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Das Auge Vishnus E-Book

M. Blanken

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Beschreibung

Mit einem Male schaute sie angestrengt in das Dunkel. Unten auf der Straße hob sich, nur im schattenhaften Umriß, eine Gestalt ab, die nach den hell erleuchteten Fenstern heraufspähte, als suchte sie etwas; eine hohe, schlanke Erscheinung war es, ein Mann, dessen Gesicht nicht zu erkennen war, da es von keinem Lichtschein gestreift wurde. Die gleiche kräftige Gestalt hatte auch er. Oder glaubte sie dies nur, weil ihn eben ihre Gedanken gesucht? Da trat der Mond aus ziehendem Gewölk, und das fahle Licht streifte das Gesicht des Mannes; sie erkannte die bartlosen, knochigen Züge mit der hohen Stirne und den großen, dunklen Augen. Er war es. Sollte das Zufall sein? Er konnte sie doch nicht suchen, da er nicht wissen konnte, wer sie war. Warum stand er da und blickte zu den Fenstern empor?

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M. Blanken

Das Auge Vishnus

Roman

idb

ISBN 9783961507795    

Irma stand am Fenster und schob den schweren Vorhang mit der schmalen, weißen Hand etwas zur Seite. Sie schaute auf die stille, menschenleere Straße, in der die Villa Eller in dem alten Park zwischen mächtigen, breitkronigen Bäumen stand. Das kalte Glas kühlte die heiße Stirne, die sie gegen die Fensterscheibe preßte.

Im Dunkel war nicht viel zu erkennen; um so besser ließ es sich träumen. Ihr Blick verlor sich in die Nacht hinaus. Irma Eller träumte gern, träumte um so sehnsüchtiger, seit sie ihr erstes Abenteuer erlebt.

Sie wußte, daß man sie nicht vermißte, daß kein suchender Blick auf sie fallen werde, daß niemand nach ihr verlangte. In der Kaminecke in den bequemen Stühlen saßen Walter Eller, ihr Vater, der alte Geheimrat Hessel, Alice Renoldy und Professor Doncker. Die Herren rauchten Zigarren, und Frau Renoldy blickte den blauen, dünnen Rauchringen einer Zigarette nach.

Irma wußte, wovon sie immer plauderten, von alten Schmuckstücken, seltenen Steinen, von Waffen, indischen und japanischen Bronzen; alle waren leidenschaftliche Sammler, die sich hier in den behaglichen Räumen des gastfreien Hauses öfter zusammenfanden.

Sie hörte einzelne Worte der lebhaft geführten Unterhaltung.

Niemand verlangte nach ihr; weshalb sollte sie sich dann nicht zu Luftschlössern und Träumen flüchten? Als ihre Gedanken zu dem Abenteuer zurückirrten, huschte ein leichtes Rot über das blasse Gesicht mit der zarten Haut, die in auffallendem Gegensatz zu den schmalen, aber kräftig roten Lippen stand. Sie dachte an den jungen Mann, von dem sie nicht einmal wußte, wer er war. Seinem Aussehen nach konnte er nur ein armer Bursche sein. Aber er hatte sich mutig und entschlossen gezeigt. Wenn er sich nicht so ritterlich benommen hätte, würde sie jetzt nicht in Träume versunken am Fenster stehen können, denn ihr Leben war in Gefahr gewesen in dem Augenblick, da er eingriff.

Mit einem Male schaute sie angestrengt in das Dunkel. Unten auf der Straße hob sich, nur im schattenhaften Umriß, eine Gestalt ab, die nach den hell erleuchteten Fenstern heraufspähte, als suchte sie etwas; eine hohe, schlanke Erscheinung war es, ein Mann, dessen Gesicht nicht zu erkennen war, da es von keinem Lichtschein gestreift wurde. Die gleiche kräftige Gestalt hatte auch er. Oder glaubte sie dies nur, weil ihn eben ihre Gedanken gesucht?

Da trat der Mond aus ziehendem Gewölk, und das fahle Licht streifte das Gesicht des Mannes; sie erkannte die bartlosen, knochigen Züge mit der hohen Stirne und den großen, dunklen Augen. Er war es. Sollte das Zufall sein? Er konnte sie doch nicht suchen, da er nicht wissen konnte, wer sie war. Warum stand er da und blickte zu den Fenstern empor?

