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Franz Buck ist durch und durch Polizist. Er steht ein, für Recht und Ordnung. Er lässt sich weder von seinen Vorgesetzten, noch von der Staatsanwaltschaft daran hindern, seine Aufgabe zu erfüllen. Dass er mit seinen Ermittlungen in diesem vorerst „normalen“ Tötungsdelikt, mitten in ein Wespennest sticht, ist nicht seine Schuld. Er deckt dunkle Machenschaften auf, in welche hohe Persönlichkeiten und ein Staatsanwalt verwickelt sind. Seitens der Obrigkeit wird deshalb alles unternommen um seine Arbeit zu erschweren. Es gipfelt darin, dass Franz Buck von seiner Arbeit suspendiert wird. Beim Lesen dieses Buches versetzen Sie sich automatisch in die Lage des Ermittlers. Sie möchten ihm helfen. Ihr Sinn schreit förmlich nach Gerechtigkeit, doch sind die Vorgesetzten erst mal am längeren Hebel..... Um Ruhe zu bewahren, hilft ihm seine Freude am Kochen und gutem Essen. Vielleicht gibt er Ihnen ja noch einige Rezepte bekannt? Lesen Sie selbst, wie sich der gradlinige Ermittler fühlt und denkt, wenn seine Arbeit von allen Seiten behindert wird.
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Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Aus der Serie
„Zürich im Licht der Dunkelheit“
Band 1
Die ersten Sonnenstrahlen reflektierten sich auf den kleinen Wellen des Zürcher Seebeckens an diesem herrlich schönen Sommermorgen. Werner Hutter marschierte wie jeden Tag, strammen und zielstrebigen Schrittes der Quai Brücke entgegen. Er hatte sich zur Gewohnheit gemacht, den ca. 30 Minuten dauernden Fussmarsch von seiner Villa im Enge-Quartier zu seinem Büro in der Altstadt, ohne Fahrzeug zu bewältigen. Ein Konzert von Vogelstimmen aller Art begleitete ihn durch die schöne Parkanlage. Ausser einzelnen, fitnessbewussten Leuten, die jeweils den Tag mit einem morgendlichen Jogging angehen, war zu dieser frühen Morgenstunde kaum jemand im Park zu sehen. Es grenzte schon fast an einen Zufall, dass ihm ein Mann mittleren Alters entgegen kam. Dieser Mann trug eine gepflegte graue Kleidung und einen dunklen Hut mit tief ins Gesicht gezogener Krempe. Noch ahnte Werner Hutter nicht, dass der ihm entgegenkommende Mann das letzte Geschöpf sein würde, das er in seinem Leben zu Gesicht bekommen sollte. Ein kurzes Aufblitzen der scharfen Stilett Klinge beim Vorbeigehen warnte ihn zu spät, als dass er noch hätte ausweichen können. Von geübter Hand geführt, bohrte sich die Klinge mitten in sein Herz. Zwar versuchte er, sich noch auf den Beinen zu halten, doch schon nach wenigen, taumelnden Schritten fiel er bereits als leblose Gestalt, auf den gepflegten Kiesweg der Parkanlage „Arboretum“. Sein teurer, massgeschneiderter Veston und die feinen Steine des Bodens färbten sich rot unter ihm und das letzte Röcheln seines Atems verstummte. Der fremde Mann hingegen, ging weiter, als ob nichts geschehen wäre.
*
Unbarmherzig piepste mich mein elektronischer Wecker aus meinen süssen Träumen. Gestern Abend war es spät geworden. Meine Arbeitskollegin Angela Wieser hatte mich und einige Kollegen zu Ihrem Geburtstagsfest eingeladen. Bei feinem Essen und gutem Wein verging die Zeit viel zu schnell. Entsprechend kurz fiel mein Schlafpensum aus. Sozusagen schlafwandelnd, schlich ich ins Bad. Eine kalte Dusche und der anschliessende Nespresso, mussten die fehlenden Schlafstunden ersetzen. So fühlte ich mich auf dem Weg zur Garage, wo mich meine treue Begleiterin, die goldfarbene BMW Tourenmaschine erwartete, schon beinahe wach. Auf der Fahrt in die Stadt liess ich mir, zum leisen Motorensurren, die kühle Morgenluft ums Gesicht blasen und schon bald war meine Welt wieder gänzlich in Ordnung.
