Das Erbe der Maske - Alfred Zech - E-Book

Das Erbe der Maske E-Book

Alfred Zech

0,0

Beschreibung

Es ist ein ganz normaler Tag und der übliche Trubel auf den Straßen nimmt Formen an. Detektiv Erwin Müller ermittelt mit Hauptkommissar Hagedorn in einem Viertel in Bremen, wo Gastronomie, Prostitution und Kriminalität vorherrschen. Schlägereien, Diebstahl, Überfälle, Erpressung und Betrug sind an der Tagesordnung, auch Mord ist nicht ausgeschlossen. Wer ist die Leiche auf dem Gehsteig? Wurde der Polizeiarzt auch ermordet oder hat er sich selbst mit Alkohol aus dem Leben katapultiert und lebt noch? Erwin Müller und Hauptkommissar Hagedorn stehen vor einem Rätsel. Wer steckt hinter der Maske?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 284

Veröffentlichungsjahr: 2019

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Unser Schicksal hängt nicht von den Sternen ab, sondern von unserem Handeln

William Shakespeare (1564 -1616) Englischer Dichter

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Epilog

Prolog

Gleich hinter dem Weserdeich in Bremen verbinden sich der Ostertorsteinweg und das Steintor zum sogenannten »Viertel«. Eine Vielzahl kleinerer Geschäfte sowie Cafés, Restaurants und Bars sind ein beliebtes Ziel für die Bremer und für Touristen.

Das pulsierende Nachtleben hat es in sich. In den Stundenhotels herrscht Hochkonjunktur. Die internationale Bevölkerung dieses Viertels ist vielfältig und besteht aus Geschäftsleuten, Arbeitslosen und Studenten, die sich fast täglich begegnen.

Die Arbeit der Polizei konzentriert sich hier auf kriminelle Verstöße, nicht auf Ordnungswidrigkeiten.

Es ist ein ganz normaler Tag und der übliche Trubel auf den Straßen nimmt Formen an.

Detektiv Erwin Müller ermittelt mit Hauptkommissar Hagedorn in diesem Viertel, wo Gastronomie, Prostitution und Kriminalität vorherrschen. Schlägereien, Diebstahl, Überfälle, Erpressung und Betrug sind an der Tagesordnung, auch Mord ist nicht ausgeschlossen.

Wer ist die Leiche auf dem Gehsteig?

Wurde der Polizeiarzt auch ermordet, oder hat er sich selbst mit Alkohol aus dem Leben katapultiert und lebt noch?

Erwin Müller und Hauptkommissar Hagedorn stehen vor einem Rätsel. …

Wer steckt hinter der Maske?

***

Dieses ist ein Roman, dessen Handlung in teilweise bekannten Örtlichkeiten stattfindet. Alle Handlungen, handelnden Personen und Namen sowie Dialoge in diesem Roman sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten von weiteren Örtlichkeiten, mit lebenden oder realen Personen, sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

1

Der Mann, der über den Hof eilte, hörte das Splittern der Türfüllungen. Er öffnete das Hoftor und warf einen Blick in das Innere des Wagens. Auf dem Boden lag ein bewusstloser Mann.

»Ich fürchte, ich muss Sie auf eine weite, unangenehme Reise mitnehmen«, sagte er zu dem scheinbar Toten.

Er könnte ihn auch zurücklassen, aber dann hätten die Beamten die leblose Gestalt gefunden, und sobald diese wieder klar bei Verstand war, ausgefragt.

Er fuhr schnell vom Hof. Als er vorne am Wohnhaus vorbeikam, hörte er, dass jemand versuchte, die Haustür zu öffnen. An der Ecke am anderen Ende der Straße sah er einen Polizisten.

»Hallo«, rief ihm der Beamte freundlich zu.

Der Fahrer des Wagens lachte in sich hinein.

Die Hände, mit denen er das Lenkrad hielt, waren noch feucht von der roten Flüssigkeit, die er auf den Fußboden und auf die Wände des Ganges gesprüht hatte. Hoffentlich würden sie die Farbe nicht genauer untersuchen, damit er seine Verfolger wenigstens bis zum nächsten Morgen täuschen konnte.

Es stand ihm nur noch wenig Zeit zur Verfügung. Er überlegte sich, wie lange die Polizei brauchen könnte, um eine Beschreibung des Wagens durchzugeben, und wie lange es dauern würde, bis diese Beschreibung allen Streifenwagen in Bremen bekannt war. Es mochte sich vielleicht um eine Dreiviertelstunde handeln.

