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Ist eine Polizistin die sich für Recht und Ordnung einsetzt fähig, einen Mord zu begehen, nur weil sie von ihrem Freund betrogen wurde? Franz Buck wird damit beauftragt, dieses Tötungsdelikt zu untersuchen und jedem Tatverdacht nachzugehen. Er gewährt ihnen einen spannenden Einblick in die Ermittlungsmethoden der Polizei. Daneben kommt natürlich auch sein großes Hobby, das Kochen nicht zu kurz und da und dort verrät ihnen der Autor einige Tipps und Rezepte die alleine beim Durchlesen schon hungrig machen. Für viel Spaß und Spannung ist gesorgt.
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2017
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„Das ist wohl das Allerletzte!“, schrie Bettina Probst ihren langjährigen Freund, Thomas Wilchinger, an. „Ausgerechnet mit unserer besten Freundin betrügst du mich. Ich hatte geglaubt, wir würden uns gegenseitig respektieren aber du schreckst ja vor gar nichts zurück. Pfui Teufel, was bist du nur für ein erbärmlicher, schwanzgesteuerter Miesling. Ich hasse dich! Wenn ich heute Abend von der Arbeit nach Hause komme, will ich dich nicht mehr sehen. Pack deine Koffer und verschwinde für immer aus meinem Leben“.
Nach diesen Worten knallte sie die Haustüre zu und verliess die gemeinsame Wohnung. Kaum draussen, öffnete sie die Türe noch einmal, streckte den Kopf herein und schrie: „Den Schlüssel kannst du in den Briefkasten werfen“.
Daraufhin ging sie weg und begab sich auf den Weg zu ihrer Arbeit im nahe gelegenen Polizeiposten.
*
„Halt, Stopp!» schrie Sämi Stutz auf dem Beifahrersitz des Streifenwagens. „Was ist nur mit dir los heute“? fragte er erschrocken seine Streifenpartnerin Bettina Probst. „Vorhin hast du an der Dörflistrasse beinahe eine Fussgängerin übersehen und jetzt wärest du voll über das Rotlicht gefahren, wenn ich dich nicht gewarnt hätte. Stimmt etwas nicht? Du fährst doch sonst nicht so Auto, was hast du?“
„Nichts“ kam die kurze Antwort. Dabei steuerte Bettina den Streifenwagen auf einen Parkplatz am Strassenrand und stieg aus. „Bitte übernimm du das Lenkrad“ sagte sie zu ihrem Streifenpartner. „Ich habe heute den Kopf nicht bei der Sache.»
Die beiden wechselten die Plätze und Lukas lenkte den Streifenwagen wieder in den Verkehrsfluss.
„Was ist los mit dir“? liess er nicht locker. „Komm schon, rede mit mir wenn dich etwas so sehr beschäftigt, dass du nicht mehr Autofahren kannst. Wir kennen uns nun schon mehrere Jahre und wir sind seit drei Jahren miteinander auf Streife. Wir verbringen zusammen fast mehr Zeit als mit unseren Partnern, da wirst du mir doch etwas Privates anvertrauen können. Wir müssen uns in gefährlichen Situationen blindlings auf einander verlassen können und das geht nur, wenn wir gegenseitig vollstes Vertrauen haben“.
„Ich will nicht“ drückte sie sich herum. Daraufhin herrschte während mehreren Minuten totales Stillschweigen. Die Stimmung war einerseits sehr bedrückt, andererseits aber auch total angespannt.
„Er betrügt mich“ würgte Bettina schliesslich hervor.
„Wer? Was? Dein Thomas? Wie kommst du darauf“?
„Gestern Abend bin ich unerwartet nach Hause gekommen, weil mein Volleyball-Training ausfiel. Da habe ich die beiden auf dem Sofa im Wohnzimmer erwischt. Kannst du dir das vorstellen? Auf unserem gemeinsamen Sofa? Ich weiss nicht, ob ich mich jemals wieder werde darauf setzen können“.
