Jothams Erzählung

Simson

Das Verbrechen der Benjaminiter

Ruth und Naemi

Samuel

König Saul

David

Nabal und Abigail

Davids Sündenfall

König Salomo

Die getrennten Reiche

Der Prophet Elia

Der Prophet Elisa

Der Prophet Esra

Der Prophet Nehemia

Esther

Hiob

Der Prophet Daniel

Der Prophet Jesaja

Der Prophet Hosea

Der Prophet Joel

Der Prophet Jeremia

Der Prophet Amos

Der Prophet Obadja

Der Prophet Jona

Der Prophet Micha

Der Prophet Nahum

Der Prophet Habakuk

Der Prophet Zephanja

Der Prophet Haggai

Der Prophet Sacharja

Der Prophet Maleachi

VORWORT

Eines Tages stand meine 10-jährige Enkelin vor mir und verkündete feierlich: »Ich habe eine wichtige Frage! Was war eigentlich vor dem Urknall?«

Ich geriet natürlich in Panik, denn mir wurde klar, dass sich jetzt endgültig herausstellt, dass ich keineswegs allwissend bin. Mein Einwand, dass diese Frage niemand beantworten kann, wurde von der kleinen Philosophin in sachlichem Ton hinweggewischt, mit der Feststellung, dass Erwachsene eben auch dumm sind.

Bleiben wir also bei den bekannten alten Schilderungen, die zwar nur falsch sein können, da wir ja, wenn es sich um den Urknall handelt, tatsächlich dumm sind, aber die Bibel ist auf jeden Fall ein Jahrtausendkunstwerk von grandioser Poesie und zeitloser Weisheit.

Nehmen wir an, drei Menschen lesen das Alte Testament, ein Agnostiker, ein Religiöser und ein Tiefgläubiger. Der Agnostiker ist tief beeindruckt von der sprachlichen Gewalt und Poesie der Schrift. Ist er zufällig auch Künstler, verwendet er Figuren und Erzählungen, die ihn besonders beeindrucken, für sein Schaffen. Die moralischen Forderungen des Alten Testaments sind zum Teil Grundlage seiner Sozialisierung, aber zum Teil inakzeptabel für den Agnostiker der westlichen Kultur des 21. Jahrhunderts.

Der Religiöse glaubt prinzipiell an eine Gottheit, wie sie in der Schrift geschildert ist, kann aber mit der Schöpfungsgeschichte nichts anfangen. Er geht davon aus, dass die Bibel von Menschen geschrieben wurde, die von Gott inspiriert waren, aber vieles missverstanden, manches hinzugelogen haben. Die zahlreichen Widersprüche und Absurditäten in der Bibel werden von ihm als Ausschmückungen und Symbole für den Wissensstand der Menschen jener Zeit verstanden und nicht weiter hinterfragt. Wahrheiten, die für heute Gültigkeit haben, hält der Religiöse für die Worte einer überirdischen Schöpferkraft.

Für den Gläubigen gilt jedes Wort, das in der Bibel steht, als Gottes Wort. Absolute, unveränderliche, ewige Wahrheit. Daraus ergibt sich natürlich, dass wissenschaftliche Erkenntnisse, die in Widerspruch zur Bibel stehen, nur falsch und das Werk eines Satans sein können. Konsequenterweise ist es dann die Pflicht des Gläubigen, diese totale und beglückende Wahrheit der gesamten Menschheit mitzuteilen und den Glauben an sie durchzusetzen, sei es durch gutes Beispiel und Überzeugungskraft, sei es durch den Scheiterhaufen und die Zwangsislamisierung mit dem Schwert.

Das Judentum hat die Basis für den Glauben an eine einzige und absolute Wahrheit geliefert, unterscheidet sich aber von den beiden anderen monotheistischen Religionen. Die Menschheit braucht nicht mosaisch zu werden. Zehn gerechte Juden genügen, um die Welt am Leben und Existieren zu erhalten. Und wenn alle Juden die göttlichen Gesetze (Mitzwot) wirklich erfüllen würden, wäre die Welt gerettet. Es gibt in der jüdischen Tradition das Talmud-Studium. Es ist eine gewaltige Wissenschaft, die jedes dieser »Worte Gottes« seit Jahrhunderten auf unterschiedliche Weise auslegt und versteht. Es ist dies ein äußerst kompliziertes Denksystem und wird von Gelehrten betrieben, die sich ihr Leben lang mit nichts anderem beschäftigen. Der durchschnittliche religiöse Jude braucht daher, um seiner Religion gerecht zu werden, einen Interpreten, der ihm für jedwede seiner Handlungen eine Verhaltensweise vorgibt. Es versteht sich, dass dieses System den Rabbinern Einfluss und Macht über die Gemeinde sichert.

