Das Dekameron. Ausgewählt und übersetzt von Klabund - Giovanni Boccaccio - E-Book

Das Dekameron. Ausgewählt und übersetzt von Klabund E-Book

Giovanni Boccaccio

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Beschreibung

In Giovanni Boccaccios »Il Decamerone«, entstanden um 1350, zeigt sich in ebenso stilbildender wie berauschender Weise die für die italienische Renaissance so typische sinnliche Lebenslust. Ursprünglich enthält der Zyklus hundert Geschichten, Parabeln und Fabeln, die sieben Frauen und drei Männer einander auf ihrer gemeinsamen Flucht vor der Pest erzählen. Aus diesem zeitlos reichen Novellenschatz hat der deutsche Dichter Klabund (1890–1928) die dreißig schönsten Erzählungen ausgewählt und auf kongeniale Weise ins Deutsche übertragen.

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Seitenzahl: 417

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Giovanni Boccaccio

Dekameron

Ausgewählt, übersetzt und bearbeitet von Klabund

Anaconda

Der Text folgt der Ausgabe Giovanni Boccaccio: Decameron. Neu bearbeitet von Klabund. Berlin: Verlag der Schillerbuchhandlung [1924]. Orthografie und Interpunktion wurden auf neue Rechtschreibung umgestellt.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-641-27904-2V001

© 2010, 2021 by Anaconda Verlag, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagmotiv: Women Bathing, Fontainebleau School, 16th century, Galleria degli Uffizi, Florence / Bridgeman Images

Umschlaggestaltung: www.katjaholst.de

www.anacondaverlag.de

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Novelle

Herr Ciappelletto führt durch eine falsche Beichte einen frommen Vater an der Nase herum. Und obwohl er in seinem Leben ein Erzhalunke gewesen, so wird er doch nach seinem Tode für einen Heiligen gehalten und Sankt Ciappelletto genannt.

II. Novelle

Martellino verstellt sich als Krüppel und gibt vor, durch den Leichnam des hl. Heinrich geheilt worden zu sein. Sein Betrug wird entdeckt, er wird geprügelt, wird festgesetzt, und läuft große Gefahr, gehenkt zu werden; kommt aber noch glücklich davon.

III. Novelle

Drei Jünglinge verschwenden das Ihrige und geraten in Armut. Einer ihrer Neffen, der aus Verzweiflung nach Hause zurückkehrt, macht unterwegs mit einem Abt Bekanntschaft, den er hernach für eine Tochter des Königs von England erkennt. Sie vermählt sich mit ihm, ersetzt seinen Oheimen ihren Verlust und verhilft ihnen wieder zum Wohlstand.

IV. Novelle

Landolfo Rufolo verarmt und wird Seeräuber. Die Genueser nehmen ihn gefangen; er erleidet Schiffbruch und rettet sich auf einem Kasten voll Juwelen, wird in Corfu von einer armen Frau beherbergt und kehrt reich nach Hause zurück.

V. Novelle

Masetto von Lamporecchio stellt sich stumm, wird Gärtner in einem Nonnenkloster, wo die Nönnchen eine nach der andern bei ihm liegen.

VI. Novelle

Man gibt dem Ferondo ein Pulver ein und trägt ihn für tot zu Grabe. Ein Abt, der sich inzwischen mit seiner Frau die Zeit vertreibt, nimmt ihn aus dem Sarge und sperrt ihn in einen Kerker, wo man ihm weismacht, dass er sich im Fegefeuer befinde. Nach seiner Wiederauferstehung beschenkt ihn seine Frau durch den Segen des geistlichen Herrn mit einem Sohne, den er ohne Umstände für den Seinigen erkennt.

VII. Novelle

Alibek wird Einsiedlerin. Der Klausner Rustico lehrt sie, den Teufel in die Hölle zu schicken. Als sie zurückkehrt, wird sie die Frau des Neerbal.

VIII. Novelle

Bruder Alberto macht einer Frau weis, dass der Engel Gabriel in sie verliebt sei, und stattet unter diesem Vorwande einige Male einen nächtlichen Besuch bei ihr ab. Endlich muss er aus Furcht vor ihren Verwandten durch das Fenster entspringen und nimmt seine Zuflucht zu dem Hause eines armen Mannes. Dieser führt ihn am folgenden Tage unter der Maske eines Wilden nach dem Markusplatz; dort erkennt man ihn, und er wird von seinen Mitbrüdern weggeführt und eingekerkert.

IX. Novelle

Andreola liebt den Gabriotto. Sie erzählt ihm einen Traum, den sie gehabt hat, und er sagt ihr wieder, was ihm geträumt habe, worauf er plötzlich in ihren Armen stirbt. Indem sie mithilfe ihrer Magd seinen Leichnam nach seinem Hause schaffen will, werden sie beide von der Wache angehalten. Sie erzählt dem Stadtrichter den ganzen Verlauf der Sache und widersteht darauf seinen ungebührlichen Anmutungen. Ihr Vater erfährt ihr Schicksal und bewirkt ihre Befreiung, indem ihre Unschuld erwiesen wird. Sie entsagt darauf allem Umgange mit der Welt und geht in ein Kloster.

X. Novelle

Die Frau eines Wundarztes legt ihren schlaftrunkenen Liebhaber für tot in einen Kasten, den ein paar Wucherer wegstehlen und nach ihrem Hause tragen. Dort kommt er wieder zur Besinnung und wird für einen Dieb gehalten. Die Magd der Frau sagt aber vor Gericht aus, sie selbst habe ihn in den Kasten gelegt, den die Geizhälse gestohlen hätten. Dadurch rettet sie ihn vom Galgen, und die Wucherer werden wegen des gestohlenen Kastens zu einer Geldbuße verdammt.

XI. Novelle

Cimon wird durch die Liebe vernünftig; er entführt Iphigenia, seine Geliebte, mit Gewalt auf dem Meere. In Rhodus gerät er in Gefangenschaft, aus welcher Lysimachus ihn befreite und gemeinschaftlich mit ihm Iphigenia und Kassandra an ihrem Hochzeitstage entführt, worauf sie mit ihnen nach Kreta fliehen, sich mit ihren Geliebten vermählen und darauf in Frieden nach Hause berufen werden.

XII. Novelle

Riccciardo Manardi wird von Messer Lizio da Valbona bei seiner Tochter im Bette gefunden; er heiratet sie und lebt ferner in Frieden und Freundschaft mit ihrem Vater.

XIII. Novelle

Theodoro verliebt sich in Violante, die Tochter seines Herrn Messer Amerigo. Sie wird schwanger, und er wird zum Galgen verurteilt. Indem man ihn mit Geißelhieben nach dem Richtplatze führt, erkennt ihn sein Vater; er kommt los und heiratet seine Geliebte.

XIV. Novelle

Pietro di Vinciolo geht aus zum Abendessen. Seine Frau lässt unterdessen einen jungen Burschen zu sich kommen. Pietro kommt wieder nach Hause und entdeckt die Streiche seiner Frau; weil er aber selbst nicht besser ist als sie, so verträgt er sich mit ihr in Güte.

XV. Novelle

Madonna Filippa, die ihr Mann in den Armen ihres Liebhabers überrascht, wird vor Gericht gefordert. Sie rettet sich durch eine dreiste und launige Verantwortung und bringt zugleich die Milderung eines harten Gesetzes zuwege.

XVI. Novelle

Perronella verbirgt, indem ihr Mann nach Hause kommt, ihren Liebhaber in einem Fasse. Der Mann sagt ihr, er habe das Fass verkauft, und sie erwidert ihm, sie habe es an einen andern noch besser verkauft, der eben hineingekrochen sei, um zu versuchen, ob es wasserdicht sei. Darauf steigt der Liebhaber heraus, befiehlt dem Manne, das Fass rein zu liefern, und nimmt es mit nach Hause.