„Ich will ja nichts beschönigen“ versuchte Sämi Stutz seine Streifenpartnerin zu trösten, „aber vielleicht war es ein einmaliger Ausrutscher ohne ernsthafte Absicht“.
„So etwas kann nur ein Mann sagen“ erwiderte sie. „Natürlich ist es kein Ausrutscher. Ich bin ja bestimmt tolerant aber wenn dein Partner dich mit deiner besten Freundin betrügt, dann kannst und willst du es nicht glauben. Du meinst die Welt müsse untergehen. Das bringt einfach das grösste Fass zum Überlaufen. Verstehst du das“?
„Das kann ich gut nachvollziehen, auch wenn ich ein Mann bin“ gab er indirekt Antwort auf ihre versteckte Anschuldigung. „Was heisst denn mit der besten Freundin? Sollte ich sie kennen“?
Bettina wollte zuerst nicht herausrücken mit dem Namen, schliesslich gab sie sich aber einen Ruck.
„Du kennst doch Bruno Krieg vom technischen Dienst oder“?
„Ja, sicher, was ist mit dem“? fragte Sämi Stutz seine Streifenpartnerin.
«Bruno hat mit mir zusammen die Polizeischule absolviert. Wir sassen während der ganzen Ausbildung nebeneinander. Er wurde ein guter Freund von mir, ohne, dass jemals sexuelle Gefühle aufgekommen wären. Er war einfach ein toller Kumpel. Als er dann seine Sonja geheiratet hat, war ich Brautführerin. Seither treffen wir uns regelmässig, einmal bei uns und das andere Mal bei ihnen zum Nachtessen oder so. Wir machen auch Ausflüge, gehen ins Kino oder an sonstige Veranstaltungen etc. Wir waren schon mal zusammen einige Tage im Südtirol. …Alles war perfekt und jetzt betrügt er mich mit Sonja. Ausgerechnet mit Sonja. Das kann ich ihm nie verzeihen“.
Die letzten Worte fielen ihr sehr schwer. Sie musste mehrmals schlucken und nun begann sie zu weinen und grosse Tränen rannen ihr über die Wangen. Sie war nicht mehr in der Lage, weiter zu erzählen.
Sämi Stutz liess ihr Zeit sich wieder zu fassen und fragte deshalb nicht weiter. Eigentlich wusste er schon genug, das heisst er konnte sich die Fortsetzung der Geschichte im Kopf ausmalen.
„Weisst du“, sprach Bettina weiter nachdem sie sich wieder ein wenig gefasst hatte. „Das Schlimmste daran ist, dass ich nicht nur meinen Partner verloren habe, sondern auch meine beste Freundin. Ob die Freundschaft zwischen mir und Bruno Krieg unter diesen Umständen weiterhin aufrechterhalten werden kann ist mehr als fraglich.“
Sämi Stutz hätte gerne geantwortet und einige tröstende Worte zu seiner Streifenkollegin gesagt, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken, zumal Bettina jetzt wieder zu weinen begann.
Als es schien Bettina hätte sich erholt, versuchte es Sämi Stutz noch einmal.
„Bist du dir ganz sicher, dass es so war wie du es dir ausmalst oder könntest du dich auch getäuscht haben und es war gar nicht so schlimm wie es ausgesehen hat“?
«Wenn zwei Erwachsene splitternackt auf einem Sofa liegen, dann wollten sie wohl kaum nur Musik hören oder Briefmarken anschauen“ antwortete Bettina gereizt.
„Ja natürlich, wenn es so ist, dann besteht natürlich kein Zweifel“ gab er sich geschlagen. Was willst du jetzt machen? Wie soll es weitergehen“?
„Das weiss ich noch nicht. Ich habe ihn erst mal aus der Wohnung geschmissen. Ich bin froh, dass die Wohnung noch immer auf mich lautet. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn nicht mehr sehen will wenn ich heute Abend nach Hause komme. Ich hoffe, er hält sich auch daran“.