Oder sollte er es doch nicht sein? Täuschte sie nur die eigene lebhafte Einbildungskraft? Sie folgte der Gestalt mit den Augen. Da sah sie, wie der junge Mann in der Richtung nach dem alten, nur selten benützten Gartentor davoneilte und im Dunkel verschwand.

Trotzdem nichts mehr zu sehen war, träumte Irma noch lange über diesen seltsamen Zufall. Daran konnte kaum ein Zweifel sein, daß er es gewesen war, dem sie Dank schuldete, oder eine große Aehnlichkeit müßte sie getäuscht haben. Daß er erfahren haben sollte, wer sie war, schien ihr unmöglich.

Unbegreiflich war ihr, wie er in diese Straße gekommen sein konnte, warum er zu den Fenstern emporgeschaut hatte und dann rasch davongeeilt war.

Wenn es doch ein anderer gewesen sein sollte als der, mit dem ihre Gedanken sich jetzt so oft beschäftigten? Auch sie kannte ihn ja nur von Ansehen, wußte nicht, wie er hieß.

Sicher hatte ihr nur die aufgestachelte Einbildungskraft, der sehnende Wille, ihm noch einmal zu begegnen, diese Erscheinung vorgetäuscht.

Ungeduldig ließ Irma den Vorhang wieder fallen und wandte sich langsam der Gesellschaft zu; sie ging durch das dunkelgetäfelte Herrenzimmer, in dem der dicke Bucharateppich ihre Schritte unhörbar machte, und stützte sich mit den Armen auf einen hochlehnigen Stuhl. Leicht vorgebeugt, hörte sie dem Geheimrat zu, der eben erzählte, wie er in Aegypten zu einem seltenen Stück seiner Sammlung gelangt war.

Geheimrat Hessel war ein weißhaariger Greis mit glattrasiertem Gesicht, buschigen, weißen Brauen, aber mit fast jugendlicher Röte auf den Wangen. Seine lebhaften Augen leuchteten; er verstand lebendig und anschaulich zu erzählen; man hörte ihm aufmerksam zu.

Frau Alice Renoldy, die Witwe eines bekannten Gelehrten, lauschte lächelnd seinen Worten; sie wußte, wie gerne der Geheimrat Wahrheit und Dichtung verschmelzen ließ; obwohl vierzig Jahre alt, war sie noch schön, und ihre scharfgeschnittenen Züge machten trotz ihrer Herbheit das Gesicht anziehend.

Professor Doncker, mit seinen fünfunddreißig Jahren unter den vieren der Jüngste, war ein sehr geschätzter Sanskritforscher.

Die kräftigste Erscheinung aber war Walter Eller, der Vater Irmas; sein Gesicht sah sonnverbrannt aus; das Weiß in seinen Augen war gelblich und verriet den vieljährigen Aufenthalt in den Tropen und die Spuren des überstandenen gelben Fiebers. Seine breitschultrige Gestalt schien nur aus Muskeln und Sehnen zu bestehen; die Hände waren derb und knochig. Trotz seiner sechsundfünfzig Jahre fand sich in seinem kastanienbraunen Haar keine graue Strähne.

Flüchtig fiel es Irina auf, daß ihre Mutter – die Stiefmutter, denn ihre wirkliche Mutter war kurz nach ihrer Geburt in Indien gestorben – nicht zugegen war. Sie lauschte den Worten Professor Donckers, der eben die Frage stellte:

»Mußten Sie jenen berühmten Opal, den Sie unter Ihren Schätzen als das Auge Vishnus Katapolchi bezeichnen, nicht ebenso abenteuerlich erringen?«

