Vergessen? Nie! - Peter J. Hoff - E-Book

Vergessen? Nie! E-Book

Peter J. Hoff

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Beschreibung

Franz Buck, ist sich gewohnt, Mörder und sonstige Schwerverbrecher zu jagen. Es ist sein täglicher Auftrag, diese Kriminellen der Justiz zuzuführen. Was aber, wenn er als Ermittler plötzlich zum Gejagten wird? Wenn im kranken Hirn eines Mörders der Gedanke reift, den Mann der ihn hinter Gitter gebracht hat, umzubringen? Wie reagiert ein Ermittler, wenn er selbst zur Zielscheibe des Verbrechens wird? Lesen Sie selbst, wie er sich fühlt, wenn sein ganzes Leben durcheinander gerät. Eine Ablenkung vom harten Alltag findet er in seinem großen Hobby, dem Kochen. Wer weiß, vielleicht gibt er ihnen noch einige Tipps, Ideen oder Rezepte bekannt.

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Seitenzahl: 149

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Vorwort

Diese Geschichte basiert auf reiner Phantasie. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre ungewollt und purer Zufall.

Alle Namen wurden frei erfunden. So existiert in Zürich weder eine Polizeiorganisation unter dem Namen „Zürcher Polizei“ noch gibt es dort eine Abteilung mit der Bezeichnung „Mordkommission“.

Zum Autor

Peter J. Hoff arbeitete selbst fast vierzig Jahre bei der Polizei und befasste sich in den letzten 15 Jahren seiner beruflichen Tätigkeit hauptsächlich mit Mordfällen und schweren Gewaltdelikten.

Einmal mehr, ging ein sehr anstrengender Arbeitstag zu Ende. Die gleissende Sonne hatte das Büro welches ich mit meinem Kollegen Alain Bayard teile, in eine richtige Sauna verwandelt. Am Nachmittag wenn die Sonne so ungehindert durch die Fensterscheibe brennt, ist es beinahe unmenschlich, Leute in diesen Räumen arbeiten zu lassen. Leider ist es bei uns nicht anders als in andern Städten und Ländern. Für die öffentliche Hand, ist nie genügend Geld vorhanden, und für die Polizei schon gar nicht. Sonst wäre längstens eine Klimaanlage in unser Bürogebäude eingebaut worden.

Deshalb freute ich mich jetzt ums mehr auf einen ruhigen Feierabend.

Kaum in meiner bescheidenen Wohnung in der Vorortsgemeinde von Zürich angekommen, schälte ich mich aus meinen Kleidern und stellte mich unter die Dusche.

Herrlich! Wie das kühle Wasser über meinen brennenden Körper rieselte. Ich könnte stundenlang so stehen bleiben, doch beabsichtigte ich, nachdem die Temperatur ein wenig nachgelassen hatte, mit meiner schweren BMW Tourenmaschine ein wenig über Land zu fahren und vielleicht an einem See in der Umgebung der Stadt eine kleine Mahlzeit zu mir zu nehmen und so den Abend bei Sonnenuntergang ausklingen lassen. Meine Freundin, Karin, kann mich leider nicht begleiten, da an diesem Abend ein Geschäftsessen mit ausländischen Geschäftspartnern auf dem Programm steht und ihr Chef grossen Wert darauf legt, dass sie, als seine persönliche Sekretärin dabei ist. So bleibt mir nichts anderes übrig, als den Abend alleine so gut wie möglich zu geniessen. Voller Freude auf den bevorstehenden Ausflug, verliess ich das Badezimmer und durchquerte das Wohnzimmer. Ich wollte ins Schlafzimmer gelangen um mir leichte Freizeitkleidung anzuziehen, als plötzlich ein Knall durch meine Wohnung peitschte. Instinktiv warf ich mich zu Boden und fragte mich, was das wohl war, da knallte es bereits ein zweites Mal. Ich lag nahe der Wand, und so merkte ich, wie Gips auf meinen nackten Oberkörper herunter bröckelte.