Er fuhr direkt nach Norden, und dreißig Minuten später hatte er den Stadtrand von Bremen erreicht. Es war sicher, dass die Polizeiinspektion allen außerhalb liegenden Revieren die Nummer des Autos bekannt geben würde. Er musste sich deshalb auf Nebenwege beschränken und alle Punkte vermeiden, an denen Autokontrollen zu vermuten waren.

Wenn er Glück hatte, konnte er den kleinen Bauernhof, der zwischen Bremen Nord und Ritterhude lag, unentdeckt erreichen. Hätte er den direkten Weg über die Autobahn eingeschlagen, so wäre er schon längst dort gewesen.

Er kam schließlich zu einer Stelle, an der ein ziemlich schlechter Landweg rechts von der Hauptstraße abging. Diesen benutzte er. Er musste mit größter Vorsicht fahren, denn er hatte die. Scheinwerfer ausgeschaltet. Der Weg war uneben und holperig, aber immer noch besser als der Feldweg, den er später einschlug. Hier musste er noch behutsamer manövrieren. Der Motor machte verhältnismäßig viel Geräusche, und er war in großer Sorge, dass dadurch ein Polizist auf ihn aufmerksam werden könnte. Aber offenbar hatte er Glück hier in der Wildnis. Er hatte keine Uhr bei sich, schätzte aber, dass es ungefähr vier Uhr morgens sein musste. Der Himmel hellte sich noch nicht auf.

Endlich kam er zu einer alten Scheune, die neben einem niedrigen, unscheinbarem Haus stand. Er hielt an, öffnete die Wagentür, zog die bewusstlose Person heraus und legte sie ins Gras. Dann fuhr er das Auto in die Scheune, schloss das große Tor, öffnete die Haustür und schleifte die besinnungslose Gestalt über den Rasen in die Diele.

Außer ein paar unansehnlichen Gegenständen, die der frühere Eigentümer zurückgelassen hatte, war das Haus nicht möbliert. Ein schmutziger dunkelroter Teppich lag in der Diele, und in einem angrenzenden Zimmer stand ein altes Sofa. Dort legte er seinen Gefangenen nieder. Dann blieb er einige Zeit vor ihm stehen und betrachtete ihn nachdenklich.

»Es war ein großer Fehler von Ihnen, dass Sie die Polizei auf meine Spur hetzen wollten«, sagte der Mann. »Ich hoffe, dass Ihnen die Sache nicht schlecht bekommt.«

Aber die regungslose Gestalt war bewusstlos und hörte nichts. Der Entführer hatte in der letzten Zeit die Angewohnheit, laut mit sich selbst zu sprechen.

Er wandte sich ab, ging wieder in die Scheune und brachte von dort eine kleine Flasche Wein und eine Schachtel Kekse mit, die er für Notfälle unter dem Fahrersitz hatte.

Den Wagen konnte er jetzt nicht mehr gebrauchen. Er musste seinen Weg quer übers Land auf andere Weise antreten. Aber darauf war er vorbereitet. Von Woche zu Woche hatte er mit größerer Sorgfalt eine Liste über alle Bundesbahn Sonderfahrten in die Umgebung Bremens geführt, und er wusste, dass an diesem Morgen ein Zug mit Urlaubern in Richtung Teufelsmoor und dann weiter nach Bremerhaven fuhr. Er hatte sich entschlossen, diese Route zu wählen, und er glaubte sicher, dass er unter einer Anzahl von Ausflüglern nicht auffallen würde.

Nur der bewusstlose Mann war eine Schwierigkeit. Er wünschte sich jetzt, dass er den Mann nicht mitgenommen hätte.

Er goss etwas Wein in eine alte Tasse, die er in der Küche fand, und trank ihn aus. Dann füllte er die Tasse noch einmal und brachte sie in das Zimmer, wo der Bewusstlose auf dem Sofa lag. Er stellte die Lampe, die er trug, auf einen wackligen Tisch, setzte sich auf die Ecke des Sofas und wartete. Zwischendurch ging er zur Toilette um seine Blase zu entleeren, und stellte fest, dass die Wasserspülung nicht funktionierte. Egal, er ging wieder in das Zimmer zurück.

Nach einer Weile blinzelte der bewusstlose Mann und schaute sich dann verwundert um. Schließlich bemerkte er den Fremden. Er kam langsam wieder zu sich.

»Wo bin ich denn?«, fragte er heiser.

»Auf einem kleinen stillgelegten Bauernhof in der Nähe vom Teufelsmoor. Und ich möchte Ihnen sagen, dass ich derjenige bin, den Ihr Freund der Hauptkommissar Hagedorn bereits vermutet hat.«

Der Mann auf dem Sofa sah ihn ungläubig an.

»Sie?«, Aber Sie sind doch …

»Das wundert Sie? Ich glaube, Sie haben es selbst geahnt und wollten es Ihren Freunden in der Polizeidirektion verraten. Ich habe nicht die Absicht, Sie zu chloroformieren oder durch ein anderes Mittel wieder bewusstlos zu machen. Aber hüten Sie sich davor, etwas Unüberlegtes machen zu wollen, um mich auffliegen zu lassen. Sollte das der Fall sein, muss ich Sie leider töten. Wenn ich mich nicht sehr irre, schlafen Sie bald wieder ein und werden dann sehr lange schlafen, und wenn Sie wieder aufwachen, finden Sie Ihren Weg zur nächsten Polizeistation schon selber. Ihre Fesseln habe ich dann schon gelöst. Bis dahin bin ich auch aus Ihrem Leben verschwunden. Eine Verfolgung Ihrerseits wäre erfolglos, denn ganz in der Nähe beginnt das Teufelsmoor und wir kennen ja aus früheren Geschichten die Aussagen, einmal im Moor, immer im Moor!

Er machte eine kleine Pause, trank von dem Wein und sprach weiter:

»Sollten Sie mit einem Auto fahren wollen, so kann ich Ihnen zu Ihrer Beruhigung sagen, dass Sie in der Scheune einen Wagen finden, die Schlüssel stecken. Mein Hauswirt«, er lachte bei dieser Aussage, »hat mir sein Auto zur Verfügung gestellt. Diese Erklärung sagt Ihnen vielleicht manches, aber wahrscheinlich kümmern Sie sich augenblicklich nicht um diese unwichtigen Details, sondern machen sich Gedanken, wie Sie unbeschadet aus dieser Wildnis hinauskommen.«

Der noch etwas benommene Mann auf dem Sofa starrte seinen Entführer müde an und konnte nicht glauben, wen er vor sich hatte.

»Legen Sie sich wieder auf die Seite«, befahl der Fremde. »Und schließen Sie die Augen.«

Der Fremde wartete noch einige Minuten, bis der Betäubte fest schlief, dann ging er wieder zur Scheune und holte dort einen kleinen Lederkoffer, in den er verschiedene Toilettenartikel eingepackt hatte.

Ein plötzliches unangenehmes Gefühl packte ihn … und seine Gedanken eilten ihm voraus. Schaffe ich das alles … habe ich etwas vergessen? In seinem Unterbewusstsein nahm er das splittern von Glas war …

***.

2

Die Tätigkeit des Versicherungsdetektivs Erwin Müller, bezieht sich auf Wirtschaftsverbrechen durch Versicherungsbetrug in größerem Stil, bei Mord, Betrug und Fälschung und um viele andere Leute, die nicht gern mit der Polizei in Berührung kamen. Deshalb trat Erwin Müller bei seinen Ermittlungen auch immer undercover als Zeitungsreporter auf. Seine Auftraggeber sind namhafte Versicherungsgesellschaften, die er auf eigene Rechnung bedient. Gleichzeitig schreibt er für eine Bremer oder Hamburger Tageszeitung aktuelle Berichte für ein monatliches Gehalt. In seiner Freizeit schreibt er Bücher, über die von ihm aufgeklärten Fälle.

Mit fast allen Beamten vom Morddezernat in Bremen und Hamburg stand Erwin auf gutem Fuß, und mehrmals hatte er schon das Wochenende mit dem Staatsanwalt, der hervorragend Schlagzeug spielte, verbracht.

In seiner Wohnung in Bremen, wo er ein Zimmer als Probenraum für seine Band eingerichtet hat, hingen Fotografien von früheren Musikern, Bands, und berühmten Songwritern. Er wusste genau, wie sich normale und anormale Menschen in jeder Lebenslage benehmen, nur bei Frieda McCartney versagten seine Kenntnisse und Erfahrungen.