XVII. Novelle

Bruder Rinaldo ergötzt sich mit seiner Gevatterin, ihr Mann kommt nach Hause und findet ihn in ihrer Kammer; sie machen ihm aber weis, dass er dem Kinde die Würmer vertreibt.

XVIII. Novelle

Ein Eifersüchtiger verkleidet sich als Priester und hört die Beichte seiner Frau. Sie beichtet ihm, dass sie einen Priester liebt, der sie alle Nächte besucht, und indem der Eifersüchtige deswegen vor seiner Tür Schildwache steht, lässt sie ihren Liebhaber über das Dach zu sich ins Haus kommen.

XIX. Novelle

Lodovico macht Frau Beatricen eine Liebeserklärung. Sie schickt ihren Mann in ihrer Kleidung in den Garten und lässt den Lodovico unterdessen seinen Platz einnehmen, welcher hernach aufsteht und den Gemahl, im Garten verprügelt.

XX. Novelle

Lydia, die Gemahlin des Nikostratus, verliebt sich in ihren Diener Pyrrhus. Dieser fordert drei Beweise, um sich davon zu überzeugen. Lydia gibt sie ihm nicht nur, sondern lässt sich auch in Gegenwart ihres Gemahls von ihm liebkosen und weiß dennoch diesem einzureden, dass er nichts gesehen habe.

XXI. Novelle

Der Pfarrer zu Vorlungo liegt bei Frau Belcolore und lässt ihr seinen Chorrock zum Pfande. Er borgt hernach von ihr einen Mörser, und als er ihn wiederschickt, lässt er den Chorrock als Unterpfand für den Mörser zurückfordern, und sie gibt ihn mit einer Stichelrede zurück.

XXII. Novelle

Der Propst zu Fiesole verliebt sich in eine hübsche Witwe, die ihn aber nicht ausstehen kann. Er meint, bei ihr zu schlafen, und liegt bei ihrer Magd, bei welcher ihn auf Anstiften der Brüder der Dame sein Bischof antrifft.

XXIII. Novelle

Ein Student verliebt sich in eine Witwe, welche einen andern Liebhaber hat und ihn im Winter eine ganze Nacht im Schnee zappeln lässt. Dafür bringt er es durch List dahin, dass sie mitten im Sommer einen ganzen Tag auf einem hohen Turme nackend zubringen muss, wo sie den Wespen und Bremsen und der Sonne ausgesetzt ist.

XXIV. Novelle

Spinelloccio schläft bei der Frau seines Nachbarn und Freundes Zeppa. Dieser merkt es und macht, dass seine Frau ihn in eine Kiste einsperren muss, auf welcher er an der Frau des Spinelloccio das Vergeltungsrecht ausübt.

XXV. Novelle

Eine Äbtissin steht im Finstern eilends auf, um eine ihrer Nonnen mit ihrem Liebhaber zu ertappen. Da sie selbst einen Priester bei sich hat, so wirft sie aus Versehen statt ihre Kappe seine Beinkleider über den Kopf. Als die verklagte Nonne dieses gewahr wird und die Äbtissin aufmerksam darauf macht, rettet sie sich dadurch vor der Strafe und darf ihren Liebhaber ungestört bei sich behalten.

XXVI. Novelle

Doktor Simon muss auf Brunos und Buffalmaccos Anstiften dem Calandrino einreden, dass er schwanger ist. Sie lassen sich von ihm Kapaune und Geld geben, um ihm Arznei zu verschaffen, worauf er, ohne niederzukommen, wieder gesund wird.

XXVII. Novelle

Calandrino verliebt sich in ein Mädchen. Bruno gibt ihm ein Amulett, um sie damit zu berühren, worauf sie ihm nachfolgt; er wird aber von seiner Frau ertappt, welche darüber großen Lärm und Zank erhebt.

XXVIII. Novelle

Ein paar Jünglinge kehren bei einem Bekannten ein. Der eine legt sich in der Nacht zu der Tochter des Wirts, und die Frau desselben steigt unversehens zu dem andern ins Bett. Derjenige, der bei der Tochter geschlafen hat, legt sich hernach zu dem Vater und erzählt ihm alles, indem er meint, mit seinem Kameraden zu sprechen. Sie geraten darüber in Zank; die Frau merkt Unrat, legt sich zu ihrer Tochter ins Bett und macht durch ein kluges Wort alles wieder gut.

XXIX. Novelle

Mithridanes, der im Begriff ist, den Nathan aus Eifersucht über seine Wohltätigkeit umzubringen, trifft ihn an, ohne ihn zu kennen, und erfährt von ihm selbst, wie er ihm am leichtesten beikommen kann. Demzufolge findet er ihn in einem Wäldchen, wird beschämt, indem er ihn erkennt und wird sein Freund.

XXX. Novelle

Der siegreiche König Karl der Ältere verliebt sich in ein junges Mädchen, schämt sich aber seiner törichten Leidenschaft und vermählt sie und ihre Schwester mit würdigen Männern.

Sooft ich in meinem Herzen bedenke, holde Leserinnen, wie sehr Sie alle von Natur zum Mitleid geneigt sind, so oft überzeuge ich mich, dass Sie den Anfang dieses Buches schwer und trübselig finden müssen; denn es trägt die schmerzliche Erinnerung an jene mörderische Pest an der Stirn, die kürzlich einen jeden in Trauer gestürzt hat, der ihre Verheerung selbst gesehen oder von ihren jammernswerten Wirkungen gehört hat.

Allein ich sähe doch nicht gern, ließen Sie sich dadurch abschrecken, weiterzulesen, als hätten Sie etwa nichts anderes als Tränen und Seufzer in dem Buch zu erwarten. Dieser schreckliche Eingang sei Ihnen vielmehr nur das, was dem Wanderer ein rauer, schroffer Berg ist, hinter dem eine angenehme, reizende Ebene liegt, die ihm um desto mehr Vergnügen gewährt, je mehr ihn das beschwerliche Auf- und Niederklettern ermüdet hat. Und wie das Übermaß der Freude oft in Traurigkeit endet, so folgen hingegen neue Freuden auf überstandenes Leid.

Auf eine kurze Trauer (ich nenne sie kurz, weil sie nur wenige Zeilen in Anspruch nimmt) folgt denn auch hier unmittelbar die süße Lust, die ich Ihnen oben versprochen habe, und die man vielleicht nach einem solchen Anfang nicht erwarten möchte, wenn es nicht vorausgesagt würde. In der Tat, wenn ich Sie auf eine schickliche Art durch einen andern Weg als auf diesem beschwerlichen Pfade dahin hätte führen können, wohin ich wollte, so hätt’ ich es gerne getan. Weil ich aber ohne diese Erinnerung nicht zeigen könnte, warum das, was man hernach lesen wird, geschah, so füge ich mich, gewissermaßen durch die Not gedrungen, zu dieser Beschreibung.

Ich sage also, dass nach der gnadenreichen Menschwerdung des Sohnes Gottes schon eintausenddreihundertachtundvierzig Jahre vergangen waren, als in der prächtigen Stadt Florenz, die alle übrigen Städte in Italien an Schönheit übertrifft, die mörderische Pest ausbrach, die entweder durch die Einwirkung der höheren Weltkörper verursacht oder aus gerechtem Zorn Gottes über unsere Bosheit als eine Züchtigung über uns Sterbliche verhängt ward, und die schon einige Jahre früher in den Morgenlanden begonnen, eine zahllose Menge der Lebendigen hingerafft und dann, unaufhaltsam von Ort zu Ort gegen Abend fortschreitend, auf eine schreckliche Weise um sich gegriffen hatte.