Keine Frage, jemand hatte es auf mich abgesehen und zweimal durch das Fenster geschossen. Im Glas der Balkontüre konnte ich zwei runde Schusslöcher ausmachen und in der Wand hinter mir gähnten zwei Krater im Gips.

Den geplanten, schönen Abend konnte ich mir hiermit abschminken. Nun gab es Wichtigeres zu tun.

Als keine Schüsse mehr folgten, robbte ich, am Boden liegend zum Fenster und versuchte irgendwo in der Nachbarschaft den Schützen auszumachen, doch leider ohne Erfolg. Zwar standen einige Fenster der Nachbarhäuser offen, doch schien das Wohnquartier wie ausgestorben.

Ich entschloss mich, meine Nacht- oder Spätschicht arbeitenden Kollegen anzurufen und vorerst eine Anzeige wegen Gefährdung des Lebens oder wegen Tötungsversuches gegen Unbekannt zu erstatten.

*

„Es dürfte sich um eine 306er Munition handeln“ klärte mich mein Kollege René Harm von unserer Ballistik

Abteilung auf, nachdem er das erste Geschoss aus der Gipsmauer herausgekratzt hatte. „Ganz sicher bin ich mir natürlich nicht, da das Geschoss ziemlich deformiert wurde beim Aufprall.“

Später, nachdem die Techniker Fäden zwischen den Einschusslöchern am Fenster und den Aufprallstellen in der Wand gespannt hatten um die Richtung aus welcher die Schüsse stammten zu bestimmen, sagte René: „Der Schütze dürfte sich mit allergrösster Wahrscheinlichkeit im obersten Geschoss des Nachbarhauses oder auf dessen Flachdach befunden haben, als er die Schüsse abfeuerte. Sofort begab ich mich mit zwei Kollegen der Kriminaltechnik zum Nachbarhaus, wo uns der Hausmeister die Luke zum Flachdach öffnete. Über eine herunter klappbare Holztreppe gelangten wir auf das Dach. Die Treppe war mit einer feinen Staubschicht behaftet, und so konnten wir genau sehen, dass diese kurz zuvor benutzt worden war, da die Fussabdrücke im Staubfilm gut sichtbar waren. Allerdings nicht gut genug um irgendwelche brauchbaren Spuren zu sichern. Auf dem Flachdach angelangt, fanden wir schon bald die zwei Patronenhülsen aus welchen die Projektile in meiner Wohnung stammten.

„Wenigstens etwas“ meinte René Harm. „Einen ersten Fehler hat der Täter, vermutlich in der Aufregung, gemacht. Aufgrund der Hülsen können wir mit ziemlicher Sicherheit die Gewehrmarke bestimmen und, mit jedem typengleichen Gewehr vergleichen. Sollten wir irgendwann in den Besitz des richtigen Gewehres gelangen, können wir es per Gutachten als sichere Tatwaffe identifizieren“. „Vielleicht ist sich der Schütze seiner Sache aber auch so sicher, dass er das Einsammeln der Hülsen gar nicht für nötig hält“ fügte ich an. „Möglicherweise geht er davon aus, dass wir sowieso nie an sein Gewehr herankommen würden.“

Weitere, auswertbare Spuren konnten keine gefunden werden, sodass wir nur hoffen konnten, eventuell ein DNA Profil auf den Patronenhülsen sicherstellen zu können. Wer weiss? Vielleicht haben wir für einmal Glück. Nach Abschluss der Tatortarbeit verabschiedeten sich meine Kollegen und ich blieb in der Wohnung zurück. Die Lust auf einen schönen Abendausflug war mir gänzlich vergangen. Ich schaute noch ein wenig fern, doch es gelang mir nicht, mich auf die Nachrichtensendung, geschweige denn, den nachfolgenden Film zu konzentrieren. Zu stark beschäftigten mich die Gedanken an das soeben erlebte. Ich ging frühzeitig zu Bett doch konnte ich lange Zeit kein Auge zu tun. Immer wieder fragte ich mich, was das wohl zu bedeuten habe.