„Das kann ich verstehen. Das ist wirklich eine Scheiss-Situation. Du bist tatsächlich nicht zu beneiden“.
Nun meldete sich die Einsatzzentrale: „Fahrt bitte sofort an die Verzweigung Wallisellen-/ Thurgauerstrasse, dort hat sich ein Verkehrsunfall mit Körperverletzung zwischen zwei Personenwagen ereignet. Eine Frau und ein Kind sind offensichtlich schwer verletzt. Die Sanität ist unterwegs.“
Auch wenn dies alles andere als ein schönes Ereignis ist, so waren beide irgendwie froh darüber, sich auf andere Dinge konzentrieren zu müssen und die schwierige private Situation wenigstens für einen Moment verdrängen zu können.
*
Drei Wochen später:
Nach einem um drei Tage verlängerten Wochenende, an welchem ich mit Karin eine Motorradtour ins benachbarte Österreich unternommen hatte, kam ich am Donnerstagmorgen gutgelaunt in mein Büro wo mich mein Arbeitspartner Alain Bayard erwartete.
„Na, hast wohl ein schönes, langes Wochenende in Österreich verbracht, so wie du heute strahlst“ meinte er zur Begrüssung.
„Absolut, kann ich nur sagen. Es hätte besser nicht sein können. Das Wetter war prächtig, die Hotels einmalig gemütlich und das Essen vom Feinsten. Karin und ich haben es richtig genossen. Ich habe jedenfalls keinen Augenblick die Polizeiarbeit vermisst. Wenn ich ehrlich bin, auch dich nicht.“ musste ich noch einen kleinen Seitenhieb losschicken. „Der einzige Nachteil ist, dass ich heute wieder hier in unser ungemütliches und tristes Büro kommen muss. Ich hätte es noch sehr lange dort ausgehalten, das kannst du mir glauben“.
Noch während ich sprach begab ich mich zur Kaffeemaschine und liess mir erst mal einen feinen Kaffee durchlaufen.
Ich setzte mich an meinen Platz und begann am Bildschirm das Journal der vergangenen Tage zu durchstöbern, damit ich auf dem Laufenden bin, wenn ich gefragt oder gar gebraucht werde.
Kaum hatte ich die Gewaltdelikte des vergangenen Wochenendes überflogen, trat unser Chef ins Büro.
„Guten Tag zusammen. Der Tag scheint ja gut zu beginnen“, sprach er ziemlich nervös. Noch hatte er die Ruhe welche seinen Vorgänger auszeichnete, nicht gefunden. Ob er es jemals schaffen würde, konnte ich noch nicht sagen. Tatsache ist, dass er sich schon gewaltig verbessert hat im Umgang mit uns, gegenüber seinen Anfängen auf diesem Posten. Man konnte inzwischen sehr gut und selbständig arbeiten, ohne ihm jedes Mal Rechenschaft abzuliefern. Das war anfänglich ganz anders. (siehe Band 2 „Wellen am ruhigen Seeufer“) Zum Abschluss der letzten Woche hatte er einen grosszügigen Apéro offeriert. Dies aus Dank für unsere Arbeit und auch aus Erleichterung darüber, dass wir den Mann hatten festnehmen können, welcher es auf mein Leben abgesehen hatte. (Siehe Band drei; «Vergessen? Nie!») Bei dieser Gelegenheit hat er uns allen das «Du» angeboten. Es ist unglaublich, was so eine kleine Geste ausmacht. Plötzlich war er nicht mehr der über uns Stehende, sondern ein Teil unseres Teams, ohne dabei den Respekt oder die Autorität einzubüssen.
„Ein Angestellter vom Wasserwerk“, fuhr er fort, „hat eine männliche Leiche entdeckt im Rechen am Hönggerwehr als er heute Morgen seine Arbeit aufnehmen wollte. Nun ist die Leiche aus dem Wasser gehoben worden und der ausgerückte IRM Arzt, Dr. Frehner, hat festgestellt, dass der Mann erschossen wurde. Man kann demzufolge von einem Unfall absehen. Es handelt sich ganz klar um ein Tötungsdelikt“. Ich möchte, dass ihr beide euch dem Fall annehmt“.