Hier half nun weder menschliche Kunst noch Vorsicht, ob man gleich eigens Beamte bestellte, die alle Unsauberkeit aus der Stadt wegschaffen mussten, einem jeden Kranken den Eingang in die Tore verwehrte, auf allerhand Mittel bedacht war, um die Gesundheit zu verwahren, und nicht nur einmal, sondern mehrmals demütige Gebete zu Gott aufschickte, sowohl durch Veranstaltung feierlicher Umgänge, als sonst durch die Gläubigen. Bei Frühlingsanfang des gedachten Jahres zeigte die Pest ihre verheerenden Wirkungen auf eine fürchterliche und seltsame Weise und nicht so wie im Morgenlande, wo das Nasenbluten bei einem jeden Vorbote eines unvermeidlichen Todes war. Hier zeigte sich im Anfange gleichmäßig bei Männern und Frauen eine Geschwulst in den Weichen oder in den Armhöhlen, die bei einigen so groß ward wie ein gemeiner Apfel, bei andern wie ein Ei, bei einigen in größerer, bei anderen in kleinerer Anzahl, und die der Volksmund Pestbeulen nannte. In kurzer Zeit verbreiteten sich diese von jenen Teilen des Leibes über alle Übrigen unterschiedslos. Hernach veränderte sich die Krankheit in ihren Erscheinungen, und es zeigten sich schwärzliche und schwarze Flecken an den Armen, den Lenden und überall am ganzen Leibe. Bei einigen waren diese Flecken groß und in geringer Anzahl, bei andern kleiner und häufiger, und so wie vorhin die Beule ein sicheres Zeichen des nahenden Todes gewesen und bei manchem noch war, so waren es jetzt diese Flecken bei einem jeden, an dem sie sich zeigten. Diese Krankheit zu heilen, schien die Kunst keines Arztes und die Kraft keines Heilmittels zu vermögen oder zu bewirken. Sondern entweder, weil die Natur des Übels es nicht zuließ, oder wegen der Unwissenheit der Ärzte, deren Zahl (die wirklich erfahrenen ungerechnet) an Frauen und Männern, die nie den geringsten Unterricht in der Heilkunde genossen hatten, überaus stark angewachsen war, die aber, da sie den Gang der Krankheit nicht kannten, auch nicht die rechten Mittel dawider anzuwenden wussten, kamen sehr wenige davon; die meisten starben schon am dritten Tage nach Erscheinen obiger Zeichen, einige früher, andere später, ohne Fieber oder andere Zufälle. Diese Pest war um desto verderblicher, da sie von den Kranken den Gesunden, die mit ihnen umgingen, so schnell mitgeteilt ward, wie das Feuer dem Trockenen oder Fetten, dem es sich nähert. Und was noch schlimmer war, nicht nur durch das Reden und durch den Umgang mit den Kranken wurden die Gesunden angesteckt und Opfer eines gemeinschaftlichen Todes, sondern die Berührung der Kleider und Gewänder, die die Kranken gebraucht oder angerührt hatten, schien diese Krankheit fortzupflanzen. Was ich bei dieser Gelegenheit erzählen will, ist wunderbar zu hören, und wenn ich es nicht selbst, nebst vielen andern Leuten, mit Augen gesehen hätte, so wagte ich kaum, es zu glauben, viel weniger, es niederzuschreiben, wenn es mir auch glaubwürdige Leute erzählt hätten. Das ansteckende Gift dieser Pestilenz war nämlich so bösartig, dass es sich nicht nur von einem Menschen zum andern fortpflanzte, sondern, weit merkwürdiger, dass auch die Sachen eines Menschen, der mit dieser Krankheit behaftet oder daran gestorben war, wenn irgendein Tier (geschweige ein Mensch) sie berührte, es nicht nur ebenfalls ansteckten, sondern es in äußerst kurzer Zeit töteten. Wovon (wie ich kurz vorher sagte) meine Augen sich einst auf folgende Art überzeugten: Man hatte die Lumpen eines armen Mannes, der an dieser Krankheit gestorben war, auf die offene Straße geworfen, wo ein paar Schweine darüber herfielen, die ihrer Gewohnheit nach erst mit ihren Rüsseln darin wühlten und sie dann zwischen die Zähne nahmen und um die Köpfe schüttelten. In einer kleinen Stunde fielen beide unter Zuckungen, als wenn sie Gift bekommen hätten, tot auf die zerrissenen Lumpen nieder. Diese und eine Menge andere ähnliche oder schlimmere Umstände verursachten bei denen, die am Leben geblieben waren, mancherlei Furcht und Besorgnis, welches alles zuletzt einen grausamen Entschluss bewirkte, dass man nämlich die Kranken und ihre Sachen floh und mied, und dass ein jeder darin seine beste Rettung zu finden glaubte. Einige nun waren der Meinung, das beste Mittel, der Krankheit vorzubeugen, wäre, mäßig zu leben und sich vor Üppigkeit zu hüten. Diese bildeten demnach kleine Gesellschaften, die von allen abgesondert in solchen Häusern wohnten, wo niemand krank gewesen war. Hier lebten sie bei dem äußerst mäßigen Genusse der schmackhaftesten Speisen und der köstlichsten Weine, enthielten sich von allen Wollüsten, sprachen mit keinem Fremden und wollten weder von Toten noch von Kranken die mindeste Nachricht hören, sondern vertrieben sich die Zeit mit Musik und solchen Vergnügungen, als sie sich untereinander verschaffen konnten. Andere, die entgegengesetzter Meinung waren, behaupteten, das sicherste Verwahrungsmittel wider ein so fürchterliches Übel wäre, viel zu trinken und sich lustig zu machen, mit Gesang und Scherz umherzuziehen und die Sinne auf alle mögliche Weise zu befriedigen, sich über die Folgen hinwegzusetzen und darüber zu lachen und zu spotten. Sie machten ihre Worte wahr, so viel sie konnten, schwärmten Tag und Nacht bald in dieser, bald in jener Schenke umher und tranken ohne Maßen viel. Noch lieber trieben sie auch ihr Wesen in den Häusern anderer Leute, wenn sie hörten, dass es dort etwas gab, das ihnen behagte. Und dieses ward ihnen nicht schwer gemacht, denn jedermann (als wenn sein Leben nicht länger währen sollte) gab sich selbst und das Seinige gänzlich hin, sodass die meisten Häuser jedem offen standen, und der Fremdling, der hineintrat, ebenso frei darin schaltete wie der Hausherr. Doch bei allem diesem viehischen Leben vermieden sie die Kranken so viel als möglich. Bei dem großen Unglück und Elend, das unsere Stadt betraf, war die ehrwürdige Gewalt der Gesetze, sowohl göttlicher als menschlicher, fast gänzlich herabgesunken und aufgelöst, weil ihre Diener und Vollstrecker, ebenso wie die anderen Einwohner, entweder tot oder krank oder so sehr von Helfern entblößt waren, dass sie ihre Dienste auf keine Weise verrichten konnten; daher es einem jeden freistand, zu handeln, wie er wollte.

Manche hielten auch zwischen denen, von welchen wir vorher gesprochen, die Mittelstraße, indem sie im Essen und Trinken sich kein so strenges Maß vorschrieben wie die zuerst erwähnten, und sich doch auch der Völlerei und anderen Ausschweifungen nicht überließen wie die andern; sondern sie bedienten sich aller Dinge in hinreichendem Maße, um ihre Wünsche zu befriedigen, und statt sich einzusperren, gingen sie umher, einige mit Sträußen von wohlriechenden Blumen und Kräutern, einige mit verschiedenen Spezereien in den Händen, die sie oft an die Nase hielten. Denn sie glaubten, es wäre heilsam, durch Wohlgerüche das Gehirn zu stärken, da die Luft überall mit Gestank und Ausdünstung von Leichen, Kranken und Arzneien geschwängert schien.