*

Nachdem ich erst weit nach Mitternacht eingeschlafen war, erwachte ich schon kurz nach vier Uhr wieder. Ich konnte nicht mehr schlafen und beschloss, aufzustehen. Ich ertappte mich dabei, wie ich immer wieder, wenn ich mich ins Wohnzimmer begab, auf das Dach des Nachbargebäudes schaute. Auch aus den andern Fenstern spähte ich möglichst versteckt, in die Nachbarschaft, doch konnte ich nirgends irgendetwas Verdächtiges feststellen.

Am folgenden Morgen war ich als erster unserer Abteilung im Büro. Kurz nach sechs Uhr erschien auch schon unser Chef, Walter Anders. Er war bereits informiert über den gestrigen Anschlag. Die Einsatzzentrale hatte ihn darüber in Kenntnis gesetzt. Er kam als erstes in mein Büro: „Was habe ich da gehört? Es wurde auf sie geschossen?“

„Ja, das ist richtig und ich habe nicht die geringste Ahnung wer dies gewesen sein könnte“ musste ich eingestehen.

„Ich schlage vor, wir bringen sie für eine gewisse Zeit an einem andern Ort unter und wir beschäftigen sie soweit möglich, im Innendienst“ sagte er mir mit besorgter Stimme.

„Bitte nicht“ flehte ich. „Was soll ich im Innendienst? Es ist schon hart genug, dass ich alle meine Rapporte schreiben muss und damit kostbare Zeit verliere, die ich besser zum Auffinden von Verbrechern nutzen könnte. Ich bin nicht der Mann für den Innendienst.“

„Ich verstehe sie ja“, versuchte er mich zu beruhigen. „Aber die Sicherheit meiner Leute hat oberste Priorität.“

„Trotzdem. Können wir nicht wenigstens noch eine Sitzung im kleinen Rahmen durchführen? Vielleicht hat jemand anders eine Idee wer der Schütze sein könnte“, versuchte ich auf ihn einzureden.

„Einverstanden.“ Sagte er schliesslich und bat mich um neun Uhr in sein Büro zu kommen. „Und bringen Sie Alain Bayard mit“.

*

„Wollte dich jemand umbringen?“ Mit diesen Worten begrüsste mich mein Kollege Alain Bayard, als er unser gemeinsames Büro betrat. „Woher weißt denn du das schon wieder?“ Fragte ich nicht ohne Verwunderung.

„Du weißt ja wie das ist. Die Buschtrommeln sind schnell in unserem Gebäude. Überall ist der Anschlag auf dich zurzeit Tagesgespräch.“ Klärte er mich auf.

„Das passt mir gar nicht. Wer weiss, vielleicht war ich ja ein rein zufälliges Opfer. Vielleicht handelt es sich beim Täter um einen Spinner der einfach jemanden umbringen oder jemandem Angst einjagen wollte. Vielleicht wusste er ja gar nicht wer ich bin. Daraus jetzt so ein grosses Aufsehen zu machen finde ich verfrüht und dumm. Können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und uns an die Arbeit machen? Übrigens, um neun Uhr sollen wir zum Chef gehen, zusammen. Er möchte mich sicherheitshalber in den Innendienst verlegen. Ich warne dich, wenn du dieser Meinung zustimmst, sind wir die längste Zeit Freunde gewesen. Was soll ich im Innendienst? Ich würde elendiglich daran zugrunde gehen. Nein, ich gehöre raus auf die Strasse. Die Büroarbeit sollen andere bewältigen. Hast du mich verstanden? Bitte, mach dem Chef auch klar, dass es keine gute Idee ist, mich einzuschliessen. Kann ich mich auf dich verlassen?“

„Ja, schon…“, antwortete mir Alain zögernd, „Vielleicht macht sich der Chef aber auch berechtigt Sorgen um dich und vielleicht hat er gar nicht ganz unrecht mit seinem Vorschlag“, fügte Alain noch bei.