„Weiss man schon um wen es sich handelt“? fragte ich noch nach.
„Nein, leider nicht. Der Mann trug scheinbar keinerlei Papiere auf sich“.
*
Bei unserem Eintreffen am Fundort der Leiche, war bereits das Leichenzelt aufgestellt und darunter hatte der Gerichtsmedizner den Toten ausgezogen um eine erste Leicheninspektion vor Ort durchzuführen.
Die Forensiker waren damit beschäftigt, Fingerabdrücke des Toten zu nehmen, um ihn eventuell dadurch identifizieren zu können.
„Guten Morgen Dr. Frehner“ begrüsste ich den Arzt. Er schien wie immer, sehr in sich gekehrt und konzentriert. Er war nicht ein grosser Redner, aber seine Erkenntnisse waren oftmals Gold wert.
„Guten Morgen Herr Buck“ murmelte er vor sich hin, ohne von der Leiche aufzuschauen. Offensichtlich kannte er meine Stimme.
„Und, können sie schon etwas sagen“? fragte ich neugierig.
„Nur, dass es sich um eine männliche, ca. 3035 jährige Person handelt, welche nicht ertrunken ist, sondern ermordet wurde. Aufgrund der Leichenflecken, lag der Mann nach seinem Tod mindestens zwei bis drei Stunden irgendwo auf dem Rücken und wurde erst danach ins Wasser geworfen. Das dürfte in den vergangenen ca. 24-36 Stunden erfolgt sein. In der linken Brust ist eine Einschussstelle sichtbar. Einen Ausschuss sieht man nicht. Die Kugel muss demzufolge noch im Körper stecken. Alles andere werde ich erst nach der Obduktion sagen können“.
„Danke Herr Doktor“
Ich verliess das Leichenzelt und begab mich zu den herumstehenden Polizisten.
„Weiss schon jemand um wen es sich handelt“? fragte ich in die Runde.
„Nein“, antwortete mir ein dunkelhaariger felsenähnlicher zwei Meter Mann. „Der Tote trug nur Joggingkleider und auch die Spurensicherer und Forensiker haben meines Wissens keinerlei Papiere auf ihm gefunden“.
In dem Moment fuhr ein blauer Peugeot auf den Parkplatz neben dem Wehr. Aus dem Wagen stieg der zuständige Staatsanwalt, Hermann Rupp. Ich begrüsste ihn und erklärte ihm die spärlichen Erkenntnisse die wir bis jetzt schon hatten.
„Wir werden sofort mit der Identifikation des Opfers beginnen und hoffen, bald etwas herauszufinden was uns weiterhelfen kann. Wir melden uns, sobald es Neuigkeiten gibt“, versprach ich ihm und mit diesen Worten verabschiedeten wir uns auch schon von ihm. Angesichts dessen, dass die Leiche hier angeschwemmt wurde, gab es logischerweise hier auch keine Tatzeugen. Somit war die Tatortarbeit für uns auch schon beendet und ich kehrte mit Alain in unser Büro zurück. Auch der Staatsanwalt zog wieder von dannen nachdem er einen Blick auf den Toten im Zelt geworfen und ein paar Worte mit dem Gerichtsmediziner gewechselt hatte. Was es hier noch zu machen gab, konnte ich getrost den Forensikern und Dr. Frehner überlassen.
*
„Gehst du mal alle Vermisstenanzeigen der letzten, sagen wir, zwei Wochen durch?“, fragte ich Alain, als wir in unser Büro zurückkamen. „Ich werde mich mal um das Bild für die öffentliche Fahndung kümmern. So wie der Tote ausgeschaut hatte im Leichenzelt, können wir ihn unmöglich in der Zeitung abbilden“. Ich begab mich deshalb zum Fotodienst wo ich auf Köbi Müller stiess.