Einige andere dachten noch hartherziger – und gingen darin wohl sicherer – und sagten, die beste Arznei gegen die Pest wäre die Flucht. Von diesem Beweggrunde getrieben, und ohne sich um jemand anders als um sich selbst zu kümmern, verließen sehr viele Männer und Frauen die Stadt und ihre Häuser, Wohnungen, Verwandten und Habseligkeiten und flohen in die Fremde oder wenigstens aufs Land, auf ihre eigenen Güter; als wenn Gottes Zorn, der die Sünden der Menschen durch diese Pestilenz strafte, ihnen nach dem Orte ihrer Zuflucht nicht hätte folgen können, sondern nur die aufzureiben bedacht gewesen wäre, die sich innerhalb der Stadtmauern befanden, als wollte die Pest nur in der Stadt keinen Menschen leben lassen, und die Stunde ihres Unterganges wäre gekommen.

Obwohl nun diese verschieden gesinnten Menschen nicht alle starben, so kamen sie doch auch nicht alle mit dem Leben davon. Sondern, indem viele von den Anhängern jeder Meinung erkrankten, so wurden sie nach dem Beispiele, das sie jederzeit, solange sie gesund waren, selbst gegeben hatten, von denen, die jetzt gesund blieben, wieder verlassen, und mussten fast einsam dahinschmachten. Es möchte noch hingehen, dass ein Bürger den andern verließ, und dass fast kein Nachbar sich des andern annahm, dass Verwandte einander selten oder gar nicht besuchten und sich nur von ferne sahen. Aber so tief hatte der Schrecken dieser Heimsuchung die Brust der Menschen beiderlei Geschlechts durchdrungen, dass ein Bruder den andern verließ, der Oheim den Neffen, die Schwester den Bruder, ja, nicht selten, das Weib den Mann, und was noch weit mehr und schier unglaublich ist, Väter und Mütter ließen sogar ihre Kinder, als ob sie ihnen nicht angehörten, ohne Besuch und ohne Pflege. Deswegen blieb auch für die unbeschreibliche Menge der Kranken, Männer und Weiber, keine andere Hilfe und Beistand übrig als das Mitleid der Freunde (und deren gab es wenige) oder die Gewinnsucht der Wärter, die sich durch großen und unerschwinglichen Lohn anlocken ließen; wiewohl auch diese nicht in großer Anzahl zu finden und die meisten nur Menschen von groben Begriffen waren und wenig gewohnt an dergleichen Dienste; daher man sie denn auch fast zu nichts weiter gebrauchen konnte, als um den Kranken dieses und jenes zu reichen, das sie verlangten, und achtzugeben, wenn sie starben; bei diesem Geschäfte kostete ihr Verdienst ihnen selbst oft das Leben.

Da nun die Kranken von ihren Nachbarn, Verwandten und Freunden verlassen wurden und die Zahl der Krankenwärter so gering war, so entstand daher eine Unsitte, die bis dahin nicht erhört gewesen war. Keine Dame nämlich, sie mochte so schön, liebenswürdig und wohlerzogen sein, wie sie wolle, trug Bedenken, sich von Mannspersonen bedienen zu lassen, gleichviel, ob sie jung oder alt waren, und wenn es die Umstände der Krankheit notwendig machten, vor ihnen, wie vor ihren weiblichen Bedienten, ohne alle Scham jeden Körperteil zu entblößen; welches denn vielleicht manchen, die mit dem Leben davonkamen, in der Folge Anlass gab, weniger streng auf ihre Ehrbarkeit zu halten. Überdies fanden manche dabei ihren Tod, die vielleicht wieder gesund geworden wären, wenn sie die gehörige Aufwartung gehabt hätten. So aber war, teils wegen Mangel an gehöriger Bedienung und Verpflegung der Kranken, teils wegen der Bösartigkeit der Seuche, die Menge derer, die Tag und Nacht daran hinstarben, so groß, dass es schrecklich war, davon zu hören, und noch mehr, es zu sehen; denn die Not trieb die Überlebenden zu solchen Handlungen, die sonst den Gebräuchen unserer Mitbürger ganz entgegen waren.

So war es sonst Sitte (wie auch noch heutigestags bei uns), dass die weiblichen Verwandten und Nachbarinnen sich im Hause des Verstorbenen versammelten und mit denen, die ihm am nächsten angehörten, seinen Tod beweinten; auch pflegten sich vor der Haustür die männlichen Verwandten und Nachbarn nebst vielen andern Mitbürgern einzustellen, und nach Maßgabe des Ranges des Verstorbenen erschien auch die Geistlichkeit mehr oder weniger zahlreich; worauf dann Männer seines eigenen Standes ihn auf ihren Schultern, mit feierlichem Gepränge von Wachsfackeln und Gesang, nach der Kirche trugen, die er selbst vor seinem Tode sich auserwählt hatte; welches alles, wie die Wut der Seuche aufs Höchste stieg, entweder gänzlich oder doch größtenteils unterblieb und andere Neuerungen dagegen aufkamen. Denn es starben nicht nur manche Leute, ohne viele Leidträgerinnen um sich zu haben, sondern viele schieden ganz ohne Zeugen aus der Welt, und nur sehr gering war die Zahl derer, welchen die mitleidige Klage und die zärtliche Abschiedsträne zuteil ward; vielmehr sah man oft stattdessen Gelächter und Lärm und lustige Gelage, in die zum Teil auch die Frauen, unter dem Vorwande, ihre Gesundheit zu verwahren, mit Hintansetzung ihres weiblichen Zartgefühls, sich bald fügen lernten. Es gab nur selten Leichen, die von mehr als zehn bis zwölf von ihren Nachbarn zur Kirche begleitet wurden, und zwar wurden sie nicht von ehrbaren und würdigen Mitbürgern zur Gruft getragen, sondern gewisse Totengräber aus der niedrigsten Klasse des Pöbels, Pestknechte genannt, verrichteten diesen Dienst nur gegen hohen Lohn, trugen die Bahre und schleppten sie, fast im Laufschritt, nicht nach der Kirche, die etwa der Sterbende gewählt hatte, sondern nach der nächsten besten, wobei oft nicht über vier bis sechs Geistliche mit wenigen Kerzen vorangingen und bisweilen kein Einziger; da denn mithilfe der Pestknechte die Leiche ohne langes »In requiem« in irgendein leeres Grab, das am ersten bei der Hand war, eiligst hineingesenkt ward.