Walter Eller streifte bedächtig die weiße Zigarrenasche ab; dann erwiderte er: »Gewiß! Die Geschichte habe ich doch schon oft erzählt, wie wir im Kampfe gegen die aufständischen Indier in den alten, halbzerfallenen Vishnutempel in Katapolchi eindrangen, wobei wir uns in dunklen Gewölbegängen gegen die fanatischen Gegner noch erbittert wehren mußten. Die Aufständigen waren Waischnavas, Anhänger Vishnus, die im Tempel ihres Gottes die letzte Zuflucht suchten; von dem mächtigen Bronzestandbild mit den vier ausgereckten Armen dieses Gottes erwarteten sie vielleicht ihre letzte Hilfe. Ich erinnere mich genau, wie der Priester aufgerichtet vor der sitzenden Riesenstatue stand, der er kaum bis zur Mitte des Leibes reichte. Der Brahmane hob die nackten Arme empor und beschwor schreiend Haß und Vernichtung über uns herab. Mit schrillem Geschrei peitschte er die letzten zum Widerstand auf. Der Priester wurde weggeführt, bis zuletzt hörten wir ihn in wilden Ausbrüchen die Rache Vishnus auf uns herabflehen. Den Opal, das eine Auge des Vishnubildes, nahm ich mir als Andenken an Katapolchi mit.«

Das nachdenkliche Schweigen der Zuhörer unterbrach Geheimrat Hessel. »Der Zorn und die Rache des beleidigten Götterbildes schreckten Sie nicht?«

»Nein!« erwiderte Walter Eller. »Die wilden Verwünschungen des wütenden Brahmanen gewannen über mich keine Gewalt, und die Macht der Bronzestatue in dem alten Grabtempel von Katapolchi brauchte ich noch weniger zu fürchten. Daß er mit einem seiner vier Arme nach nur greifen könnte, machte mir keine Sorge. Den Priester brachte man als Aufrührer nach Surabaja; er wird längst in einem der sicheren Gefängnisse gestorben sein.«

Frau Renoldy wandte sich Irmas Vater zu. »Die Geschichte hörte ich schon einmal, den Opal habe ich allerdings noch nicht gesehen. Er soll ungewöhnlich wertvoll sein?«

»Die Leuchtkraft des großen Steines ist überaus selten; der milchigweiße Opal schimmert schon bei der leisesten Drehung in anderen Farben. Er spielt in gelbgrünlichen Lichtern, leicht rosa schimmernden Reflexen und in durchsichtigem Blau wie ein Türkis. In der Mitte des Steines aber, von Natur hineingebettet, ist ein runder Kern von tiefem Grün, als läge in dein Opal noch ein wundervoller Smaragd. Wegen dieser Eigentümlichkeit des Steines, die ihm das Aussehen eines Auges verlieh, war er wohl dazu bestimmt worden, daß man ihn dem Götterbild als Auge einsetzte. Diese Seltenheit gibt ihm auch den eigentlichen Wert.«

»Wie hoch schätzen Sie den Opal?«

»Jeder Sammler würde gerne dreißigtausend Mark dafür geben, vielleicht noch mehr! Mir ist er nicht um das Zehnfache feil! Er bleibt in meiner Sammlung, es müßte schon der vierarmige Gott sein Auge wiederholen.«

»Das wäre allerdings am wenigsten zu fürchten,« sagte Professor Doncker.

Walter Eller lachte. »Sie haben recht. Diebe, die sich selbst an Stahlschränke wagen, könnten dem Opal gefährlicher werden.«

»Ich habe den Stein noch nie gesehen. Dürfte ich dies Kleinod nicht auch einmal bewundern?« Die Neugierde des Sammlers leuchtete bei diesen Worten aus Frau Renoldys Augen.

»Gewiß, gnädige Frau! Nur ein paar Minuten Geduld, ich werde ihn holen.«

Walter Eller erhob sich und ging aus dem Zimmer, um sein Versprechen einzulösen.

*

Frau Hermine Eller horchte nach der Türe hin; ein gequälter, bekümmerter Zug umdüsterte das trotz der weißen Haare immer noch schöne Antlitz; die blauen Augen, die sonst nur gütig und besorgt blickten, waren wie in Furcht geweitet, die schmalen Lippen schmerzlich verzogen. Ihre hohe Gestalt beugte sich lauschend nach einem Geräusch, das sie erschreckte.

