Das andere Weltbild - Peter Jones - E-Book

Das andere Weltbild E-Book

Peter Jones

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Beschreibung

In den letzten Jahrzehnten hat sich ein verhängnisvoller Wandel in der westlichen Welt vollzogen. Unsere Kultur als Ganzes hat die Weltanschauung gewechselt. Nach Peter Jones lassen sich alle Religionen und Philosophien der Welt in zwei Weltanschauungen einteilen, die miteinander konkurrieren. Diese beiden Weltsichten unterscheiden sich grundlegend in ihrem Verständnis von der Wirklichkeit. Ist alles im Wesentlichen eins? Oder gibt es eine fundamentale Unterscheidung zwischen Schöpfung und Schöpfer? In Das andere Weltbild erklärt Jones den Unterschied zwischen dem, was er "Oneism" (Einsheit) und "Twoism" (Zweiheit) nennt. Er deckt die heidnischen Wurzeln des Einheitsdenkens auf und zeichnet dessen Verbreitung und Einfluss in der westlichen Kultur nach. Vor allem aber zeigt er uns, warum dieses Einheitsdenken niemanden retten oder die Welt wirklich verbessern kann – und was wir stattdessen brauchen. Schlagworte: Kulturanalyse, Kulturkritik, Neues Heidentum, Sexuelle und spirituelle Revolution, Ganzheitlichkeit oder Heiligkeit?, Gottes- oder Naturverehrung?, Kompromisse mit der Kultur, C. G. Jungs neue Menschheit.

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Seitenzahl: 465

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Dieses Buch ist ein Schlüssel für das Verständnis des tiefgreifenden Wandels der Weltanschauung im gesamten Westen, nicht nur in Nordamerika, sondern auch in Lateinamerika. Sorgfältig analysiert Peter Jones die religiösen Unterfütterungen dieses Wandels und zeigt im Lichte der Heiligen Schrift auf, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt. Ich empfehle dieses Werk – die reifen Überlegungen eines Gelehrten, der die letzten 20 Jahre diesem Thema gewidmet hat.

Rev. Bill Green

Geschäftsführer der Confraternidad Latinoamericana de Iglesias Reformadas (CLIR),

Costa Rica

Ich habe zwei Jahrzehnte lang als juristischer Aktivist in Großbritannien gearbeitet und wurde Zeuge der Verwüstung eines politisch-juristischen Systems, das Einsheit annimmt und Zweiheit leugnet. Das Christentum wird im öffentlichen Raum unterdrückt und unsere Nation dessen beraubt, was für alle gut ist. Peter Jones erklärt auf brillante Weise, warum wir uns in einem solchen Chaos befinden und wie es dazu kam, und befähigt uns, in einer vom alten Heidentum durchdrungenen Kultur in angemessener Weise zu sprechen und zu handeln.

Andrea Williams

Geschäftsführerin des Christian Concern and Christian Legal Centre,

London, England

Das neue Buch von Dr. Peter Jones ist ein Volltreffer! Seine historische, theologische und kulturelle Analyse steht auf höchstem Niveau und gibt Anlass zu großer Sorge und Hoffnung für die Kirche des 21. Jahrhunderts.Das andere Weltbild ist ein Muss für alle christlichen Führungskräfte, die erkennen und verkündigen, dass Gott der Schöpfer ist und wir seine Schöpfung sind!

The Rt. Rev. Dr. Eric Vawter Menees

Bischof der anglikanischen Diözese von San Joaquin,

Fresno, Kalifornien

Mein guter Freund Peter Jones vertritt die Ansicht, dass die Übel der modernen Kultur auf die Leugnung der biblischen Unterscheidung zwischen Schöpfer und Geschöpf zurückzuführen sind. Peter hat diese These schon früher vertreten, aber hier legt er eine höchst gewichtige, detaillierte und erhellende Darstellung dieses „modernen“ Bewusstseins vom antiken Heidentum über den Gnostizismus bis zu modernen Denkern wie C. G. Jung vor. Am Ende zeigt Peter, wie das biblische Evangelium der Erlösung von der Sünde in Christus die einzige adäquate Entgegnung auf die neuheidnische Einsheit und den einzigen Weg für uns darstellt, Gott so zu erkennen, wie er wirklich ist.

Dr. John M. Frame

J.-D.-Trimble-Professor für Systematische Theologie und Philosophie am Reformed Theological Seminary,

Orlando, Florida

Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Peter Jones’ Arbeit unverzichtbar für jeden Christen, der verstehen will, wie man den heidnischen Westen mit dem Evangelium von Jesus Christus erreichen kann. In Das andere Weltbild hilft er den Lesern zu erkennen, dass es wirklich nur zwei Möglichkeiten gibt, die Wirklichkeit zu sehen, nämlich das Christentum und alle anderen Weltanschauungen. Mit der seltenen und beneidenswerten Gabe, komplexe Gedanken zugänglich zu machen, zeigt Dr. Jones, dass das andere Weltbild in seinen verschiedenen Ausprägungen einer intellektuellen Prüfung nicht standhält.

Rev. Dr. Gabriel N. E. Fluhrer

Leitender Geistlicher der Shiloh Orthodox Presbyterian Church,

Raleigh, North Carolina

Die Geschwindigkeit und Intensität der kulturellen Todesspirale ist überwältigend, doch ihr unausweichlicher Verlauf wird von der Heiligen Schrift bestätigt. In Das andere Weltbild entfaltet Peter Jones mit einer sorgfältigen biblischen Analyse die unausweichliche Akzeptanz des Heidentums und dessen sichere Auflösung – es sei denn, sie wird durch eine Verkündigung des Evangeliums aufgehalten, die Gott verherrlicht und sowohl die allgemeine Gnade als auch die erlösende Gnade in Wort und Tat aufzeigt.

Harry L. Reeder

Leitender Pastor der Briarwood Presbyterian Church,

Birmingham, Alabama

Weil das 21. Jahrhundert der gnostischen Welt der ersten beiden Jahrhunderte immer ähnlicher wird, sollten wir dankbar sein, dass Gott uns auch einen neuen Irenäus zur Seite gestellt hat. Seit Jahrzehnten ist Peter Jones eine prophetische Stimme, und hier fasst er seinen Reichtum an Weisheit und Einsicht sozusagen in einem Magnum Opus zusammen, ein Contra Haereses für unsere Zeit – auch wenn er zu Recht auf dem Singular „Häresie“ anstelle des Plurals bestehen würde. Das andere Weltbild ist eine Pflichtlektüre, die genau dies auf brillante Weise erklärt.

Dr. Brian Mattson

Senior Scholar für Public Theology am Center for Cultural Leadership,

Coulterville, Kalifornien

Was Francis Schaeffer in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für so viele getan hat – nämlich die Augen für die Probleme hinter den Problemen zu öffnen, für die tiefen weltanschaulichen Unterströmungen, welche die Kultur entmenschlichen und verwüsten –, das hat Peter Jones in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts für uns getan. Das andere Weltbild analysiert tiefschürfend, wie Römer 1 – die Anbetung der Schöpfung statt des Schöpfers – in der westlichen Kultur tragische Formen angenommen hat. Während sich viele Bücher auf die Behandlung von Symptomen konzentrieren, führt Jones uns an die Krankheit und weist uns auf das einzig mögliche Heilmittel hin, das Evangelium der Zweiheit.

Dr. Thaddeus Williams

Assistenzprofessor für Theologie an der Talbot School of Theology der Biola University,

La Mirada, Kalifornien

Die Kämpfe des christlichen Glaubens werden manchmal als „Kulturkriege“ bezeichnet, aber das neue Buch von Peter Jones zeigt, dass sie nichts weniger als ein Krieg der Weltanschauungen sind. Peter trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er feststellt, dass eine „ewige Philosophie“ dem verführerischen Heidentum zugrunde liegt, dem alten wie dem modernen, dem östlichen wie dem westlichen. Monismus und Pantheismus sind in diesen Ansichten verwurzelt und unterscheiden nicht zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf, dem Einen und den Vielen.

Die biblische Weltanschauung unterscheidet sich deutlich vom Rest des Alten Orients, und die gegenwärtige Verstrickung des Westens mit „östlicher Spiritualität“ entspringt der Ablehnung des biblischen Paradigmas. Der atheistische Säkularismus steht unter dem Drang des Bedürfnisses nach dem Spirituellen. Dieses ermöglicht unzählige spirituelle Varianten, die unter dem Deckmantel der „Unvoreingenommenheit“ jeden Wirrwarr rechtfertigen. Peter hat absolut recht mit seiner scharfen Kritik an dem Wunsch, Gegensätze zu versöhnen und damit den Unterschied zwischen Gut und Böse, Richtig und Falsch zu verwischen, auch – oder vielleicht gerade – wenn dies im Namen der Wissenschaft geschieht.

Heute brauchen wir sowohl eine Kritik der ungeprüften Annahmen der westlichen Kultur als auch eine kompetente Apologetik für die christliche Analyse des menschlichen Daseins in einem Universum, das ständig von seinem Schöpfer abhängig ist, der nicht einfach mit ihm gleichzusetzen ist. Wir stehen tief in Peters Schuld, weil er in diesem Buch eine solche Kritik und Apologetik liefert.