Um den gemeinen Mann, zum Teil auch um den Mittelstand sah es noch weit elender aus. Denn indem diese, entweder von der Hoffnung hingehalten oder durch ihre Armut gezwungen, sich in ihren Häusern hielten und nahe beieinander wohnten, so erkrankten sie täglich zu Tausenden. Da sie weder Pflege noch irgendeinige Hilfe fanden, so mussten sie fast alle ohne Rettung sterben. Viele fanden ihren Tod auf öffentlicher Straße bei Nacht und bei Tage, und manche, die zwar in den Häusern starben, ließen ihre Nachbarn eher durch den Gestank ihrer faulenden Leichen als auf andere Art ihren Tod erfahren. Von diesen und von andern, denn überall starben Menschen, machte sich der Verwesungsgeruch allenthalben bemerkbar. Die meisten Nachbarn schleppten, nicht weniger vor Furcht vor Ansteckung durch die verwesenden Leichen, als von christlichem Mitleid für die Toten bewogen, gewöhnlich die Leichen entweder allein oder mit Beihilfe einiger Träger (wenn sie ihrer habhaft werden konnten) aus den Häusern und legten sie vor den Türen nieder, wo man sie besonders des Morgens in Menge sehen konnte, wenn man in der Stadt umherging. Alsdann ließ man Bahren kommen, oder wenn sie fehlten, so legte man die Leichen auch wohl nur auf irgendein Brett. Da sah man denn mehr als eine Bahre, auf der zwei bis drei Leichen übereinander lagen, und es war nichts Seltenes, sondern trug sich sehr oft zu, dass Mann und Frau, zwei bis drei Brüder oder Vater und Sohn zugleich auf einmal weggetragen wurden. Es traf sich auch nicht selten, wenn ein paar Geistliche mit dem Kreuze hingingen, um einen Toten abzuholen, dass sich noch drei bis vier Bahren anschlossen, und dass die Priester, wenn sie meinten, nur eine Leiche zu bestatten, wohl sechs bis acht und bisweilen noch mehr zu begraben hatten. Und doch wurden alle diese keiner Träne, keiner Leichenfackel und keiner ehrbaren Begleitung gewürdigt, sondern es war so weit gekommen, dass man sich um einen sterbenden Menschen nicht mehr als heutigestags um eine verreckte Ziege bekümmerte. Es lässt sich leicht denken, dass, was der natürliche Lauf der Dinge den Weisesten nicht durch kleine und seltene Unglücksfälle lehren konnte, nämlich, durch Geduld die Größe des Übels zu überwinden, bei der Größe des Elends jetzt auch von den Einfältigen gelernt wurde.

Als die Menge der Leichen, welche man alle Tage und Stunden nach den Kirchen brachte, so sehr anwuchs, dass in geweihtem Boden nicht mehr Raum für sie war, besonders wenn man nach alter Weise gern einem jeden seinen eigenen schicklichen Ruheplatz hätte geben wollen, grub man, wie alles voll war, große tiefe Gruben, in denen die Leichen schichtweise, wie die Waren in einem Schiffe, verstaut und nur leicht mit Erde bedeckt wurden, bis die Gruben bis an den Rand voll waren.

Damit ich mich nicht länger bei jedem kleinen Umstand von dem Jammer unserer Stadt aufhalte, so will ich nur sagen, dass das unglückliche Schicksal, das über sie hereinbrach, auch die umliegende Gegend nicht im Geringsten verschonte, woselbst (die Burgflecken ungerechnet, in denen es im Kleinen ebenso wie in der Stadt zuging) in den Dörfern und auf den einsamen Weilern umher die armen, elenden Landleute mit ihrem Hausgesinde ohne einigen Beistand von Ärzten, ohne Pflege und Aufwartung auf ihren Äckern oder in ihren Häusern, bei Tag und bei Nacht ohne Unterschied, nicht wie Menschen, sondern wie das Vieh umkamen. Daher denn auch diese, indem sie eben wie die Stadtbewohner in ihren Sitten zügelloser geworden, sich um ihre Sachen und Habseligkeiten nicht mehr bekümmerten, sondern, als wenn sie jeden Tag, den sie erlebten, für ihren letzten hielten, die Früchte der Tiere, der Felder und ihrer eigenen vergangenen Arbeiten für die Zukunft nicht warteten und sich nur alle ersinnliche Mühe gaben, den gegenwärtigen Vorrat zu verzehren. Deswegen sah man auch Ochsen, Esel, Schafe, Ziegen, Schweine, Hühner, ja selbst die Hunde, die den Menschen so treu sind, aus den Häusern gejagt, auf den Feldern, wo noch das Korn nicht nur ungeerntet, sondern auch ungeschnitten stand, frei herumlaufen. Manche von diesen Tieren kehrten, nachdem sie den Tag über geweidet hatten, des Abends (als wären sie mit Vernunft begabt), ohne von Hirten getrieben zu werden, gesättigt wieder zurück.

Um von dem Lande noch einmal wieder auf die Stadt zu kommen: Was kann man mehr sagen, als dass die Grausamkeit des Himmels (und auch vielleicht der Menschen) so weit ging, dass vom Monat März bis zum folgenden Juli, teils wegen der Bösartigkeit der Seuche, teils durch Vernachlässigung der Kranken, die schlecht bedient oder in ihren Nöten von den Gesunden aus Furcht verlassen wurden, über hunderttausend Menschen – wie man glaubt – innerhalb der Mauern von Florenz umgekommen sind; während man vor der Pestzeit vielleicht nicht einmal geglaubt hatte, dass es im Ganzen so viele Einwohner zähle. Oh, wie viele große Paläste, wie viel schöne Häuser, wie viel vortreffliche Wohnungen, einst voll angesehener Geschlechter, waren jetzt entblößt von ihren Bewohnern, Herren und Frauen, und bis auf den letzten Bedienten! Oh, wie viele berühmte Familien, wie manche beträchtliche Erbschaft, wie viele große Reichtümer sah man jetzt ohne rechtmäßige Erben! Wie manche würdige Männer, wie viele schöne Frauen und blühende Jünglinge, die selbst ein Galen, ein Hippokrates und ein Äskulap für Bilder der Gesundheit erklärt haben würde, saßen des Mittags an der Tafel mit ihren Verwandten, Bekannten und Freunden und hielten das Abendmahl in einer andern Welt mit ihren Vorfahren!

Doch ich mag mich selbst nicht länger an so vieles Elend erinnern; um demnach forthin alles zu übergehen, was ich mit Schicklichkeit weglassen kann, will ich nur sagen, dass, wie auf diese Weise unsere Stadt von Einwohnern fast entblößt und verlassen war, es sich einst so fügte (wie ich aus glaubwürdiger Quelle weiß), dass in der ehrwürdigen Kirche Santa Maria Novella an einem Dienstagmorgen, da fast keine andere lebende Seele zugegen war, sieben junge Damen, alle durch Freundschaft, Nachbarschaft oder Verwandtschaft einander zugetan, deren keine das achtundzwanzigste Jahr erreicht hatte und keine weniger als achtzehn Jahre alt war, lauter vernünftige, edle, schöne, wohlerzogene, mit züchtigem Frohsinn begabte Geschöpfe, sich trafen, die sämtlich in Trauerkleider gehüllt (wie es die unglücklichen Zeiten mit sich brachten) die heilige Messe gehört hatten. Ihre Namen würde ich gehörig anzeigen, wenn mich nicht eine triftige Ursache daran verhinderte: Ich will nämlich nicht, dass irgendeine von ihnen in Zukunft wegen der folgenden Geschichten erröten soll, die sie erzählt oder angehört haben; denn heutigestags sind der Fröhlichkeit ziemlich strenge Gesetze vorgeschrieben, dagegen sie damals, wegen der oben berührten Ursachen, nicht nur für Personen ihres Alters, sondern auch für weit reifere Jahre, unendlich gelinder waren. Auch den Scheelsüchtigen, die so gern über jeden lobenswürdigen Lebenswandel herfallen, möchte ich nicht gern Raum geben, den guten Ruf der ehrbaren Damen mit ungeziemenden Reden zu verunglimpfen. Damit jedoch alles, was eine jede von ihnen sagt, ohne Verwirrung verstanden werde, so bin ich willens, ihnen in der Folge solche Namen beizugeben, die den Eigenschaften einer jeden, wo nicht völlig, doch einigermaßen entsprechen. Die Erste und Älteste von allen wollen wir Pampinea nennen, Fiametta die Zweite, Filomena die Dritte und die Vierte Emilia. Die Fünfte mag Lauretta heißen, die Sechste Neifile und die Letzte soll (nicht ohne Ursache) den Namen Elisa führen. Durch bloßen Zufall und ohne besondere Verabredung gelangten sie in eine Ecke der Kirche, wo sie sich im Kreise niedersetzten und (ohne daran zu denken, ihren Rosenkranz abzubeten) nach manchem Seufzer vieles über die Zeitläufte miteinander sprachen. Nachdem ein kurzes Stillschweigen ihre Unterredung unterbrochen hatte, begann Pampinea folgendermaßen zu reden:

