Das Ende der Weltmafia - Rolf Nagel - E-Book

Das Ende der Weltmafia E-Book

Rolf Nagel

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  • Herausgeber: neobooks
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Der Roman handelt über das mögliche Luxusleben der Mafia Bosse und deren Zukunft. Die wirtschaftlichen Zusammenhänge und die Geschäfte der Mafia. Ohne großes Blutvergießen, fehlt es dennoch nicht an Dramatik. Der Autor erzählt die Geschichte als aussenstehender Betrachter, wie ein einfacher Bänker zum Mafiaboss aufsteigt. Dabei fehlt es nicht an Romantik. Ideal für Reisen- und Urlaubszeiten.

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Seitenzahl: 273

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Rolf Nagel

Das Ende der Weltmafia

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Der Bänker wurde Opfer einer süßen

Der Mafiaboss machte sich Gedanken über die Zukunft seiner Tochter

Die Entscheidung der Intriganten war gefallen

Der Boss spielte seine Kontakte aus

In einem Schweitzer Internat bekamen alle eine Erziehung

Das verliebte Paar zog in die Villa in Palermo ein

Keine Hochzeitsglocken ohne Zustimmung von Don Rosso

Karl ist Fassungslos über das Vermögen

Ein Fehler könnte zum tödlichen Krieg führen

Karl griff in die Weltwirtschaft ein

Die Hochzeit war ein rauschendes Fest

Schweigegelübde, der Boss entlarft sich

Kein Zurück, wenn er sein Leben liebte

Die Fischplatte konnte die Todesschützen nicht zurückhalten

Karl führte eine neue Überwachungssoftware ein

Die Zusammenkunft der Bosse musste geplant sein

Mit einem Schachzug entledigten sie sich eines Abtrünnigen entledigen

Karl wird in die Verschlüsselungstechnik eingeführt

Die Stadt der Liebe bekam einen neuen Vorstand

Der Sturm riss den Privatjet in den Sturzflug

Treffen des Chefs der Triaden-Clans in Hongkong

Vorübergehend kehrte der Alltag in die Villa ein

Der Killer war glücklich über den Schachzug in Hongkong

Die Agenda für das internationale Meeting

Neue Führung in Italien

Unsicherheit über eine mögliche Blutschlacht

Aussprache der internationalen Bosse

Die Berichterstattung überhitzte einige Gemüter

In der Mittagspause sollten sich die Gemüter beruhigen

Der Vortrag des Bosses verfügte über Sprengstoff

Eine Eskalation drohte

Lieber sterben als in den Ruhestand treten

Auf dem Wege der Umorganisation würde es viele Tote geben

Überraschte bei der Wahl

Alles anders in der Abschlussversammlung

Der Oberboss holte sich den Thron zurück

Impressum neobooks

Vorwort

Der Roman beschreibt das Ende der internationalen Mafia im Jahre 2020 und die Geschichte eines gutbürgerlichen Bankangestellten, der durch eine Intrige die rechte Hand des obersten Bosses der sizilianischen Mafia wurde.Der Autor war Jahrzehnte lang als Topmanager in der internationalen Finanzwelt tätig. Als Geschäftsführer einer der ersten deutschen Risikokapitalgesellschaften, die sich bei Unternehmen aus der Softwarewelt engagierte, erhielt er später tiefe Einblicke in die Finanzströme der weltweit agierenden Unternehmensbeteiligungsbanken.Unweigerlich und beinahe zwangsweise kam er bei diesen Geschäften in Kontakt mit dubiosen Persönlichkeiten. Dabei ist es äußerst ratsam, sich in dieser Schattenwelt nicht persönlich zu verstricken.Über einige Jahre hinweg entwickelte sich beim Autor der Gedanke, einen Kriminalroman über die Organisation der internationalen Mafia zu schreiben. Eigene wirtschaftliche Erfahrungen sollten in die Geschichte einfließen. Der Roman erhebt keinen Anspruch auf wissenschaftliche Recherche und Genauigkeit, sondern soll den Eindruck des Autors wiedergeben.Häufig erlebte der Autor beim eigenen Bücherstudium, dass er aus zeitlichen Gründen eine Geschichte nicht von Anfang bis Ende lesen konnte. Beim Neubeginn musste er jeweils einige Abschnitte nochmals lesen, um der Geschichte folgen zu können. Dieser Roman soll dem entgegenwirken und eine leichte Lektüre darstellen, die mit ins sich geschlossen Kapiteln einen abschnittweisen Wiedereinstieg erleichtert und sich so bestens für Urlaubszeiten oder Reisen eignet.Dem Autor ist daran gelegen, wirtschaftliche Zusammenhänge einfließen zu lassen, ohne den Leserinnen und Lesern wirtschaftliche Kenntnisse abzuverlangen. Auch wenn die Dramatik keineswegs fehlt, handelt es sich nicht um eine weitere blutrünstige Mafia-Erzählung, wie es sie schon zahlreich gibt.Der Roman gibt das tägliche Leben wieder und gewährt einen Ausblick in die Zukunft der Drahtzieher. Die mafiosen Akteure agieren heute in der Geschäftswelt wesentlich unauffälliger, als dies allgemein vermutet wird.Es ist nicht auszuschließen, dass sich einige Passagen tatsächlich so zugetragen haben oder in der Zukunft noch so entwickeln werden. Dennoch sind sämtliche Handlungen frei erfunden. Ähnlichkeiten mit Orten, Handlungen oder Personen sind rein zufälliger Natur.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.