„Untersteh dich, ihn in seiner Idee zu unterstützen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“ Gab ich meinem Kollege auf ungewohnt hart tönende Art meine Meinung zu verstehen. Damit sollte auch für ihn klar sein, dass ich zu keinerlei Kompromissen bereit war. Jedenfalls blieb jeglicher Kommentar seinerseits aus. Ohne ein weiteres Wort über das Geschehene zu verlieren, widmeten wir uns beide unserer Arbeit.

Ich versuchte, mich mit den aktuellen Fällen zu beschäftigen und das Erlebte zu vergessen. Auch wenn ich mich noch so bemühte, es gelang mir nicht, mich auf etwas anderes zu konzentrieren und ich musste immer daran denken, wer es wohl auf mich abgesehen haben könnte. Natürlich liess ich mir das nicht anmerken. Ich versuchte mir auch einzureden, dass ich ein Zufallsopfer gewesen sein könnte, doch wollte mein Hirn diese Variante einfach nicht aufnehmen.

Kurz nach acht Uhr, rief ich einen Glaser an um die Fensterscheibe in meinem Wohnzimmer zu ersetzen, welche ich gestern nur provisorisch mit einem Karton überklebt hatte. Dann meldete ich den Vorfall der Hausverwaltung. Ich glaubte, die Frau am dortigen Telefon bräuchte einen Arzt. Sie ereiferte sich, vermutlich mehr als wenn auf sie selbst geschossen worden wäre. Ich versuchte sie zu beruhigen, was mir leider nur teilweise gelang. Jedenfalls hatte ich mit der Meldung meine Pflicht gegenüber der Hausverwaltung nun wahrgenommen und brauchte mir keine Gedanken mehr darüber zu machen.

Es vergingen kaum fünf Minuten, ohne dass irgendein Kollege die Nase in unser Büro streckte und wissen wollte, was denn passiert sei. Ich wies sie alle mehr oder weniger ab mit dem Hinweis, dass ich den Vorfall am nächsten Morgenrapport erklären würde.

Es blieb noch ca. eine halbe Stunde, bis zu unserem Termin beim Chef. Jetzt begann Alain zögernd, das Thema noch einmal anzuschneiden.

"Darf ich mal aus deinem Munde den genauen Ablauf dieses Anschlages auf dich hören, ehe wir zum Chef müssen? Es wäre sicher sinnvoll, wenn ich die Tatsachen aus erster Hand kennen würde und nicht nur die Gerüchte welche herum geboten werden.

"OK, Du hast recht. Leider kann ich dir aber auch nicht viel erzählen, da ich selbst nicht viel weiss." Ich schilderte ihm in kurzen Sätzen das Geschehen vom vergangenen Abend, damit er auf dem neuesten Stand war, wenn wir zum Chef mussten.

*

„Nehmt Platz“ mit diesen Worten und einer Handgeste wies unser Chef auf die Stühle die den ovalen Sitzungstisch in seinem Büro umgaben. „Und, haben sie inzwischen einen Verdacht, wer den Anschlag auf sie verübt haben könnte?“ wollte er von mir wissen.

„Nein, natürlich nicht“ musste ich eingestehen. „Es gibt so viele Verbrecher die ich in all den Jahren hinter Gitter gebracht habe, dass ich nicht einfach so, einen Verdächtigen aus dem Hut zaubern kann. Ich werde aber überprüfen, wer von all denen kürzlich entlassen wurde. Aussprüche wie: „Das wirst du mir noch büssen“ oder ähnlich habe ich schon von so vielen gehört, dass ich es nicht mehr wirklich ernst nahm. Ich will aber auch nicht ausschliessen, dass es sich einfach um einen Geistesgestörten handelt der es nicht spezifisch auf mich abgesehen hat.“

„Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir sie im Innendienst beschäftigen sollten, bis wir den Verdächtigen gefunden haben“, meinte Walter Anders fürsorglich.