»Ihr habt wohl, liebe Mädchen, so gut wie ich, oft gehört, dass der keinem andern Unrecht tut, der auf erlaubte Weise sich seiner eigenen Rechte bedient. Jeder, der geboren wird, hat das natürliche Recht, sein Leben nach Kräften zu fristen, zu erhalten und zu beschützen; und es hat sich schon zugetragen, dass jemand, um das eigene Leben zu retten, Menschenblut vergossen hat, ohne dass man ihm daraus einen Strick gedreht hätte. Wenn nun dies die Gesetze gutheißen, von deren Wachsamkeit die Wohlfahrt aller Menschen abhängt, wie viel mehr muss es uns und jedem andern erlaubt sein, ohne Schaden anderer uns aller Mittel zu bedienen, die in unserer Gewalt stehen, um unser Leben zu erhalten. Sooft ich es recht betrachte, wie wir diesen Morgen und manchen andern zugebracht haben und unter was für Gesprächen, umso mehr glaube ich einzusehen (und ihr werdet es wohl auch einsehen), dass eine jede von uns für ihr Leben fürchtet. Und das ist gar kein Wunder. Aber das wundert mich sehr, da wir doch alle viel weibliches Gefühl haben, dass wir uns nicht für alles, was wir billigerweise befürchten müssen, einigermaßen entschädigen. Wie es mir scheint, halten wir uns hier zu keinem andern Endzweck auf, als ob wir Zeugen sein sollten oder sein müssten, wie viel Leichen zur Bestattung hierher gebracht werden; oder als wollten wir hören, ob die Mönche dieses Klosters, deren Zahl fast auf Null herabgesunken ist, ihre Messen zu gehöriger Stunde singen; oder als ob wir durch unsere Trauerkleider jedem, der hierher kommt, die Größe und Menge unserer Leiden andeuten wollten. Und wenn wir aus der Kirche weggehen, so sehen wir entweder Leichen oder Kranke vorübertragen, oder wir sehen, dass zur Verbannung verurteilte Verbrecher jetzt, da die Vollstrecker der Gerechtigkeit entweder tot oder krank sind, den Gesetzen zum Hohn, mit wildem Ungestüm durch die Stadt schweifen; oder dass die Hefe des Pöbels, die Pestknechte, von unserm Blute erhitzt und zu unserer Schmach, umherreiten und fahren und in schändlichen Liedern uns unser Unglück vorwerfen. Wir hören nichts anderes als: ›Der und der ist tot, dieser und jener liegt im Sterben.‹ Wir würden überall nichts als Klagelieder hören, wenn nur noch jemand da wäre, um sie anzustimmen. Und wenn wir nach Hause kommen – ich weiß nicht, ob es euch so geht wie mir – aber wenn ich von allen Meinigen keine Seele mehr vorfinde als mein Kammermädchen, so wird mir angst und bange, die Haare stehen mir zu Berge, und es erscheinen mir allenthalben, wohin ich auch gehe, die Schatten der Verstorbenen, nicht in ihrer sonst gewohnten Gestalt, sondern als schreckten sie mich mit einem fürchterlichen Aussehen, das ihnen, ich weiß nicht woher, gekommen ist. Deswegen finde ich es hier und zu Hause und außer dem Hause nirgends behaglich, umso weniger, da ich glaube, dass außer uns niemand, der einiges Vermögen und einen Zufluchtsort hat wie wir, sich noch hier aufhält. Wenn aber doch noch einige hier sind, so habe ich wohl vernommen oder gehört, dass sie, ohne sich um das, was anständig oder unanständig ist, zu kümmern, bloß ihren eigenen Trieben nachleben und bei Nacht und bei Tage, allein oder in Gesellschaft das tun, was am meisten Vergnügen gewährt. Und das tun nicht nur die freien Personen, sondern auch die in den Klöstern (indem sie glauben, dass ihnen das, was andere sich erlauben, nicht weniger erlaubt sei) überlassen sich mit Hintansetzung ihrer Regel den fleischlichen Lüsten und meinen, durch Wollust und Ausschweifung ihr Leben zu retten. Verhält es sich aber so – und dass es sich so verhält, ist offenbar –: Was tun denn wir hier? Was erwarten wir? Wovon träumen wir? Warum verweilen und zaudern wir mehr als andere Einwohner, an unsere Rettung zu denken? Ist an uns weniger gelegen als an den andern? Oder bilden wir uns ein, unser Leben sei mit stärkeren Ketten an unsere Leiber gebunden als das ihrige? Und sollen wir uns deswegen um nichts bekümmern, was dem unsrigen schaden kann? Wir irren, wir betrügen uns; wie töricht sind wir, wenn wir so denken! Wenn wir uns erinnern wollen, wie viele und welche Jünglinge und Mädchen schon ein Raub dieser verheerenden Pest geworden sind, so müssen wir uns davon augenscheinlich überzeugen; damit wir demnach nicht aus Kleinmut oder Unvorsichtigkeit in den Fall geraten, den wir vermeiden können, wenn wir wollen, so deucht mich das Beste zu sein (wenn ihr auch so gesinnt seid wie ich), dass wir so, wie wir sind, nach dem Beispiele, das uns viele andere gegeben haben und noch täglich geben, diese Stadt verlassen und nicht nur den Tod, sondern auch das böse Exempel der Übrigen fliehen, um uns in aller Ehrbarkeit auf unsere Landgüter zu begeben, deren wir jede genug besitzen, und uns dort solche kleine Feste, Lustbarkeiten und Zeitvertreib zu verschaffen, die wir, ohne die Regeln der Vernunft zu verletzen, genießen können. Dort hören wir den Gesang der Vögel; dort sehen wir die Hügel und Täler grünen und die Kornfelder wie Wogen des Meeres wallen, sehen mannigfaltige Bäume und sehen den freien, offenen Himmel, der, so sehr er uns auch zürnt, uns dennoch seine ewigen Schönheiten nicht entzieht, die unendlich lieblicher zu betrachten sind als die öden Mauern dieser Stadt. Überdies haben wir dort frischere Luft. Der Lebensunterhalt ist leicht bestritten und Ursache zum Kummer kaum vorhanden. Wenngleich die Bauern dort ebenso sterben wie hier die Städter, so ist doch der unangenehme Eindruck davon desto geringer, je entfernter die Häuser voneinander stehen und je kleiner die Zahl ihrer Bewohner ist, wenn man sie mit denen der Stadt vergleicht. Auch verlassen wir (wie mich deucht) niemand; sondern wir können vielmehr mit Wahrheit sagen, dass wir verlassen sind. Die Unsrigen sind entweder gestorben oder haben, weil sie dem Tode entfliehen wollten, uns in der Not verlassen, als wenn wir nicht zu ihnen gehörten. Man kann uns also nicht tadeln, wenn wir einen solchen Entschluss fassen, der uns Verdruss und Schmerzen erspart und uns vielleicht vor dem Tode bewahrt, der uns sonst bevorstände. Lasst uns demnach, wenn es euch gefällt, unsere Mädchen und die notwendigsten Sachen mitnehmen und heute an diesem Orte, morgen an jenem, uns solche Vergnügungen zu verschaffen suchen, als die Zeitläufte uns verstatten, und lasst uns diese Lebensweise so lange fortsetzen, bis wir sehen, welch ein Ziel der Himmel den jetzigen Prüfungen setzt, wenn nicht etwa in der Zwischenzeit der Tod uns selbst ereilt. Und lasst mich euch zugleich erinnern, dass es uns wohl ebenso ansteht, in Ehrbarkeit uns zu entfernen, als vielen andern, in Ehrlosigkeit hierzubleiben.« Als die übrigen Damen Pampinea angehört hatten, gefiel ihnen nicht nur ihr Vorschlag, sondern, vor lauter Eifer ihn auszuführen, fingen sie schon an zu ratschlagen, wie sie gleichsam stehenden Fußes auf und davon gehen könnten. Allein die sehr verständige Filomena sagte: »Freundinnen, so vortrefflich auch alles ist, was uns Pampinea gesagt hat, so müssten wir uns doch nicht so sehr damit übereilen, wie es scheint, dass ihr zu tun geneigt seid. Bedenkt, dass wir lauter Frauen sind; und welche unter uns allen ist so jung, dass es ihr nicht auffallen sollte, eine Gesellschaft von lauter Frauen könne ohne männlichen Rat und Beistand unter sich bestehen bleiben? Wir sind wankelmütig, launisch, misstrauisch, furchtsam und verzagt; deswegen fürchte ich, wenn wir uns keiner andern Führung anvertrauen als unserer eigenen, dass unsere Gesellschaft sich weit schneller wieder trennen würde, und weniger zu unserer Ehre, als uns lieb wäre. Darum ist es besser, uns vorzusehen, ehe wir anfangen.«