Als ich gutgelaunt meine Bürotür aufschloss, läutete bereits das Telefon. Das liess mich nichts Gutes ahnen. Am andern Ende der Leitung hörte ich die Stimme meines Chefs, der mich und meinen jungen, mir zugeteilten Kollegen, Alain Bayard bat, in sein Büro zu kommen.
Alain hat unlängst seine kriminalistische Ausbildung abgeschlossen. Seit einem Monat arbeitet er in unserer Abteilung und meine Aufgabe ist es, ihn zu unterstützen und ihn in den Alltag der Kriminalpolizei einzuführen. Ich arbeite gerne mit ihm zusammen und ich bin mir sicher, aus ihm wird einmal ein sehr guter Kriminalist. Zurzeit ist er jedoch noch etwas zu eifrig, ja fast euphorisch und muss ab und zu gebremst werden, wie das bei vielen jungen Kollegen am Anfang ihrer kriminalistischen Laufbahn der Fall ist.
Minuten später standen wir dem Mordkommissionsleiter, Beat Koch, gegenüber. Mit kurzen Worten schilderte uns der Chef den Fund des toten Geschäftsmannes, Werner Hutter, im Arboretum. „Entschuldigung“, unterbrach ich meinen Vorgesetzten. „Sprechen wir hier von DEM Werner Hutter“? „Ja, genau. Ich spreche vom bekannten Werner Hutter. Es hat sich bereits ein Anwalt von der Kanzlei Consulting und Partner gemeldet, um die Interessen seines getöteten Mandanten zu übernehmen“, erklärte uns der Chef. Jetzt verstand ich die Welt überhaupt nicht mehr. Ausgerechnet ein Mitglied dieser Kanzlei, vertritt einen so hoch angesehenen und durch seine nebenamtliche politische Tätigkeit landesweit bekannten Mann wie Werner Hutter? Der Mann, welcher als Inbegriff von Sauberkeit galt. Immer wieder setzte er sich ein, gegen den wie er sagte, moralischen Zerfall der Gesellschaft. Er kämpfte gegen Prostitution und gegen den Drogenmissbrauch. Manch einem Zuhälter oder Bordellbetreiber konnte er durch seinen Einsatz einen Strich durch die Rechnung machen, indem es ihm gelang, Baubewilligungen oder sonstige Eingaben zu verhindern. Oft schien er mir päpstlicher als der Papst. Für viele Leute galt er als Vorbild für eine saubere und moralische Politik. So erhielt er auch immer eine grosse Anzahl Stimmen wenn es um Wahlen ging. Wenn er ein politisches Projekt unterstützte, dann konnte man fast mit Sicherheit davon ausgehen, dass es auch vom Volk angenommen wurde. Mit diesem Kampf, gegen alles Schlechte und Unmoralische welches sich Werner Hutter auf seine Fahne geschrieben hatte, bildete er sich nicht nur Freunde. Gerade in den Reihen des Verbrechens und des Rotlicht-Bereiches gab es viele Leute, die Werner Hutter am liebsten in die Hölle geschickt hätten. Ich war mir deshalb schon fast sicher, dass der Täter in dieser Verbrechersparte zu suchen sein würde, was für den Verlauf der Ermittlungen keine leichte und angenehme Arbeit bedeutete.
Eine Frage beschäftigte mich aber fast noch mehr und ich machte mir Gedanken darüber, während Alain den Wagen zum Seepark Arboretum lenkte. Warum nur, fragte ich mich, übernimmt ausgerechnet Consulting und Partner die Verteidigung von Werner Hutter? Immerhin gilt diese Kanzlei als Milieu-Kanzlei, die vorwiegend Leute aus dem Prostitutions- und Drogenbereich zu seiner Klientel zählt.