„Nein, bitte nicht, Chef“ bat ich ihn. „Eine Versetzung in den Innendienst würde mich krank machen und ein kranker Ermittler nützt ihnen auch im Innendienst nichts“ versuchte ich ihn zu überzeugen. „Dazu kommt, dass wir sicher schneller an den Täter heran kommen, wenn ich mich in der Öffentlichkeit blicken lasse.“

Diese Aussage schien meinen Vorgesetzten halbwegs zu überzeugen auch wenn er nicht ganz hinter dieser Entscheidung stehen konnte, so liess er mich doch weiterhin meiner gewohnten Arbeit nachgehen. Ich musste ihm allerdings versprechen, nie mehr ins Freie zu treten, ohne vorher eine Schutzweste unter meinem Hemd anzuziehen. Das versprach ich hoch und heilig. Es lag mir wirklich sehr viel daran, nicht in irgend einem Kämmerlein zu verstauben, denn wer weiss wie lange es noch dauern würde, bis der Schütze, -wenn überhaupt-, gefasst wurde.

Wir waren noch nicht ganz fertig mit unserem Gespräch, als das Telefon auf dem Chef Pult läutete.

Walter Anders nahm den Anruf in ziemlich schroffem Ton entgegen: „Ich habe ihnen doch gesagt, dass ich nicht gestört werden will“, sagte er zu seiner Sekretärin Marion. Dann lauschte er längere Zeit am Hörer, ohne ein Wort zu sagen. Schliesslich antwortete er: „Ich werde Alain Bayard und Franz Buck zum Tatort schicken.“ Diese Aussage war für mich wie eine Erlösung, war ich doch damit wieder voll im Geschäft, auch wenn ich noch nicht wusste, um was es dabei ging.

„Wir haben ein weiteres Tötungsdelikt“ informierte uns unser Chef, nachdem er das Telefon aufgelegt hatte. „Ein Marktfahrer wurde erschossen, als er an der Nansenstrasse in seinen Lieferwagen steigen wollte. Vom Täter fehlt jede Spur. Bitte, nehmt euch der Sache an und haltet mich auf dem Laufenden“. Mit diesen Worten verabschiedete er uns und wir machten uns auf den Weg nach Zürich Nord.

*

Die Nansenstrasse liegt inmitten des Stadtteils Zürich Oerlikon im Norden der Stadt. Sie führt am Marktplatz vorbei wo zweimal wöchentlich ein Gemüsemarkt stattfindet. Es zeigte sich bald, dass die ersten Meldungen über das Tötungsdelikt nicht ganz der Tatsache entsprachen. Beim Getöteten handelt es sich nicht um den Marktfahrer selbst, sondern um einen seiner Mitarbeiter der jeweils als Aushilfe tätig war für einen Grossbauer der Region. Er half ihm am Verkaufsstand am Markt. Offensichtlich war er gerade damit beschäftigt, Gemüsekisten in den Lieferwagen zu stellen, als er von einer Kugel getroffen wurde und auf der Stelle tot zusammen brach. Da sich keine Zeugen finden liessen, welche den Vorfall direkt beobachtet hatten, wurde es sehr schwierig den Standort des Schützen ausfindig zu machen. Zwar stellte man den Einschuss seitlich am Hals fest, doch gab es keine Hinweise in welcher Position das Opfer stand, als es getroffen wurde. Somit konnte der Schuss aus einem Umkreis von beinahe 360° abgefeuert worden sein. Einzig die Richtung in welcher der Lieferwagen stand konnte als Schussrichtung ausgeschlossen werden, da er sich zum Zeitpunkt des Einschusses hinter diesem befunden hatte.

Fast gleichzeitig mit uns trafen auch die Kriminaltechniker am Tatort ein. Als erstes sperrten sie den Tatort grossräumig ab. Unter Unmutsäusserungen beinahe aller betroffenen Marktfahrer wurde denen eröffnet, dass für sie der Markt heute vorzeitig zu Ende sei. Die Techniker versuchten so viele Spuren zu sichern wie nur irgendwie möglich. Es blieb aber ein bescheidener Versuch. Ausser dem Blut, liessen sich keinerlei Spuren finden. Auch hatte keiner der vielen Anwesenden einen Schuss gehört. Man sah einfach den Mann ohne sichtlichen Grund zusammenbrechen, eine Wunde war vorerst nicht zu sehen. Erst als das Blut ausfloss, stellten die Leute die Verletzung fest.