Bischof Michael Nazir-Ali

Präsident des Oxford Centre for Training, Research, Advocacy and Dialogue (OXTRAD) und ehemaliger Bischof von Rochester, England

DAS ANDERE WELTBILD

ÜBER DIE GRÖSSTE BEDROHUNG FÜR DAS CHRISTENTUM

PETER JONES

Peter Jones

Das andere Weltbild

Über die größte Bedrohung für das Christentum

Best.-Nr. 275500 (E-Book)

ISBN 978-3-98963-500-5 (E-Book)

Titel des amerikanischen Originals:

The Other Worldview:

Exposing Christianity’s Greatest Threat

© 2015 Peter Jones

Published by Kirkdale Press, 1313 Commercial St., Bellingham, WA 98225

KirkdalePress.com

Wenn nicht anders angegeben, wurde folgende Bibelübersetzung verwendet:

Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen.

Außerdem wurden verwendet:

bibel.heute, Neue evangelistische Übersetzung,© 2010 Karl-Heinz Vanheiden und Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg (NeÜ).

Sofern nicht anders vermerkt, wurden Zitate frei aus dem Englischen übersetzt.

Wenn bekannt, wurde die deutsche Ausgabe zusätzlich in der Fußnote angegeben (ohne Seitenangaben).

1. Auflage (E-Book)

© 2025 Christliche Verlagsgesellschaft mbH

Am Güterbahnhof 26 | 35683 Dillenburg

[email protected]

Übersetzung: Michael Dennstedt

Satz und Umschlaggestaltung: Christliche Verlagsgesellschaft mbH

Wenn Sie Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler entdeckt haben, können Sie uns gern kontaktieren: [email protected]

INHALT

Zur deutschen Ausgabe

Eine Kurzdefinition vorab

Vorwort

Einführung

1 — Eine Fahrkarte — aber wohin?

TEIL 1 — AUS DEN FUGEN GERATEN

2 — Aufstieg und Fall des säkularen Humanismus

3 — Carl Gustav Jungs Traum von einer „neuen Menschheit“

4 — Die immerwährende Philosophie – Ursprung der zeitgenössischen Spiritualität

5 — Die spirituelle und sexuelle Revolution der „Sechziger“

6 — Eine zerstörerische Generation

TEIL 2 — DAHINGEGEBEN

7 — Eine Kosmologie radikaler Gleichmacherei

8 — Heidnische Kosmologie der Synthese: Die Vereinigung von Vernunft und Geist

9 — Rettung durch Schamanen

TEIL 3 — NICHT AUFGEBEN

10 — Christliche Kompromisse mit der Kultur

11 — Ein ganzheitlicher oder ein heiliger Kosmos?

12 — Das Denken sprengen

13 — Die Macht des Evangeliums: Ein ausgelieferter Retter

Endnoten

Namens- und Sachregister

Bibelstellenregister

ZUR DEUTSCHEN AUSGABE

Liebe Leser,

hiermit legen wir The Other Worldview von Peter Jones in deutscher Sprache vor: Das bereits 2015 in den USA erschienene Werk fasst die jahrzehntelange Forschungsarbeit des Autors zusammen. Dieser stellt nach dem Fall des säkularen Humanismus eine Rückkehr des Heidentums fest. Anhand von Römer 1,25 („Sie vertauschten die Wahrheit Gottes mit Lügen. Sie beteten die Geschöpfe an und verehrten sie anstelle des Schöpfers“) macht er deutlich, dass es letztlich nur zwei Weltanschauungen gibt: Entweder man betet das Geschaffene an (er benennt dies mit dem Kunstwort Oneism – Einsheitsglaube, weil man nur an eine letzte Wirklichkeit glaubt: die Natur), oder man betet den Schöpfer an (er nennt dies Twoism – Zweiheitsglaube, weil man an zwei Größen glaubt: den Schöpfer und die von ihm geschaffene und getrennte Natur).

Peter Jones weist nach, wie sehr uns im Westen das Denken C. G. Jungs, des Begründers der analytischen Psychologie, geprägt hat, nachdem zunächst das Christentum als allgemein prägende Weltanschauung verschwunden und auch der Säkularismus auf dem Rückzug war. Im Gegensatz zu Freud, mit dem sich Jung zerstritten hatte, war er offen für parapsychologische Phänomene und öffnete die Psychologie für das Religiöse, Irrationale und sogar Okkulte. Vieles davon wird in der Philosophia perennis, der immerwährenden oder ewigen Philosophie, zusammengefasst, die die Weisheit aller Kulturen und Religionen vereinen will. Der neue Einsheitsglaube will Gegensätze versöhnen und Polaritäten – wie z. B. die Geschlechterpolarität – beseitigen. Dabei geht es nicht nur um moralische Fragen, sondern vielmehr um eine Weltanschauung: Das andere Weltbild – eine Kosmologie, die im Gegensatz zur christlichen Weltsicht steht.

Der Autor zeichnet diese Entwicklung, die sich in relativ kurzer Zeit seit der „1968er-Revolution“ in der westlichen Kultur vollzogen hat, nach und zitiert dabei überwiegend englischsprachige Literatur, von der aber ein großer Teil auch auf Deutsch erschienen ist. Auch wenn nicht alles direkt auf die europäische Situation übertragbar ist, gibt es viele Ähnlichkeiten und Vergleichspunkte. Da Dr. Jones ursprünglich aus Großbritannien stammt und viele Jahre in Südfrankreich gelehrt hat, ist er auch ein guter Kenner der europäischen Situation.

Ausführlich geht der Autor auf den Einfluss und die Folgen der „New-Age-Bewegung“ ein, die vor Jahrzehnten in Deutschland noch gut bekannt war. Wenn der Begriff heute aus dem öffentlichen Diskurs verschwunden ist, hat das seine Gründe: „Die Invasion der östlichen Spiritualität bedeutet, dass die New-Age-Bewegung bei Weitem nicht verschwunden ist, wie manche dachten, sondern dass sie zum Mainstream geworden ist und sich in die verschiedenen sich ergänzenden spirituellen Ausdrucksformen gewandelt hat, deren Kern eine Göttlichkeit im Innern ist.“

Dass aber diese „innere Göttlichkeit“ dem christlichen Evangelium völlig widerspricht, macht der Autor sehr deutlich: „Der christliche Glaube behauptet jedoch, dass wahre Macht von außen kommt – von außerhalb des eigenen Ichs und außerhalb der geschaffenen Welt – und aus dem vom Heiligen Geist inspirierten Wort Gottes, das der Welt die gute Nachricht vom triumphalen Sieg Jesu über Sünde und Tod verkündet, der ein für alle Mal am Kreuz von Golgatha errungen wurde.“

Auch wenn Peter Jones z. T. erschreckende Entwicklungen aufzeigt, die kaum noch zu ändern sind, führt er nicht in den Fatalismus: „Wir geben nicht auf, weil wir wissen, dass Gott das letzte – gute – Wort haben wird.“

Wir wünschen diesem Buch, das manche mit den Werken von Francis Schaeffer verglichen haben, eine gute Aufnahme und weite Verbreitung im deutschsprachigen Raum.

Der Verlag im April 2024

NUR ZWEI WELTBILDER

Eine Kurzdefinition vorab

Einsheit (Oneism) — Anbetung des Geschaffenen

Zweiheit (Twoism) — Anbetung des Schöpfers

„Sie vertauschten die Wahrheit Gottes mit Lügen. Sie beteten die Geschöpfe an und verehrten sie anstelle des Schöpfers.“ (Röm 1,25; NeÜ)

„Entweder ist der transzendente Schöpfer – ein Gott der interpersonalen Liebe der Dreieinigkeit – der Ursprung von allem, was geschaffen wurde, und erhält es, oder das Universum selbst ist in all seiner Vielfalt alles, was es gibt. … Wir müssen hier eine Glaubensentscheidung zwischen diesen Alternativen treffen – und es gibt nur diese zwei. Wenn Gott und die Natur die Wirklichkeit bilden, dann bedeutet dies Zweiheit (Twoism), und alles ist entweder Schöpfer oder Geschöpf. Wenn hingegen das Universum alles ist, was es gibt, dann bedeutet dies Einsheit (Oneism).“ (S. 10)

„Ich behaupte mit der Bibel, dass es nur zwei Weltanschauungen gibt: die eine, in der die Schöpfung die letzte Instanz ist, und die andere, die auf der letztgültigen, vorgeordneten und alles bestimmenden Existenz des Schöpfers beruht. Die Schöpfung oder der Schöpfer sind die einzigen Alternativen als Ziele göttlicher Verehrung, die einzig möglichen Erklärungen der Welt, die wir kennen. Der Widerstreit besteht zwischen zwei sich gegenseitig ausschließenden, gegensätzlichen Glaubenssystemen.“ (S. 15)

„Der Einfachheit halber nenne ich diese beiden Alternativen Einsheit (Oneism) und Zweiheit (twoism).* Es handelt sich dabei nicht um bloße Variationen eines allgemeinen spirituellen Themas, sondern um die beiden einzigen zeitlosen, einander widersprechenden Möglichkeiten, über die Welt nachzudenken. Zwischen diesen beiden Begriffen Einsheit und Zweiheit besteht ein himmelweiter Unterschied. Sie markieren die einzigen beiden Ziele, die wir ansteuern können.“ (S. 15)

*Mit diesen Worten habe ich lediglich vereinfachte Begriffe erfunden. Andere Ausdrücke für diese beiden Möglichkeiten sind Heidentum und biblische Lehre, Monismus und Theismus. Es geht darum, ob Schöpfer und Schöpfung voneinander abgegrenzt werden oder nicht. (Endnote 29)

VORWORT

Moment mal! Wie um alles in der Welt sind wir nur dahin gekommen, wo wir jetzt sind? Die Sonne ist über dem British Empire untergegangen, und das große Experiment Amerika ist uns im Labor um die Ohren geflogen.