*
Das nächtliche Treiben an der Côte d’Azur war verstummt. Die Morgendämmerung löste allmählich die Finsternis der Nacht ab. Zwar war die Sonne am Horizont noch nicht sichtbar, aber der Himmel hinter dem Fürstenschloss färbte sich bereits langsam rot. Die vielen Luxusschiffe im Yachthafen von Monaco glänzten im rosa Schimmer des von Osten her heller werdenden Himmels. Noch war alles ruhig an diesem Sommermorgen. Nur die Wellen plätscherten monoton gegen die Schiffswände. Ein knapp 50 jähriger Mann lehnte an der Reling seiner 25 Meter Yacht, auf dessen Rumpf in goldener Schrift und zierlichen Buchstaben der Name „Pawana“ stand. Er schaute verträumt aufs Meer hinaus, doch waren seine Gedanken ganz wo anders. Immer wieder hob er den linken Arm und beobachtete die Zeiger seiner sündhaft teuren IWC Armbanduhr, die nur zäh in Richtung sechs Uhr rückte. Offensichtlich wartete er auf jemanden oder auf etwas das demnächst passieren sollte. Er trug sommerliche Kleidung, bestehend aus weissen Leinenhosen und einem mit Blumen verzierten Seidenhemd. Seine braune Gesichtshaut schien gegerbt, von den vielen Sonnenstrahlen. Ernsthafte Züge umspielten seinen Mund und auch die Stirne wies dunkle Falten auf. Diese Merkmale standen im krassen Gegensatz zum vielen Luxus der ihn umgab und wiesen darauf hin, dass sich das bisherige Leben von Boris Jekow nicht nur auf der Sonnenseite abgespielt hatte.
Plötzlich riss ihn der Klingelton seines Handys aus den Gedanken. Hastig ergriff er das kleine Gerät, drückte eine Taste und ging auf Empfang. Am andern Ende meldete sich eine sonore Männerstimme ohne Namen und Einleitung. Die Stimme sprach nur die fünf vereinbarten Worte: „Das Unkraut wächst nicht mehr!“ Dann klickte es und die Leitung war tot.
Jekows Mundwinkel hoben sich leicht an und ein zufriedenes Lächeln zog über sein braungebranntes Gesicht, als er das Handy in seine Tasche zurück gleiten liess.
*
Ein rot/weisses Polizei Absperrband umspannte grossräumig den Tatort, als wir beim Seepark eintrafen. Uniformierte Beamte standen an den Zugängen und wiesen die, mit voranschreitender Zeit immer zahlreicher werdender Neugieriger, weg. Die Kriminaltechniker und die Wissenschaftler, sowie der Kriminalfotograf waren emsig damit beschäftigt, allfällige Spuren zu finden und zu sichern. Der Fotograf hielt alles mit seiner Kamera fest. Ein weisses Zelt spannte sich über den Toten und schützte ihn so vor den Blicken der Zuschauer. Im Innern des Zeltes unterzog der Gerichtsmediziner Dr. Frehner, die Leiche einer ersten Inspektion.
„Ein Stich mit einem spitzen Gegenstand, der den Mann offensichtlich mitten ins Herz getroffen hat“ so seine kurze Ausführung uns gegenüber. „Näheres werde ich euch frühestens nach der Obduktion sagen können. Der Tod muss vor knapp einer Stunde eingetreten sein.“
Via Zentrale bot ich eine Einsatzgruppe Polizisten auf, welche systematisch den Park absuchen sollten nach der möglichen Tatwaffe. Auch zwei Hundeführer wurden aufgeboten und nachdem alle eingetroffen waren machte ich ihnen ihre Aufgabe klar „...und vergesst nicht, alle Papierkörbe im Park zu durchsuchen und auch das WC-Häuschen an der Verzweigung Mythenquai/General Guisan Quai“, schloss ich meine Anweisungen. Sofort nahm die Gruppe, unter der Leitung von Wachtmeister Müller, die Arbeit auf.
Ein Raubmord liess sich jetzt schon ausschliessen da der Tote noch eine Brieftasche auf sich trug, deren Inhalt das Monatseinkommen manches Familienvaters überstieg. Auch seine persönlichen Papiere befanden sich darin. Daraus war ersichtlich, dass es sich bei dem Mann tatsächlich um den bekannten Werner Hutter, wohnhaft an der Seestrasse in Zürich, also knapp einen Kilometer vom Tatort entfernt, handelte. Eine routinemässige Rückfrage in unserer Zentrale ergab, dass der Mann, ausser mit einem kleinen Verkehrsunfall, bisher noch nie bei der Polizei in Erscheinung getreten war. Trotzdem war Werner Hutter nicht nur der Polizei, sondern der gesamten Bevölkerung von diversen Medien und Fernsehauftritten, bestens bekannt, als landesweiter Politiker im Nebenamt. Im Handelsregister war er als alleiniger Inhaber der Import/Export Firma „WH Waren“ eingetragen.