„Hallo Köbi“ begrüsste ich den Kollegen. „Ich hätte wieder einmal eine heikle Aufgabe für dich“.
„Um was geht es denn diesmal“? fragte er interessiert.
„Du sollst aus einem hässlichen Gesicht ein anschauliches machen. Glaubst du, dass du das schaffst“?
„Warum? Willst du dich in einer Partner Börse im Internet anbieten? Das scheint mir fast unmöglich. Aus deinem Gesicht ein hübsches zu machen ist schwieriger als aus einer Maske vom Lötschental“. Damit versuchte er mich auf kollegiale Art zu provozieren.
„Das kann ich jetzt nicht verstehen. Als ich letztmals Passfotos machen liess, hat der Fotograf gesagt, ich dürfe jetzt kein bisschen mehr schöner werden, sonst könne man mich nicht mehr fotografieren sondern nur noch zeichnen“! gab ich ohne zu überlegen zurück. Damit waren unsere üblichen Streicheleinheiten vorerst erledigt und wir wurden wieder ernsthafter.
Ich zeigte ihm die Fotos von der Wasserleiche und bat ihn, diese so fototauglich wie möglich, für die Öffentlichkeit zu bearbeiten. Ich wusste die Bilder waren bei ihm in den besten Händen. Wenn einer sowas bewerkstelligen konnte, dann Köbi Müller.
Danach ging ich zu Alain zurück ins Büro.
„Nichts. Keinerlei Vermisstenmeldungen im ganzen vergangenen Monat, die zu dieser Leiche passen würden. Ich habe die Meldungen aller Kantone durchkämmt. Ich denke, wir müssen via Interpol das Bild verbreiten“.
„Damit bin ich einverstanden, aber ich glaube, es ist noch zu früh. Schauen wir zuerst was der Aufruf in den Zeitungen bringt. Danach können wir immer noch ans Ausland gelangen. Was meinst du“?
„Stimmt. Die Leiche rennt uns ja nicht mehr weg und das im wahrsten Sinne des Wortes“.
„Vielleicht bringt ja die gerichtsmedizinische Untersuchung auch noch irgendwelche Hinweise. Wer weiss?“ Fügte ich noch an.
*
Am nächsten Tag waren wir noch nicht weiter gekommen. Niemand schien den Toten zu vermissen.
Heute stand die Obduktion der Leiche an. Da wir zurzeit eher ratlos waren und nichts anderes unternehmen konnten, begaben Alain und ich uns gemeinsam zur Universität Irchel, welche das Gerichtsmedizinische Institut beherbergt.
Nachdem wir uns bei der Rezeption angemeldet und unsere Ausweise gezeigt hatten, rief uns die Rezeptionistin durch die Glasscheibe zu:
„Sie finden ja den Weg.“ Gleichzeitig betätigte sie den Türöffner. Wir bedankten uns und begaben uns Richtung Untergeschoss, wo sich die Sektionsräume befinden.
Die Vorbereitungen zur Sektion waren bereits beendet und die Leiche lag auf dem Obduktionstisch.
Dr. Frehner nahm die Sektion persönlich vor und ein Assistenzarzt stand ihm bei. Zusätzlich war noch eine Helferin dabei, welche ich schon seit vielen Jahren kenne. Sie rasierte die betroffenen Stellen, schnitt die Schädeldecke mit einer speziellen Trennscheibe auf und führte weitere Hilfsarbeiten aus, welche nicht zwingend von einem Arzt ausgeführt werden mussten.
Dr. Frehner seinerseits steckte eine dieser bekannten überdimensionalen Stricknadeln in das Einschussloch im Oberkörper um den Schusskanal zu erforschen. Danach öffnete er den Brustkorb.
Nach genauster Untersuchung des Körperinnern fand er die Kugel in der Wirbelsäule, in einem der oberen Brustwirbel. „Nach meiner Schätzung und aufgrund der Grösse des Einschusslochs, dürfte es sich um ein 9mm Kaliber handeln“. Sagte ich zu Alain aber das sollen die Ballistiker später genau feststellen.