Wir können nach den grausamen Auswirkungen von zwei Weltkriegen auf die westliche Zivilisation fragen. Wir können uns mit den Auswirkungen des Holocaust befassen. Der kampferprobte Befehlshaber der Alliierten, General Dwight D. Eisenhower, weinte, als er die geisterhaften, ausgemergelten Überlebenden von Hitlers Todeslagern und der „Endlösung der Judenfrage“ sah. Wir können unsere daraus resultierende Kultur durch die Linse von Nietzsches Nihilismus oder Jean Paul Sartres Einschätzung der Menschheit als „Geschlossene Gesellschaft“ voller „Ekel“ lesen.

Amerika hat eine Revolution hinter sich – nein, zwei Revolutionen. Die erste war die Revolution des 18. Jahrhunderts, in der die Vereinigten Staaten ihre Unabhängigkeit von England erlangten. Wir vergessen oft, dass mehr als anderthalb Jahrhunderte kolonialer Kultur verstrichen waren, bevor man sich die Boston Tea Party überhaupt vorstellen konnte. Der Unabhängigkeitskrieg wurde geführt, um die koloniale Kultur zu bewahren – ihre Bräuche, ihre Sitten und ihre Regierungsform. Es gab bereits eine etablierte amerikanische Lebensweise („American way of life“), die durch willkürliche Änderungen des britischen Parlaments, durch das die Kolonien regiert wurden, ernsthaft bedroht war.

Gewiss, Amerika war bereits dabei, sich ohne große Unterstützung aus England zu verändern. Jonathan Edwards hatte bereits den Verfall der Werte, der Religion und der Sitten beklagt, welche die Pilger und Puritaner, die das Land zuvor besiedelt hatten, als ein „Licht … auf einem Berg“ (vgl. Mt 5,14) etablieren wollten.

Die Französische Revolution war ganz anders. Bei ihr handelte es sich um eine selbstbewusste Anstrengung, die traditionelle, etablierte nationale Kultur auf den Kopf zu stellen. Sie war ein Feldzug gegen die vorherrschende französische Lebensweise.

Amerikas zweite Revolution, die Kulturrevolution der 1960er-Jahre, ähnelte der Französischen Revolution insofern, als ihr Ziel darin bestand, die Formen, Strukturen, Werte und Ethik des Status quo radikal zu verändern. Sie wollte ein neues Zeitalter einläuten: das New Age, das Wassermannzeitalter.

Die Morgendämmerung dieses neuen Zeitalters ist schon lange vorbei. Der Wassermann steht jetzt im Zenit. Zu Beginn verlief diese Revolution relativ unblutig, Ihre Folgen jedoch sind ausgesprochen blutig. Um nur ein Beispiel zu nennen: Amerika hat den Auftragsmord an über 60 Millionen ungeborenen Kindern miterlebt und gebilligt. Lebende Personen werden im Namen der Gesundheit und Freiheit von Frauen routinemäßig in Stücke gerissen und zerschnitten.

In der Mittagssonne ist offenbar geworden, wie die Heiligkeit des Lebens, die Heiligkeit der Ehe, die Heiligkeit der Geschlechter und die Heiligkeit des Heiligen selbst vernichtet wurden. Wir haben das miterlebt. Diese Kultur ist nicht nur postchristlich und postmodern, sie ist nicht nur neoheidnisch, sondern sie ist sogar neobarbarisch geworden.

Gedanken haben Folgen. Die Ideen des New Age, unseres Zeitalters, haben ihre Wurzeln in der antiken Gnosis. Diese besondere Philosophie vertrat eine Form des Pantheismus oder Monismus: Gott ist „das All-Eine“, die Summe aller Dinge. Alles ist Gott, und Gott ist alles.

Wenn alles Gott ist, ist letztlich nichts Gott. Das Wort „Gott“ kann so auf nichts verweisen, das sich von anderem unterscheidet. Es wird zu einem sinnlosen, unverständlichen Wort.

Peter Jones hat sich bemüht, den Unterschied und die Auswirkungen eines Zeitgeistes der Einsheit (Monismus) gegenüber der Zweiheit (Dualität) aufzuzeigen. Die Zweiheit, von der Dr. Jones spricht, ist nicht jene alte Form des Dualismus, der gleichwertige entgegengesetzte Kräfte von Gut und Böse umschließt. Nein, sie ist eine kosmische Dualität, die klar und deutlich den Unterschied zwischen Schöpfung und Schöpfer und die Beziehung zwischen beiden sieht.

Es handelt sich nicht um eine einfache Rechenaufgabe, bei der wir lernen, von eins bis zwei zu zählen. Diese Zahlen haben Endungen. Das Suffix -heit wird an die Eins und die Zwei angehängt und ergänzt damit diese einfachen Zahlen jeweils um die gesamte von ihnen umspannte Weltanschauung oder philosophische Standortbestimmung.

Dr. Jones hat uns eine klar lesbare Karte erstellt. Sie zeichnet die historischen Pfade, die philosophischen Routen und die kulturellen Wege nach, die uns in das Wassermannzeitalter geführt haben. Dieses Werk ist Pflichtlektüre für jeden besorgten Amerikaner (und Europäer) und besonders für alle Christen, die am Grab ihrer Kultur weinen.

R. C. Sproul

Orlando, Florida, 2015

EINFÜHRUNG

Vor Kurzem habe ich mit meiner Frau und einer unserer Töchter in einem vollbesetzten Kino den dritten Teil von Der Hobbit gesehen. Es war sicherlich ein monumentales Filmerlebnis, aber was mir am meisten auffiel, war eine gewisse Sehnsucht hinter alldem. Ich habe mich gefragt, ob die anhaltende Popularität von C. S. Lewis und J. R. R. Tolkien ein Heimwehgefühl nach einer längst vergangenen Kultur anzeigt. Dabei sieht ein aufmerksamer Beobachter einen wichtigen Unterschied zwischen diesen beiden großartigen Schriftstellern:

Während C. S. Lewis versucht, uns dessen zu vergewissern, was wir bereits glauben, indem er die Geschichte als Kindermärchen verpackt, verunsichert Tolkien uns zutiefst. Unser Volk, unsere Kultur, unsere Sprache, unser Platz auf dieser sich wandelnden und unbeständigen Erde sind nicht sicherer als die von tausend ausgestorbenen Völkern vergangener Zeiten; und wir brauchen eine weitaus größere Hoffnung als die der Arbeit unserer Hände und des Schliffs unserer Schwerter.1

Die große mythische Vision dieser Autoren von der Konfrontation zwischen den Mächten des Guten und des Bösen verrät ein Gespür dafür, dass das christliche Abendland von einem Übel bedroht war, das jede Erinnerung an eine auf christlichen Grundsätzen beruhende Kultur vernichten würde. In den 1940er-Jahren konnte man dieses Böse leicht im Nationalsozialismus und im Marxismus erkennen. Die beiden Schriftsteller waren zweifellos besorgt, als sie sahen, wie das christliche Gerüst der westlichen Kultur dem selbstbewussten Triumph eines säkularen Humanismus wich.

Das vorliegende Buch ist besonders für Leser geschrieben, die gerade ein Drittel meines Alters erreicht haben. Ich schreibe es als unbequemer Augenzeuge eines massiven Wandels in der westlichen Kultur, in der die dunklen Kräfte Saurons die Macht der westlichen Kultur im einst christlichen Abendland übernommen haben. Diese Kräfte, die zunächst als säkularer Humanismus in Erscheinung traten, haben sich inzwischen zu einem weitaus gewaltigeren Gegner des Christentums entwickelt, nämlich zu einer umfassenden Weltanschauung heidnischer Überlieferungen, die sich vielleicht am deutlichsten in den vielen anderen religiös inspirierten Blockbustern Hollywoods zeigt, z. B. in Krieg der Sterne, Matrix oder den Filmen des Marvel-Universums, die nicht die Weltsicht von Tolkien oder Lewis teilen.2

Mein Plädoyer ist keine nostalgische Aufforderung, zu den guten alten Zeiten zurückzukehren, sondern ein Versuch, die Fronten zwischen den beiden letztlich einzigen Weltanschauungen zu klären – den beiden einzigen grundlegenden Modellen, die dem zugrunde liegen, wie wir uns die Welt vorstellen und erklären. Ich nenne sie Einsheit (Oneism) und Zweiheit (Twoism).3 Diese Begriffe sind meine Kurzformel für das, was der Apostel Paulus nach meinem Verständnis meint, wenn er als Kern des Götzendienstes und der Unwahrheit das Vertauschen der Wahrheit Gottes mit Lügen und die Verehrung der Geschöpfe anstelle des Schöpfers beschreibt (Röm 1,25).