Der Bänker wurde Opfer einer süßen

Karl Grosser wurde durch eine Intrige aus seinem bürgerlichen Leben herausgerissen und stieg zu einem internationalen Mafiaboss auf. Er war ein großer stattlicher Mann mit stark ausgeprägten Wangenknochen und verfügte über eine hohe erotische Ausstrahlung. Stets legte er Wert auf korrekte Kleidung und führte ein wohlgeordnetes Leben. Eigentlich gäbe es nichts Außergewöhnliches über ihn zu berichten, wenn nicht an einem einzigen Wochenende sein Leben auf den Kopf gestellte worden wäre.Wie an jedem Sonntag ging er alleine die Uferpromenade entlang und dachte ein wenig über sein bisheriges Leben nach. Er war mit sich selbst recht zufrieden, obwohl viele seiner Kollegen ihn als Langweiler ansahen. Mit seinen 40 Lebensjahren hatte er es zu einer hübschen Eigentumswohnung gebracht und war seit vielen Jahren als Organisationsleiter in einem privaten Geldinstitut angestellt. Was wollte er mehr von seinem Leben erwarten? Frauen spielten in seinem Leben keine große Rolle und das war nach seiner Meinung auch gut so. Schließlich sah er um sich herum genug gescheiterte Ehen und katastrophale Liebschaften, die regelmäßig zum Chaos führten.Um den Sonnenuntergang bei seinen Spaziergängen zu genießen, verweilte er stets auf einer Parkbank am Flussufer, die ihm bereits wie persönliches Eigentum erschien. Auch an diesem Tag näherte er sich „seiner“ Parkbank, die er bereits aus einer Entfernung von circa 300 Metern sah.Aber was war das? In all den Jahren war so etwas noch nie vorgekommen. Auf seiner Holzbank saß eine Gestalt, das glich einer Verschwörung, einem Anschlag auf seine Person. Als er näher kam, fielen ihm die Rundungen einer eleganten Frau auf. Er hatte jedoch keinesfalls die Absicht, sich dieser Person zu nähern. Möglicherweise war es eine Frau, in die er sich – ohne Erwiderung – verlieben würde. Einer solchen Gefahr konnte er sich nicht aussetzen. Was war zu tun? Er überlegte, wie er mit dieser Überraschung umgehen könnte. Sollte er ohne einen Blick vorbeiziehen und auf den Genuss der Abenddämmerung verzichten? Oder sich vielleicht doch neben ihr auf der Parkbank niederlassen? Natürlich bei voller Ignoranz der geballten Weiblichkeit.

Als er sich bis auf wenige Meter der Parkbank genähert hatte, war er gezwungen, einen schnellen Entschluss fassen. Zu seiner eigenen Verwunderung sprach er die hübsche Weiblichkeit an: „Guten Tag, darf ich hier Platz nehmen.“Er hatte in diesem Moment nicht den Hauch einer Ahnung, was diese kleine Frage für die Zukunft der gesamten Menschheit bedeuten würde. Freudig, mit einem Lächeln auf den roten Lippen, antwortete die impertinente Person: „Sehr gerne, mein Herr.“

Vorsichtshalber ein wenig von ihr abgewendet, ließ er sich mit einem kurzen „Dankeschön“ neben ihr nieder. Nach seiner Meinung war damit der Höflichkeit bereits Genüge getan. Nicht im Geringsten hatte er Absicht, die Konversation fortzusetzen. Sein aufkeimender Zorn ließ hierzu auch wenig Raum, wenngleich sie eine ausgesprochen hübsche Weiblichkeit war.

So saßen sie nun mit einigen Zentimetern Abstand auf seiner Parkbank, die Beine in gleicher Richtung zeigend übereinander verschränkt, was wohl jeder Psychologiestudent als eine wechselseitige Interessenbekundung gedeutet hätte.

Eine ganze Weile verging, ohne ein Zeichen der gegenseitigen Kontaktaufnahme.

Hier hätte diese Geschichte bereits ihr endgültiges Ende finden können, wenn diese weibliche Person nicht den nächsten Angriff gestartet hätte.

Die junge Dame öffnete ihre sündhaft teure Tasche und zog ein goldenes Zigarettenetui heraus, aus dem sie eine Damenzigarette entnahm. Dann kramte sie weiter in ihrer kleinen Tasche, als ob sie einen riesigen Koffer für eine mehrwöchige reise durchsuchen müsste. Karl spielte seine Rolle so, als ob er dies nicht bemerkte.

Nach einer Weile, vernahm er den Satz: „Verzeihung mein Herr, dürfte ich Sie um Feuer bitten?“

Karl traute seinen Ohren nicht. Jedoch ließ es seine Erziehung zum Gentleman nicht zu, diese Frage genüsslich zu überhören. Ja, er verfügte über ein Feuerzeug in seiner Jackentasche. Er führte es als Nichtraucher nur mit sich, um bei solchen Gelegenheiten dem Bittenden seinen Wunsch erfüllen zu können. Dieses elegante Stück kam nicht häufig zum Einsatz, aber gerade für solche Gelegenheiten hatte es durchaus seine Existenzberechtigung.

