Das Ende der liegenden Acht - Jörn Birkholz - E-Book

Das Ende der liegenden Acht E-Book

Jörn Birkholz

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Beschreibung

Clemens, 41, gutsituiert, fährt auf einer zwanghaften Reise von Dating-Kontakt zu Dating-Kontakt Deutschlands Autobahnen ab. Er belässt jede der Frauen in dem Glauben, seine einzige Freundin zu sein. In Rostock bleibt er - um Zeit zu überbrücken und aus einer spontanen Entscheidung heraus - länger als geplant. Im Umfeld seiner Rostocker Geliebten Birgit häufen sich aber überraschende Zwischenfälle, bis ein unerwartetes Ereignis das Leben aller Beteiligten vollkommen aus der Bahn wirft.

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Jörn Birkholz

Das Ende der liegenden Acht

Erzählung

- Über dieses Buch -

Clemens, 41, gutsituiert, fährt auf einer zwanghaften Reise von Dating-Kontakt zu Dating-Kontakt Deutschlands Autobahnen ab. Er belässt jede der Frauen in dem Glauben, seine einzige Freundin zu sein. In Rostock bleibt er – um Zeit zu überbrücken und aus einer spontanen Entscheidung heraus – länger als geplant. Im Umfeld seiner Rostocker Geliebten Birgit häufen sich aber überraschende Zwischenfälle, bis ein unerwartetes Ereignis das Leben aller Beteiligten vollkommen aus der Bahn wirft.

»… Man müsste sich schon fragen, ob Jörn Birkholz ein schlechter Mensch ist – oder ein begnadeter Schriftsteller.«

Jan-Paul Koopmann, www.taz.de

»… Guter Plot, klarer Spannungsbogen, ernüchterndes Ende, das einem nachhängt, Milieu und Figuren glaubhaft. Keine gekünstelten Dialoge, und eine »Sau« ist auch eine »Sau«. Erfrischend!«

Dirk Meißner, Strombuch

 

 

 

Sie schlief jetzt, ich hatte nicht sehr lange warten müssen. Mechanisch kroch ich aus den Laken. Im Flur stolperte ich über ihren Kater. Das eifersüchtige Mistvieh war zwei Mal aufs Bett gesprungen, bevor Karin ihn aus dem Schlafzimmer geworfen hatte. Nachdem ich die Wohnung verlassen hatte, fuhr ich zwanzig Minuten später auf die wenig befahrene A Zwanzig. Noch hundertdreiundsiebzig Kilometer, verriet mir ein im unteren Teil eingedelltes Autobahnhinweisschild. Das müsste in einer Stunde zu schaffen sein. Ich trat aufs Pedal.

 

Ungeduldig suchte ich in der symmetrischen Anordnung von Klingeln die richtige. In der fünften Reihe fand ich sie schließlich, die achte von rechts. Ich drückte mehrmals hintereinander. Kurz darauf dröhnte der Summer, und ich öffnete die Eingangstür. Unter den ramponiert wirkenden Briefkästen zu meiner Linken lagen zerfledderte Zeitungen und Werbeprospekte. Ich ging zum Fahrstuhl. Eine etwa hundertjährige, in einen grauen Mantel gehüllte Alte mit Gehilfen mühte sich aus dem Blechsarg. Sie musterte mich kurz mit ihren wässrigen Augen und schleppte sich ächzend an mir vorbei. Ich betrat den Fahrstuhl, drinnen roch es nach der Alten und auch ein bisschen nach Urin. Ich drückte die angekokelte Fünf. Schwerfällig quietschend schlossen sich die Türen. Ruckelnd setzte sich das Teil in Bewegung. Sieg heill, Ich bin stolz auf deutsche Reich (deutsche Reich wild durchgestrichen), Kack Nigger, Hansa-Ultras forever, Sarah treibts mit Jerome, stimmt nicht, alte Fotzenwix, schwul ist cool, Bushido überflog ich die Wandmalereien. Ruckartig kam der Aufzug im fünften Stock zum Stehen. Ich stieg aus, und Sekunden später stand ich auf einer abgenutzten Matte vor der Wohnungstür. Ich lauschte, bevor ich klingelte. Ein Fernseher lief in übertriebener Lautstärke. Ich drückte den Nippel. Der aggressiv grelle Klingelton durchschnitt die Stille des Flures. Bewegung im Inneren der Wohnung, die Tür öffnete sich. Ein zierliches Mädchen, etwa vier bis fünf Jahre alt, im rosa Kleidchen und mit Resten von Schokoladensauce oder Ähnlichem um die Mundwinkel, stierte mich an.