»Freilich«, sprach Elisa, »sind die Männer das Haupt der Weiber, und ohne ihre Anordnung gedeihen unsere Werke selten zu einem rühmlichen Ende. Aber wo finden wir diese Männer? Ihr alle wisst, dass unsere Verwandten meistens gestorben und dass die wenigen, die noch am Leben geblieben sind, hier und dort in verschiedenen Gesellschaften (wir wissen nicht wo) dasselbe fliehen, was wir zu vermeiden suchen. Fremdlinge zu wählen wäre ebenfalls nicht ratsam; denn, wenn wir unser wahres Wohl befördern wollen, so müssen wir uns bestreben, uns so einzurichten, dass uns da, wo wir Ruhe und Vergnügen suchen, nicht Verdruss und Schande ereilen.«

Indem die Damen noch so untereinander sprachen, traten drei junge Herren in die Kirche, von denen jedoch der jüngste wenigstens schon sein fünfundzwanzigstes Jahr zählte, deren Liebe weder die Widerwärtigkeit der Zeitläufte noch der Verlust ihrer Bekannten und Verwandten noch die Besorgnis für ihre eigenen Personen hatte zerstören oder auch nur im Mindesten wankend machen können. Der eine nannte sich Pamfilo, Filostrato der andere, und der dritte hieß Dioneo, lauter wohlgesittete, anmutige junge Leute, die in diesen trübseligen Zeiten ihre einzige Glückseligkeit darin suchten, ihre Damen zu sehen, die sich zufälligerweise alle drei unter den schon genannten sieben befanden, von denen noch einige oder andere mit ihnen zum Teil verwandt waren. Die Damen wurden von ihnen nicht so bald bemerkt, als auch sie die Herren schon erblickten, weswegen Pampinea lächelnd sagte: »Seht ihr, wie das Glück unser Vorhaben begünstigt? Da sendet es uns diese verständigen und wackeren Jünglinge, die sich nicht weigern werden, unsere Führer und Begleiter zu sein, wenn wir nichts dawider haben, sie dazu anzunehmen.«

Neifile, die bis an die Ohren rot ward, weil einer von den dreien ihr Geliebter war, antwortete: »Um des Himmels willen, Pampinea, sieh zu, was du sagest! Ich bin zwar gewiss genug versichert, dass man allen diesen Herren nichts anderes als Gutes nachsagen kann, und ich halte sie weit größerer Dinge als dieser fähig und gebe gern zu, dass ihre Gesellschaft nicht nur für uns, sondern für noch weit edlere und schönere Damen gut und anständig sei. Aber da es bekannt ist, dass sie Verehrer einiger der Unsrigen sind, so fürchte ich, dass man ohne ihre oder unsre Schuld uns tadeln und uns Böses nachreden möchte, wenn wir sie mitnähmen.«

Filomene versetzte: »Das kann mich nicht kränken, solange ich in Unschuld lebe und mir mein Gewissen keine Vorwürfe macht; es mag auch, wer da will, anders von mir sprechen. Gott und die Wahrheit werden mich immer verteidigen, und wenn nur die Herren willfährig sind, mit uns zu gehen, so können wir mit Pampinea sagen, dass das Glück unseren Ausflug begünstigt.«

Als dies die andern hörten, schwiegen sie nicht nur still, sondern sie erklärten alle einmütig, man solle die Herren rufen, ihnen ihre Absicht eröffnen und sie bitten, sie auf ihrem Ausfluge zu begleiten. Ohne weitere Worte zu machen erhob sich Pampinea, die mit einem von den Herren verwandt war, ging zu ihnen, die im Anblick der Mädchen versunken waren, und grüßte sie freundlich, entdeckte ihnen ihre Absicht und bat sie im Namen aller ihrer Gespielinnen, ihnen mit reinen, brüderlichen Gesinnungen zu Begleitern zu dienen. Die Jünglinge glaubten anfänglich, man wolle sie aufziehen. Als sie aber sahen, dass die Dame es ernstlich meinte, bezeigten sie mit Freuden ihre Dienstwilligkeit, und ohne zu säumen nahmen sie auf der Stelle, ehe sie auseinandergingen, Abrede wegen der Anstalten zu ihrer Reise. Wie demnach alles, was nötig schien, in Bereitschaft gesetzt und nach dem Orte hingesandt war, wohin sie sich begeben wollten, machten sie sich am folgenden Morgen, die Damen in Begleitung einiger von ihren Kammerjungfern und die Herren mit ihren drei Dienern, bei Tagesanbruch auf den Weg nach dem Ort ihrer Bestimmung, der nur zwei kleine Meilen von der Stadt entfernt war. Der Landsitz lag auf einem Hügel, der nach allen Seiten ein wenig von den Landstraßen entfernt war, bedeckt mit allerlei Gesträuch und Pflanzen, deren frisches Grün lieblich anzuschauen war. Auf dem Gipfel des Hügels stand ein Palast, umgeben von wundervollen Gärten, anmutigen Wiesen und vielen Quellen eiskühlen Wassers, der in der Mitte einen geräumigen, hübschen Hof hatte, viel Galerien, Säle und Gemächer, an sich schon schön und noch mit den herrlichsten Malereien verziert, und Keller, gefüllt mit den köstlichsten Weinen, die mehr für leckere Trinker als für enthaltsame züchtige Damen berechnet zu sein schienen; und hier fand die ankommende Gesellschaft zu ihrem nicht geringen Wohlgefallen alles gekehrt und geschmückt, die Betten in den Kammern aufgemacht, die Zimmer mit den Blumen, die die Jahreszeit brachte, geschmückt und außerdem den Fußboden mit Binsen ausgestreut.