In den letzten zwei Generationen habe ich beobachtet, wie die Einsheit des antiken Heidentums die jahrhundertealten kulturellen Strukturen des Westens ersetzt hat – Strukturen, die auf den grundlegenden Vorstellungen biblischer Wahrheit (Zweiheit) beruhen. Die Lüge der Einsheit ist zum großen Teil deshalb auf dem Vormarsch, weil sie jetzt wortgewandt als Weltbild präsentiert wird, das in der Lage sei, die gesamte menschliche Existenz zu erklären, und für sich in Anspruch nimmt, kulturell normativ zu sein und von der Geschichte bekräftigt zu werden. Dieser Versuch, die christliche Weltanschauung mit ihrer Überzeugung eines göttlich geschaffenen, strukturierten und geordneten Universums zu demontieren, untergräbt nicht nur die richtige Erkenntnis und Verehrung des Schöpfers, sondern beeinträchtigt auch ernsthaft die Möglichkeit, dass Menschen das christliche (zweiheitliche) Evangelium überhaupt noch hören und verstehen können.

In den Vereinigten Staaten ist die Generation der Jahrtausendwende die erste, die von Geburt an in ein solch konsequent antibiblisches System eingetaucht ist. In vielen Gegenden der Vereinigten Staaten und in ihren Bildungseinrichtungen wurde dieser Generation eine Weltanschauung vermittelt, die auf den Voraussetzungen des Heidentums und einer völligen Ablehnung Gottes, des persönlichen Schöpfers, beruht. Diese Stimmen haben für viele junge Menschen eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der christlichen Weltanschauung verdrängt, die nun – wie früher das Geld – als Quelle aller möglichen Übel verunglimpft wird. Die traditionelle westliche Kultur befindet sich also im Belagerungszustand, und die unmittelbaren Opfer sind die in den 1980er- und 90er-Jahren geborenen sogenannten Millennials, die unwissentlich von alternden Fortschrittsgläubigen (meinen Altersgenossen, wohlgemerkt!) verführt wurden.

Wie kann man zu einer Generation sprechen, die neu von altem Heidentum durchdrungen ist? Meine Antwort auf diese drängende Frage ist auf den folgenden Seiten zu lesen: nur mit einem gut begründeten zweiheitlichen Weltbild, das Gott ehrt. Die Beschreibung des Wesens dieser „Lüge“ und das Aufzeigen der vollumfänglichen Wahrheit ist der einzige Weg nach vorn. Wir Christen brauchen ein tiefes Verständnis sowohl des Evangeliums als auch des heidnischen Systems, das uns umgibt. Das Evangelium spricht in dieses System hinein und verurteilt es unmissverständlich, um vollständig davon zu erlösen.

Ich kann mir gut vorstellen, was Gott mit einer heranwachsenden Generation christlicher Millennials tun könnte, die darin geübt wäre, „antithetisch“ oder zweiheitlich zu denken – so wie es der Apostel Paulus und die frühen Christen taten, die, obwohl sie nur eine kleine Minderheit in einem feindseligen, heidnischen Reich waren, dieses zur Ehre von Jesus Christus auf den Kopf stellten.

KAPITEL 1

EINE FAHRKARTE — ABER WOHIN?

Ein Plan von London und ein Plan des Lebens

Drei meiner Kinder leben in London. Jedes Mal, wenn ich sie besuche, staune ich über die Londoner U-Bahn. Die Tube (Röhre), wie sie auch genannt wird, wurde 1863 eröffnet und befördert heute jedes Jahr mehr als eine Milliarde Fahrgäste in einer der größten Städte der Welt überallhin. Um einen bestimmten Ort schnell zu erreichen, muss man allerdings wissen, wohin der Zug fährt. Sonst kann man tagelang ein- und aussteigen, ohne ans Ziel zu kommen.

Manche Menschen leben so. Bildhaft gesprochen steigen sie in den ersten Zug ein, der kommt, oder in den, den die meisten Menschen nehmen. Nur wenige denken über das Ziel nach, bis sie am Ende der Fahrt an einer Station des Lebens landen, die ihnen gar nicht gefällt, und die Reise schließlich bereuen.

Eine Weltanschauung enthält eine Reihe von Überzeugungen und Schlussfolgerungen über das Wesen der Welt, die unserem Leben eine grundlegende Bedeutung und Orientierung geben, so wie uns ein U-Bahn-Plan durch London leitet. Auch wenn unsere Überzeugungen oft nur aus unbestimmten Ahnungen oder ungeprüften Vermutungen bestehen, haben wir alle eine Weltanschauung. Der einfache Umstand, dass wir den Mund öffnen, um zu sprechen, zeigt, dass wir glauben, dass das Leben eine Bedeutung hat und alles irgendwie zusammenpasst. Eine Übersichtskarte des Lebens zu deuten ist komplizierter als bei der Karte der Londoner U-Bahn. Deshalb geben wir manchmal auf und steigen einfach in den nächsten Zug, der vorbeikommt.

Auch unsere Kultur scheint auf einen Zug aufgesprungen zu sein, der in eine ganz andere Richtung fährt als der, mit dem sie ursprünglich unterwegs war. Vielleicht geschah dies aus der Überzeugung heraus, dass es die falsche Richtung war. Möglicherweise haben wir es auch aufgegeben, darüber nachzudenken, wo wir schließlich landen werden. Doch wie viele Richtungen gibt es letztendlich überhaupt?

Die Ursprünge eines Buches – eine kleine Autobiografie

Beginnen wir unsere Reise mit einer Momentaufnahme aus meinem eigenen Leben. Der einflussreiche Schweizer Psychologe Carl Gustav Jung aus dem 20. Jahrhundert, dem wir auf diesen Seiten noch oft begegnen werden, beschrieb einmal einen Traum, in dem er sich in einer regnerischen Nacht in meiner englischen Heimatstadt Liverpool wiederfand, „einer rußigen, dunklen, schmutzigen Stadt“4. Danke, Carl, für diese wenig schmeichelhafte, aber zutreffende Beschreibung! Etwa 30 Jahre nach Jungs Traum fand ich mich an einem untypisch sonnigen Tag mit jemandem wieder, der noch berühmter war als Jung. Es war Mittagszeit an der Quarry Bank High School for Boys, und der Gedanke an Fish and Chips war für meinen Freund und mich unwiderstehlich. Entgegen der Schulregeln kletterten wir über die Mauer und machten einen 20-minütigen Ausflug zu unserer Lieblingsbude in der Penny Lane.

Der Name Penny Lane verrät es wahrscheinlich: Mein alter Schulkamerad war John Lennon, der später als einer der Beatles bekannt werden sollte. Einmal schrieb er (mit einiger Übertreibung) über den „blauen Vorstadthimmel“ über der Penny Lane. Damals konnte natürlich niemand seine glanzvolle Zukunft vorhersehen – schon gar nicht der Schulleiter, der uns später an diesem Tag völlig unbeeindruckt von uns beiden den Hintern versohlte.

Ich erwähne meine Schulzeit mit John nicht, um etwas von seinem Ruhm abzubekommen, sondern weil ich eine gewisse historische Ironie sehe: Derselbe Schulleiter, der John und mich mit dem Rohrstock schlug, begann jeden Schultag mit Bibellesen und Gebet. Quarry Bank war zwar eine staatliche Schule, aber in dieser Hinsicht typisch: Damals war das Christentum die allgemein anerkannte Religion meiner Kultur, und England war ziemlich repräsentativ für den Rest des Westens. Lange nach meiner Zeit in der Quarry Bank wurde ich ein christlicher Theologe, der sich besonders der Unterscheidung der biblischen Spiritualität von ihren vielen Fälschungen widmet, insbesondere von denen, die in den heutigen Versionen der östlichen oder New-Age-Spiritualität zum Ausdruck kommen. Ich schreibe Bücher als Beobachter des spirituellen Zustands der heutigen westlichen Welt, der sich seit meiner Zeit an der Highschool dramatisch verändert hat. John hingegen verließ 1956 die Quarry Bank, und unsere Wege trennten sich für immer. Er wurde später ein hingebungsvoller Anhänger des Maharishi Mahesh Yogi und ein leidenschaftlicher Verfechter der östlichen Spiritualität.

Obwohl er derselben christlichen Kultur angehörte wie ich, bemühte er sich, das Christentum an den Rand zu drängen. In seinem Hit „Imagine“ fordert er uns beispielsweise auf, uns eine Welt ohne Religionen oder Vorstellungen von einem Leben nach dem Tod vorzustellen, eine Welt, in der wir unser angeborenes persönliches und soziales Potenzial für endgültigen Frieden und Harmonie verwirklichen könnten. Der Einfluss eines solchen Denkens zeigt sich deutlich in der verbreiteten Äußerung: „Ich bin spirituell, aber nicht religiös.“ Bill und Hillary Clinton baten darum, in der Silvesternacht 2000 auf der National Mall „Imagine“ zu spielen, um das dritte Jahrtausend einzuläuten.

1964 ging ich in die Vereinigten Staaten, um zu studieren. Ich kam auf dem Logan Airport in Boston an, kurz nachdem die Beatles nach Amerika gereist waren. Ich kam, um mich weiterzubilden, und entdeckte eine Kultur, die noch offensichtlicher christlich war als die, die ich verlassen hatte. Die „Festung Amerika“ war das Epizentrum des Christentums in der Welt des 20. Jahrhunderts, das Land, das zahllose Missionare bis ans Ende der Welt sandte. Das Christentum war allgegenwärtig; das bewiesen sowohl die unzähligen Radio- und Fernsehsender, Tausende von christlichen Schulen und Hochschulen und unzählige christliche Verlage als auch die Kirchengebäude, so weit das Auge reichte. Ich dachte schon, ich sei gestorben und bereits im Himmel angekommen. So konnten z. B. die Pastoren montags kostenlos Golf spielen, und ich bin sicher, das wird im Himmel auch so sein!

Was den Zauber schließlich brach, war die westliche Kulturrevolution der späten 1960er-Jahre, für die mein Schulkamerad ein so einflussreicher Wortführer war. Damals schien die Revolution gar nicht so besonders revolutionär zu sein. Sie umfasste eine Handvoll Hippies, deren Einfluss vernachlässigbar schien. Ironischerweise sind die meisten der gewaltigen Veränderungen, die wir heute erleben, auf die Überzeugungen und Annahmen dieser Handvoll Außenseiter zurückzuführen – auf ihre Weltanschauung.

„Dramatischer“ Kulturwandel

Ich habe diese turbulente Zeit von den 1960er-Jahren bis heute sowohl miterlebt als auch aufmerksam beobachtet. Zu meiner Lebzeit hat das Christentum aufgehört, für viele Menschen im Westen die Religion ihrer Wahl zu sein. Wie konnte ein so großer Wandel in so kurzer Zeit stattfinden? Einige Soziologen sprachen in den Sechzigerjahren davon, in einer „überraschungsfreien Welt“5 zu leben, aber direkt vor ihrer Nase explodierte eine ideologische Revolution.

Elizabeth Fox-Genovese, eine angesehene amerikanische Wissenschaftlerin mit einem Doktortitel der Harvard University, war in den Sechzigerjahren eine bedeutende marxistische und feministische Stimme. Nachdem sie dann jedoch zum Christentum konvertiert war, sagte sie über die Kulturrevolution, an der sie selbst so enthusiastisch teilgenommen hatte: „Innerhalb eines bemerkenswert kurzen Zeitraums … vollzog sich eine dramatische Veränderung des Wesens unserer Gesellschaft.“6 Fox-Genovese ist nicht allein.7 Ein großer Teil meiner Motivation, dieses Buch zu schreiben, besteht darin, den Ursprung und das Wesen dieses Wandels und seine anhaltenden Auswirkungen in der zeitgenössischen westlichen Kultur zu erklären.

Die Regeln haben sich geändert. Die Züge sind entgleist. In unserer Zeit ist der alte Baldachin einer mehr oder weniger christlichen Zivilisation zerstört und durch eine neue, übergreifende Struktur spiritueller Überzeugungen und Praktiken ersetzt worden. Viele der althergebrachten Plausibilitätsstrukturen, die dem Leben unter christlichem Einfluss im Westen Sinn und Bedeutung verliehen haben, sind nicht mehr erkennbar:

1.Moral wird durch unterschiedliche (und oft widersprüchliche) persönliche oder gesellschaftliche Überzeugungen relativiert.

2.Aufrichtigkeit bedeutet, den eigenen inneren Überzeugungen und Sehnsüchten mehr zu vertrauen als den äußeren Bedingungen oder objektiven Fakten.

3.Akzeptable Modelle von Sexualität und Familie lassen verschiedene Kombinationen von Personen und Geschlechtern zu.

4.Die Ehe ist oft praktisch kaum vom Zusammenleben im gegenseitigen Einvernehmen zu unterscheiden.

5.Mutterschaft wird in einem Atemzug mit gewollter Abtreibung auf Wunsch hochgehalten.

Die Bedeutung und der Rahmen von Spiritualität und Religion haben einen nicht minder grundlegenden Paradigmenwechsel erfahren. Der Gottesbegriff schließt heute Polytheismus (viele Götter) oder Pantheismus (ein mit dem Universum identischer Gott) ein. Durchschnittliche Millennials8 in den USA z. B. beschreiben ein lebendiges geistliches Leben nicht mehr als Erkenntnis und Gemeinschaft mit dem unendlich persönlichen Schöpfer und Herrn des Himmels und der Erde, so wie er in der Bibel offenbart wird. Spiritualität ist zu einem Do-it-yourself- Lebenshobby geworden, wo uralte östliche Praktiken mit modernem Konsumverhalten kombiniert werden. Wenn Religion nur noch ein stillschweigendes Einverständnis darüber ist, dass wir alle blind nach derselben Sache tasten, wer kann dann noch jemanden dafür kritisieren, dass er zwar „spirituell, aber nicht religiös“ ist?

Ich mag nostalgisch klingen – wie einer, der sich nach der guten alten Zeit zurücksehnt. Aber ich plädiere nicht für eine Rückkehr zur westlichen Kultur der 1950er-Jahre. Damals waren die Menschen genauso sündig und hatten genauso viele Probleme, etwa institutionellen Rassismus und Sexismus, ganz zu schweigen von übereifrigen Schulleitern mit Rohrstöcken! Dennoch gab es in dieser Kultur etwas – mit unterschiedlichem Maß an Erfolg und Beständigkeit –, was der Soziologe Peter L. Berger den „heiligen Baldachin“ einer grundlegend christlichen Weltanschauung nannte: eine grundlegende Vorstellung über Gott, Moral, Sexualität, Familie, Ehe, Mutterschaft, Spiritualität und Religion, die bewusst oder unbewusst aus einem christlichen Blickwinkel heraus verstanden wurden. Die Menschen brachen die Regeln damals genauso wie heute, aber alle gingen ziemlich genau von denselben Regeln aus.

Ich habe beobachtet, wie sich dieser „umwälzende Wandel“ innerhalb einer Generation vollzogen hat. Ich habe lange darüber nachgedacht, in der ganzen Welt Vorträge darüber gehalten und Bücher darüber geschrieben. Ich bete, dass mir diese Überlegungen und Forschungen durch Gottes Gnade zu einer erfolgreichen Analyse dessen verhelfen, was gerade geschieht und was Christen hilft, diesbezüglich Salz und Licht zu sein. Ziel ist nicht, eine westliche Kultur des 20. Jahrhunderts zurückzuholen, sondern das Evangelium in unserer eigenen Zeit klar zu verkündigen und die Kultur durch ein Gott wohlgefälliges Leben zu segnen.

Diese veränderte Kultur, in der wir leben, ist die einzige, die junge Leser kennen. Es ist nichts falsch daran, jung zu sein, aber wie George Bernard Shaw mit offensichtlichem Bedauern gesagt haben soll: „Schade nur, dass man die Jugend an die jungen Leute verschwendet.“ Wir alle bewundern die Energie, den Enthusiasmus und die Kreativität der Jugend. Dennoch kann mangelndes Wissen über die jüngere Vergangenheit zu Problemen führen. Heutige Generationen sehen vielleicht zeitgenössische Überzeugungen und Lebensstile als normal an, ohne sich darüber im Klaren zu sein, wie abnormal sie noch vor wenigen Jahren waren. Sowohl junge als auch ältere Christen suchen ihre Erkenntnis oft unkritisch in der sie umgebenden Kultur, deren Annahmen und Werte oft entschieden unchristlich sind. Wir sollten zwar versuchen, unsere Kultur zu verstehen, um in ihr Jesus zu bezeugen – aber wir müssen vermeiden, uns ihren Erwartungen anzupassen, nur um ihre Bestätigung zu erhalten.9 Am wichtigsten ist, dass wir als christliche Gemeinde alle Kulturen – und uns selbst – in jeder Generation an den Maßstab erinnern, der alle anderen Maßstäbe misst: den Maßstab des Glaubens, das Gesetz der wahren Freiheit, das Wort Gottes.

Die Welt des Gegensatzes in einer Welt von Eins oder Zwei

In diesen verwirrenden Zeiten habe ich gute Nachrichten für meine Mitreisenden: Der U-Bahn-Plan für unsere Lebensreise ist nicht so kompliziert, wie es scheint! Im Gegensatz zu den Annahmen unserer Kultur gibt es nur zwei Züge, die in entgegengesetzte Richtungen fahren und an zwei sehr unterschiedlichen Zielen ankommen.

Ich bin darauf gekommen, als ich versuchte, die überraschenden Veränderungen im Westen zu verstehen, die aus den Kulturkämpfen der 1970er- und 80er-Jahre hervorgingen. Zwei einfache Begriffe, „Eins“ und „Zwei“, tauchen in der gegenwärtigen Debatte über Spiritualität oft auf. Ich sage manchmal: Wenn man von eins bis zwei zählen kann, kann man schon ein Theologe sein. Mit den Begriffen „Eins“ und „Zwei“ landet man genau im Nervenzentrum der Kultur, so als würde man am Piccadilly Circus oder am Trafalgar Square aus der U-Bahn aussteigen anstatt in einer kleinen Station außerhalb wie Plumstead oder Cockfosters. Wenn wir das Evangelium in unserer modernen Welt verteidigen wollen, müssen wir verstehen, was sich hinter den Begriffen „Eins“ und „Zwei“ verbirgt.

Wie lässt sich Spiritualität mit diesen einfachen Begriffen beschreiben? In The Joy of Sects, einem Werk, das alle großen Religionen behandelt, gibt uns Peter Occhiogrosso einen Hinweis. Obwohl er in seinem Titel nicht die Begriffe „Eins“ oder „Zwei“ verwendet, stellt er dennoch klar und deutlich fest: „Durch jede große Überlieferung fließt ein Strom … ein einziger Strom, der jede dieser Überlieferungen aus einer einzigen Quelle speist … die immerwährende Philosophie.“10 Er definiert die „immerwährende Philosophie“ (Philosophia perennis) als ein System, das „versucht, die Dualität [Zweiheit] aufzubrechen und uns zu einem vereinigenden Zustand [Einsheit] zurückzubringen, damit wir sehen, dass wir bereits eins sind“11. Der spirituelle Lehrer Andrew Cohen formuliert in einem Vortrag mit dem Titel „The Significance of Non Duality“ (dt.: „Die Bedeutung der Nicht-Dualität“) ganz ähnlich: „Es gibt nur eins, nicht zwei.“ Während des Vortrags fragt er immer wieder: „Warum ist es wichtig, dass es nur eins und nicht zwei gibt?“12

„Eins“ und „Zwei“ tauchen auch in Diskussionen über die „Veröstlichung“ des Westens auf.13 Philip Goldberg legt in American Veda14 dar, dass Amerika hinduistisch geworden ist, und verweist auf die allgemeine Verbreitung des alten Sanskrit-Begriffs „Advaita“, was „nicht zwei“ bedeutet. Advaita bekräftigt, dass alles eins ist. Die Betonung des Einsseins ist ein wesentliches Merkmal aller östlichen Religionen, die im Westen auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Dazu gehören die sehr alten Religionen wie Hinduismus, Sikhismus, Taoismus und auch der Buddhismus sowie neuere Zugänge wie Sufismus, Neuplatonismus15, Gnosis und Kabbala.

Auch C. G. Jung erklärte die Existenz mittels der Begriffe „Eins“ und „Zwei“16, ebenso wie Pater Thomas Keating, ein römisch-katholischer interreligiöser Mystiker, der lehrt, dass das hohe Ziel der Spiritualität darin bestehe, vom Bewusstsein der Zweiheit (Abgrenzungen in der realen Welt) zum nicht dualen Zustand des Einsseins zu gelangen.17 Dieselbe Terminologie findet sich in den Schriften einiger evangelischer Führungspersönlichkeiten18, und sie steht auch im Mittelpunkt der zeitgenössischen utopischen Diskussionen über Interspiritualität.19

„Eins“ oder „Zwei“? — Es gibt nur eine Antwort

Die obigen Beispiele mögen willkürlich oder eigenartig erscheinen, aber sie führen uns tatsächlich zum Kern der gegenwärtigen Faszination für Spiritualität und den Sinn des Daseins. Danach haben Menschen schon immer gefragt. Die wesentliche Frage lautet: Warum gibt es etwas und nicht nichts? Die Frage selbst ist ein Rätsel, denn wie kann es nichts geben, wenn es jemanden gibt, der danach fragt? Die zweite Frage muss also lauten: Was ist das Wesen von diesem Etwas?

Es mag reduktionistisch erscheinen, darauf zu bestehen, dass es nur zwei mögliche Antworten auf diese letzten Fragen gibt. Der Theologe Colin Gunton aus dem 20. Jahrhundert, der als einer der bedeutendsten britischen Theologen seiner Generation gilt, sagte jedoch:

Wahrscheinlich gibt es letztlich nur zwei mögliche Antworten auf die Frage nach dem Ursprung, und sie tauchen an verschiedenen Stellen in allen Epochen auf: [Entweder] ist das Universum das Ergebnis der Schöpfung durch eine freie personhafte Handlungsmacht, oder es erschafft sich auf die eine oder andere Weise selbst. Die beiden Antworten sind letztlich nicht miteinander vereinbar und erfordern eine Entscheidung: entweder für die eine oder die andere – oder für die agnostische Weigerung, sich zu entscheiden.20

Das Wesen der Wirklichkeit kann auch auf andere Weise untersucht werden, nämlich indem man fragt, wovon die Wirklichkeit gesteuert wird. Wir lenken nicht viel in unserem Leben, wenn überhaupt etwas: Zeitpunkt und Ort unserer Geburt, unsere Eltern, unsere Gesundheit und unsere Lebensspanne – all das entzieht sich unserer Kontrolle. In solch einer verletzlichen Lage haben wir wieder dieselben zwei Möglichkeiten: an ein unpersönliches Schicksal oder an eine persönliche Bestimmung zu glauben.

In beiden Fällen stoßen wir hier auf den letzten Grund. Entweder ist der transzendente Schöpfer – ein Gott der interpersonalen Liebe der Dreieinigkeit – der Ursprung von allem, was geschaffen wurde, und erhält es, oder das Universum selbst ist in all seiner Vielfalt alles, was es gibt. Wie dem auch sei: Ob wir nun die Natur oder den Schöpfer der Natur verehren – wir haben es mit einem Glaubensbekenntnis und einem Ausdruck von Anbetung zu tun. Wir können nicht aus dem Universum heraustreten, um einen objektiven Standpunkt einzunehmen. Wir müssen hier eine Glaubensentscheidung zwischen diesen Alternativen treffen – und es gibt nur diese zwei. Wenn Gott und die Natur die Wirklichkeit bilden, dann bedeutet dies Zweiheit, und alles ist entweder Schöpfer oder Geschöpf. Wenn hingegen das Universum alles ist, was es gibt, dann bedeutet dies Einsheit.

Beispielhaft für diese Alternativen mögen zwei strikt voneinander getrennte Ausgangspunkte stehen: derjenige der Bibel und derjenige von Camille Paglia, einer zeitgenössischen Philosophin. Die Bibel beginnt mit den Worten: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“ (1Mo 1,1), also die Natur. Paglia beginnt ihr Buch Sexual Personae ganz anders: „Am Anfang war die Natur.“21 Diese beiden Auffassungen von der Wirklichkeit gab es schon immer; aber da wir seit Jahrhunderten in einem christlichen Umfeld leben, überrascht uns der wieder aufflammende Konflikt. Paglia schrieb ihr Buch in bewusster Opposition zu der in 1. Mose dargelegten Sicht der Welt.

Christliches Denken beginnt nicht mit Paglias Sicht der Existenz, sondern mit der der Bibel. Robert Sokolowski, Professor für Philosophie an der Catholic University of America, formuliert es so:

Die christliche Theologie unterscheidet sich von heidnischen religiösen und philosophischen Überlegungen vor allem durch die Einführung einer neuen Abgrenzung: der Unterscheidung zwischen der Welt, die auch möglicherweise nicht hätte existieren können, und Gott, von dem angenommen wird, dass er möglicherweise alles ist, was existiert, ohne dass er deshalb seine Güte oder Größe einbüßt.22

Eine solche Unterscheidung beschreibt zwei völlig verschiedene Arten von Wesen, die niemals miteinander verwechselt oder vermischt werden können – versöhnt ja, aber niemals vermischt. Die eine Art ist völlig unabhängig, in sich selbst genügsam und glückselig und wäre das auch, wenn es das Universum nie gegeben hätte. Die andere ist völlig abhängig; sie lebt, besteht und existiert durch die freie Güte und Liebe eines anderen.23

Schöpfer und Geschöpf: Das erste und das letzte Wort der Bibel

Diese biblische, christliche Art zu denken gibt der Wirklichkeit einen tiefen Sinn. Sie war der Kern des Glaubens Israels im Alten Testament. Der Bibel zufolge ist Gottes Existenz und Identität der geeignete Rahmen für unsere eigene. Nur von diesem Ausgangspunkt aus können wir wahre Erkenntnis über Gott, die Schöpfung und uns selbst erlangen. Die Bibel beginnt und endet mit dieser Annahme.

Am Anfang

1. Mose 1,1 beginnt mit der majestätischen Erklärung der Andersartigkeit und trägt sie in eine Welt hinein, deren Mythologie nur Gleichartigkeit anerkennt. Diese Erklärung bekräftigt die radikale Einzigartigkeit und die Vorrangstellung des Schöpfers. Sie begründet die unauflösliche Unterscheidung zwischen dem Schöpfer und dem, was er aus Großzügigkeit und Liebe geschaffen hat. Nach dieser Erklärung ist der Rest der Bibel in gewissem Sinn ein Kommentar.

Biblisches Denken beginnt immer mit der Bestätigung von Gottes Einzigartigkeit, Freiheit, Güte und Liebe. In Jesaja 40 wird Gott als „der Schöpfer der Enden der Erde“ (40,28) beschrieben. Psalm 33 nimmt den Anfang von 1. Mose wieder auf: „Durch des HERRN Wort ist der Himmel gemacht … Denn er sprach, und es geschah; er gebot, und es stand da“ (33,6.9). Psalm 104 macht ähnliche Aussagen aus der Sicht eines Menschen, der Gott, den Schöpfer, preist. Gottes große Antwort an Hiob (Hiob 38–39) ist keine philosophische Abhandlung, sondern eine Rede, die uns mit ihrer unmissverständlichen Feststellung überwältigt, dass Gott die Herrschaft über die gesamte Schöpfung ausübt. Nehemia sagt über Gottes Schöpferkraft: „Du, HERR, bist es, du allein. Du, du hast den Himmel gemacht, die Himmel der Himmel und all ihr Heer, die Erde und alles, was darauf ist, die Meere und alles, was in ihnen ist. Und du machst dies alles lebendig, und das Heer des Himmels wirft sich vor dir nieder“ (Neh 9,6).

Die Einzigartigkeit der Zweiheit

Colin Gunton stellte fest, dass diese Auffassung von Schöpfung und Bestimmung in der antiken Welt einzigartig war:

[Der Bericht von 1. Mose] war keineswegs ein antiker Mythos unter vielen, sondern einzigartig, weil er Dinge sagte, die kein anderer antiker Text zu sagen vermochte … Die Bibel ist anders und, so könnte man sagen, die Überbringerin einer einzigartigen Botschaft und kann daher nicht einfach als ein weiteres Beispiel für einen antiken Mythos abgetan werden.24

Vor den 1960er-Jahren, als es üblich wurde, den alttestamentlichen Glauben als einen vorderasiatischen religiösen Mythos unter vielen abzutun, bestätigten sogar viele kritische Wissenschaftler die Einzigartigkeit der biblischen Erzählung. So stellte Claus Westermann den Schöpfungsbericht der Genesis den babylonischen Schöpfungsmythen wie folgt gegenüber:

Was den Schöpfungsbericht [der Genesis] von den vielen Schöpfungsgeschichten des Alten Orients unterscheidet, ist, dass es für die Genesis nur einen Schöpfer geben kann, und dass alles andere, was ist oder sein kann, niemals etwas anderes sein kann als ein Geschöpf.25

G. Ernest Wright, Professor für Altes Testament an der Harvard University im 20. Jahrhundert, folgte dem Beispiel seines Mentors, des Archäologen William Albright, und lehrte, dass der Unterschied zwischen dem Alten Testament und den anderen Religionen der antiken Welt so signifikant sei, dass keine evolutionäre oder entwicklungsorientierte Darstellung der Religion Israels dem Alten Testament gerecht werden könne.26 Gunton, Westermann, Wright und Albright betonen alle den Unterschied zwischen den Kosmologien des Alten Orients und der einzigartigen Botschaft, die das erste Buch Mose in die antike Welt trug. John Oswalt, ein moderner Alttestamentler, kam zu dem Schluss: „Es gibt nur zwei Weltanschauungen: die biblische … und die andere.“27

Gotteserkenntnis in der Zweiheit

Der Apostel Paulus würde dem zustimmen. Gottes „unsichtbare Wirklichkeit, seine ewige Macht und göttliche Majestät sind nämlich seit Erschaffung der Welt in seinen Werken zu erkennen“ (Röm 1,20; NeÜ), und das, was er gemacht hat, drückt seine Transzendenz und Andersartigkeit aus. Alle Menschen bekommen in seiner Schöpfung einen Einblick in diese Eigenschaften unseres Schöpfers. Doch, fährt Paulus fort, haben sie „die Wahrheit Gottes in die Lüge verwandelt und dem Geschöpf Verehrung und Dienst dargebracht … statt dem Schöpfer“ (Römer 1,25).28 Ich habe diesen Vers oft gelesen, bevor mir klar wurde, dass Paulus damit erklärt, dass es nur zwei Arten zu leben und zu denken gibt, nur zwei Arten zu glauben. Die Menschen, sagt er, beten entweder „die Geschöpfe“ oder „den Schöpfer“ an und dienen diesem oder jenen. Was für ein einfacher und doch tiefgründiger Gegensatz, Paulus!

„Schöpfer“ und „Schöpfung“ liegen aller menschlichen Erkenntnis über Gott und uns selbst zugrunde; dieses Thema zieht sich durch das gesamte Neue Testament. Im Hebräerbrief wird erklärt: „Aufgrund des Glaubens verstehen wir, dass die Welt durch Gottes Wort entstand, dass also das Sichtbare aus dem Unsichtbaren kam“ (Hebr 11,3; NeÜ). Paulus fasst zusammen, wer der wahre Gott ist: der Gott, „der die Toten lebendig macht und das, was gar nicht existiert, ins Dasein ruft“ (Röm 4,17; NeÜ). Der Kolosserbrief wirft noch mehr Licht auf dieses offenbarte Geheimnis, wenn er die Schöpfung und ihre Bedeutung direkt mit Christus in Verbindung bringt, der auch die Quelle unserer Neuschöpfung ist: „Denn in ihm ist alles in den Himmeln und auf der Erde geschaffen worden, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Gewalten oder Mächte: Alles ist durch ihn und zu ihm hin geschaffen“ (Kol 1,16).

Zum Schluss

Die Bibel endet mit derselben Erklärung: Gott ist der Schöpfer. Offenbarung 4 zitiert die Bürger des Himmels, mit denen wir einmal Gott als unseren Schöpfer und Herrn in alle Ewigkeit preisen werden, mit den Worten: „Du bist würdig, unser Herr und Gott, die Herrlichkeit und die Ehre und die Macht zu nehmen, denn du hast alle Dinge erschaffen, und deines Willens wegen waren sie und sind sie erschaffen worden“ (Offb 4,11). Hier wird deutlich, dass unsere Identität immer die eines Geschöpfes sein wird – auch wenn sie verherrlicht ist – und dass Gott immer der eine Schöpfer sein wird, dem alle Herrlichkeit gebührt und von dem unsere Herrlichkeit kommt. Dies ist das erste und das letzte Wort der Bibel.

Unsere Weltanschauungsalternativen: Einsheit und Zweiheit

Ich behaupte mit der Bibel, dass es nur zwei Weltanschauungen gibt: die eine, in der die Schöpfung die letzte Instanz ist, und die andere, die auf der letztgültigen, vorgeordneten und alles bestimmenden Existenz des Schöpfers beruht. Die Schöpfung oder der Schöpfer sind die einzigen Alternativen als Ziele göttlicher Verehrung, die einzig möglichen Erklärungen der Welt, die wir kennen. Der Widerstreit besteht zwischen zwei sich gegenseitig ausschließenden, gegensätzlichen Glaubenssystemen. Unsere Entscheidung wird sich auf die Antworten auswirken, die wir auf diese beiden wichtigen Fragen geben: Gibt es etwas und nicht nichts? Und wenn es etwas gibt, wie ist dieses Etwas beschaffen?

Der Einfachheit halber nenne ich diese beiden Alternativen Einsheit und Zweiheit.29 Es handelt sich dabei nicht um bloße Variationen eines allgemeinen spirituellen Themas, sondern um die beiden einzigen zeitlosen, einander widersprechenden Möglichkeiten, über die Welt nachzudenken.30 Zwischen diesen beiden Begriffen Einsheit und Zweiheit besteht ein himmelweiter Unterschied. Sie markieren die einzigen beiden Ziele, die wir ansteuern können. Sie wollen wir nun genauer beschreiben.

Einsheit

Die Einsheit sieht die Welt als selbstschöpferisch (oder ewig existierend) und selbsterklärend an. Alles besteht aus demselben Stoff, sei es Materie, Geist oder eine Mischung daraus. Es gibt nur eine Art von Existenz, die wir auf die eine oder andere Weise als göttlich (oder als von höchster Bedeutung) verehren, auch wenn das bedeutet, dass wir uns selbst verehren. Obwohl es offenbar Unterscheidungen und sogar Hierarchien gibt, sind alle Unterschiede im Prinzip aufgehoben, und alles hat denelben Wert. Das ist eine „Homokosmologie“, eine Weltanschauung, die auf Gleichheit beruht. Der klassische Begriff dafür ist „Heidentum“, Anbetung der Natur.

Zweiheit

Die einzige andere Möglichkeit ist eine Welt, die das freie Werk eines persönlichen, transzendenten Gottes ist, der sie ex nihilo (aus dem Nichts) erschaffen hat. Bei seiner Schöpfung war Gott durch keine vorher bestehenden Zustände oder Bedingungen eingeschränkt oder von ihnen abhängig. In unserer menschlichen Erfahrung mit schöpferischer Tätigkeit gibt es nichts genau Vergleichbares; unsere schöpferischen Handlungen sind mit denen Gottes lediglich gewissermaßen vergleichbar. Da gibt es Gott, und es gibt alles, was nicht Gott ist – alles, was von Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, geschaffen und erhalten wird. Diese Weltanschauung hebt die Andersartigkeit, die Unterscheidbarkeit hervor. Wir verehren nur den von der Schöpfung unterschiedenen, persönlichen, dreieinigen Schöpfer als göttlich, der auch innerhalb der Schöpfung grundlegende Unterscheidungen festgelegt hat. Das ist eine „Heterokosmologie“, eine Weltanschauung, die auf Andersartigkeit und Unterscheidbarkeit beruht.31 Sie wird oft als „Theismus“ bezeichnet.

Beide Weltanschauungen, ob sie nun implizit angenommen oder explizit vertreten werden, setzen dieselbe fundamentale Überzeugung voraus. Mit anderen Worten: Wenn die eine wahr ist, muss die andere falsch sein. Im moralischen Universum der Bibel ist Wissen niemals neutral. Deshalb bezeichnet Paulus diese Weltanschauungen als „die Lüge“ und „die Wahrheit“ (Röm 1,25).