»Wer bist du?«, fragte sie.

»Ist deine Mama da?«, fragte ich so galant und harmlos wie möglich.

»Wer bist du denn?«, fragte die Kleine beharrlich noch mal.

Wieso war ihr verdammtes Kind überhaupt da? Ich bekam schlechte Laune, und für einen Moment verspürte ich den Drang, einfach kehrtzumachen. Aber wie so oft war die Neugier stärker.

»Ich bin ein Freund deiner Mutter«, antwortete ich und bemühte mich gar nicht mehr, freundlich zu sein. Ohne das zu registrieren, schob es sich seinen dreckigen Finger in den Mund, schnalzte mit der Zunge und verkündete: »Onkel Lutz ist da.«

Onkel Lutz! Wer, verdammte Scheiße, war Onkel Lutz?! Okay, lass abhauen! dachte ich panisch. Ich begann gerade von der geöffneten Tür zurückzuweichen, da dröhnte eine tiefe raue Stimme aus dem hinteren Teil der Wohnung in den Flur. »Fenja!? Wer ist ’n da?« Zu spät! »Ein dünner Mann«, antwortete das freche Biest piepsend zurück. Widerstrebend lugte ich in die Wohnung. Ein süßlich modriger Geruch drang mir in die empfindliche Nase. Die kleine Torwächterin beobachtete mich weiterhin mit scharfer kindlicher Neugier. Ein robuster Bursche mit aschblonder Napola-Frisur, mit Trainingsanzug und Turnschuhen bekleidet, kam energischen Schrittes auf die Tür zugestürmt. Ich versuchte, nicht ängstlich zurückzuzucken.

»Du bist Clemens, nech?« Abschätzend betrachtete er mich.

»Ja«, antwortete ich matt. Ich ließ seine behaarte Pranke fest meine Klavierspieler-Gräten umklammern.

»Lutz.«

»Äh, ja, freut mich.«

»Worauf wartest du? Komm rein, Mann!«

Es gab kein Zurück mehr. Er ließ meine Hand wieder frei, und ich trat ein. Ich warf einen flüchtigen Blick über den mit unzähligen Flecken verzierten Flokatiteppich und folgte ihm schweigend. Das dreckige Kind lief uns hinterher. Ein gigantischer Flachbildfernseher, der wie ein Monolith im Zentrum des Wohnzimmers stand, strahlte sein stupides Programm in die primitiven Räumlichkeiten. Birgit erhob sich von der geschmacklosen bunten Couch und umarmte mich unsicher. Das Kind flegelte sich auf den frei gewordenen Platz der Mutter und fing ungeniert an, mich zu beobachten, und genau so ungeniert spreizte es dabei die Beine.

»Hallo«, hauchte Birgit. »Du bist ein bisschen zu früh.«

»Ich weiß«, sagte ich. In Wahrheit war ich knapp eine halbe Stunde zu spät, aber wen interessierte das. Viel mehr interessierte mich, was dieser verdammte Nazischläger und die neugierige Göre hier machten und dass die reale Birgit optisch nicht dem entsprach, was mir ihr Profilfoto vorgegaukelt hatte, womit ich natürlich bis zu einem gewissen Grad gerechnet hatte, und doch hatte ich eine weniger starke Diskrepanz zwischen Foto und Realität erhofft. Die arme Birgit sah extrem verbraucht aus, zu viele Falten für eine Vierundvierzigjährige, immerhin noch volles schwarzes Haar, aber ganz simple, erschlaffte Gesichtszüge, ohne jeden Reiz. Zum Glück hatte sie dicke Titten und einen recht ausladenden Arsch. Beides kam unter einem lila Top und den engen Jeans eindrucksvoll zur Geltung. Wenn möglich, würde ich mich später wohl auf dieses beides konzentrieren müssen. Mit geübtem Blick bemerkte ich sofort, dass Birgit mit meinem Erscheinungsbild durchaus zufrieden war.

»Okay, ich hau dann mal ab«, polterte der Trainingsanzug. Ich wich schnell zur Seite, und weil ich nicht wusste, wo ich hinschauen sollte, glotzte ich stumpf, wie die Kleine, „Shopping Queen“ auf VOX. Der Hitlerjunge schwallerte eine Weile auf Birgit ein, bis er abschließend verkündete: »Ich will deshalb nicht noch mal kommen müssen!« Dann machte er noch eine angedeutete Schlagbewegung, woraufhin Birgit angstvoll zurückwich und ihn unterwürfig anlächelte.

»Alles klar, Mann«, grunzte er zu mir hinüber, zündete sich eine Zigarette an, und ging, ohne sich die Mühe zu machen, mir noch einmal die Hand zu geben.