Als die Gesellschaft, kaum angekommen, sich niedergelassen hatte, sprach Dioneo, ein überaus munterer Jüngling voll lebhafter Einfälle: »Meine Damen, wir haben es mehr eurer Klugheit als unserer eigenen Vorsicht zu danken, dass wir hier sind. Ich weiß nicht, was ihr mit euren Sorgen hier anfangen werdet: Die meinigen aber ließ ich jenseits des Stadttores, wie ich vor Kurzem mit euch herauskam. Ihr müsst euch demnach entweder bequemen, mit mir zu scherzen, zu lachen und zu singen (versteht sich, mit aller gebührenden Beobachtung eures Anstandes und eurer Würde), oder ihr könnt mich nur wieder fortschicken, um meinen Sorgen in unserer armen, geplagten Stadt aufs Neue nachzuhängen.«

Pampinea, nicht anders, als hätte sie ebenfalls die ihren weit von sich gejagt, gab ihm fröhlich zur Antwort: »Dioneo, du hast vortrefflich gesprochen! Vergnügt zu leben ist unsere Absicht, und wir sind aus keiner anderen Ursache aus dem Elend geflohen. Weil aber alle Dinge, die über Maß und Ziel gehen, von kurzer Dauer sind, so bin ich als die Urheberin des Gespräches, das uns in dieser angenehmen Gesellschaft zusammengeführt hat, weil mir die Fortdauer unseres Vergnügens am Herzen liegt, der Meinung, dass wir notwendig übereinkommen müssen, ein Oberhaupt aus unserer Mitte zu wählen, dem wir als unserem Gebieter Achtung und Folgsamkeit beweisen, und das seinerseits alle seine Gedanken darauf richtet, uns zu einem heiteren Leben Anleitung zu geben. Damit nun ein jeder der Reihe nach die Bürde der Geschäfte sowohl als das Vergnügen des Vorranges schmecken möge, und folglich keiner sei, der, weil er beides nicht gekostet, den beneide, der es versucht hat, so wünsche ich, dass einem jeden auf einen Tag die Ehre und die Bürde zuteilwürde, und zwar, dass wir sämtlich denjenigen wählten, der zuerst damit bekleidet werde; die Folgende sollte dann an jedem Tage um die Vesperstunde der oder die ernennen, welche an demselben Tage das Regiment geführt hätte; und das jedesmalige Oberhaupt sollte während der Zeit seiner Regierung den Ort unseres Aufenthaltes und die Art und Weise unseres Zeitvertreibes anordnen und bestimmen.«

Diese Rede fand allgemeinen Beifall, und Pampinea ward einstimmig für den ersten Tag zur Königin erwählt. Filomene eilte schnell zu einem Lorbeerbaume, weil sie oft gehört hatte, in welchen Ehren seine Zweige gehalten würden und wie rühmlich sie die Schläfe dessen zierten, den man wegen seiner Verdienste damit bekrönte. Sie brach einige Zweige davon und flocht sie zu einem stattlichen Ehrenkranze, den sie Pampinea aufsetzte und der in der Folge, solange die Gesellschaft beisammenblieb, einem jeden zum Abzeichen der königlichen Herrschaft und Herrlichkeit diente.

Pampinea, als erwählte Königin, gebot nunmehr allgemeines Stillschweigen. Die Diener der drei jungen Herren und die vier Kammermädchen der Damen wurden vorgerufen; jedermann schwieg, und Pampinea sagte: »Damit ich euch allen zuerst mit einem guten Beispiele vorgehe, wie wir das Beste unserer Gesellschaft befördern und uns in den Stand setzen können, mit Ordnung, Anstand und Lust zu leben und, solange es uns gefällt, beisammen zu bleiben, so bestelle ich zuvörderst Parmeno, den Diener des Dioneo, zu meinem Haushofmeister, mit dem Befehl, das Gesinde zu beaufsichtigen und für die Wirtschaft Sorge zu tragen. Sirisco, der Diener des Pamfilo, soll unser Schatzmeister und Kassenwart sein und die Aufträge des Parmeno ausführen. Tindaro wird seinen Herrn Filostrato und auch die beiden andern Herren in ihren Zimmern bedienen, wenn die andern Diener durch ihre anderweitigen Geschäfte verhindert sind. Misia, mein Kammermädchen, und Filomenens Licisca sollen beständig die Küche besorgen und mit allem Fleiße die Speisen für uns zubereiten, die ihnen Parmeno vorschreiben wird. Laurettens Chimera und Fiamettens Stratilia wollen wir zur Aufsicht über die Kammern der Damen bestellen, um für die Ordnung und Reinlichkeit dort, und wo wir uns sonst aufhalten, bedacht zu sein; und ihnen allen samt und sonders sei hiermit angedeutet, wenn sie ausgehen und heimkommen, dass sie bei Verlust unseres Wohlwollens uns keine andere als fröhliche Nachricht von draußen bringen, sie mögen auch sehen oder hören, was sie wollen.«

Als sie diese Befehle mit wenigen Worten gegeben hatte, die von jedermann gebilligt wurden, erhob sie sich mit heiterer Miene und sprach: »Hier haben wir Gärten, Wiesen und allerlei andere heitere Plätze, wo ein jeder nach seinem Belieben lustwandeln kann. Sobald es die dritte Morgenstunde schlägt, wollen wir uns alle hier versammeln, um im Kühlen zu essen.«

Die Königin beurlaubte den muntern Zirkel, und die Jünglinge gingen mit den schönen Mädchen unter angenehmen Gesprächen langsam durch die Gärten, wo sie Kränze von mancherlei Blumen flochten und zärtliche Lieder sangen. Dort blieben sie bis um die Zeit, die ihnen von der Königin bestimmt war, und fanden, wie sie zum Hause zurückkamen, dass Parmeno seinen Dienst mit Aufmerksamkeit angetreten; denn wie sie in einen schönen Saal im Erdgeschosse traten, fanden sie die Tafel mit schneeweißen Tüchern gedeckt und mit Trinkgeschirren besetzt, die wie Silber blinkten, und den Boden überall mit Ginsterblüten bestreut; es ward demnach Wasser zum Händewaschen gereicht, worauf Parmeno auf den Wink der Königin die Gesellschaft einlud, sich in einer von ihm angegebenen Tischordnung zu Tisch zu setzen. Trefflich bereitete Speisen wurden aufgetragen, die feinsten Weine standen bereit, und die Tafel ward alsbald von den drei Dienern ohne Lärm diskret bedient. Überall herrschten Zierlichkeit und Ordnung und erheiterten die Gemüter, sodass das Mahl unter frohen Gesprächen und muntern Scherzen zu Ende ging. Als die Tafel aufgehoben war, ließ die Königin Instrumente bringen, weil sämtliche Damen und Herren Gesang und Tanz liebten und einige von ihnen vortrefflich spielen und singen konnten. Dioneo nahm auf Befehl der Königin eine Laute und Fiametta eine Violine, und sie stimmten eine sanfte Tanzmusik an, worauf die Königin, nachdem sie die Dienerschaft zum Essen hinausgeschickt hatte, mit den übrigen Damen und Herren in gemessenen Schritten einen Reihentanz begann, nach dessen Endigung frohe und angenehme Lieder gesungen wurden. Auf diese Weise vergnügten sie sich, bis die Königin glaubte, dass es Zeit wäre, Mittagsruhe zu halten; daher nach genommenem Urlaub die Jünglinge sich in ihre Zimmer begaben, die von den Zimmern der Damen entfernt lagen. Sie fanden die Betten aufs Beste gemacht und alles, so wie im Saale, mit Blumen bestreut, was auch in den Zimmern der Damen geschehen war. Sie entkleideten sich und begaben sich zur Ruhe. Es war noch nicht weit über die dritte Stunde des Nachmittags, als die Königin aufstand und alle Damen und Herren gleichfalls wecken ließ, weil sie behauptete, es sei schädlich, bei Tage lange zu schlafen. Die ganze Gesellschaft begab sich demnach nach einem kleinen Rasenplatze, der mit üppigem Grase bedeckt und vor dem Sonnenstrahl geschützt war, wo sie, von einem sanften Lüftchen angehaucht, sich auf Befehl der Königin im Grase lagerten und folgendermaßen von ihr angeredet wurden: