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Manesse-Wiederentdeckung eines Klassikers: Neuübersetzung zum 650. Todestag des Autors am 21.12.2025
«‹Fiammetta› ist bereits der moderne Roman.» Giosuè Carducci
Liebesfreud und Liebesleid, Feier und Kritik des schusswütigen Eros verschränken sich in diesem grandiosen Monolog einer begehrenden Frau auf das Reizvollste. Liebt er mich so wie ich ihn – abgöttisch? Vor dieser Frage steht Fiammetta. Ja, es war Liebe auf den ersten Blick, die ihr und Panfilo zuteilgeworden ist, ein schrecklich-schönes Himmelsgeschenk, das nach zehrendem Verlangen in nächtlichen Wonnen gipfelte. Doch was hat ihn dazu bewogen, ausgerechnet dann abzureisen? Und was kann ihn dazu bewegen, zu ihr zurückzukehren?
Liebesfreud und Liebesleid, Feier und Kritik des schusswütigen Amor verschränken sich in diesem grandiosen Monolog einer begehrenden Frau auf das Reizvollste. Mit Boccaccios «Klage der Madonna Fiammetta» beginnt die große Tradition der psychologischen Erzählkunst in der Weltliteratur. Die in Inbrunst Entflammte schwärmt, schmachtet und verzehrt sich, leidet, zweifelt und verzweifelt, um schließlich doch wieder zu hoffen ... Indem sie ganz unverblümt sowohl von ihrer Liebestollheit als auch von ihrem Liebeskummer erzählt, offenbart sie – bis dahin beispiellos in der christlich-abendländischen Dichtung – intimste weibliche Herzensregungen. Im Furor ihrer Klagen und Anklagen manifestiert sich «das Recht der Frauen auf eine eigene Stimme, einen eigenen Körper, auf das Ausleben ihrer Sexualität», so Franziska Meier im Nachwort. Auch deshalb sei es an der Zeit, «die ‹Fiammetta› nun endlich auf Deutsch so zugänglich zu machen, wie ihr Autor sie geschrieben und konzipiert hat.»
«Die Klage der Madonna Fiammetta» bezaubert mit ihrem lyrischen Duktus, ihrer bemerkenswerten psychologischen Tiefe in der Figurenzeichnung und mit ihrem nuancenreichen Stil, der alle Subtilitäten der menschlichen bzw. weiblichen Natur widergibt. All dies wird in der feinkörnigen und selbstverständlich vollständigen Neuübersetzung von Franziska Meier und Jochen Reichel erstmals erfahrbar.
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Seitenzahl: 394
Veröffentlichungsjahr: 2025
«‹Fiammetta› ist bereits der moderne Roman.» Giosuè Carducci
Fiammetta erleidet das Werk des Eros in all seinen Facetten – als Fest der Sinne, Inbrunst, bitter-süße Qual: «Ich, die ich zuvor von niemandes Reizen je besiegt, wenn auch von etlichen in Versuchung geführt worden war, bin zuletzt von einem einzigen besiegt worden, und ich brannte und ich brenne, ich hütete und hüte mehr, als andere es jemals taten, das Feuer, das ich fing.»
Liebesfreud und Liebesleid, Feier und Kritik des schusswütigen Eros verschränken sich in diesem grandiosen Monolog einer begehrenden Frau auf das Reizvollste. Mit «Der Klage der Madonna Fiammetta» beginnt die große Tradition der psychologischen Erzählkunst in der Weltliteratur. In der Neuübersetzung von Franziska Meier und Jochen Reichel ist sie nun endlich zum Boccaccio-Jubiläum auf Deutsch zu entdecken.
Die in Inbrunst Entflammte schwärmt, schmachtet und verzehrt sich, leidet, zweifelt und verzweifelt, um schließlich doch wieder zu hoffen … Indem sie ganz unverblümt sowohl von ihrer Liebestollheit als auch von ihrem Liebeskummer erzählt, offenbart sie – zuvor beispiellos in der christlich-abendländischen Dichtung – intimste weibliche Herzensregungen. Im Furor ihrer Klagen und Anklagen manifestiere sich «das Recht der Frauen auf eine eigene Stimme, einen eigenen Körper, auf das Ausleben ihrer Sexualität», so Franziska Meier im Nachwort. Zwei Jahrhunderte nach der letzten Übersetzung durch Sophie Brentano sei es an der Zeit, «die ‹Fiammetta› nun endlich auf Deutsch so zugänglich zu machen, wie ihr Autor sie geschrieben und konzipiert hat».
Giovanni Boccaccio
DIE KLAGE DER MADONNA FIAMMETTA
Roman
Aus dem Italienischen übersetzt von Franziska Meier und Jochen Reichel
Mit einem Glossar der mythologischen und historischen Figuren und Schauplätze, zusammengestellt von Salome Müller
Nachwort von Franziska Meier
MANESSE VERLAG
ES BEGINNT DAS BUCH, GENANNT
DIE KLAGE DER MADONNA FIAMMETTA
VON IHR DEN VERLIEBTEN FRAUEN ZUGESANDT
Prolog
Die Lust zu klagen pflegt bei Bekümmerten für gewöhnlich zuzunehmen, wenn diese erkennen oder spüren, dass jemand Mitgefühl mit ihnen hat. Damit bei mir, die ich bereitwilliger als jede andere mein Leid klage, der Anlass zu klagen nicht durch lange Gewöhnung ab-, sondern vielmehr zunehme, gefällt es mir, in euch, edle Frauen, in deren Herzen die Liebe glücklicher wohnen mag als in meinem, Mitgefühl zu wecken, falls es mir möglich ist, indem ich euch erzähle, was mir widerfahren ist. Es bekümmert mich keineswegs, wenn meine Rede nicht bis zu den Männern vordringen sollte, im Gegenteil, soweit ich kann, will ich sie ihnen sogar vorenthalten, da sich an mir jenes einen Mannes Grausamkeit derart elend manifestiert, dass ich bei anderen, wenn ich sie mir ihm ähnlich vorstelle, wohl eher höhnisches Gelächter als mitfühlende Tränen sehen werde. Euch allein, von denen ich weiß, dass ihr mir freundlicher gesonnen und gegenüber Schicksalsschlägen mitfühlender seid, bitte ich, das hier zu lesen; dabei werdet ihr nicht auf griechische, mit vielen Lügen ausgeschmückte Götterfabeln stoßen, auch nicht auf bluttriefende trojanische Schlachtenbeschreibungen, sondern auf Liebesgeschichten mit vielerlei Arten des Begehrens, in denen euch die kummervollen Tränen, heftigen Seufzer, Klagelaute und aufwühlenden Gedanken vor Augen stehen werden, die mir mit ihrem steten Gestichel Appetit, Schlaf, die heiteren Jahre wie die geliebte Schönheit geraubt haben. Wenn ihr alle diese Dinge mit jener für Frauen charakteristischen Herzenswärme betrachtet, eine jede für sich und alle gemeinsam, werdet ihr das zarte Gesicht in Tränen baden, dessen bin ich mir gewiss. Für mich, die ich nichts anderes suche, waren sie Grund für unaufhörliches Leid. Ich bitte euch, eure Tränen nicht zurückzuhalten, denn bedenkt, wie teuer sie eurer Erinnerung sein mögen, sollte euer eigenes Leben, das ebenso ungewiss ist wie das meine, eine ähnliche Wendung nehmen, was Gott der Herr verhüten möge. Und damit mehr Zeit mit Reden als mit Weinen vergehe, will ich gleich zu meinem Versprechen kommen; so beginne ich mit meinen mehr glückhaften als beständigen Liebesangelegenheiten, um danach von dieser Glückseligkeit auf meinen jetzigen Zustand überzuleiten, damit ihr erkennt, dass ich unglücklicher bin als jede andere; und so werde ich den unglückseligen Fügungen, derentwegen ich allen Grund zu weinen habe, in tränenreicher Manier nachgehen, so gut ich es vermag. Für den Fall, dass die Gebete der Bekümmerten tatsächlich erhört werden, flehe ich, die ich so niedergeschlagen und in Tränen aufgelöst bin, zunächst jedoch: Sollte es irgendeine Gottheit im Himmel geben, deren heiliger Sinn von Mitleid mit mir gerührt ist, sie möge meinem schmerzerfüllten Gedächtnis und meiner zitternden Hand bei diesem Werk beistehen und beide mit solcher Kraft erfüllen, dass es dem einen gelingen möge, Worte zu finden, und der anderen, mehr willig als fest, selbige zu Papier zu bringen, was auch immer ich an Qualen in meinem Herzen ausgestanden habe und immer noch ausstehe.
Erstes Kapitel
In dem die Dame beschreibt, wer sie gewesen ist, welche Vorzeichen ihr das künftige Unglück ankündigten und wann, wo, wie und in wen sie sich verliebte, samt dem sich daraus ergebenden Vergnügen.
1.
In der Zeit des Jahres, in der die Erde wieder ihr Kleid anlegt und sich mehr als in jeder anderen in ihrer Schönheit zeigt, kam ich zur Welt, gezeugt von adligen Eltern, von Fortuna wohlwollend empfangen und großzügig ausgestattet. O verflucht sei jener Tag, mir verabscheuenswürdiger als jeder andere, an dem ich geboren wurde! O wie viel glücklicher wäre es gewesen, wenn ich gar nicht erst geboren oder nach der unseligen Geburt gleich zu Grabe getragen oder aber wie die von Kadmos ausgestreuten Zähne nicht viel älter geworden wäre oder wenn Lachesis den Lebensfaden im selben Augenblick abgeschnitten hätte, in dem sie ihn mir zuteilte! So wären mir im Kindesalter die unendlichen Qualen späterer Tage erspart geblieben, die mir jetzt trauriger Anlass zu schreiben sind. Aber was nützt es, nun darüber zu klagen? Ich bin eben hier auf Erden, und es gefiel und gefällt Gott, dass ich lebe. Hineingeboren also, wie ich gerade sagte, in höchste Wonnen und darin groß geworden, von der Kindheit in die liebliche Jugend gelangt, lernte ich von einer ehrwürdigen Lehrmeisterin jede Sitte, alle Regeln des Anstands, wie sie sich für eine junge Edelfrau geziemen. Und so wie ich mit den Jahren heranreifte, entfaltete sich auch meine Schönheit in vollen Zügen, die eigentliche Ursache all meines Unglücks. O weh, dass ich mir schon als kleines Mädchen etwas auf meine Schönheit zugutehielt, als ich hörte, wie so viele sie rühmten, und dass ich sie mit Eifer und Kunstfertigkeit zu vermehren suchte! Kaum dass ich aus den Kindertagen in ein reiferes Alter gelangt war, bemerkte ich bei mir, darin von der Natur unterwiesen, welche Sehnsüchte die liebreizenden Frauen in jungen Männern wecken können; ich erkannte umso deutlicher, was für ein elendes Geschenk meine Schönheit für denjenigen ist, der tugendhaft zu leben wünscht, je mehr diese bei meinen jugendlichen Altersgenossen und anderen Edelleuten das Feuer der Liebe entzündete. Diese versuchten ihrerseits zahllose Male mit verschiedenen Ansprachen und Andeutungen, die ich damals noch kaum begriff, ebendas in mir zu entzünden, was in ihnen selbst brannte und was mich später nicht weniger als andere entflammen, ja sogar verbrennen sollte; von vielen wurde ich damals heftig bedrängt, ihre Frau zu werden; kaum aber hatte mich einer unter den vielen, meiner in jeder Hinsicht würdig, zur Ehefrau genommen, hörte die außerordentlich zudringliche Menge der Verehrer schlagartig auf, mir mit dergleichen Ansinnen nahezutreten, so als sei die Sache hoffnungslos. Ich – zufrieden, wie es sich ziemt, einen solchen Ehemann zu haben – lebte daraufhin höchst glücklich bis zu dem Augenblick, an dem die Raserei der Liebe mit einem Feuer, wie ich es noch nie gefühlt hatte, in den jugendlichen Sinn drang. O weh! Nichts hatte es gegeben, was ich oder eine andere Frau begehrt hätte, das nicht sogleich erfüllt worden wäre. Ich war das einzige Gut und das besondere Glück des jungen Ehemanns, und er wurde von mir ebenso geliebt, wie er mich liebte. O um wie viel glücklicher als jede andere hätte ich mich preisen können, wenn diese Art der Liebe in mir für immer Bestand gehabt hätte?
2.
Wie ich so zufrieden dahinlebte und mich in einem immerwährenden Fest erging, gedachte Fortuna, die für den jähen Umschwung aller irdischen Dinge sorgt, ihre Hand, erfüllt von Neid auf die von ihr selbst verliehenen Gaben, wieder zurückzuziehen, und ohne recht zu wissen, wohin sie ihr Gift versprühen sollte, ließ sie das feindliche Geschick walten und bahnte ihm mit subtiler List seinen Weg durch meine eigenen Augen; und in der Tat gab es in diesem Moment keinen geeigneteren Weg als jenen, durch den es einfiel. Allein die Götter, mir immer noch wohlgesonnen und in größerer Sorge um mein Schicksal als ich selbst, wollten, kaum dass sie des verborgenen Hinterhalts innewurden, meiner Brust noch die Waffen reichen – hätte ich sie doch nur zu ergreifen verstanden –, damit ich nicht unbewaffnet in den Kampf zöge, in dem ich fallen sollte; und in einer deutlichen Vision erhellten sie mir in der Nacht vor jenem Tag, an dem all mein Unglück seinen Anfang nehmen sollte, im Schlaf das Bevorstehende wie folgt:
3.
Während ich in meinem prachtvollen Bett lag und all meine Glieder in tiefstem Schlaf gelöst waren, erschien es mir, als wäre ich, an einem wunderschönen Tag, der heller als jeder andere war, ausgelassener als je zuvor, ich weiß nicht warum. In dieser Ausgelassenheit, so kam es mir vor, saß ich allein im grünen Gras auf einer Wiese, vor dem Himmel und seinem Leuchten durch Schatten geschützt, die einige mit neuem Laub bekleidete Bäume warfen; und nachdem ich dort verschiedenerlei Blumen, mit denen die ganze Gegend übersät war, mit meinen schneeweißen Händen gepflückt und in einem geschürzten Teil meines Kleides eingesammelt hatte, wählte ich einige Blüten darunter aus, wand sie zu einer anmutigen Girlande und schmückte damit meinen Kopf. So bekränzt, erhob ich mich wie vormals Proserpina, als Pluto sie der Mutter raubte, und schritt singend hinaus in den neuen Frühling; dann, wohl müde geworden, legte ich mich ins dichte Gras und ruhte aus. Indessen, nicht anders als einst das verborgene Tier in den zarten Fuß der Eurydike biss, kam eine Schlange aus ihrem Versteck zu mir gekrochen, wie ich so im Gras ausgestreckt lag; es sah so aus, als bisse sie mich unter der linken Brust; beim ersten Eindringen ihrer scharfen Zähne schien mich ihr Biss zum Sieden zu bringen; dann jedoch, nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, als befürchtete ich beinahe noch Schlimmeres, schien es mir, als drückte ich die kühle Schlange an meinen Busen und stellte mir vor, sie müsse mir wegen der Wohltat der wärmenden Brust freundlicher gesonnen sein. Die Schlange jedoch, ihrer Sache dadurch sicherer geworden und kühner, legte erneut das feindselige Maul an die offene Stelle, und nach einer geraumen Weile, in der sie viel von unserem1 Blut getrunken hatte, schien es mir, als schlüpfte sie, gegen meinen Willen, aus meinem Busen heraus und schlängelte sich mit meinem Lebensgeist zwischen den Grashalmen davon. Kaum dass sie sich entfernt hatte, verfinsterte sich der helle Tag, die Dunkelheit brach über mich herein, hüllte mich vollständig ein; in dem Maße, in dem die Schlange sich voranbewegte, trübte sich nach und nach der Himmel ein, fast so als wären die vielen Wolken an die Fortziehende geheftet und folgten ihr nach; bald darauf entschwand die Schlange meinen Augen, ähnlich wie sich ein weißer Stein, in tiefes Wasser geworfen, allmählich dem Blick entzieht. Da sah ich den Himmel von tiefster Finsternis umschlossen, als sei die Sonne nicht mehr da, und ich glaubte, die Nacht wäre heraufgezogen, wie sie einst nach der Schandtat des Atreus über die Griechen hereingebrochen war; wirres Wetterleuchten durchlief den Himmel, während krachende Donnerschläge die Erde wie mich selbst erbeben ließen. Die Wunde indes, die mich bis dahin nur wegen des Bisses geschmerzt hatte, war voller Schlangengift, gegen das keine Arznei half; es schien den ganzen Körper mit üblen Schwellungen zu überziehen; woraufhin ich, der es erst so vorgekommen war, als wäre ich – ich weiß nicht wie – bar jedes Lebensgeistes zurückgeblieben, nun aber fühlend, wie die Kraft des Gifts auf immer feineren Wegen ins Herz vorzudringen suchte, mich im frischen Gras in Erwartung des Todes hin und her wälzte. Schon schien mir die Stunde gekommen zu sein, zumal mich immer noch die Angst vor dem grausigen Wetter quälte, als das Herz in Erwartung des Todes ein derart stechender Schmerz traf, dass der ruhende Körper zusammenzuckte und aus tiefem Schlaf auffuhr; noch voller Furcht ob des Geschauten griff ich, kaum erwacht, sogleich mit der rechten Hand nach der Seite mit dem Biss, um nun zu ertasten, was mir in der Zukunft zuteilwerden sollte; fast erfreut und wieder beruhigt, da sich keine Wunde fand, begann ich, das dumme Geschwätz der Träume zu verhöhnen, und machte auf diese Weise das Wirken der Götter zunichte. O weh mir Elenden! Weil ich die Träume damals verhöhnt habe, geschieht es mir recht, dass ich sie nun, da ich sie zu meinem großen Leidwesen als wahr erkennen muss, vergebens beweine und mich darum indes nicht minder bei den Göttern beklage, die ihre Geheimnisse dem groben Verstand der Menschen nur sehr dunkel zeigen, sodass sie im Grunde unsichtbar bleiben, wenn sie nicht tatsächlich eingetreten sind. Einmal erwacht, erhob ich mein schlaftrunkenes Haupt und sah durch ein kleines Loch die Sonne des neuen Tages in meine Kammer hineinscheinen; im Nu stand ich auf, jeden anderen Gedanken verscheuchend.
4.
Es war für fast jeden ein hoher Feiertag; um mich auf das höchste Fest vorzubereiten, kleidete ich mich mit großer Sorgfalt in Gewänder, die vom vielen Gold funkelten, schmückte mich überall mit meisterlicher Hand, ganz ähnlich wie jene Göttinnen, die sich im Tal Ida von Paris hatten mustern lassen. Und während ich mich so von allen Seiten betrachtete, nicht anders als ein Pfau sein Federkleid, und mir dabei vorstellte, dass ich anderen nicht minder als mir selbst gefallen würde, verfing sich, ich weiß nicht wie, eine Blume aus meinem Kranz in meinem Bettvorhang, oder vielleicht wurde sie mir auch von himmlischer Hand, für mich unsichtbar, vom Kopf gerissen und fiel zu Boden; ich indes, ohne den dunklen Zeichen nachzusinnen, die die Götter mir gesandt hatten, hob sie auf, als wäre nichts gewesen, steckte sie mir wieder an den Kopf und ging fort. O weh! Welch offenkundigeres Zeichen hätten mir die Götter geben können? Kein einziges. Dieses eine hätte ausgereicht, mir anzuzeigen, dass meine freie Seele, Gebieterin über sich selbst, an jenem Tag ihre Herrschaft ablegen und zur Dienstmagd würde, wie es dann tatsächlich geschah. Oh, wäre ich doch bloß bei vollem Verstand gewesen, hätte ich erkannt, dass dieser Tag für mich der schwärzeste aller Tage sein würde, und ihn zugebracht, ohne aus dem Haus zu gehen! Aber die Götter rauben denen, gegen die sich ihr Zorn richtet, die nötige Einsicht, selbst wenn sie ihnen Zeichen zu ihrem Heil senden; so kommen sie ihrer Pflicht nach und leben zugleich ihren Zorn aus. Das Schicksal trieb mich indessen, eitel und sorglos, wie ich war, aus dem Haus; begleitet von vielen anderen Frauen, erreichte ich gemächlichen Schritts den heiligen Tempel, in dem das feierliche Hochamt dieses Festtags abgehalten wurde.
5.
Einer alten Gepflogenheit und meinem Adelsrang gemäß war mir unter den Frauen ein etwas erhöhter Platz zugewiesen; nachdem ich mich dort niedergelassen und meine Augen hatte schweifen lassen, wie es meine Gewohnheit war, sah ich den Tempel von Männern wie Frauen gleichermaßen gefüllt, die sich in mehrere Gruppen aufteilten. Kaum war, während das Hochamt abgehalten wurde, meine Anwesenheit bemerkt worden, richteten nicht nur die Männer, wie es sonst zu geschehen pflegte, die Augen auf mich, um mich zu betrachten, sondern auch die Frauen, ganz so als wäre dort, wo ich saß, eine noch nie zuvor gesehene Venus oder Minerva herabgestiegen. Ach, wie viele Male hatte ich darüber insgeheim lachen müssen und war mit mir vollauf zufrieden gewesen, ja hatte mich dafür gerühmt, nichts weniger als eine Göttin zu sein! Die Gruppe fast aller jungen Männer betrachtete nicht länger die anderen Damen, vielmehr scharten sie sich um mich, sodass sie mich gleichsam in Form einer Krone umgaben, und unterhielten sich auf unterschiedlichste Weise über meine Schönheit, wobei sie in ihrem Lob alle beinahe zu demselben Urteil gelangten. Derweil tat ich so, als hinge ich anderen Gedanken nach, und hielt auch die Augen anderswohin gerichtet, wobei ich jedoch die Ohren spitzte, um ihre Unterhaltungen mitanzuhören, und fühlte dabei das ersehnte Wohlbehagen, sodass es mir fast so vorkam, als sei es meine Pflicht, dann und wann einen wohlwollenden Blick auf sie zu werfen; dabei fiel mir nicht einmal, sondern viele Male auf, dass sich einige unter ihnen deshalb schon vergebliche Hoffnungen machten und sich dessen bei ihren Gefährten eitel rühmten.
6.
Während ich es so einrichtete, dass ich einige nur wenig anschaute, von vielen dagegen ausgiebig betrachtet werden konnte, und mir vorstellte, wie meine Schönheit andere bestrickte, geschah es, dass mich ein anderer ganz elend in seinen Bann schlug. Und im Nu war ich dem schmerzensreichen Punkt nah, der entweder den allergewissesten Tod nach sich zieht oder ein Dasein, das mehr als das eines jeden von Nöten erfüllt ist, als ich – ich weiß nicht, von welcher Regung2 angetrieben – mit der gebotenen Würde die Augen nach oben richtete und die Menge der umstehenden jungen Männer mit scharfem Blick übersah und hinter allen anderen, einsam an einer Marmorsäule lehnend, mir direkt gegenüber einen jungen Mann erblickte; diesen begann ich, was ich noch bei keinem getan hatte, wie getrieben von einem unentrinnbaren Geschick zu mustern, ihn und seine ganze Art. Ich halte fest, dass er meinem von der Liebe noch ungetrübten Urteilsvermögen nach von wunderschöner Gestalt war, im Auftreten höchst einnehmend und von lauterem Wesen; von seiner Jugendlichkeit zeugte der krause Flaum, der erst seit Kurzem seine Wangen bedeckte; er schaute mich zwischen den anderen hindurch ebenso inständig wie vorsichtig an. Gewiss hätte ich noch die Kraft gehabt, die Augen von seinem Anblick kurz abzuwenden, aber weder ein äußerer Umstand noch ich selbst konnte mich von dem Gedanken an die erwähnten Vorzüge abbringen, so sehr ich mich auch bemühte. Längst hatte sich meinem Sinn das Bild seiner Gestalt eingeprägt; ich weiß nicht, mit welch stillem Vergnügen ich mich daran weidete, dabei führte ich immer mehr Gründe an, um für wahr zu halten, was ich an ihm wahrnahm, und, glücklich, von ihm betrachtet zu werden, vergewisserte ich mich dann und wann vorsichtig, ob denn auch er mich immer noch betrachtete.
Als ich aber einmal meine Augen fester als sonst auf die seinen heftete, ohne mich vor den Fallstricken der Liebe in Acht zu nehmen, war mir, als würde ich aus ihnen die Worte sprechen hören: «O Herrin, du allein bist unsere Seligkeit.» Ich gebe zu, wenn ich jetzt beteuerte, sie hätten mir nicht gefallen, würde ich lügen; sie gefielen mir sogar so ausnehmend gut, dass sich meinem Busen ein süßer Seufzer entrang, begleitet von den Worten: «Und ihr die meine»3 – hätte ich sie ihm nicht – mich an das erinnernd, was sich für mich ziemte –, rechtzeitig versagt. Allein, was half’s? Was nicht ausgesprochen wird, versteht das Herz von allein, ja ich wäre vielleicht noch frei, wenn das, was ich in mir zurückhielt, nach außen gedrungen wäre. Von dieser Stunde an ließ ich meinen törichten Augen immer mehr ihren Willen, ließ sie auskosten, was sie so sehnsüchtig zu sehen begehrten; und ganz gewiss könnte ich immer noch über mich selbst gebieten, hätten mir die Götter, die bekanntlich jede Sache zu dem ihr vorbestimmten Ende bringen, nicht alle Einsicht geraubt. So aber wurde alsbald jedes Bedenken hintangestellt, ich folgte meinem sinnlichen Verlangen und geriet dadurch schnell in einen Zustand, in dem ich erobert werden konnte; das Licht nämlich, das nicht anders als das Feuer von einem Punkt zum anderen schießt, blitzte in einem feinen Strahl aus seinen Augen und traf die meinen, verweilte dort aber nicht genügsam, sondern drang sogleich tiefer, auf ich weiß nicht welchen verborgenen Wegen, bis ins Herz vor. Dieses wiederum, verängstigt durch den plötzlich hereinbrechenden Lichtstrahl, zog alle Kräfte von außen in sich zusammen und ließ mich erbleichen und beinahe ganz und gar erkalten. Das hielt jedoch nicht lange an; sogleich stellte sich das Gegenteil ein, ich fühlte, dass das Herz nicht nur wieder glühte, sondern auch die Kräfte an ihren angestammten Platz zurückkehrten und eine Hitze entfachten, die erst die Totenblässe verdrängte und mich dann glutrot und heiß wie Feuer werden ließ und mir einen Seufzer abnötigte, als ich jenen anschaute, bei dem all das seinen Ausgang genommen hatte. Von da an beherrschte mich nur noch ein einziger Gedanke, nämlich dem jungen Mann zu gefallen.
7.
All diese äußeren Anzeichen beobachtete er sehr geflissentlich, ohne sich von der Stelle zu rühren, und zeigte sich mit jeder Stunde demütiger, überaus ergeben und voller Liebesverlangen, als wisse er wie ein Kenner in Liebeskriegen, mit welchen Waffen man die begehrte Beute einfangen muss. O weh! Wie viel Arglist verbarg sich doch hinter dieser Ergebenheit, die, wie sich an dem daraus Folgenden erweist, von einem Herzen ausging, in das sie nie wieder zurückkehrte, vielmehr wurde sie allein von seinem Gesichtsausdruck vorgegaukelt. Aber ich will nicht all seine Gebärden im Detail wiedergeben, von denen jede einzelne von meisterlicher Täuschung zeugte; ob dies nun sein Werk war, oder ob es die Schicksalsgöttinnen gewährten, in der Folge sah ich mich, mehr als ich in der Lage wäre zu erzählen, von einem ebenso jähen wie unerwarteten Liebesverlangen ergriffen und bin es immer noch.
8.
Das also, o allermitfühlendste Frauen, war der, den sich mein Herz aufgrund eines im Wahn gefällten Urteils zum ersten, letzten und einzigen Herrn über mein Leben unter so vielen edlen, schönen und tapferen jungen Männern auserkor, nicht nur unter den dort Anwesenden, sondern sogar unter allen, die in meiner Stadt Parthenope wohnten; das also war der, den ich liebte und mehr als jeden anderen liebe; das war der, der Anfang und Ursache all meines Unglücks sein sollte und, wie ich hoffe, meines unseligen Todes. Das war der Tag, an dem aus mir, einer bis dahin freien Frau, erstmals die jämmerlichste Dienstmagd wurde; das war der Tag, an dem ich erstmals Liebe empfand, die ich zuvor nicht gekannt hatte; das war der Tag, an dem aphrodisische Gifte erstmals meine reine und keusche Brust verdarben. O weh, ich Elende! Wie viel Unglück kam über mich an diesem einen Tag! Ach! Wie viel Ungemach und Sorge wären mir erspart geblieben, hätte sich jener Tag damals in Nacht verkehrt! Ach, ich Elende! Wie abträglich war dieser eine Tag meiner Ehre! Aber was hilft es? Wie viel leichter ist es, vergangene Verfehlungen zu tadeln, als sie wiedergutzumachen. Ich bin nun einmal gefangen, so wie gerade gesagt wurde; und wer auch immer sie war, die mir mein keusches Glück neidete und ihm diesen Hinterhalt stellte: eine infernalische Furie oder die mir feindlich gesonnene Fortuna, an diesem Tag hatte sie allen Grund, sich zu freuen und auf einen unfehlbaren Sieg zu hoffen.
Von der neuen Leidenschaft ergriffen, saß ich wie benommen und außer mir unter den Frauen, ließ die heiligen Handlungen vorüberziehen, fast ohne hinzuhören, geschweige denn etwas davon zu verstehen, ebenso wenig von all den Unterhaltungen meiner Gefährtinnen. Die neue und plötzliche Liebe hatte den Verstand so gänzlich in Beschlag genommen, dass ich fortwährend entweder mit den Augen oder in Gedanken den geliebten Jüngling betrachtete und mir selbst beinahe nicht mehr im Klaren darüber war, welches Ende ich dem so glühenden Begehren wünschen sollte. O wie viele Male, begierig, ihn noch näher bei mir zu sehen, warf ich ihm vor, dass er hinter den andern stehen blieb, und hielt für Lauheit, was er aus Vorsicht tat! Schon wurden mir die jungen Männer unerträglich, die vor ihm standen und von denen einige sogar glaubten, mein Blick, der nach dem Gegenstand meines Verlangens suchte, sei auf sie gerichtet, und die sich daher wohl einbildeten, sie würden von mir geliebt. Während meine Gedanken in diesen Bahnen verharrten, endete das feierliche Hochamt, und meine Gefährtinnen hatten sich schon erhoben, um zu gehen, als auch ich es bemerkte und die Seele zurückrief, die um das Bild des so wohlgefälligen jungen Mannes kreiste. Ich stand daher mit den anderen auf, und die Augen immer noch ihm zugewandt, erkannte ich an seiner Mimik eben das, was ich mich gerade anschickte, ihm zu zeigen und tatsächlich zeigte, nämlich wie sehr es mich schmerzte zu gehen. Dann jedoch, nach einem Seufzer, ging ich fort, ohne zu wissen, wer er war.
9.
Ach, mitfühlsame Frauen, wer hätte es für möglich gehalten, dass sich ein Herz in einem einzigen Augenblick so verändern kann? Wer hätte geglaubt, dass man jemand, den man nie zuvor gesehen hat, gleich beim ersten Anblick über alle Maße lieben kann? Wer hätte gedacht, das Begehren, diesen zu sehen, könne derart entflammen, dass man die schwerste Pein fühlt, sobald man sich von seinem Anblick trennt, und nur noch wünscht, ihn wiederzusehen? Wer hätte sich vorgestellt, dass all die anderen Dinge, die vorher so viel Vergnügen bescherten, im Lichte dieser neuen Wendung nur noch Verdruss bereiteten? Ganz sicher niemand, es sei denn, er hat es selbst empfunden oder empfindet es in gleicher Weise, wie ich es tue. O jemine! Dass Amor, so wie er jetzt gegen mich mit unvorstellbarer Grausamkeit vorgeht, sogar Gefallen daran fand, ein ganz neues Gesetz anzuwenden, um mich zu erobern! Denn des Öfteren habe ich gehört, dass bei anderen das Begehren anfangs sehr leicht ist und erst allmählich, gespeist vom ständigen Grübeln, seine Kräfte steigert, bis es schließlich zur Last wird; bei mir trug es sich nicht so zu, im Gegenteil, mit gleicher Kraft war es ins Herz gedrungen, mit der es dann dort wohnte und immer noch wohnt. Vom ersten Tag an nahm mich Amor samt und sonders in Besitz; ganz ähnlich wie bei grünem Holz, das erst nur überaus schwer Feuer fängt, dann aber, einmal entbrannt, es länger und mit stärkerer Glut bewahrt, so erging es mir. Ich, die ich zuvor von niemandes Reizen je besiegt, wenn auch von etlichen in Versuchung geführt worden war, bin zuletzt von einem einzigen besiegt worden, und ich brannte und ich brenne, ich hütete und hüte mehr, als andere es jemals taten, das Feuer, das ich fing.
10.
Die vielen Gedanken, die mir, über das schon Erzählte hinaus, an jenem Vormittag wegen mancherlei Umstände durch den Kopf gingen, lass ich jetzt beiseite; ich halte nur fest,4 dass ich, in neuer Raserei5 entbrannt und die Seele zur Dienstmagd erniedrigt, wieder dahin zurückkehrte, von wo aus ich als freies Wesen aufgebrochen war. Als ich mich dort in meiner Kammer allein und müßig wiederfand, voll inbrünstiger Wünsche und neuer Gedanken und angestachelt von allerlei Sehnsüchten, die auf das innere Bild des einnehmenden jungen Mannes gerichtet waren, dachte ich, dass sich die Liebe, wenn man sie schon nicht aus mir heraustreiben konnte, doch wenigstens behutsam und verborgen in der traurigen Brust einhegen ließe; wie schwierig das indes umzusetzen ist, kann niemand ermessen, der es nicht selbst versucht hat: Es bereitet, dessen bin ich mir sicher, nicht weniger Ungemach als die Liebe selbst. Entschlossen, an diesem Vorsatz festzuhalten, nannte ich mich verliebt, ohne noch zu wissen, in wen.
11.
Es führte zu weit, im Einzelnen zu erzählen, wie viele und welche Gedanken dieser Liebe entsprangen, doch einige darunter nötigen mich gleichsam dazu, sie zu erläutern, zusammen mit jenen Dingen, die mir über das Gewohnte hinaus Vergnügen zu bereiten begannen. Ich halte also fest, nachdem ich alles andere hintangestellt hatte, war mir nur noch der Gedanke an den geliebten jungen Mann teuer; als mir aber schwante, es komme womöglich, wenn ich so fortfuhr, eben das ans Licht, was ich zu verheimlichen trachtete, schalt ich mich immer von Neuem; doch was nutzte es? Meine Vorwürfe machten doch nur wieder meinem Verlangen Platz und verflüchtigten sich nutzlos im Wind.
Mehrere Tage lang begehrte ich dringlichst zu wissen, wer der geliebte junge Mann war; um das herauszufinden, verfiel ich auf neue Listen; behutsam brachte ich es schließlich in Erfahrung, worüber ich nicht wenig beglückt war. Auch begann mir der Putz lieb und teuer zu werden, um den ich mich früher nicht bekümmert hatte, da es mich nicht danach verlangte. Ich meinte, herausgeputzt noch mehr zu gefallen; deshalb legte ich auf Kleider, Gold, Perlen und anderes Geschmeide mehr Wert als zuvor. Während ich bis dahin zu den Tempeln und den Festen, an die Meeresgestade und in die Gärten mit keinem anderen Wunsch gegangen war als dem, andere junge Frauen zu treffen, begann ich nun eben diese Orte mit ganz neuem Verlangen aufzusuchen, weil ich dachte, ich könnte dort zu meinem Vergnügen sehen und gesehen werden. Bald schwand das Vertrauen, das ich sonst in meine Schönheit gesetzt hatte; nie ließ mich meine Kammer gehen, ohne dass ich nicht zuvor den treuen Rat meines Spiegels eingeholt hätte; meine Hände, ich weiß nicht, welche Meisterin sie darin unterwiesen hatte, fanden jeden Tag eine noch anmutigere Zierde, indem sie der natürlichen Schönheit künstliche beigesellten, und putzten mich prächtiger heraus als jede andere.
Eben jene Ehrenbezeigungen, die mir von den anderen Damen aus höflichem Anstand entgegengebracht wurden, wenngleich sie auch meinem adligen Rang gelten mochten, fing ich an, gleichsam als etwas mir Zustehendes einzufordern; denn ich glaubte, dass mein Geliebter mich umso höher zu schätzen wüsste, wenn ich ihm erhabener erschien; mich floh der den Frauen angeborene Geiz, er ließ mich so zurück, dass mir all das, was ich besaß, so viel wert war, als gehörte es mir nicht; ich wurde sehr großzügig; die Kühnheit wuchs, und es mangelte ein wenig an weiblicher Zurückhaltung, sodass ich mich törichterweise für kostbarer als zuvor hielt; zu alledem veränderten meine Augen ihr Gebaren; hatten sie bis zu jenem Tag unbedarft um sich geblickt, versahen sie ihren Dienst nun mit wundersamer Kunstfertigkeit. Überdies gingen in mir noch viele andere Veränderungen vor sich, die ich nicht alle zu erzählen gedenke, weil es zu lang dauerte und weil ihr, die ihr wie ich verliebt seid, wisst, welcher Art und wie groß diese Wandlungen sind, die einer jeden widerfahren, die sich in dieser Lage befindet.
12.
Sehr umsichtig ging der junge Mann vor, wie sich viele Male zeigte. Selten und immer auf höchst ehrbare Weise kam er dorthin, wo ich war, und betrachtete mich auf das Vorsichtigste, als habe er sich dasselbe wie ich vorgenommen, nämlich die Liebesflammen in jeder Hinsicht zu verbergen. Wenn ich bestritte, dass die Liebe – obschon sie in mir so mächtig war, wie sie mächtiger nicht hätte sein können – intensiver wurde, wenn sich die Gelegenheit ihn zu sehen bot, so als dehnte sich dadurch die Seele unwillkürlich immer mehr aus, würde ich gewiss nicht die Wahrheit sagen. Er fachte die schon in mir lodernden Flammen weiter an und entzündete sie von Neuem, falls irgendeine erloschen war. Dabei war der Anfang nicht so heiter, dass das Ende nicht umso trauriger gewesen wäre, kaum dass ich seines Anblicks wieder beraubt war: Denn sobald die Augen um den Quell ihrer Freude gebracht wurden, gaben sie dem Herzen misslichen Anlass zur Klage, sodass die Seufzer, deren Anzahl und Intensität fortwährend zunahmen, und das Sehnen, das sich aller meiner Gefühle bemächtigte, mich mir selbst abhandenkommen ließen. Und als wäre ich gleichsam nicht dort, wo ich war, mussten sich jene, die mich sahen, ein ums andere Mal darüber wundern, woraufhin ich endlose Begründungen lieferte, die mir von Amor selbst eingegeben wurden. Darüber hinaus brachten sie mich oft um die nächtliche Ruhe und die tägliche Speise und rissen mich bisweilen zu eher rasenden als impulsiven Handlungen hin sowie zu Worten, die mir zutiefst fremd waren.
13.
Die größeren Zierden, die feurigen Seufzer, das neue Gebaren, die verlorene Ruhe und all die anderen Dinge, die mit der neuen Liebe in mein Leben getreten waren, ließen unter den anderen Hausbediensteten auch meine Amme, an Jahren alt und an Erfahrung nicht jung, über mich staunen. Sie hatte zwar am eigenen Leib die beißenden Flammen erfahren, gab aber vor, sie nicht zu kennen, und wies mich wiederholt wegen meines veränderten Verhaltens zurecht. Als sie mich eines Tages melancholisch auf dem Bett liegend antraf und meine gedankenschwere Stirn sah, begann sie, kaum dass sie uns von aller anderen Gesellschaft befreit sah, so zu mir zu sprechen:
14.
«O Tochter, mir so lieb wie ich mir selbst, welche Unruhe bedrückt dich in letzter Zeit? Du verbringst keine Stunde, ohne zu seufzen; bis dahin sah ich dich immer fröhlich und ohne jede Melancholie.»
Nach einem großen Seufzer, mehrfach die Farbe im Gesicht wechselnd, gab ich erst vor, zu schlafen und nichts gehört zu haben, drehte mich dann mal hierhin und mal dorthin, um Zeit für die Antwort zu gewinnen; schließlich antwortete ich ihr, obwohl die Zunge kaum ein vollständiges Wort herauszubringen vermochte: «Liebe Amme, nichts Neues bedrückt mich, auch fühle ich nicht mehr Sorgen als sonst; nur der Lauf der Gestirne, aufgrund dessen sich die Menschen nicht immer gleich benehmen, stimmt mich jetzt nachdenklicher, als ich es früher war.»
«Gewiss täuschst du mich, liebe Tochter», erwiderte die alte Amme, «obendrein bedenkst du offenkundig nicht, wie schwer es ist, ältere Menschen mit Worten von einer Sache überzeugen zu wollen, während du mit deinem Verhalten gleichzeitig das Gegenteil davon zeigst; du brauchst mir nicht zu verbergen, was ich schon seit mehreren Tagen an dir in aller Klarheit erkannt habe.»
O je! Als ich das vernahm, sagte ich ihr, mich zugleich beklagend, fürchtend und empörend: «Na, wenn du es weißt, was fragst du mich dann? Du musst nicht mehr tun, als zu verbergen, was du weißt.»
«Sehr wohl», sagte sie darauf, «werde ich verbergen, was sich nicht geziemt, dass andere es wissen, und eher wird sich die Erde auftun und mich verschlingen, als dass ich je Dinge offenlege, die dir zu Schande gereichen könnten; seit Langem habe ich gelernt, Dinge zu verbergen. Und deshalb brauchst du dich nicht zu sorgen, trachte aber mit Sorgfalt danach, dass andere nicht erkennen, was ich, ohne dass du oder andere es mir gesagt hätten, an deinem Gesicht habe ablesen können. Indes, wenn dir jene Torheit gut zu Gesicht stünde, der du, wie ich weiß, verfallen bist, wenn du dir noch etwas von dem Verstand, den du einmal hattest, bewahrt hättest, ließe ich dich allein darüber nachsinnen, da ich ganz sicher sein könnte, dass meine Ratschläge nicht vonnöten sind. Da aber dieser grausame Tyrann, vor dem du dich, jung wie du nun einmal bist, nicht in Acht genommen und dem du dich einfältig unterworfen hast, zusammen mit der Freiheit gewöhnlich das Einsichtsvermögen in Beschlag nimmt, ist es an mir, dich zu ermahnen und zu bitten, dass du aus deiner keuschen Brust all die schrecklichen Dinge herausreißt und verscheuchst, die ehrlosen Flammen löschst und dich nicht länger zur Dienstmagd dieser schändlichsten Hoffnung machst.6 Es ist höchste Zeit, sich mit aller Macht zu widersetzen, denn wer den Anfängen wehrt, den niederträchtigen Amor verjagt, lebt in Sicherheit und ist Sieger;7 wer ihn hingegen unaufhörlich mit Gedanken und Schmeicheleien nährt, der lehnt sich zu spät gegen das Joch auf, dem er sich gleichsam aus freien Stücken unterwarf.»
«O weh», sagte ich, «um wie viel leichter ist es doch, das zu sagen, als es umzusetzen!»
«Selbst wenn es schwer zu vollbringen sein mag, so ist es doch möglich», sagte sie, «und es zu tun, ziemt sich. Schau nur, was passiert, wenn du den hohen Rang deiner Familie, den großen Ruhm deiner Tugend, die Blüte deiner Schönheit, die Ehrerbietung der heutigen Gesellschaft und all das andere, das einer edlen Dame teuer sein muss, und darüber hinaus noch die Huld deines Gatten, von dir so geliebt wie du von ihm, für diese eine Sache einzubüßen bereit bist. Sicher wirst du das nicht wollen, auch glaube ich nicht, dass du es wolltest, wenn du dich nur klug mit dir selbst berietest. Deshalb, bei Gott, nimm dich zusammen und verjag die trügerischen Freuden, die dir die unheilvolle Hoffnung verspricht, und mit ihnen zugleich jene Raserei, die über dich kam. Bei dieser alten und von vielen Drangsalen ermatteten Brust, von der du zuerst die nährende Speise empfingst, bitte ich dich, dass du dir selber hilfst, du um deine Ehre bedacht bist und dabei meine Ermahnungen nicht zurückweist: Bedenke, welch großen Anteil an der Gesundung der Wille, geheilt zu werden, hat.»8
Darauf begann ich: «O liebe Amme, ich weiß ja wohl, dass das, was du sagst, wahr ist; aber das Liebesrasen zwingt mich dazu, dem Schlechteren zu folgen,9 während die einsichtige Seele, die von ihren Wünschen überquillt, vergeblich nach heilbringenden Ratschlägen lechzt; eben das, was die Vernunft will, wird sogleich von der herrschenden Raserei besiegt. Kraft seiner göttlichen Natur besitzt und beherrscht Amor unseren Geist vollständig, und du weißt selbst, dass es keinen Sinn hat, sich seiner Macht zu widersetzen.»
Nachdem ich das gesagt hatte, fiel ich wie besinnungslos auf meine Arme zurück. Sie jedoch, um einiges aufgebrachter als zuvor, begann mit noch gestrengerer Stimme solche Rede:
15.
«Ihr Schar der verliebten jungen Frauen, entflammt von feurigem, euch anspornendem Begehren, habt herausgefunden, dass Amor ein Gott ist, den man doch passender als Raserei bezeichnen sollte, und nanntet ihn den Sohn der Venus, der, wie ihr sagt, seine Macht aus dem dritten Himmel10 bezieht, ganz so als wolltet ihr euren Wahnsinn als Notwendigkeit entschuldigen. O ihr Betrogenen, die ihr wahrlich außerhalb jeglicher Einsicht steht! Was redet ihr da? Jener, der von infernalischer Raserei angetrieben im geschwinden Flug alle Länder besucht, ist keine Gottheit, sondern vielmehr der Irrsinn dessen, der ihn bei sich willkommen heißt; wenngleich er zumeist nur die besucht, die weltliches Glück im Überfluss besitzen und von deren Seelen er weiß, dass sie eitel sind und ihm bereitwillig Einlass gewähren: Das ist uns allen hinlänglich bekannt. Denn sehen wir nicht, dass die allerheiligste Venus in die kleinsten Hütten nur dann hilfsbereit eintritt, wenn es für unsere Fortpflanzung notwendig ist? Ganz gewiss; dieser aber, den man nicht Furor, sondern Amor nennt, und den es stets nach Lasterhaftem gelüstet, nähert sich nur den Orten, denen das Glück hold ist. Er schmäht Speisen und Kleider, wenn sie nur dem naturgegebenen Bedürfnis genügen, und verführt zu delikaten Gaumenfreuden und glänzenden Gewändern, in die er seine Gifte mischt, um die Elenden zu fesseln; er, der so gerne in großen Palästen wohnt, lässt sich darum bloß selten oder gar nicht in ärmlichen Hütten blicken; denn er ist eine Seuche, die sich nur feine Orte auswählt, weil sie mit dem Zweck seines unheilvollen Tuns übereinstimmen. Im einfachen Volk sehen wir gesunde Empfindungen; die Wohlhabenden hingegen, die überall in Reichtümern erstrahlen, sind in diesen wie in allen anderen Dingen unersättlich, ja sie begehren stets mehr, als nötig ist, und wollen eben das tun können, was selbst dem, der sehr viel kann, nicht möglich ist. Von diesen, meine ich, bist du selbst eine, o allerunglücklichste junge Frau, die du aufgrund des Überflusses, in dem du lebst, nun in neuen und schimpflichen Kummer geraten bist.»
Nachdem ich ihr lange zugehört hatte, sagte ich: «O Alte, schweig und rede nicht wider die Götter. Du bist nicht mehr imstande, seine Wirkungen zu fühlen, und wirst mit gutem Grund von jedem abgewiesen; was redest du mutwillig gegen ihn und tadelst nun das, was dir selbst früher gefiel. Wenn ihn andere Frauen, die berühmter, weiser und mächtiger als ich sind, vormals so nannten und immer noch so nennen, kann ich ihm doch schlecht einen neuen Namen geben; ihm bin ich wahrlich untertan, was auch immer daraus hervorgehen mag, meine Glückseligkeit oder mein Verhängnis, länger vermag ich jedenfalls nicht standzuhalten. Meine Kräfte sind erschöpft, die ich gegen die seinen mehrfach ins Feld führte, sie haben den Rückzug angetreten. Folglich bleibt nur der Tod oder eben der ersehnte Jüngling als einzig mögliches Ende meiner Leiden; du solltest, wenn du wirklich so klug bist, wie ich meine, besser auf Rat und Abhilfe sinnen, um diese Leiden zu mindern; darum bitte ich dich: oder hör zumindest auf, sie noch zu verschlimmern, indem du tadelst, wohin meine Seele, die zu nichts anderem mehr imstande ist, mit all ihren Kräften hinneigt.»
Unterdessen ging sie aufgebracht, und das nicht ohne Grund, aus der Kammer, ich weiß nicht was in sich hineinmurmelnd, ohne mir eine Antwort zu geben, und ließ mich mutterseelenallein zurück.
16.
Ohne noch etwas zu mir gesagt zu haben, verließ mich die liebe Amme, deren Ratschläge ich sehr zu meinem Leidwesen verwarf; allein gelassen erwog ich ihre Worte in der aufgewühlten Brust hin und her; auch wenn mein Einsichtsvermögen schon getrübt war, schienen sie mir doch voller Würze zu sein – schon bereute ich, was ich ihr vorher so entschieden zu meinem Vorsatz gesagt hatte, und schwankte in meinem Gedanken. Als ich gerade darauf verfiel, von den verderblichen Absichten besser abzurücken, und sie zu meinem Trost zurückrufen wollte, hielt mich ein neuer, plötzlich eintretender Umstand davon ab; denn in meiner geheimsten Kammer, ich weiß nicht, wie sie dahin gelangt war, bot sich eine bildschöne Frau meinem Blick dar, umstrahlt von so viel Licht, dass meine Augen ihm kaum standzuhalten vermochten. Während sie noch schweigend vor mir stand, schärfte ich, so gut ich konnte, meine Augen wegen der gleißenden Helle, und schaute solange nach vorne, bis ihre schöne Gestalt endlich zu erkennen war: Ich sah sie gänzlich nackt, bis auf ein hauchdünnes purpurnes Tuch, das den schneeweißen Körper zwar an manchen Stellen bedeckte, ihn aber meinen Blicken nicht anders verbarg als eine Statue hinter reinstem Glas; ihren Kopf, dessen Locken den Glanz des Goldes um ebenso viel übertrafen, wie das Gold selbst die blondesten Haare unter uns, hatte sie mit einer Girlande aus grüner Myrte bekränzt, in deren Schatten ich zwei wunderbar leuchtende Augen sah, von unvergleichlicher Schönheit und über alle Maßen lieblich anzuschauen; so schön war alles andere an ihrem Gesicht, dass sich hienieden nichts Ähnliches findet. Sie sagte kein Wort, vielmehr zeigte sie mir in dem glänzenden Licht allmählich noch deutlicher all ihre schönen Glieder, vielleicht weil sie froh war, dass ich sie so betrachtete, oder auch weil sie mich froh in ihrer Betrachtung versunken sah; so kam es, dass ich Schönheiten an ihr erblickte, wie sie in Worten nicht wiederzugeben sind und die sich kein Sterblicher, der sie nicht gesehen hat, vorstellen kann. Als sie bemerkte, dass sie von mir allseits gemustert worden war und ich mich sowohl über ihre Schönheit als auch über ihr Erscheinen an diesem Ort verwunderte, begann sie mit heiterem Gesicht und einer Stimme, die viel weicher als unsere klang, zu mir zu sprechen:
17.
«O junge Frau, wie viel wankelmütiger als andere bist du, was gedenkst du mit den neuen Ratschlägen der alten Amme anzufangen? Weißt du denn nicht, dass es viel schwieriger ist, ihnen zu folgen als der Liebe selbst, die du fliehen möchtest? Weißt du denn nicht, welchen Kummer sie für dich bereithalten, wie groß und wie unerträglich er sein wird? Wie unermesslich dumm bist du doch, dass du, die du gerade erst eine der unsrigen geworden bist, dir wegen der Worte einer Alten wünschst, nicht mehr die unsrige zu sein, ganz so wie eine, die nicht weiß, wie viele und was für Lustbarkeiten wir zu bieten haben. O wie wenig klug du doch bist, sei standhaft und überlege dir eingedenk unserer Worte, ob dir nicht das, was dem Himmel und der Erde reichte, ebenfalls reichen könnte. Über all das, worauf Phöbus am helllichten Tag schaut, von dem Moment, in dem er mit hellen Strahlen aus dem Ganges auftaucht, bis zu der Stunde, da er sich nach all den Anstrengungen eine Pause gönnt und in die Wellen Hesperiens mit seinem ermüdeten Pferdegespann eintaucht, und über all das, was sich zwischen dem kühlen Arktur und dem glühenden Pol erstreckt, herrscht unser geflügelter Sohn unangefochten. Im Himmel ist er kein Gott wie die anderen, er ist weit mächtiger als sie, denn unter ihnen ist keiner, der von seinen Waffen nicht besiegt worden wäre. Auf goldenen Schwingen fliegt er in einem Nu schwerelos über seine Reiche, sucht sie alle auf und legt, den starken Bogen in der Hand, seine von uns gefertigten und in unsere Wogen getauchten Pfeile in die gespannte Sehne; und wenn er jemanden auswählt, weil er ihn für würdiger zu seinem Dienst hält als andere, schickt er sie in Windeseile, wohin es ihm gefällt.
Bei den Jüngeren schürt er die heftigsten Flammen, bei den Älteren bringt er die erloschene Hitze wieder zum Glühen; mit ungeahntem Feuer setzt er die keuschen Brüste der Jungfrauen in Brand, bringt gleichermaßen die Verheirateten und die Witwen zum Sieden. Er befahl den von seinen Fackeln entflammten Göttern, vom Himmel hinabzusteigen und unter falscher Gestalt die Erde zu bewohnen. War es nicht so, dass Phöbus, der den großen Python besiegte und die Leiern des Parnass anstimmte, etliche Male von ihm unterjocht wurde, mal war Daphne, mal war Climene der Grund, dann wieder Leucotoe und viele andere? Gewiss tat er das; und zuletzt weidete er die Rinderherde Admets, seine strahlende Erscheinung hinter der gemeinen Gestalt eines verliebten Hirten verbergend.
Jupiter selbst, der den Himmel regiert, schlüpfte, von ihm bezwungen, in eine niedere Gestalt. Bald bewegte er als weißer Vogel die Flügel, süßer in seiner Stimme als ein sterbender Schwan; bald brüllte er als junger Stier, die Stirn mit Hörnern gewappnet, über die Felder, bot demütig seinen Rücken dar zum jungfräulichen Spiel und durch des Bruders Reiche bewegte er sich mit gespaltenen Hufen, als wären es Ruder, die starke Brust der Tiefe entgegenstemmend, um sein Raubgut zu genießen.11 Von ihm, der Semele zuliebe wieder in seine eigene Gestalt zurückkehrte, der sich Alkmene zuliebe in Amphitryon verwandelte, der sich für Kallisto in Diana verwandelte, oder für Danaä zu Gold wurde, reden wir jetzt nicht, weil es sonst zu lang dauern würde. Und der grimmige Gott der Waffen, dessen rote Feuerglut sogar die Giganten erschreckte, mäßigte seine schreckliche Erscheinung unter Amors Macht und wurde zum Liebenden. Und der ans Feuer gewohnte Schmied Jupiters, der die Blitze mit den drei Zacken fertigte, wurde ebenfalls von dem, der mächtiger ist, in Brand gesetzt. Und uns ergeht es ähnlich, wir haben uns, obgleich wir seine Mutter sind, vor ihm nicht schützen können, so wie es unsere Tränen über des Adonis’ Tod deutlich zeigten. Aber warum machen wir uns die Mühe so vieler Worte? Keine Gottheit ist im Himmel, die nicht von ihm verwundet worden wäre, allenfalls Diana, die ihm entfloh, sich allein in den Wäldern verlustierte, falls sie sich dort nicht vielmehr verbarg, wie andere behaupten.
Doch solltest du womöglich die aus dem Götterhimmel gewählten Beispiele als unglaubwürdig verschmähen und solche vorziehen, die ihn auf Erden zu spüren bekamen, so sind das so viele, dass damit anzufangen kaum möglich ist; zurecht indes sagen wir dir, dass alle von ihm Getroffenen vortrefflich waren. Man sollte vielleicht als Erstes auf den kraftstrotzenden Sohn der Alkmene schauen, der Pfeile und furchteinflößendes Löwenfell ablegte, sich grüne Smaragde an die Finger stecken sowie die zerzausten Haare glätten ließ, der mit eben der Hand, mit der er kurz zuvor noch die harte Keule führte, den großen Antaios tötete und den Höllenhund herausschleifte, nun die ihm von Iole gereichten Wollfäden hinter dem sich drehenden Spindelrocken langzog und der die Schultern, auf denen einmal, als er Atlas ablöste, das hohe Himmelsgewölbe geruht hatte, erst von den Armen der Iole umschlingen und dann, um ihr zu gefallen, mit feinen Purpurkleidern bedecken ließ. Was um Amors willen nicht alles Paris, was Helena, was Klytämnestra oder Ägisth taten, weiß die ganze Welt; und ebenso schweigen will ich von Achill, Skylla, Ariadne, Leander, Dido und vielen mehr. Heilig ist dieses Feuer, glaub’ mir, und allzu mächtig!12