Was kommt auf uns zu? Aussteigen aus dem Einsheit-Zug

Auf den folgenden Seiten zeige ich auf, auf welche Weise intellektuelle und kulturelle Einflüsse heute für eine einsheitliche, monistische Sicht der Wirklichkeit werben, also für den Zug, der in die der biblischen Sichtweise entgegengesetzten Richtung fährt. Ich möchte die Kirche vor der Gefahr warnen, subtile Ausdrucksformen dieser neuen Spiritualität anzunehmen, weil sie das Wesen und die Motive dieser Weltanschauung nicht durchschaut.

Der rasante Erfolg des einsheitlichen Denkens im Westen des 20. Jahrhunderts zwingt uns zu der Frage, ob unsere Kultur einer traditionell heidnischen Kosmologie „ausgeliefert“ ist (um die Worte von Paulus in Römer 1,24.26.2832 zu verwenden). Wenn ja: Gibt es eine Möglichkeit für unsere Kultur, aus diesem Zug auszusteigen und zum zweiheitlichen Gleis zurückzukehren? Welche Macht könnte den Zug der Einsheit aufhalten, ehe er ins Verderben rast? Es gibt wohl kein Zurück, es sei denn, die Umkehr erfolgt durch geistliche Erweckung und wundersame Bekehrung – nicht zu einem nostalgischen Lebensstil der 1950er-Jahre oder zu einer altmodischen, fundamentalistischen Religion made in USA, sondern zum Kern der biblischen zweiheitlichen Weltanschauung. Die Zweiheit ist so alt wie die Geschichte und beruht auf dem biblischen Zeugnis von der Person und dem historischen Werk Christi, der selbst für unsere Sünden „dahingegeben“ und um unserer Rechtfertigung willen „auferweckt worden“ ist (Römer 4,25; 8,32).

Ich möchte Sie auf eine U-Bahn-Fahrt mitnehmen – jedoch nicht an irgendeinen Ort in London, sondern zu den explosiven Kräften unter der Oberfläche des religiösen Durcheinanders unserer Zeit. Die Macht und der Erfolg dieser Kräfte können entmutigend sein. Doch im Glauben an Gott, den Schöpfer, der sein Volk erlöst und seine Absichten mit seiner Schöpfung offenbart hat, bin ich zuversichtlich, dass wir uns nicht verirren werden. Durch Gottes Gnade werden wir die Karte finden, die aufrichtig Suchende zum richtigen Bahnhof zurückführt. Willkommen an Bord!

TEIL 1

AUS DEN FUGEN GERATEN

In den Kapiteln 2 bis 6 werden wir die utopischen Visionen der Menschheit des frühen 20. Jahrhunderts untersuchen, die auf dem Grundgedanken von Befreiung beruhen. Bestimmte kulturelle Führer strebten nach Befreiung von den alten Fesseln christlich-abendländischer Werte, wie einer monogamen Sexualität und einer eng begrenzten theistischen Spiritualität auf Grundlage der biblischen Offenbarung.

Kapitel 2 wird sich mit dem großen Gegner des Christentums in der Neuzeit vom 18. bis zum 20. Jahrhundert befassen, nämlich dem säkularen Humanismus oder der materialistischen Einsheit und dem ihm zugrundeliegenden Glauben, dass die Vernunft die Menschheit retten würde – ein Glaube, der zu seinem eigenen Niedergang führte.

In den Kapiteln 3 und 4 wird betrachtet, wie dieser Niedergang durch die Förderung der spirituellen Einsheit, also der heidnischen Mythologie, ermöglicht wurde. Wir werden dieses Denken insbesondere im Optimismus des Schweizer Psychologen Carl Gustav Jung erkennen, der sich das Kommen einer neuen Menschheit vorstellte. Wie Jean Houston, die Beraterin von Hillary Clinton, später sagen würde: „Nur der Mythos wird uns retten.“

In Kapitel 5 wird untersucht, wie Jungs Vorstellungen von sexueller und spiritueller Befreiung für eine gesunde Psyche während der westlichen Kulturrevolution der 1960er-Jahre und ihrem populären Mantra „Make love, not war“ an die Oberfläche der gesellschaftlichen Kultur gelangten. Diese Kulturrevolution war auch eine sexuelle und spirituelle Revolution. Die Hoffnung auf menschlichen Fortschritt durch die Befreiung von der Vergangenheit beflügelte die Revolutionäre der Sechzigerjahre, die hofften, einen neuen Tag des menschlichen Glücks heraufzuführen – das Wassermannzeitalter.

Kapitel 6 zeigt, dass viele große Hoffnungen auf diesen neuen Tag enttäuscht wurden, als freier Sex und offenes Zusammenleben die Familienstruktur und die dafür notwendigen moralischen Tugenden ernsthaft unterminierten. Wir werden untersuchen, wie das einsheitliche monistische Denken die alte Kultur (bewusst) untergrub, indem es „die Polaritäten“ zerstörte. Aus großem Optimismus ist großer Pessimismus geworden; die befreite Kultur ist „aus den Fugen geraten“.

KAPITEL 2

AUFSTIEG UND FALL DES SÄKULAREN HUMANISMUS

Zwei Herausforderungen für das westliche Christentum tragen derzeit zu dem in Kapitel 1 beschriebenen religiösen Durcheinander bei. Die erste dieser Herausforderungen, der säkulare Humanismus, ist das Thema dieses Kapitels.

Die Dominanz des säkularen Humanismus — eine nicht religiöse Einsheit

Die in der Mitte des 20. Jahrhunderts unmittelbar bevorstehende Bedrohung des Christentums wurde nicht als Invasion anderer religiöser Systeme wahrgenommen, sondern als Unterwerfung des „christlichen“ Abendlandes unter einen nicht religiösen Materialismus: den säkularen Humanismus, der darauf abzielte, die Religion gänzlich zu vernichten.

Die Wurzeln des säkularen Humanismus

Was wir als säkularen Humanismus bezeichnen, begann als reiner Humanismus. Im 15. Jahrhundert verstand sich der Humanismus der Renaissance als Wiedergeburt der Menschheit nach dem antiken heidnischen griechischen Vorbild des rationalen Denkens, das in einer klassischen Aussage von Protagoras aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. gut zusammengefasst ist: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge.“ Die Reformation gab dem Humanismus ungewollt eine Schlüsselwaffe für seinen Feldzug gegen die Tradition an die Hand: das Recht des einzelnen Christen, den Glauben und die Praktiken der römisch-katholischen Kirche selbst anhand des Wortes Gottes als letzter Autorität zu prüfen (an sich eine gute Sache). Dieses Recht wurde für einige Humanisten zu einem Mittel, das Wort Gottes durch die autonome menschliche Vernunft zu ersetzen.

Im 17. Jahrhundert begannen Denker wie Hobbes, Descartes und Locke damit, dieses säkularisierte humanistische Denken zum Mainstream zu machen, indem sie die intellektuelle Autonomie des menschlichen Geistes unabhängig von religiösen Traditionen oder göttlicher Offenbarung forderten. Obwohl er ein zutiefst religiöser Mensch war, versuchte der französische Mathematiker René Descartes mit seiner berühmten Aussage „Cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“), die bloße Existenz allein auf der Grundlage des menschlichen Verstandes zu beweisen. Oft wird behauptet, dass Descartes den Grundstein für den kontinentalen Rationalismus des 17. und 18. Jahrhunderts gelegt hat.33

Die Hochachtung des Humanismus vor Intelligenz und Rationalität führte in der westlichen Kultur zu kreativem, unabhängigem Denken, das unzählige wissenschaftliche und technische Leistungen ermöglichte. Dieser Fortschritt bildete die Grundlage für solch erstaunliche Errungenschaften wie die Landung des Menschen auf dem Mond. Allerdings wurde das unabhängige menschliche Denken allmählich als einzige Norm für alle Wahrheit angesehen, als der Urgrund von jeglichem Sinn und aller Bedeutung – eine rationalistische Einsheit. Immer mehr Menschen kamen zu dem Schluss, dass der Glaube an eine von Gott geschaffene Welt und an eine spirituelle Dimension lediglich ein abergläubischer, primitiver Mythos sei, der als unvernünftige Täuschung aufgegeben werden müsse. Für den modernen Menschen hatte die Religion zu weichen.

So beherrschte die Aufklärung, das Zeitalter der Vernunft, als die große Gegenspielerin des Christentums etwa vom 18. bis zum 20. Jahrhundert das westliche Denken. Nur die Leistungen des Menschen – nun nicht mehr im Glauben an Gott, sondern in der Vernunft selbst als Kriterium der Wahrheit begründet – würden uns retten. Ein starker Optimismus in Bezug auf die Fähigkeiten des Menschen, selbst eine bessere Welt zu schaffen, eroberte den Westen im Sturm. Die Vernunft würde den primitiven religiösen Aberglauben ersetzen und das kommende, herrliche Reich des Menschen auf Erden herbeiführen.

Diese optimistische menschliche Vision einer Religion der Menschlichkeit wird zu Recht mit der Französischen Revolution in Verbindung gebracht. Im Jahr 1789 errichteten die Pariser Revolutionäre mitten in der Kathedrale Notre Dame in Paris, dem Zentrum des europäischen katholischen Christentums, einen Altar für die Göttin der Vernunft.

Intellektuelle Führungspersönlichkeiten des säkularen Humanismus