Ohne sich dem Anblick der weiblichen Linien näher auszusetzen, öffnete er sein Jackett und zog aus der Innentasche ein glänzendes Feuerzeug hervor. Er liebte dieses Ritual und wäre manchmal gerne noch zum Raucher geworden, um diesen männlichen Auftritt öfter genießen zu können. Mit einer eleganten Handbewegung öffnete er den Verschluss des Feuerzeuges, um mit einem mehrfach geübten Fingerschnippen eine Flamme zu entzünden. Die jugendliche Dame näherte sich der Flamme und entfachte mit einem ungeschickten Zug die Glut der Zigarette. Noch bevor die Zigarette zu glimmen begann, stieg Karl der angenehme süßliche Geruch ihres Parfüms in die Nase. Zwangsweise musste er auch in ihrem dezenten Dekolleté wohlgerundete weibliche Proportionen zur Kenntnis nehmen. Dabei bemerkte er, wie sein Körper in ungewollte Wallung geriet. Er fühlte ein Gemisch aus Zorn und ungeahntem Verlagen. Seine Gefühle glichen denen eines Gladiators in der Kampfarena. In seinem Gefühlsnebel wallend, vernahm er zum wiederholten Male die aufreizende Stimme seiner Nachbarin: „Herzlichen Dank, ich heiße Marian.“

Er antwortete automatisch: „Karl, mein Name ist Karl Grosser.“

„Karl, sind Sie hier geboren?“, vernahm er ihre Frage in einem fast perfekten Deutsch. Dabei ließ sich allerdings eine romanische Muttersprache wie Spanisch oder Italienisch aus dem Akzent entnehmen. Im Gleichgewicht von Nähe und Respekt benutzte Marian wohl gewählt, die in Deutschland ungewöhnliche Verbindung von Sie und Vornamen.

„Ja, ich habe mein ganzes Leben in dieser Stadt verbracht.“ Er schaute in ihre wunderschönen schwarzen Augen und erkannte dezent geschminkte Gesichtszüge.

Sie setzte sofort nach: „Es ist wirklich eine schöne Kleinstadt, die ganz besonderen Charme hat. Mag wohl noch schöner sein, diese Stadt in Zweisamkeit zu erleben. Leider bin ich heute ganz alleine hier.“

Karl überlegte, was dieses dumme Geschwätz von Zweisamkeit sollte. Er zweifelte, dass diese direkte Art ihrer natürlichen Erziehung entsprach. Sie war doch wohl nicht, eine der Frauen, die sich beruflich der Prostitution verschrieben hatten?

Dennoch erwiderte er höflich: „Aber ich denke, dass eine so wunderschöne Frau über einen Lebenspartner an ihrer Seite verfügt.“

„Leider ist dem nicht so, aber das kann sich ja noch ändern. Und wie steht es bei Ihnen, Karl?“, vernahm er aus ihrem Mund.

Karl antwortete: „Meine Arbeit lässt mir dazu wenig Zeit, so hat es sich bei mir noch nichts ergeben.“ Er verwarf den Gedanken, dass es sich bei Marian um eine Prostituierte handeln könnte. Unmöglich, das eine solche Frau diese Erziehung und diesen Auftritt an den Tag legen konnte. Also musste es sich um eine Dame der höheren Gesellschaft handeln.

Sie plauderten noch eine Weile über die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten, als er plötzlich vernahm: „Karl, ich wäre sehr glücklich, wenn Sie heute Abend zum Dinner mein Gast wären und mir Gesellschaft leisten würden. Vielleicht können Sie mir etwas mehr über ihre Stadt erzählen? Wenn Sie diese Frage gestatten.“

Betört und vollkommen unvorbereitet auf dieses Angebot, antwortete Karl mit einem einfachen: „Ja, gerne!“ Erst nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte, war er über sich selbst verwundert und stellte fest, dass er unerwartet eine Verabredung eingegangen war.

Ein plötzliches lautes Krachen ertönte und Karl drehte sich erschrocken um. Ebenfalls vollkommen entsetzt, schaute seine Nachbarin nach hinten.

Dort sah man, dass zwei Personenkraftwagen aufeinandergeprallt waren. Marians Gesicht war nun noch blasser als vorher. Der laute Knall war in der Schrecksekunde nicht eindeutig als Unfallgeräusch auszumachen. Es hörte sich vielmehr nach einer explodierenden Bombe an. Der entstandene Schreck war größer, als es die Sache eigentlich Wert war. Den Insassen der Fahrzeuge war nichts geschehen, sie stiegen wohlbehalten und unverletzt aus den Fahrzeugen und diskutierten lauthals, wer wohl der Schuldige gewesen sein mochte. Dennoch war der Schrecken für Marian so groß, dass sie anfing, ein wenig hektisch zu werden.

Marian wendete sich wieder zu Karl zurück und sagt: „Fein, erlauben Sie bitte, dass mein Wagen sie um acht abholt? Ist das recht, Karl?“ Fragend schauten ihre Augen ihn unablässig an.

Er gab wieder wie automatisch zurück: „Ja! Ja, natürlich, gern!“

Während er noch dachte, dass Stottern wirklich nicht seine Sache war, zog er eine private Visitenkarte aus dem Jackett und überreichte diese wortlos.

„Ich freue mich Karl, also dann sehen wir uns zum Dinner. Ich muss jetzt leider gehen.“ Sie stand auf und ging in Richtung des Parkplatzes. Diese kräftezehrende Aktion war wohl auch für die ungeübte Marian etwas zu viel. Sie war recht froh, die Angelegenheit so gut erledigt zu haben.