„Es sieht schlecht aus punkto Spuren“ erklärte mir Max Meingut vom Wissenschaftlichen Dienst nachdem er sich aus dem weissen Leichenzelt geschält hatte. „Natürlich müssen die DNA Tupfer zuerst ausgewertet werden, aber ich erhoffe mir nicht allzu viel davon. Wie es aussieht handelt es sich um einen vorbereiteten Mord. Es gibt weder Abwehrspuren, noch irgendwelche Hinweise, welche auf den Täter hinweisen könnten. Offensichtlich ist das Opfer seinem Mörder wort-wörtlich, direkt ins offene Messer gelaufen, wie man so zu sagen pflegt. Nichts deutet auf eine Auseinandersetzung hin und es gibt bis jetzt auch noch keine Tatzeugen.“
Immerhin trug das Opfer ein i-Phone mit sich. Vielleicht ergibt sich ja daraus noch ein Hinweis auf die mögliche Täterschaft. „Wir werden das Gerät auslesen und eine rückwirkende Telefonkontrolle veranlassen. Wer weiss, vielleicht ergeben sich dann irgendwelche Ermittlungsansätze“, sagte ich zu Alain. „Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass wir den Täter irgendwo im Rotlichtmilieu suchen müssen“.
Ich machte mir schon mal Gedanken, wie wir an die Informationen heran kommen könnten, welche Projekte und Baugesuche in letzter Zeit durch den Einsatz von Werner Hutter verhindert worden waren. Einen anderen Ansatzpunkt für unsere Ermittlungen kam mir momentan nicht in den Sinn. Das war zwar nicht viel, aber immerhin ein Anfang und wer weiss, vielleicht war uns ja gerade diesmal das Glück hold und wir konnten die gesicherten DNA Spuren einem Verdächtigen zuordnen.
Nachdem sich mehr und mehr Medienschaffende am Tatort einfanden, war es nicht ganz einfach für die Uniformierten, die Meute hinter den Absperrbändern zurück zu halten. Gegen die grossen Teleobjektive mit welchen aus der Ferne der Tatort fotografiert wurde, gab es leider kein Mittel. Endlich traf auch der verantwortliche Funktionär unserer Medienstelle ein, welcher die Journalisten zu beruhigen versuchte. Wir besprachen uns mit ihm, und legten fest, was bis jetzt herausgegeben werden durfte. Mit Sicherheit mussten wir die Identität des Opfers vorerst noch geheim halten, denn nichts ist schlimmer, als wenn die Hinterbliebenen über die Medien erfahren müssen, dass einer ihrer Angehörigen einem Unfall oder einer Straftat zum Opfer gefallen ist.
Nachdem wir uns noch einmal einen Überblick vom ganzen Tatort eingeprägt hatten, beeilten wir uns, erst einmal der Witwe einen Besuch abzustatten um sie über die traurige Tatsache zu informieren, dass ihr Mann nie mehr nach Hause kommen würde. Mit den bisher spärlichen Ermittlungsresultaten bestückt, machten wir uns auf den Weg
*
Kaum 10 Minuten später standen wir vor dem geschmiedeten Eisentor, welches den Zutritt zum parkähnlichen Grundstück versperrte. Im Hintergrund konnten wir die im Jugendstil gebaute Villa sehen. Sie befand sich direkt auf der Kuppe eines, zum See hin steil abfallenden Hügels.
Gleich mehrere Kameras waren beim Eingangstor installiert um allfällige Eindringlinge von allen Seiten beobachten zu können. Ich drückte den Klingelknopf worauf sich eine leicht verzerrte, weibliche Stimme aus dem Lautsprecher meldete:
„Wer ist da?“
„Wir sind von der Zürcher Polizei. Dürfen wir herein kommen, wir möchten gerne Frau Hutter sprechen“ meldete ich mich in Richtung Mikrofon der Gegensprechanlage. Wie von Geisterhand öffnete sich nun das schwere Tor und wir konnten hineinfahren bis vor den Hauseingang. Unter der Haustüre wartete bereits eine Frau mittleren Alters. Der Kleidung und der weissen Schürze nach zu schliessen, eine Bedienstete. Diese grüsste uns höflich und bat uns in den Salon.
„Nehmen sie doch Platz. Frau Hutter wird sogleich kommen. Möchten sie etwas trinken?“ Wir verneinten und setzten uns in die tiefen Polstermöbel. Der Salon war sehr geschmackvoll eingerichtet. Im teuren, gepflegten Parkettboden hätte man sich spiegeln können. Die Möbel passten perfekt zu den Räumlichkeiten und waren im Stil Louis XV. Die blitzblanken Fenster des Salons gaben eine atemberaubende Sicht über den Zürichsee und die Glarner Alpen frei.
„Mein Name ist Franz Buck und das ist mein Kollege Alain Bayard“ stellte ich mich und meinen Kollegen vor, als die Dame des Hauses wenige Minuten später den Salon betrat. Bei Frau Hutter handelte es sich um eine grosse Frau anfangs dreissig, mit einer Figur die bei jedem Mann den Blutdruck ansteigen liess. Ihr dunkler Zweiteiler aus teurem Stoff betonte alle Vorzüge ihres perfekten Körperbaus, ohne deswegen aufdringlich oder gar billig zu wirken. „Ist etwas passiert? Womit kann ich ihnen dienen meine Herren?“ fragte sie uns. Alain, mein junger Kollege aus den Walliser Bergen, schien vom Anblick der attraktiven Frau so beeindruckt, dass er seinen versteinerten Blick nicht mehr von ihr lösen konnte. Mit einem unauffälligen Kneifen holte ich ihn in die Wirklichkeit zurück.
„Ja, leider ist etwas passiert“ begann ich das unangenehme Gespräch. „Ich muss ihnen eine schreckliche Mitteilung machen. Ihr Mann ist tot.“ Die Frau schaute mich an, als ob Sie nicht recht wisse, wie sie auf diese Hiobsbotschaft reagieren sollte. Zuerst sprach sie eine Weile gar nichts. Dann stellte sie mit leiser Stimme die Frage: „Wie ist denn das passiert? Ist er von einem Auto überfahren worden“? „Ihr Mann wurde Opfer eines Verbrechens. Man hat ihn umgebracht.“ „Wer macht denn so was? Das kann ich mir nicht vorstellen“ sprudelte es aus ihr heraus. Dann begab Sie sich zur Bar die in einer Ecke des Salons so perfekt eingebaut war, dass man sie auf den ersten Blick gar nicht wahrnahm. Trotz der angespannten Stimmung, bewegte sie sich in einer grazilen Weise, welche die Blicke jedes Mannes auf sich ziehen musste. Sie goss sich einen, für die Tageszeit doch ziemlich grossen Schluck Cognac ein. In einem Zug liess sie die bernsteinfarbene Flüssigkeit aus dem grossen Cognac-Schwenker in Ihrer Kehle verschwinden und setzte sich anschliessend uns gegenüber in den noch freien Sessel. Ich klärte sie über unser Unwissen betreffend Täterschaft auf und stellte ihr die üblichen Fragen wie: „Hatte ihr Mann Feinde? War etwas an seinem Verhalten speziell in letzter Zeit? Ist etwas Besonderes Geschehen“? usw. All diese Fragen verneinte Sie, sodass wir auf diesem Weg nicht weiter kamen. „Erlauben sie mir, einen kurzen Blick in das Büro ihres Mannes zu werfen?“ fragte ich höflich. „Selbstverständlich, schauen sie sich ruhig um.“ Sagte sie freizügig. „Ich glaube aber kaum, dass sie dort etwas finden werden das sie weiterbringen könnte. Mein Mann hat hier nur wenig gearbeitet. Dass meiste hat sich in seinem Geschäft abgespielt. Hier hat er vielleicht mal einen persönlichen Brief geschrieben und die Zeitungen gelesen. Viel mehr hat er hier nicht getan.“ Da wir noch keinen Hausdurchsuchungsbefehl hatten, beschlossen wir, es bei einer oberflächlichen Durchsicht zu belassen. Auf dem edlen Mahagoni-Schreibtisch stand ein Laptop welcher zugeklappt war. „Darf ich diesen mitnehmen?“ Fragte ich die junge Witwe. „Kein Problem“ antwortete sie. „Wenn es ihnen hilft, den Täter zu finden nehmen sie ihn ruhig mit, ich kann ihn sowieso nicht gebrauchen, denn ich habe meinen eigenen Computer. Ich kenne nicht einmal den Einstiegscode meines Mannes.“ Ich hoffte natürlich, dass unsere Spezialisten den Code knacken könnten. „Ich werde ihnen eine Empfangsbescheinigung für den Laptop zukommen lassen, sobald ich im Büro bin“. Nun gab es für uns nichts mehr, was wir hier noch machen könnten und so verabschiedeten wir uns bei der Dame des Hauses. Sie führte uns zur Eingangstür indem sie vor uns her schritt. Ich war mir sicher, sie war sich der Auswirkung Ihrer Bewegungen bewusst und genoss unsere Blicke die an ihr auf und ab strichen.
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„Ouf“! stiess Alain aus als wir wieder in unserem Dienstwagen sassen und wusch sich einige Schweisstropfen von der Stirn. „Was für ein Weib!“
„Da kann ich dir nur zustimmen. Was hältst du von ihr, ausser ihrem Aussehen“? „Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich von dieser Frau dermassen verzückt war dass mich meine Konzentration völlig im Stich gelassen hat. Es tönt unglaublich, aber ich kann mich kaum erinnern was gesprochen wurde“, gab er kleinlaut zu.
„Es ist doch immer dasselbe mit dir!“ rügte ich ihn freundschaftlich. „Kaum siehst du einen Rock da bist du nicht mehr zu gebrauchen“.
„Tut mir leid aber so etwas Elegant-Erotisches habe ich bei uns im Mattertal wo ich herkomme, noch nie vor die Augen gekriegt“ entschuldigte er sich.
„Ich verstehe dich ja, dass ihr in den Bergen vielleicht weniger so reizvoll herausgeputzte Frauen habt, aber dennoch muss ich dir sagen, dass ein Polizist immer den Überblick behalten sollte, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Auch wenn die Frauen mit denen wir es zu tun haben, oft ihre Reize als Waffen einzusetzen versuchen, um sich in eine günstige Ausgangsposition zu versetzen“.
„Hast ja schon recht“ drückte er hervor und machte dabei ein Gesicht wie ein Schuljunge der beim Abschreiben ertappt worden war.
„Ist dir nicht aufgefallen, dass die Frau keine einzige Träne vergossen hat? Hättest du dich an Ihrer Stelle nicht zuerst erkundigt wie das geschehen konnte und auf welche Art der Mann sterben musste? Auch habe ich die Frage erwartet nach dem Todesort.“ Klärte ich ihn auf. „Stimmt; jetzt wo du das sagst muss ich dir beipflichten“ antwortete er. „Es gibt ja die verschiedensten Arten, mit so einer Nachricht umzugehen“. Fügte ich zu. „Die einen werden hysterisch und schreien, andere fallen in Ohnmacht, wieder andere greifen die Nachricht überbringende Person an etc. Dass aber jemand so cool bleibt und kaum eine Regung zeigt, das habe ich bislang noch nie erlebt“.
Inzwischen waren wir in unserem Hauptgebäude angekommen und machten uns auf direktem Weg zum Büro des Chefs. Wir dotierten ihn über unsere bis anhin spärlichen Ermittlungsresultate auf. Gemeinsam besprachen wir das weitere Vorgehen und beschlossen, beim Staatsanwalt eine rückwirkende Telefonkontrolle auf das Handy des Getöteten und einen Hausdurchsuchungsbefehl zu beantragen, um dessen Firma einmal unter die Lupe zu nehmen.
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Nachdem er die für ihn erfreuliche Nachricht erhalten hatte, stieg Boris Jekow zufrieden die Stufen seiner Yacht zur Kabine hinunter. Dort entledigte er sich seiner Kleider und schlüpfte noch einmal für kurze Zeit unter die Decke zu