Er konnte allerdings verstehen, dass eine alleinstehende junge Dame, die keine Verpflichtungen hatte und ein durchschnittliches jährliches Einkommen bezog, sich irgendwie nützlich machen wollte und Befriedigung darin fand, als Krankenschwester in einer privaten Klinik in Bremen tätig zu sein. Andere junge Frauen hatten Ähnliches getan, und sie unterschied sich von der Mehrzahl nur dadurch, dass sie ihrer menschenfreundlichen Tätigkeit nicht müde wurde.

Frieda war liebenswürdig und sah sehr gut aus. Erwin war sich allerdings nicht klar darüber, was ihn so stark an sie fesselte: ihre Augen, ihr Mund oder ihre gute Figur. Er hatte nur den Wunsch, sie stundenlang, ja für immer anzuschauen. Ihr Charakter war gradlinig und zuverlässig.

Die beiden kannten sich schon seit einigen Jahren, waren auch einmal zusammen im Urlaub in Amerika, der sich aus einer früheren Ermittlung von Erwin ergeben hatte. Der einzige Unterschied zu früher war, sie hatte jetzt keinen Tyrannen mehr zu versorgen.

Ursprünglich stammt Frieda hier aus Deutschland und hat bei Ihrem Onkel in Hamburg gelebt, der sie aber nicht gut behandelte. Sie war nur eine Putzfrau für den Onkel. Der verstarb vor einiger Zeit. Er wurde das Opfer eines Giftmordes und Frieda die Erbin seines bemerkenswerten Vermögens. Ja, der alte Harry McCartney war schon ein sonderbarer Mann. Ihre Mutter lebt in Amerika, aber beide haben kaum Kontakt miteinander.

Niemals konnte Erwin Müller die Kluft überbrücken, die sie von ihm und seinem Alter von vierzig Jahren trennte. Sie war um die dreißig und hatte sich mit ihm schon oft auseinandergesetzt, dass eine Frau in diesem Alter mindestens um zwanzig Jahre erfahrener sei als ein Mann. Die Beziehung kriselte so langsam vor sich hin, obwohl schon vor einiger Zeit von Hochzeit die Rede war.

Erwin hatte gerade sein Monatsgehalt von der Zeitung bekommen und Frieda zum Abendessen ins Tivoli eingeladen. Sie bestellten sich ein typisches Bremer Menü, »Labskaus mit Gurke, saurem Hering und Spiegelei« und dazu ein kühles Bier. Seine Stimmung war vergnügt und froh, aber plötzlich erzählte sie ihm eine Neuigkeit, die ihm sein weiteres Leben grau in grau erscheinen ließ.

Von ihrem romantischen Briefwechsel hatte er allerdings schon gewusst. Er hatte über den Mann gespottet, hatte ihr Vorwürfe gemacht und versucht, sie durch Ironie und Sarkasmus davon abzubringen. Die Sache hatte harmlos begonnen.

Eines Tages fand Frieda einen Brief in ihrer Wohnung vor. Ein Unbekannter bat sie darin um die Freundlichkeit, ihn mit seiner früheren Krankenschwester in Verbindung zu bringen, der es sehr schlecht ginge.

Diesen Brief erhielt Frieda, nachdem sie einige Monate in der Klinik von Doktor Martens tätig war und eine Zeitung in einem Artikel ihre Tätigkeit dort gewürdigt und gerühmt hatte. Der Brief kam aus Südamerika und enthielt eine Banknote von höherem Wert. Diesen Betrag sollte Frieda einer Krankenschwester übergeben, wenn diese aufzufinden war. Andernfalls sollte sie das Geld einem Krankenhaus spenden.

Erwin hatte sie gewarnt und ihr erzählt, dass Betrüger sich oft so an ihre Opfer heranmachen. Frieda wurde böse und hatte ihm vorgeworfen, dass er durch seinen Beruf in allen Menschen Verbrecher sehen würde.

Heute erst erfuhr Erwin, dass der Fremde schon seit ein paar Tagen in Bremen weilte. Das war die Neuigkeit, die ihn so traurig machte.

»Du bist einer meiner ältesten Freunde, Erwin«, begann Frieda etwas atemlos, »und ich fühle mich verpflichtet, es Dir zu sagen.«

Erwin hörte ihr bestürzt zu.

Sie hätte auch sehen können, wie blass er wurde, aber sie schaute ihn absichtlich nicht an. Ihre Blicke hefteten sich auf die tanzenden Paare, die sich auf dem Parkett bewegten.

»Du musst ihn persönlich kennenlernen«, sagte Frieda. Du findest ihn vielleicht nicht so besonders, aber ich wusste schon immer ... ich meine aus seinen Briefen ... er hatte ein fürchterliches Leben im wilden Afrika. Es tut mir natürlich sehr leid, dass ich den guten Doktor Martens im Stich lassen musste, aber ...«

Ihre Worte waren ein wenig zusammenhanglos.

»Wir wollen doch klar sehen, Frieda. Ich werde versuchen zu vergessen, dass ich Dich liebe und immer geliebt habe. Ich wartete nur auf eine Gehaltserhöhung, um Dich um Deine Hand zu bitten«, antwortete Erwin.

Seine Stimme klang ruhig und fest. »Es ist ja nicht ungewöhnlich. Ich habe schon öfter von solchen Fällen gehört. Ein Mädchen beginnt einen Briefwechsel mit einem Mann, den sie noch nie gesehen hat. Die Briefe werden vertraulicher und freundschaftlicher. Sie webt einen ganzen Schleier von Romantik um den Schreiber. Sieht sie ihn dann später eines Tages in Wirklichkeit, so ist sie entweder furchtbar enttäuscht oder sie verliebt sich auf den ersten Blick in ihn. Man sagt, dass auf diese Weise schon glückliche Ehen zustande gekommen sind, aber es gibt auch Gegenbeispiele. Ich weiß tatsächlich nicht, was ich dazu sagen soll.«

Erwin sah zufällig auf Friedas linke Hand und vermisste den wundervollen Rubinring, den sie immer getragen hatte, solange sie sich kannten.

Sie wusste sofort, was sein Blick zu bedeuten hatte, und legte die Hand in den Schoß, sodass er sie nicht mehr sehen konnte.

»Wo ist Dein Ring?«, fragte er trotzdem.

Sie errötete, und seine Frage beantwortete sich dadurch eigentlich von selbst.

»Ich habe ihn … aber ich weiß gar nicht, was das mit Dir zu tun hat?«

»Ich habe ihn verloren«, sagte Frieda schnippisch, »und das habe ich auch gleich der Versicherung mitgeteilt, denn er war sehr wertvoll.«

Erwin holte tief Atem: »Es hat nichts mit mir zu tun, ich bin nur neugierig, und außerdem, Du weißt doch welchen Beruf ich ausübe, oder.«

»Natürlich weiß ich das«, erwiderte sie, »ich bin doch nicht blöde und sage Dir was ich mit dem Ring gemacht habe«, erwiderte Frieda ärgerlich.

An diesem Abend war Erwin sehr taktlos.

»Es ist mein Ring«, antwortete Frieda hastig, »und ich lasse mich deswegen nicht von jemandem verhören, der gar kein Recht dazu hat. Du bist ein schrecklicher Mensch.«

»Lass mich damit einfach in Ruhe«, fügte sie noch hinzu, und wandte sich ärgerlich von ihm ab.

»So?« Erwin nickte bedächtig. »Schon möglich, und ich weiß, dass ich Dir gegenüber kein Recht habe, schrecklich oder sonst etwas zu sein. Ich will ja auch nicht fragen, was er Dir dafür gegeben hat. Vielleicht irgendeinen wertlosen Gegenstand?«

Sie zuckte zusammen.

»Woher willst Du das denn wissen?«

Erwin sah sie ernst an.

»Ich würde diesen Menschen doch erst einmal genau prüfen, Frieda.«

Sie schaute ihm zum ersten Mal wieder ins Gesicht und erschrak.

»Wie meinst Du denn das? Ich verstehe Dich nicht.«

Erwin versuchte zu lächeln, um es ihr möglichst liebenswürdig zu sagen.