Im Licht der matten Deckenbeleuchtung stand ein junger, schlanker Mann mit bartlos knochigem Gesicht, in dem die hohe Stirne mit den starken Knochenwülsten über den dünnen Brauen und den dunklen Augen besonders auffällig war. Die Kleidung dieses nächtlichen Besuchers, dessen Anwesenheit Frau Hermine offenbar verbergen wollte, war abgenützt und ärmlich. Die Arme über der Brust gekreuzt, schaute auch er unsicher nach der Tür.

»Es war nichts!« sagte Frau Hermine aufatmend.

»Du hast übertriebene Angst. Es ist nicht angenehm, mich hier so hereinstehlen zu müssen; aber in deinem Zimmer könntest du so viel Ruhe behalten, um mich anzuhören.«

»Du hast mir schon alles gesagt. Aber ich kann dir nicht helfen; ich kann dir nicht mehr geben; meine Mittel sind erschöpft. Er überläßt mir kein Geld.«

»Er besitzt Millionen.«

»Er gibt mir alles, was ich verlange, er tut es gerne und erfüllt mir jeden Wunsch. Nur eigenes Vermögen habe ich nicht, über das ich nach meinem Willen verfügen könnte.«

»Was du mir gegeben hast, ist wieder nur ein Almosen; damit bin ich immer abgefunden worden, mit Almosen, die man mir zuwarf.«

»Alex, es gab auch eine andere Zeit.«

Bei diesen Worten ließ er die gekreuzten Arme sinken und ballte die Hände. »Ich habe sie nicht vergessen! Aber seitdem sind Jahre vergangen, und ich allein habe büßen müssen. Ich will nicht davon reden. Es liegt alles hinter mir. Aber jetzt brauche ich Hilfe, um aus dem Sumpf zu kommen. Meine erste Bitte um Hilfe konnte ich nur an dich richten.«

»Ich gab dir schon einmal mein Letztes!«

»Wozu dieser Vorwurf! Sage doch, warum du nicht willst. Du glaubst mir nicht!«

»Alex, wie oft habe ich dir geglaubt.«

Bitter klang seine Antwort. »So oft, daß du jetzt in mir nur noch den Betrüger siehst.«

»Sage das nicht! Niemand wird mit mehr Sehnsucht hoffen und dir glauben wollen. Aber ich sagte dir, ich kann über keine solchen Summen verfügen, wie du sie verlangst.«

»So fordere von ihm das Geld.«

»Ich kann nicht. Er würde mich fragen, wozu ich es brauchte. Und – und er ahnt ja nichts – er darf es nicht wissen.«

»Ist das dein letztes Wort?«

»Geduld! Ich will nachdenken, ich werde versuchen, ob ich nicht doch etwas tun kann.«

»Wie lange soll ich warten? Bis dahin versinkt die Hoffnung wieder, die sich jetzt erfüllen könnte.«

»Ich möchte es ja gern tun, aber du wirst nie begreifen können, wie mir die Hände gebunden sind.«

Der verhaltene Groll, den er bisher mühsam zurückgedrängt, brach nun durch. »Er hat sicher in der Laune eines Augenblicks mehr hingeworfen als den Betrag, der mir zur Rettung werden könnte. Ich weiß, daß er kostbare Steine und Bronzen besitzt, der unbedeutendste seiner Schätze konnte mir helfen. So bleibt mir nichts übrig, als selbst den Ausweg zu suchen.«

Ihr Gesicht, das wieder der Türe zugekehrt war, wandte sich ängstlich ihm zu. »Was für einen Ausweg?«

»Aus dem Sumpf. Irgendwie muß mir etwas gelingen; ich darf nicht mehr fragen, ob der Weg gerade geht. Heikel in der Wahl der Mittel darf ich nicht mehr sein.«

»Woran denkst du? Du erschreckst mich durch solche Worte.«

»Ängstige dich nicht! Ich will dir künftig nicht mehr lästig fallen.«

»Ich will dir doch helfen.«

»Mit Almosen! Ja. Es ist schmählich genug, daß ich mich damit begnügen muß.«

»Geduld! Vielleicht ...«

Da machte er mit der Hand eine jäh abwehrende Bewegung, als wolle er etwas durchschneiden. »Vielleicht. Dies Wort hat mich nun oft genug genarrt; ich will darauf keine Hoffnung mehr bauen. Du sollst erlöst sein, wie du es nun diese vier Jahre warst.«