„Die Kugel hat das Herz durchschlagen und noch weitere lebenswichtige Organe beschädigt, ehe sie schliesslich stecken blieb, erklärte uns der Arzt. „Der Mann hatte keinerlei Überlebenschancen. Sein Herz dürfte augenblicklich stehen geblieben sein, nachdem es dermassen verletzt war. Ich schätze, die Überlebenszeit auf null bis eine Minute“.
„Was können sie zur Schussabgabe sagen“? wollte ich noch wissen.
Aufgrund des Einschusskanals, dürfte der Täter ungefähr gleich gross gewesen sein wie das Opfer. Die Distanz der Schussabgabe schätze ich auf vier bis fünf Meter“.
„Gibt es schon Hinweise auf den Todeszeitpunkt“? fragte ich.
„Sehr schwierig. Wir wissen nicht, wie lange die Leiche im Wasser gelegen hat und demzufolge ist es nicht einfach, etwas zur Tatzeit zu sagen. Sicher ist, dass die Leiche mindestens zwei bis drei Stunden auf dem Rücken gelegen hat, ehe sie ins Wasser geworfen wurde. Ich würde sagen, irgendwann 12 - 24 Stunden vor Leichenfund. Mit anderen Worten, Mittwoch, zwischen 08:00 und 20:00 Uhr.
„Na, das ist doch schon mal etwas“ fügte ich noch bei.
„Gibt es irgendwelche Abwehr, bzw. Kampfspuren“?
„Nein, absolut nichts. Jedenfalls soweit sich das noch sagen lässt, nachdem die Leiche einige Zeit im Rechen des Wasserwehres gelegen hat und stark umspült wurde“.
Wir warteten noch, bis die Kugel aus der Wirbelsäule heraus „operiert“ war, damit wir sie zuhanden der Ballistiker sicherstellen konnten. Danach fuhren wir in unsere Dienststelle zurück.
*
Schon kurz nach dem Eingang ins Gebäude der Kriminalpolizei hielt uns eine junge Polizeibeamtin an.
„Ihr seid doch mit dem Mord vom Hönggerwehr beschäftigt oder“? fragte sie uns.
„Ja, warum, was gibt’s“?
„Ein Herr Kuratli, vom Personalbüro der SBB am Hauptbahnhof ist bei mir im Anzeigezimmer. Er vermisst einen Mittarbeiter vom Innendienst. Ich dachte, das könnte euch eventuell interessieren“.
„Und ob uns das interessiert! Gut gemacht, danke. Wenn du die Anzeige aufgenommen hast, bring ihn doch bitte zu mir ins Büro. Vielen Dank“, lobte ich sie.
Nun stieg unsere Hoffnung natürlich, den Toten endlich identifizieren zu können.
Es dauerte ca. eine halbe Stunde, bis die Beamtin diesen Herrn Kuratli in unser Büro brachte.
Ich bedankte mich bei ihr und bot dem Anzeigeerstatter einen Stuhl an.
„Mein Name ist Martin Kuratli. Ich leite das Personalbüro der SBB in Zürich und habe soeben eine Vermisstenanzeige von einem unserer Mitarbeiter aufgegeben. Die junge Polizistin hat mir dann erklärt, dass ich noch zu ihnen müsse und sie mir eventuell weiter helfen könnten.“
Während er dies sagte, musste er mehrmals husten, als hätte er etwas im Hals.
„Möchten sie ein Glas Wasser oder einen Kaffee“? fragte ich ihn deshalb.
„Einem Glas Wasser wäre ich nicht abgeneigt, danke“.
Alain holte eine Flasche Mineralwasser und schenkte ihm einen Becher davon ein.
„Dann erzählen sie doch mal was sie über ihren verschwundenen Mitarbeiter wissen“, forderte ich ihn auf.