»Das war mein kleiner Bruder«, verkündete Birgit. Ich nickte knapp. »Willst du was trinken … Kaffee, Cola, ’n Bier oder was Stärkeres?«

»Hast du Wasser?«

»Nur Leitungswasser.«

»Cola.«

Sie lächelte schüchtern und ging in die Küche. Ich warf nochmals einen prüfenden Blick auf ihren Arsch – passte schon.

»Wie heißt du?«, fragte die Kleine.

»Kannst du den blöden Fernseher nicht mal leiser stellen?«

»Nö!«, widersprach das störrische Kind und drehte die Lautstärke noch ein ordentliches Stück höher.

»Fenja, mach das sofort leiser, sonst geht’s ab in dein Zimmer!«, donnerte es aus der Küche.

Die Drohung saß, umgehend wurde die Lautstärke von vorher wieder hergestellt.

»Was willst du von meiner Mama?«

Verdammte direkte Kinderfragen.

Birgit kam mit einem roten Plastikbecher mit Cola und einer Flasche Rostocker Export zurück. Bestimmt nahm sie dem Kind die gigantische Fernbedienung aus der Hand und fuhr den Ton runter. Das Kind fing an zu motzen, Birgit ermahnte es, und als die Kleine hysterisch wurde und unerträglich schrill zu heulen anfing, zerrte sie sie in ihr Zimmer und zwang sie, ins Bett zu gehen. Erst nachdem noch einige Gegenstände von innen gegen die Tür geschleudert worden waren, kehrte Ruhe ein.

»Sorry, aber sie ist sonst eigentlich ganz lieb. Liegt wahrscheinlich daran, dass hier heute so viel los ist«, rechtfertigte sich Birgit.

Sie hatte ja keine Ahnung, wie egal mir das war.

»Magst du Kinder?«, fragte die Arme unerträglich naiv.

»Ja«, antwortete ich lächelnd.

Birgit begann jetzt ein Gespräch mit mir zu führen, dessen Intensität, ihrer Hoffnung nach, wohl übers standardisierte Chatgeplauder hinausgehen sollte, mich aber dennoch mehrere Gähner unterdrücken ließ. Ein verbales Vorspiel ohne Reiz. Die blöde Kuh fragte mich nach meiner Vergangenheit, nach meinen Vorlieben, Wünschen, Träumen(!), Sternzeichen, Lieblingsfilmen, Lieblingsessen und, man soll’s nicht glauben – nach meiner Lieblingsfarbe. Ich bemühte mich höflich, wie schon im Netz, Lüge und Antwort zu stehen. Pflichtbewusst sabberte auch ich einige Fragen heraus, auf die sie sich nur zu bereitwillig stürzte, während ich, derweil sie noch gewissenhaft Antwort gab, das Meiste gleich wieder vergessen hatte. Im Verlaufe unserer schlichten Konversation bemerkte ich, dass sich ihr Lächeln phasenweise in ein Strahlen verwandelte, das etwas Weiches an sich hatte. Ferner erzählte mir die gesprächige Birgit, dass ihre ‚Älteste’ (sechzehn) jetzt seit einem halben Jahr mit ihrem Freund zusammenlebe und nun auch noch schwanger sei und sie (Birgit) jetzt gar nicht wisse, was sie machen solle, und der ‚Jeremy’ (mutmaßlicher Freund der Tochter) ja auch gar keinen Job, keine Ausbildung, ja nicht einmal einen Schulabschluss habe. Ich sonderte irgendwelche nichtssagenden Floskeln ab, heuchelte Bedauern mit dem ‚armen’ Luder und fragte im gleichen Atemzug, ob sie für mich vielleicht auch ein Bier hätte. Natürlich hatte sie eins. Sofort entschuldigte sie sich für ihr ‚nerviges Geplapper’ und verschwand in die Küche. Nachdem mir ein Bier, begleitet von einem warmen Lächeln, gebracht worden war, schauten wir schweigend die RTL2-News.

Zwanzig Minuten später fanden wir uns im schlecht gelüfteten Schlafzimmer wieder, und schon bald darauf war ich in ihr. Er stand mir nicht richtig. Ich war es zu überstürzt angegangen. Birgit bemühte sich vergeblich, durch eifrige Beckenstöße und laszives Bearbeiten meiner Eier und meines Anus die ganze Sache voranzubringen. Ich ließ von ihr ab, und schweigend lagen wir eine Weile nebeneinander.

»Willst du eine rauchen?«, fragte sie schüchtern.

»Nein.«