Der Verfasser dieser Zusammenfassung des Alten Testaments versteht sich selbst als Agnostiker. Für mich ist die Bibel ein Jahrtausendkunstwerk, ein grandioses Zeugnis menschlicher Weisheit und menschlicher Irrtümer. Ich habe weder die Möglichkeit noch die Absicht, mich in die religionswissenschaftlichen Auslegungen der Bibel einzubringen. Diese Kurzfassung erzählt den Text so, wie er in der Bibel steht und von jedermann verstanden werden kann. Meine Kommentare und Reflexionen gehen von dem Allgemeinwissen und den moralischen Vorstellungen unserer Zeit aus.

Einen Gott, der außerhalb des Kosmos existiert und diesen erschafft, bin ich nicht imstande mir vorzustellen. Es ist auch nicht leicht sich vorzustellen, dass der Kosmos mit all seinen Erscheinungen ununterbrochen daran ist, sich selber zu erschaffen, nicht weil er das will, sondern weil er gar nicht anders kann. Aber nachdenken und träumen schadet nie. Der Urknall schafft Physik und Chemie. Diese schaffen aus Kristallen und Säuren Leben, dieses schafft Intelligenz und diese schafft Götter. Bis zu einem wirklichen Monotheismus hat es die Intelligenz offensichtlich noch nicht gebracht, denn es wimmelt ja in allen Religionen überall von Engeln, Cherubim und Heerscharen, lauter unsterbliche Wesen, also Nebengötter.

In der Bibel werden oft Wunder geschildert, Ereignisse, die im Widerspruch zu den uns bekannten Naturgesetzen stehen. Als Wunder kann man aber auch verstehen, dass ebendiese Naturgesetze Lebewesen hervorgebracht haben, die imstande sind, Wunder zu erfinden. Die oft krampfhaften Versuche, diese Wunder naturwissenschaftlich zu erklären, beschädigen die Wunder ebenso wie die Naturwissenschaft. Ich selbst habe mich manchmal ebenfalls dieser Sünde schuldig gemacht.

DIE SCHÖPFUNG

»Und die Erde war wüst und leer.« Hebräisches Original: Tohu wabohu. Dies sind keine hebräischen Worte, sondern wurden offensichtlich eigens erfunden, um das totale Chaos auszudrücken. Es gibt seit 2000 Jahren den Versuch, das hebräische Wort haja (war) mit »wurde« zu übersetzen. Die Erde wurde Tohuwabohu, was die Möglichkeit ergäbe, dass der Kosmos bereits seit Jahrmilliarden existiert und die Erde vor 6000 Jahren aus diesem Tohuwabohu geschaffen wurde. Das hebräische Wort für »wurde« ist aber nehie und außerdem ist, wie wir ja inzwischen wissen, auch die Erde seit Jahrmillionen mit Leben aller Art bevölkert und kein Tohuwabohu.

Am ersten Tag werden das Licht und die Finsternis geschaffen, und zwar ohne Sonne. Am zweiten Tag wird ein Himmel gemacht, der zwischen einem oberen und einem unteren Wasser platziert ist. Im unteren Wasser gibt es Trockenstellen, die Erde genannt werden, obwohl es Erde, wenn auch wüst und leer, ja schon gibt. Am dritten Tag werden die Pflanzen geschaffen, vorläufig auch ohne Sonne. Am vierten Tag endlich wird die Sonne als großes Licht und der Mond als kleines Licht am Himmel aufgehängt. Am fünften Tag werden alle Tiere erschaffen, von den Walen, die für Fische gehalten werden, bis zu den Käfern und Würmern. Von Bakterien und Viren, ohne die ja Säugetiere nicht existieren könnten, ist nicht die Rede. Am sechsten Tag wird der Mensch gemacht. Vom hebräischen Wort adamah – Erde, kommt das Wort Adam (Einzahl, maskulin). Dieser Adam ist das Ebenbild Gottes, und die Bibel wiederholt, dass er das Ebenbild Gottes ist. Gleich darauf heißt es, als Mann und Weib schuf Gott den Menschen und dann stellt sich heraus, dass Adam eine »Gehilfin« braucht. Er wird eingeschläfert und aus einer seiner Rippen wird ein Weib gebastelt (1. Mose 2,21). Dieser literarische Eiertanz um die Erschaffung der Frau drückt bereits die problematische Vormachtstellung der Männer in den monotheistischen Religionen aus. Es ist allgemein bekannt, dass wegen der Rippe das Weib dem Mann untertan ist. Wie so vieles allgemein Bekannte stimmt es nicht. In der Bibel steht Folgendes: »Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen« (1. Mose, 2,24).

Es gibt über die Schöpfungsgeschichte zahlreiche Witze und Spottlieder, aber so naiv diese Erzählung wirkt, wenn man mit ihr die Erkenntnisse der Wissenschaft ersetzen und verdrängen will, so grandios ist sie als Kunstwerk. In wenigen Sätzen ist die ganze Tragödie eines affenartigen Säugetiers geschildert, das ein Gehirn entwickelt, mit dem es seine eigene Nacktheit erkennt, Gut und Böse unterscheiden kann und tatsächlich Herr über Tiere und Pflanzen wird. Die Verfasser dieser Schrift müssen tiefe Erkenntnisse und prophetische Fähigkeiten gehabt haben. Die Geschichte der Schöpfung ist ja zweifellos viel älter als die Bibel und erweckt mit vielen Widersprüchen und Absurditäten oft den Eindruck, dass die Verfasser dieser Schrift keineswegs die Absicht hatten, Wahrheiten zu verkünden, die Wort für Wort ewig geglaubt werden müssen.

Kaum existiert der Mensch, beginnen schon die Probleme. Man frisst den verbotenen Apfel und versucht dann, sich abzuputzen.

Adam: »Ich doch nicht. Die Gehilfin, die du mir geschaffen hast.«

Eva: »Ich doch nicht, die Schlange, die, wie du ja weißt, das schlaueste aller Tiere ist, hat mich betrogen.« Die Schlange kriegt also ihr Fett ab: am Bauch kriechen, Staub essen. Das Ehepaar erhält Fellreste für seine nackten Ärsche und wird mit einem Tritt in dieselben aus dem Paradies befördert. Die Methode des Abstreitens und Sich-Abputzens hat sich jahrtausendelang bewährt für die Menschheit im Allgemeinen und vielleicht für die österreichische Menschheit im Besonderen.

Jetzt heißt es also (1. Mose 3,19): »Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen«. Im Original »mit schwitzender Nase«. »Du sollst mit Schmerzen Kinder gebären«, im Original »Söhne gebären«.

An die Arbeit! Man lüftet also die von Gott gespendeten Fellreste und der erste Sohn erblickt das Licht der Welt und sein Name ist Kain. Als zweiter Sohn Abel (im Original Hevel). Um es gleich vorwegzunehmen: Der erste Mensch, der einen Bruder hat, bringt diesen Bruder um. Kain ist Landwirt, Abel Hirte, und da haben wir schon das Dilemma. Kain sitzt in den fruchtbaren Tälern, wo es Wasser gibt. Er pflanzt und betreut mit schwitzender Nase seine Gärten. Abel wandert mit seinen Ziegen über die steinigen Hügel, wo sich seine Tiere von trockenen Disteln ernähren. Eine Runde in einem reifen Feld tut der Herde sicher gut. Dem Ackermann tut das aber gar nicht gut und das geht so etliche Jahrhunderte. Die Leute wurden damals zwischen 800 und 969 Jahre alt.

Eva wird von der Schlange eingewickelt.

Der erste Brudermord: Kain und Abel

Adam und Eva (im Original Hava) wollen mit diesen endlosen Streitereien nichts zu tun haben und konzentrieren sich ganz auf ihren neuen Sohn, Seth, dessen Nachkommen gottgefällige, aber langweilige Gebete erfinden. Kain wendet sich direkt an Gott, und zwar mit einem Opfer, wie es Götter sicher gerne haben. Das Beste von seinen Feldern und Gärten auf einem rauchenden Scheiterhaufen. Diese Technik des Bestechens ist, wie wir wissen, eine wesentliche Eigenheit aller menschlichen Zivilisationen. Ohne etwas Freunderlwirtschaft kann es einen funktionierenden Staat offenbar nicht geben. Ungebremste Wucherungen der Korruption allerdings machen alle Grundlagen des Zusammenlebens kaputt.

Abel sagt: »Man wird ja sehen, wer der Bessere ist im Anfüttern«, schichtet Tierleichen mit fetten Eingeweiden auf und zündet sie an. Fett brennt natürlich besser als Rüben und Kraut. Der Rauch steigt hoch auf und Kain hat verloren. Was tut man, wenn man verliert? Man wird, besonders wenn man Mann ist, aggressiv.

Was es im Heiligen Land am meisten gibt, sind Steine. Mit Steinen werden Häuser gebaut. Mit Steinen wird Krieg geführt. David hat Goliath mit einem Stein fertiggemacht. Für jede Demonstration oder Intifada sind immer genügend Steine vorhanden (in Wien gibt es nie eine Intifada, weil es keine Steine gibt). Kain hebt also einen Fünf-Kilo-Brocken auf, schlägt zu und damit ist der Streit um Wasserquellen und Felder für dieses Mal beendet.

Gott aber verflucht Kain und damit in gewissem Sinne auch die Landwirtschaft, die ja die Voraussetzung für die uferlose Vermehrung der Menschheit ist: »Wo ist dein Bruder Abel?« (1. Mose 4,9) Sagt Gottvater zu Kain. »Soll ich meines Bruders Hüter sein?« Für so eine freche Antwort hätte Kain von einem Menschenvater wohl zwei knallende Ohrfeigen bekommen. Gott verflucht den Acker, der das Blut Abels getrunken hat. Gott jagt Kain aus dem Land, macht aber ein Zeichen auf seine Stirn, das ihn vor Feinden schützt.

Kain zieht nach Osten, zeugt mit seiner Frau einen Sohn und baut eine Stadt. Es kommt in der Bibel nicht darauf an zu erfahren, woher Kains Frau kommt und woher die Bevölkerung, mit der er eine Stadt baut. Wichtig ist, dass seine Nachkommen Handwerk und Kunst entfalten, »die Arbeit mit Metall, die Kunst der Geige und Pfeife«. Die Vorstellung ist tragisch, dass die Entwicklung unserer Zivilisation von einem Brudermord ausgelöst wurde.

Wie nicht anders zu erwarten, stellt sich die Menschheit sehr bald als eine ganz lausige Bagage heraus, die vermischt ist mit Halbgöttern, die sich als große Diktatoren aufspielen. Gott hat nämlich zahlreiche »Kinder« (1. Mose 6,4), im Original bene-elohim – das kann nur mit »Söhne Gottes« übersetzt werden. Bei Martin Luther heißt es Kinder, weil er neben Jesus keine anderen Gottessöhne haben wollte, was man ja verstehen kann. Diese Söhne, wie halt Söhne so sind, sehen, dass die Töchter der Menschen fesche Wesen sind.

Was macht man als Gottes Sohn? Man hüpft kurz hinunter, sucht sich eine aus und vergewaltigt sie. Sicher ging es auch oft auf die friedliche Tour, man hat ja als Gottes Sohn immerhin ein gewisses Prestige und so etwas lieben die Töchter der Menschen bekanntlicherweise.

Die daraus entstandenen Bastarde sind üble Tyrannen, wie man sie auch aus den Geschichten der griechischen Mythologie kennt. Gott entscheidet sich also, einmal Tabula rasa zu machen und das Ganze mit einer Sintflut reinzuwaschen. Vor allem wollte er wohl mit den peinlichen Heldendiktatoren aufräumen, die ja leider seine Enkelkinder sind.

Einer der bene-elohim

DIE SINTFLUT

Warum die Tiere? Warum nicht die Fische? Viele dieser Fragen der kleinen Enkelin kann man nur damit beantworten, dass es im Kosmos, in dem wir leben, eben keine Gerechtigkeit geben kann. Alles Leben kann nur existieren, wenn es Leben vernichtet. Diesem Gesetz sind wir alle unterworfen und daher tatsächlich mit einer Art Erbsünde belastet.

Der gute Gott wurde aber offenbar vom Herrn Chef »Urknall« zurückgepfiffen. Er sah sich gezwungen, eine kleine Reserve beiseitezulegen, und holte sich Noah, im Original Noach, zu einem ernsten Gespräch. »Mein lieber Noah, ich weiß, dass du ein gerechter Mann bist, und obwohl ich auch weiß, dass deine Nachkommen genau solche Schurken sein werden wie die, deren Ende jetzt nahe bevorsteht, habe ich dich und deine Familie auserkoren, das Leben weiterzureichen in die Zeit nach der Sintflut. Baue eine Kiste aus dem Holz der Nadelbäume, 150 Meter lang, 25 Meter breit, 15 Meter hoch, innen und außen mit Pech abgedichtet. Von allen Tieren, von der Kakerlake bis zum Elefanten, nimmst du je ein Pärchen und von den reinen Tieren je sieben Pärchen, dazu deine ganze Mischpoche, in die tewa (Schachtel).« Die Arche, wie sie Luther nennt, wird wohl etwas eng gewesen sein. »Die Kiste muss fest verriegelt sein«, sagt Gott, »denn wenn das Wasser zu steigen beginnt, werden zahllose Menschen mitfahren wollen. Manche werden dir Geld anbieten, andere ihre Frauen, andere werden weinend auf den Knien liegen. Sekten werden dich verfluchen, Mafiosi dich bedrohen. Die Türe bleibt zu. Hast du das kapiert? Die Türe bleibt zu.«

Noah, der immerhin 600 Jahre alt ist, geht also an die Arbeit. Als Erstes baut er die Tür und erst dann die Kiste. In der Decke macht er ein kleines Loch, groß genug, um seine Hand mit einem Vogel durchstecken zu können. In dieses Loch steckt er von außen einen Trichter, der dazu da ist, den Regen als Trinkwasser aufzufangen, das in einen darunterstehenden Behälter fließt. Noah hat den Tiefgang der im Wasser schwimmenden vollen Arche berechnet und knapp über dem Wasserspiegel eine verschließbare Öffnung angebracht. Durch diese Öffnung können die Exkremente entsorgt werden, die ja in gewaltigen Mengen anfallen werden.

Die Kiste hat Parterre, Mezzanin und ersten Stock. Noah adjustiert den ersten Stock für die Lebensmittel, in einem versperrten und von Hunden bewachten Raum. Der beste Platz ist mit Betten und Tischen für die Familie eingerichtet. Noah nimmt die reinen Tiere, das sind Kühe, Ziegen, Schafe und Hühner, ins Familienzimmer. Auf die Reklamationen seiner Frau über den voraussichtlich entstehenden Gestank meint er: »Lächerlich, an unseren Gestank werden sich die Tiere gewöhnen müssen.«

Im Mezzanin werden die sogenannten edlen Tiere untergebracht. Das Araberpferd, das Kamel, der Falke, weiters die meisten Singvögel. Im Parterre, wo die Drängerei am unerträglichsten ist, hungert und stinkt vor sich hin, was dem Menschen bis heute nicht wirklich untertan ist: Ratten, Kakerlaken, Schlangen, Skorpione, Wanzen, Ameisen etc.

Vierzig Tage lang regnet es in Strömen. Das Wasser deckt alles zu, und was ertrinken kann, ertrinkt unter Qualen. Die Lebewesen, die als erste geschaffen wurden, das sind Pflanzen und Wassertiere, werden verschont. Die »Kronen der Schöpfung«, das sind an Land lebende Tiere und Menschen, werden vernichtet. Das Wasser beginnt langsam zu sinken und Noah schickt Vögel durch das Loch an der Decke der Kiste, um zu erkunden, ob Land in Sicht ist. Beim dritten Versuch kommt die Taube mit einem Ölzweig im Schnabel zurück.

Noah mit seiner Arche

Es waren 190 schreckliche Tage für alle Beteiligten. Man ist heilfroh, als die Kiste endlich auf dem Berg Ararat an Land geht. Warum gerade Ararat? Warum nicht? All die Kurden, Armenier und Türken sind ja ertrunken, und vom Gipfel des Berges kann man das brandneue Schwarze Meer gut sehen, unter dem jetzt die ganze Schande begraben liegt.

Schulpflichtige Kinder und auch die Analphabeten der späteren Bronzezeit wissen, dass man in einer Kiste nicht alle Tiere paarweise unterbringen kann. Wenn das also nur eine symbolhafte erfundene Erzählung ist, wie soll ein wohlmeinender Religionsschüler die Heilige Schrift verstehen? Wo ist die verpflichtende historische Wahrheit, wo Erfindung? Und wer entscheidet, welcher Text wie zu verstehen ist?