Die Kollegen des Kriminalfotodienstes hielten jedes Detail fotografisch fest und sie versprachen mir noch heute eine Kurzdokumentation zukommen zu lassen.

Nun traf auch der Pikettdienst leistende Staatsanwalt der Abteilung IV für Gewaltdelikte, Alois Kaderli, am Tatort ein. Aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit kannte ich alle Staatsanwälte dieser Abteilung. Im Grossen und Ganzen handelte es sich um gute und sehr erfahrene Staatsanwälte, die eng mit uns Polizisten zusammen arbeiteten. Einige wenige geben uns aber immer wieder zu verstehen, dass sie die Studierten sind und wir nur ihre Werkzeuge, die das zu tun hätten, was sie anordneten. Diesen Alois Kaderli kannte ich erst vom Sehen, ich hatte mit ihm bisher noch keinen Fall, da er selbst erst seit wenigen Wochen in dieser Abteilung der Staatsanwaltschaft tätig war. Wir begrüssten uns und ich informierte ihn über alles Wissenswerte, was sich allerdings bis jetzt in einem sehr kleinen Rahmen hielt.

„Wir wissen weder etwas über einen Verdächtigen, noch über den Ort wo der Schuss abgefeuert wurde. Wir müssen davon ausgehen, dass der Schütze aus irgendeinem Fenster rund um den Marktplatz geschossen hat. Es ist aber zurzeit aussichtslos, das richtige Fenster zu finden. Sie sehen ja selbst, es befinden sich nebst einigen 5-6 stöckigen Mehrfamilienhäuser, mehrere grosse und kleinere Verkaufsgeschäfte, Warenhäuser und ein modernes Hotel in unmittelbarer Nähe. Alle diese Häuser und jedes einzelne Fenster müssen als potenzielle Tatorte in Betracht gezogen werden. Am ehesten denkbar wäre für mich, dass der Täter ein Hotelzimmer im Swissôtel gemietet hat und von dort in aller Ruhe den Schuss abgeben konnte. Da niemand einen Schuss gehört hat, müssen wir davon ausgehen, dass ein Schalldämpfer verwendet wurde. Auch ist nicht klar, ob es sich um einen Spinner handelte, der wahllos schoss, oder ob das Opfer in einem Zusammenhang mit dem Täter steht. Wir werden uns nach der Tatbestandsaufnahme zuerst mit dem Umfeld des Opfers, wenn es dann identifiziert ist, auseinandersetzen.“ Berichtete ich dem ruhig scheinenden Staatsanwalt. Er war mit meinem Vorschlag einverstanden, jedenfalls widersprach er mir nicht.

Nun trat ein grosser, uniformierter Beamter auf mich zu und überreichte mir das Portemonnaie des Opfers. „Das hat der forensische Dienst in der Gesässtasche des Toten gefunden“, klärte er mich auf. In der Geldbörse befand sich, nebst wenig Kleingeld und Notizen, auch eine Identitätskarte des Getöteten.

Bisher hatte ich das Gesicht des Opfers noch nicht gesehen, da er in Bauchlage in seinem Blut lag und ich die Lage nicht verändern wollte. Als ich jedoch das Foto in seiner ID-Karte sah, wusste ich sofort, dass ich den Mann kannte. Auch sein Name, Karl Hirschler war mir nicht unbekannt. Es handelte sich um einen Mann der uns als Polizeiinformant immer wieder brauchbare Hinweise lieferte. Er stand nirgends unter fester Anstellung und verdiente sich seinen Lebensunterhalt durch allerlei Aushilfsarbeiten. So war er auch durch Einsätze in verschiedenen Kneipen und Spelunken im Milieu tätig, woher er sich jeweils seine nützlichen Hinweise für uns beschaffen konnte.