Aus der Ferne sah Karl, wie sie in eine weiße Limousine einstieg, während ein Mann ihr die hintere Türe öffnete. Anschließend stieg dieser selbst als Fahrer ein und setzte gemächlich den Wagen in Bewegung.

Ein gewaltiger Ruck durchzog Karls gesamten Körper. Was war das? Soeben war er mit ein paar Sätzen aus seinem so gleichbleibenden Leben herausgerissen worden. In nur

wenigen Minuten war sein Abend verplant, ohne dass er eine einzige Chance zum Widerspruch gehabt hatte. Er befand sich wie in einem Trancezustand. Auf seinem gesamten Lebensweg hatte er nichts Vergleichbares erlebt.

Sollte er erfreut sein? Oder bekümmert? Ohne sein Zutun schlich sich jemand in sein Leben. Zudem noch aus der weiblichen Gattung und er konnte seinen männlichen Jagdtrieb noch nicht einmal im Ansatz einsetzen. Ein wenig geschmeichelt fügte er sich dennoch in sein Schicksal. Das musste eindeutig seiner Unerfahrenheit mit dem anderen Geschlecht zuzuschreiben sein. Welche Folgen würde dies für sein zukünftiges Leben haben? Eigentlich war alles einfach nur schrecklich. Aber die Verabredung wollte er in keinem Falle sausen lassen.

Er musste sich sammeln und einen Schlachtplan entwickeln. So schaute er auf seine neue Luxus-Uhr und bemerkte, dass er nur noch 2 Stunden Zeit hatte.

Ja, das war viel zu kurz, um noch einen gewaltigen Plan mit geeigneten Gegenmaßnahmen zu erschaffen. Die wenigen Freunde, die er hatte, konnte er auch nicht anrufen. Sicherlich hätten sie ihm seine Geschichte auch nicht geglaubt, obwohl er als absolut glaubwürdig galt. Also machte er sich schnell auf den Weg, um zu seiner Wohnung zu gelangen.

Im ersten Stockwerk schloss er seine Tür auf und ging schnell hinein. Nach dem Schließen der Tür war er in seiner wohlvertrauten Umgebung und fühlte sich wieder geborgen und sicher. Sicherheit, das war seine Lebensdevise. Aber in welchem unabsehbaren Abenteuer befand er sich nun plötzlich?

Duschen und rasieren, Haare frisieren und in aller Eile das Hemd, die Krawatte und den passenden Anzug finden. Stress pur! Das Telefon klingelte und er raste aus dem Bad ans Telefon. „Mutter, es tut mir sehr leid, ich habe keine Zeit. Nein, Mutter es ist alles in Ordnung! Aber ja, sicher. Ja, ganz sicher. Ich habe nur eine Verabredung mit einer Dame. Was? Nein, nein, nicht heiraten. Aber wie, kommst du denn nur darauf? Ganz sicher du wirst sie gegebenenfalls zuerst kennenlernen! Ich werde dir morgen berichten. Also bis dann.“

Lieber Gott, seine sehr geehrte Frau Mutter dachte schon ans Heiraten. Aber darüber konnte er jetzt wirklich nicht nachdenken.

Er sprach zu sich selbst: „Es eilt! Die Zeit läuft!“ Was konnte ein Mann schon in der noch verbleibenden Stunde anfangen. Ah! Socken, aber wo sind sie? Ja, natürlich im Schrank! Eine? Aber es sind doch immer zwei! Ein passendes Tuch für den Anzug, dazu die passend zur Krawatte. Die Socke! Wo ist diese verdammte Socke? Eine schwarz und Eine grau. So etwas gab es bei ihm nicht. Er hatte immer alles in Ordnung. Alles hatte seinen Platz. Aber was nun? An diesem Tag wurde einfach alles zum Chaos. Die gesamte Wohnung schien ihm nun der Inbegriff der Unordnung überhaupt zu sein. Schuhe! Ja, da! Wunderbar. Nun anziehen. Natürlich zwei Gleiche, also ein Paar. Am besten ein Paar. Halt! Erst die Socken. Aber es waren immer noch zwei Verschiedene. Da konnte nur ein Cognac helfen. Er rief sich selbst zur Ordnung: „Aber Karl, am Nachmittag Cognac? Nein geht nicht, das geht überhaupt nicht!“ Also Flasche zurück.

Karl dachte: „So werde ich nie an mein Ziel gelangen. Ich muss einfach – wie immer – planmäßig an die Sache herangehen. Unterwäsche, dann Socken und das Hemd und zuletzt die Krawatte binden.“ Noch ganze 30 Minuten. Ein scheinbar vollkommen unmögliches Unterfangen in dieser kurzen Zeit. Doch dann die zweite Socke und auch noch ganz korrekt in der gleichen Farbe, zwei zueinander passende Schuhe, ein Paar. Wunderbar!

Eigentlich war Karl reif für die Olympiade. Nun los, an den Spiegel. Die Krawatte legte sich gekonnt um seinen Hals, in den dafür vorgesehenen Kragen. Perfekt! Weiter! Hose! Der Mann braucht auch einen Gürtel zur Hose. Jackett. Fertig!

Einzigartig, alles in einer absoluten Rekordzeit von nur 50 Minuten.

Seine innere Stimme erinnerte ihn gerade noch rechtzeitig an Blumen. Wie, das auch noch? Ja, Blumen. Aber erst Manschettenknöpfe anbringen. Und woher die Blumen nehmen? Ein Gentleman hatte aber Blumen zu haben, zumindest beim ersten Treffen. Er wusste es bereits, alles in meinem Leben war von nun an dem Tohuwabohu gewidmet. Immerhin musste er wie gewohnt, am nächsten Tag seine Arbeit in der Privatbank leisten. Am besten würde er sich morgen zu einem Arzt begeben und eine Krankmeldung vorlegen. So völlig verstört konnte er unmöglich fehlerlose Arbeit leisten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es in seiner gesamten Beschäftigungszeit noch keine einzige Fehlstunde gegeben.

Noch 15 Minuten waren ihm verblieben. Seine Welt war dem Einsturz nahe. Er dachte, dass nur noch ein Tsunami seine Rettung sein könne. Dieser würde aber wohl in Deutschland nicht mehr vor 20 Uhr eintreffen. Da half kein Zetern mehr.

Er rannte die Treppe hinunter. Ein Blumengeschäft, seine Rettung! Seiner Meinung nach stürzten sich nun Menschenmassen auf die wenigen Blumen im Geschäft. So etwas hatte er noch nie erlebt. Allerdings fiel ihm dabei ein, dass er wohl die letzten 20 Jahre seines Lebens kein Blumengeschäft mehr betreten hatte. Mutter bekam immer Pralinen, die mit der Liquid Füllung.

Nach einer Weile hatte er es geschafft. Die Verkäuferin band ihm den schönsten Blumenstrauß, den er je gesehen hatte. Der Preis überstieg nach seinen Vorstellungen die Gesamtausgaben für die Deutsche Einheit. Oh je, bezahlen, seine Geldbörse lag in seinem getrauten Heim. Er hatte die Verkäuferin noch nie in seinem Leben gesehen, dennoch sagte sie: „Alles kein Problem. Zahlen Sie morgen, ich kenne Sie ja.“

Er raste zurück in seine Wohnung. Alles war jetzt so, wie es sein sollte, nun konnte ja einfach nichts mehr schiefgehen.

Da klingelte es bereits an seiner Wohnungstür. Er sprang zum Fenster. Auf der Straße sah er eine weiße Limousine, einen Rolls Royce. „Das ist mein Auto für heute Abend? Karl aus der Mittelschicht in einem Rolls Royce?“, dachte er zweifelnd und hoffte, dass niemand aus der Nachbarschaft sehen würde, wenn er in diesen Protzwagen einstieg. Sollte das dennoch geschehen, würde jeder denken, er habe in einer Lotterie gewonnen.

Also schlich er sich leise durch das Treppenhaus, öffnete und schloss die Haustüre ohne nennenswerte Geräusche.

„Herr Karl Grosser?“, hörte er den Chauffeur im grauen Anzug fragen. Dabei öffnete dieser gleichzeitig die hintere Tür des Wagens. Karl schaute sich um, ob jemand in der Nachbarschaft etwas vernommen hatte, und stieg schnell in den Wagen ein.

Weiße Ledersitze. Die Fahrzeugtüren schlossen in dem gleichen Klang wie die gepanzerten Safetüren in seiner Bank. War dieses leise Surren das Fahrgeräusch der Limousine? Ein Prinz dürfte nicht besser durch die Straßen gerauscht sein. In Karls Stadt gab es solche Nobelkarossen nicht allzu häufig zu sehen. Nur gut, dass die Wagenscheiben uneinsehbar verspiegelt waren. Es wäre nicht auszudenken gewesen, wenn seine Kollegen ihn in dieser Limousine erblickt hätten. Möglicherweise hätte die Bank ihn vor den Korruptionsausschuss gezerrt und ihn zwangsweise beurlaubt.

Wäre er nur ausnahmsweise an diesem schrecklichen Tag nicht spazieren gegangen oder zumindest direkt an der Parkbank vorbeigehuscht. Dann wäre ihm all diese Aufregung erspart geblieben. Gleichwohl wollte er seiner neuen Position in der Gesellschaft gerecht werden.

Marian saß bereits eine ganze Weile im Privatraum des Restaurants und dachte daran, wie sie gemeinsam mit ihrem Vater seit vielen Wochen minutiös die Begegnung mit Karl geplant hatte. Eigentliche wusste sie bereits mehr von Karl als jeder Andere in seinem Leben.

Der Mafiaboss machte sich Gedanken über die Zukunft seiner Tochter

Mit ihrem Vater hatte die Tochter sämtliche Gewohnheiten Karls eruiert. Welche Schuhe er an welchen Tagen trug, welche Speisen er bevorzugte und so weiter. Sogar die von Karl streng geheim gehaltene Prostituierte, die er hin und wieder aufsuchte, war Marian bekannt. Dennoch musste sie dauerhaft ihre Rolle der Unwissenden spielen. Nur dies sicherte den Erfolg der wochenlang geplanten Aktion.

Als der 24. Geburtstag von Marian bevorstand, begann sich ihr Vater Don Serjo Rosso Gedanken über einen zukünftigen Ehemann für seine Tochter zu machen. Die aufreizende Marian erhielt zwar seit ihrer frühen Jugend unzählige Avancen von durchaus attraktiven Männern, aber außer ein paar kurzen und unbedeutenden Affären waren diese erfolglos geblieben.

Don Serjo Rosso, ein Oberhaupt („capo di tutti i capi“) der internationalen Mafia, war in der Öffentlichkeit nur als seriöser und untadliger Geschäftsmann bekannt. Don Rosso war nicht der richtige Begriff für einen Boss, mehr wohl der Begriff „capo“. Man gab ihm schon frühzeitig den Beinamen Don, der eigentlich kirchlichen Oberhäuptern zustand. Ihm gefiel es und so blieb es dann auch. Zu keiner Zeit war der Don bei den Justizapparaten auch nur im Geringsten auffällig geworden. Nirgendwo auf der Welt gab es auch nur ansatzweise Vermutungen darüber, dass er ein weltweit agierendes Mafia-Netzwerk regierte. Neben seiner Mafiaorganisation verfügte Don Rosso über ein unübersehbares Netz von verschachtelten Unternehmensbeteiligungen. Als oberster Chef der kriminellen Vereinigung, der sogenannten ehrbaren Familie, stand er unangefochten an der Spitze der hierarchischen Tannenbaumstruktur. Die untergeordneten Bosse bildeten drei die Ränge 1 bis 3 hinter ihm.

Ebenso wie die Mitglieder des 1. Ranges hatte der Don seinen Stand von seinem Vater geerbt. Nur durch Vererbung konnte jemand in den 1. Rang und inneren Zirkel aufgenommen werden. Verstarb jemand ohne männliche Nachfahren, wurde der Sitz geschlossen und die Aufgaben auf die Verbliebenen verteilt. Durch diese Sicherheitsmaßnahme konnte man im inneren Zirkel dauerhaft mögliche Verräter ausschließen. Dies war bereits bei den Ahnen von höchster Wichtigkeit gewesen. Don Rosso war auch nur den Mitgliedern des inneren Zirkels persönlich bekannt und er sorgte dafür, dass dies auch so blieb.

Der Nachrichtenaustausch des inneren Zirkels fand über sogenannte Läufer statt. Über Jahrzehnte und Generationen hinweg hatte sich diese Vorgehensweise als äußerst effizient und sicher herausgestellt.

Don Rosso hatte den streng geheimen Plan, die gesamte Struktur der Mafia bis zum Jahre 2020 umzubauen. Dabei sollte nichts so bleiben, wie es war. Niemandem, nicht einmal seinen engsten Vertrauten, hatte er dieses langfristige Vorhaben anvertraut, für dessen Umsetzung er den Zeitraum von 7 Jahren vorgesehen hatte.

Körperlich und geistig war Don Rosso noch äußerst vital, obwohl er sich schon den Siebzigern näherte. Klug und vorausschauend wollte er für seine Familienmitglieder zukunftsentscheidende Maßnahmen ergreifen. Obwohl die Familienmitglieder sich immer um die neusten Techniken gekümmert hatten und sie in allem auf dem neuesten Stand waren, war es an der Zeit, die gesamte Organisation neu aufzustellen.

Don Rosso war ein sehr gebildeter und intelligenter Mann, er war sich bewusst, dass eine so gewaltige Aufgabe nur langfristig und mit sensibler Vorgehensweise zu bewältigen sein würde. Es durften dabei keinerlei Fehler passieren. Die gesamte Organisation stand auf dem Spiel. Würde das Projekt scheitern, könnte mit einem Mal alles ausgelöscht werden. Darüber hinaus benötigte er bei der Bewältigung seines Plans eine absolut vertrauenswürdige Person. Es musste sichergestellt sein, dass ihr niemals ein Sterbenswörtchen über die Lippen gelangte. Wichtig war ihm auch, dass der Betreffende einer so gewaltigen Aufgabe mit großem Geist und Organisationsgeschick gewachsen war. Hierzu gab es im inneren Zirkel leider nicht die geeignete Person. Daher musste zusätzlich ein Außenstehender gefunden werden. Aber dies war kein leichtes Unterfangen, wem konnte Don Rosso absolut sicher in den Kopf schauen? Fehler hätte die Familien zerstören und sie für immer in den Ruin treiben können. Er hatte auch noch keine Idee entwickelt, wie er seine engsten Vertrauten in dieses Projekt einweihen sollte. Würden sie den Plan aus Risikogründen nicht mittragen oder sogar die Umstrukturierung ablehnen?

Als Marians Vater entwickelte er den Plan, einen Ehemann für Marian zu finden und gleichzeitig in ihm den Mitgestalter für die Neuorganisation. Wenn der zukünftige Ehegatte seiner Tochter zusätzlich noch die Aufgaben der Neuaufstellung erledigen könnte, wären einige Probleme ausgezeichnet gelöst. Natürlich hatte Don Rosso diese Gedanken nicht gegenüber seiner Tochter verlauten lassen.

Marian gefiel der Vorschlag ihres Vaters, gemeinsam einen Ehepartner für sie zu suchen, ganz und gar nicht. Aber mit viel Überzeugungskraft konnte der Vater seine Tochter dennoch davon überzeugen, dies einmal zu versuchen. Marians Wunsch, sich selbst einen geeigneten Lebenspartner zu suchen, begegnete ihr Vater mit dem Argument, dass sein Eingreifen nur eine Verstärkung ihrer Bemühungen sei. Nach einer Weile konnte er seine Tochter so weit davon überzeugen, dass sie zumindest bereit war, es einmal zu probieren.

Don Rosso sendete über einen Kontaktmann weltweit Späher aus, um einen, nach seinen und Marians vorgegebenen Kriterien, geeigneten Ehemann zu finden. Neben den üblichen Anforderungen war ihm zusätzlich wichtig, dass der gesuchte Mann intelligent und in der Finanzwelt bewandert war. Zusätzlich sollte er über ein großes Organisationsgeschick verfügen, polizeilich absolut unauffällig und ausgesprochen seriös sein.

Der Vater und die Tochter sichteten Monate lang zahllose Dossiers und Fotos, die von den Spähern angefertigt worden waren. Keinesfalls durften die potenziellen Kandidaten auch nur das Geringste davon mitbekommen. Zuletzt kamen nur noch wenige Männer in die engere Auswahl von Marian und Don Rosso. Übrig blieben ein Italiener, ein Amerikaner und Karl aus Deutschland. Diese 3 Kandidaten wurden dann nochmals intensiver ausgekundschaftet, sodass die Lebensgeschichten aller glasklar auf dem Tisch lagen. Aufgenommene Videos von den Dreien vermittelten Vater und Tochter ein noch besseres Bild und ersetzten die persönliche Inaugenscheinnahme.

Die Entscheidung der Intriganten war gefallen

Marian und ihr Vater entschieden sich für Karl. Ja, Karl war der Auserwählte, ohne, dass er auch nur das Geringste davon bemerkt hatte. Er war der Auserwählte für das große Gesamtprojekt.

Obwohl es Marian immer noch etwas mulmig bei dem Gedanken war, überlegten sich Vater und Tochter einen Plan für die erste Begegnung zwischen ihr und Karl. Dazu eigneten sich die regelmäßigen Spaziergänge des Intrigenopfers am Besten und waren zudem noch unverfänglich. Als Annäherungsstelle kam natürlich nur noch die Parkbank infrage.

Sollte die Tochter trotz des Dossiers und der Videoaufnahmen bei der realen Begegnung keinen Gefallen an Karl finden, konnte sie sich jederzeit aus der Geschichte zurückziehen. Dabei hätte der Kandidat niemals erfahren, dass er in der engeren Wahl gestanden hatte und welchen Plan Vater und Tochter entwickelt hatten.

Mit der Begegnung auf der Parkbank und der Einladung zum Dinner waren die ersten Schritte erfolgreich absolviert. Marian hatte auch beim realen Treffen mit Karl durchaus Gefallen an ihm gefunden. Mehr noch, trotz ihrer Bedenken und ihres schlechten Gewissens, fühlte sie sich zu Karl hingezogen.

Als sie im Restaurant des Hotels auf ihn wartete, fing sie wieder an, sich Gedanken zu machen. Sollte dieses waghalsige Unterfangen tatsächlich erfolgreich sein? Müsste sie nicht zu irgendeinem späteren Zeitpunkt Karl darüber aufklären? Ihm mitteilen, dass er unbemerkt Opfer einer Intrige geworden war? Noch schlimmer, dass sie als Haupttäterin an diesem Plan beteiligt gewesen war?

Um sich diesen unangenehmen Fragen nicht weiter stellen zu müssen, beschloss Marian, sich über diese Angelegenheit vorläufig keine weiteren Gedanken zu machen. Es blieb ihr dazu auch nur noch wenig Zeit, denn Karl war schon im Auto zu ihr unterwegs, wie ihr der Chauffeur telefonisch mitgeteilt hatte.

Karl ließ sich genüsslich durch seine Stadt kutschieren. Es war etwas ganz Neues, für ihn, nicht selbst zu fahren. Er nahm Eindrücke auf, die er als Selbstfahrer nie erlebte. Der Chauffeur fuhr ihn geruhsam und würdevoll durch die Straßen der Stadt, um genau 5 Minuten vor der vereinbarten Zeit am Portal des exzellenten Hotels vorzufahren.

Selbstverständlich verfügte das Hotel über einige Sterne und alle anderen Auszeichnungen einer wirklichen Luxusherberge, in der auch Könige ihr befristetes Zuhause fanden.

Am Eingangsportal stand ein Page in Livree und schwarzem Zylinder, der die Wagentür öffnete. Karls Chauffeur unterrichtete ihn dezent, dass Karl Gast von Madame Rosso sei. Würdevoll führte er Karl in die erdrückend riesige Lobby, wo er bereits vom Concierge mit den Worten: „Madame Rosso erwartet sie Herr Grosser, ich darf vorangehen.“, in Empfang genommen wurde.

Dieses nichtssagende Geschwätz der Hotelangestellten war für Karl nichts Neues. Dank einiger Events der Bank kannte er sich auch auf diesem Parkett gut aus und wusste sich sicher zu bewegen. Man muss bei diesen Hotelbediensteten mit ihrer geschwollenen Aussprache als Überbleibsel der Jahrtausendwende durchaus sicher und sensibel reagieren. Denn sie erkennen sofort, ob man diesem Parkett gewachsen ist oder nicht. Unachtsamkeiten haben zur Folge, dass man mit Überheblichkeit im ganzen Hotel freundlichst geächtet wird. Zumal aus der Sicht der Mitarbeiter in diesem Fall nicht mit großzügigen Trinkgeldern zu rechnen ist. Es ist die obligatorische Denkweise der Hotelangestellten in diesen edlen Herbergen, dass die heiligen Hallen überhaupt nur von entsprechendem Publikum betreten werden sollten. Aus der Ächtung durch die Hotelangestellten wieder herauszukommen, stellt sich in der Regel als ein unmögliches Unterfangen dar.

Der Hotelconcierge bewegte sich elegant durch die Hotellobby und führte Karl durch den Restaurantbereich hin zu einer Tür mit der Aufschrift „Privat“. Als er die Türe öffnete, trat Karl in den Speiseraum, der die Eleganz der 20er Jahre hatte. Unzählige silberne Kerzenhalter mit angezündeten weißen Kerzen, kostspielige Teppiche, ein großartiger englischer Kamin und ein Esstisch mit 12 Sitzen, gaben dem Raum etwas Ehrwürdiges. Das Ganze mochte eine Zeitreise durch das vergangene Jahrhundert in die Neuzeit erlebt haben. Immerhin schrieben wir das Jahr 2013 mit Internet und 3-D-Fernsehgeräten.

Marian saß am Ende des langen Tisches und der Concierge kündigte Karl an: „Madame, Herr Grosser.“ Karl reichte Marian den Blumenstrauß und sofort erschien eilig ein Kellner mit einer großen Blumenvase aus Kristallglas. Zugleich bemerkte Karl einen Mann im schwarzen Anzug, der sich im hinteren Bereich des Raumes aufhielt, an seiner Statur und seinem Verhalten konnte er ihn sofort als einen Leibwächter ausmachen. Mein Gott, was für eine Theatervorstellung sollte Karls Abend werden? Der Abschluss seines bereits verkorksten Sonntags?

„Nehmen Sie bitte Platz, Karl.“ Wieder hörte er von Marian diese seltsame Kombination aus Sie und Vornamen. Dennoch gehorchte Karl, ohne dies zu hinterfragen. Vor ihm stand eine Batterie von verschiedenen Weingläsern. Die Anzahl der Bestecke ließ darauf schließen, dass sie wohl nicht nur einen kurzen Snack einnehmen würden, zu erwarten war mindestens ein 6-Gänge-Menü. Er erinnerte sich, dass man bei der Gangfolge die Bestecke von außen nach innen benutzte. Soweit war er den Etiketten der höheren Gesellschaft gewachsen.

„Hatten Sie einen angenehmen Nachmittag?“, fragte ihn Marian.

Seine Antwort kam schnell: „Einen bezaubernden Nachmittag.“ Er wollte ihr nicht mitteilen, dass ihn der Stress an den Rand seiner Belastbarkeit gebracht hatte.

Einer dieser elegant gekleideten Kellner brachte ihnen einen Sherry zum Aperitif. Er inszenierte diesen Auftritt feierlich. Dann wendete sich Marian an Karl: „Ich möchte gerne mehr über Sie erfahren. Wie sind Sie beruflich engagiert?“

Er antwortete: „Seit vielen Jahren arbeite ich in einer internationalen Privatbank als Organisationsleiter. Die Image Bank AG hat ihren Hauptsitz in der Stadt.“

„Ach, das ist ja ein Zufall, mein Vater ist auch ein guter Kunde der Bank und führt seine Geschäftskonten dort. Der Vorstand und er sind langjährige Geschäftsfreunde.“ Marian schauspielerte gekonnt, als ob sie erstaunt über den Zufall sei. Tatsächlich war ihr aber das natürlich aus dem Dossier schon bekannt.

Der Abend verlief zwischen den beiden ausgesprochen harmonisch. Sie genossen jeden Gang des Menüs, obwohl die Speisen so übersichtlich auf dem Teller zelebriert waren, dass

man eigentlich einen Plan zu ihrer Auffindung benötigt hätte. In amüsanten Gesprächen fanden beide recht viele Gemeinsamkeiten heraus. Marian amüsierte sich köstlich über Karls Lebensgeschichte und die beiden kamen sich zunehmend näher. Diese wunderhübsche und elegante Frau hatte Interesse an Karls Person gefunden. Das hätte er vorher niemals für möglich gehalten. Sicherlich konnte sie mit ihrem bezaubernden Lächeln und dem wohlgeformten Körper jeden Mann sofort betören. Also, was fand diese Frau an dem doch eher unscheinbaren und unauffälligen Karl?

So gegen 21.30 Uhr meinte Marian: „Karl, lass uns doch den Espresso in meiner Suite einnehmen?“

Er antwortete sofort: „Das ist eine ausgezeichnete Idee.“

Sie stand auf und ging zu einer Tür am Ende des Raumes, Karl folgte ihr aufgeregt. Hinter der Holztür befand sich ein Aufzug, der direkt in das oberste Stockwerk des Hotels führte. Der Bodyguard betrat beim Verlassen des Fahrstuhls als Erster den Flur mit der Aufschrift „Präsidentensuite“, gefolgt von den Marian und Karl. Die Eingangstür der Suite wurde vom Leibwächter geöffnet, aber er selbst trat nicht ein. Nachdem Karl und Marian den Raum betreten hatten, verschloss der Leibwächter die Türe wieder von außen.

„Wahrhaft wunderschön und elegant“, sagte Karl. Dabei ließ er geschickt die Frage offen, ob er die Suite, Marian oder beides meinte.

Die beiden nahmen auf einer Sitzgruppe im Wohnzimmer Platz, ein Butler betrat aus einem Nebenzimmer den Raum und servierte Espresso. Karl erzählte seiner Begleiterin noch einige Episoden aus seiner Stadt, als sich plötzlich Marian ein Herz nahm und Karl umarmte. Sie küsste ihn innig und Karl erwiderte die Umarmung. Dabei wurde den beiden klar, dass dieser gemeinsame Abend noch lange nicht zu Ende sei.