»Aber ich will von dir hören ...«

Wieder unterbrach er sie: »Es könnte leicht etwas sein, was zartbesaitete Ohren erschrickt.«

»Alex, an was denkst du?«

»Beruhige dich. Ich will deine Ruhe nicht mehr stören.«

Frau Hermine seufzte auf. »Du machst mir's so schwer, an das Gute zu glauben. – Horch! Waren das nicht Schritte?«

Mit hastenden Schritten huschte sie zur Türe und lauschte abermals hinaus.

»Nichts. Eine Täuschung. Ich bin nun schon zu lange fort. Man wird mich vermissen.«

»Ich halte dich nicht. Meinen Weg finde ich ebensogut wieder hinaus, wie ich hereingekommen bin.«

»Du wirst mir wieder Nachricht geben? So wie diesmal?«

»Um mich abermals so hereinzustehlen, und um ein Almosen zu betteln?«

»Alex, quäle mich nicht!«

»Gut! Ich will sehen, was mir noch möglich ist zu tun. Vielleicht gelingt mir etwas Außergewöhnliches.«

Diese letzten Worte hatte Frau Hermine nur noch halb gehört, denn sie spähte lauschend durch die leichtgeöffnete Türe in das Dämmer des Korridors. Das Zimmer lag im seitlichen Anbau, der weniger oft aufgesucht wurde.

Dann sagte sie halblaut: »Es ist niemand in der Nähe.«

»Ich finde meinen Weg.«

»Vorne ist die Treppe, links, am Ende des Korridors; sie wird fast nie benützt; du kommst von dort in den Garten.«

»Ich weiß.«

Nochmals wandte sich ihm Frau Hermine zu. »Alex, glaube mir, an meinem Willen liegt es nicht, daß ich dir nichts mehr geben konnte.«

»Ja, ich muß es wohl glauben.«

Sie suchte seine Hand und drückte sie mit einer Zärtlichkeit, die mit einem Male Macht über sie gewann.

Dann huschte sie davon.

Sein Gesicht war noch finsterer geworden; es war, als kämpfte er mit Regungen, die stärker als sein Wille werden konnten. Dann zog er die Schultern hoch und eilte auf den Zehen der Treppe zu.

Er war indes noch nicht weit gekommen, als er erschreckt stehen blieb; er hörte rasche Schritte, die über die Treppe emporkamen, kräftige Schritte eines Mannes.

Sein Gesicht verzerrte sich; er durfte nicht gesehen werden! Er mußte sich zu verbergen suchen. Aber wohin? – Sekunden waren entscheidend. Er wußte, daß hier kein Raum bewohnt war; durch irgend eine Türe konnte er ein Versteck zu gewinnen suchen, bis die Gefahr vorüber war. So griff er nach der nächsten Türklinke, und war gleich darauf verschwunden.

Die Schritte wurden lauter. Dann tauchte die hohe, breitschultrige Gestalt von Walter Eller auf, der von den unteren Räumen zu kommen schien.

Er trat auf die Türe zu, die zu dem Raum führte, in dem Alex eben Zuflucht gesucht; seine breite, muskulöse Hand faßte nach dem Türgriff, öffnete, und Walter Eller verschwand in dem gleichen Zimmer.

*

Zu rasch öffnete sich die Türe wieder, durch die sich eben der Herr des Hauses entfernt hatte, um den Opal zu holen, als daß er schon wieder zurück sein konnte. Aller Blicke wandten sich der Tür zu. Die hagere Gestalt des Geheimrates Hessel erhob sich; auch Professor Doncker stand auf. »Gnädige Frau!«

»Bitte, lassen Sie sich nicht stören.«

Frau Hermine Eller trat ein und ging rasch zu den dreien am Kamin; dann sagte sie: »Begrüßt haben wir uns ja alle schon. An mir liegt es, Verzeihung zu fordern, daß ich meine Gäste verlassen hatte.«

»Ich bin überzeugt, daß es für Sie immer zu tun gibt.«