»Du musst doch erst Erkundigungen über ihn einziehen. Man prüft doch ein Auto auch erst, bevor man es kauft.«

»Aber ich kaufe diesen Menschen doch nicht, er ist ein reicher Mann. Er hat zwei Farmen«, sagte Frieda eisig. »Ihn prüfen. Erkundigungen einziehen. Du würdest natürlich sofort einen Verbrecher in ihm entdecken. Und wenn Du nichts finden solltest, hast Du ja genügend Fantasie, um ihm etwas anzudichten. Vielleicht ist er ja sogar Dein berühmter Held »Goldmaske. Der Mann ist doch eine Spezialität von Dir, nicht wahr?« »Und mich verdächtigst Du auch, als ob ich eine Versicherungsgesellschaft, nur wegen einem Ring den ich als verloren gemeldet habe bescheißen würde.«

»Du kannst mich mal am Arsch lecken«, betonte Frieda noch mal ausdrücklich.

Erwin seufzte, er hatte keine Chance bei ihr, sie zu beruhigen, aber er hatte jetzt wenigstens die Möglichkeit, das unangenehme Thema fallenzulassen.

»Goldmaske ist durchaus kein Fantasiegebilde«, wechselte er das Thema, »er existiert tatsächlich. Frage doch bitte den Wirt.«

Erwin winkte den schlanken Geschäftsführer des Restaurants heran. Dieser stolzierte wie eine Frau mit High Heels, auf seinen flachen schwarzen hochglänzenden Halbschuhen. Zur Betonung seines Ganges trug er ein rosafarbenes Sakko, mit einem lila Einstecktuch.

»Ach, Sie meinen Goldmaske? Ein gemeiner Verbrecher«, sagte der Wirt theatralisch und gestikulierte lebhaft mit den Händen. »Wo bleibt die berühmte Bremer Polizei? Mein armer Freund und Kollege ist schwer geschädigt worden. Dieser entsetzliche Mensch hat das ganze Renommee seines Restaurants zerstört.«

Tatsächlich war Goldmaske eines Abends zu später Stunde in seinem Restaurant aufgetaucht und hatte einer betuchten Dame, bevor die anderen Gäste etwas merkten, ihren Schmuck abgenommen, der sechstausend Euro wert war. Die ganze Sache spielte sich in wenigen Sekunden ab. An der Ecke vom Sielwall sah ein Polizist, dass ein Mann auf einem Motorrad die Straße entlang bretterte. Auch am Osterdeich wurde bemerkt, dass dasselbe Motorrad in Richtung City in einem hohen Tempo davonfuhr. Das war der dritte und bekannteste Auftritt des Verbrechers hier in Bremen.

»Meine Kunden sind nervös geworden, und wer sollte unter solchen Umständen auch nicht nervös werden?«, sagte der Wirt aufgeregt, und fummelte ununterbrochen an einem Knopf seines Sakkos. »Glücklicherweise sind es gebildete Leute, die anders damit umgehen.«

Plötzlich brach er ab und starrte auf den Eingang.

»Meine Güte nein, sie hätte wirklich nicht kommen sollen«, schrie er beinahe und eilte zur Tür, um eine Dame zu empfangen, deren Ankunft ihm anscheinend unangenehm war.

Es war die Filmschauspielerin Lona Taube, eine blonde Schönheit. Ihre Agenten hatten sie so getauft, weil ihr eigener Mädchenname nicht zugkräftig genug wirkte. Sie spielte nicht gut und war der Schrecken der Regisseure, das Publikum aber liebte sie. Im Laufe der letzten Jahre war sie sehr reich geworden und hatte einen großen Teil ihres Vermögens in wertvollen Schmuck angelegt, den sie ohne Schau auch öffentlich trug. In den elegantesten Nachtklubs von Bremen nannte man sie nur »Lona Taube.«

Die Besitzer und Geschäftsführer dieser Klubs und Kabaretts wurden nach dem letzten Überfall, auf eine betuchte Dame, alle nervös, und wenn Lona Taube einen Tisch bestellte, rief der Inhaber des betreffenden Lokals sofort die Polizei. Kommissar Hagedorn, der in diesem Fall zuständig war, schickte dann ein paar Beamte in tadellosem Gesellschaftsanzug, die sich nicht von den anderen Gästen unterschieden und an benachbarten Tischen Platz nahmen, um die Kostbarkeiten der »Lona Taube« zu bewachen.

Aber nicht immer war sie so vorsorglich, ihr Erscheinen telefonisch anzumelden. Öfters kam sie in Begleitung netter junger Leute, mit Goldketten und Brillanten behängt, in ein Lokal, und es musste dann irgendwo ein Tisch provisorisch für sie aufgestellt werden. Auch an diesem Abend hatte sie sich im Tivoli nicht angemeldet, und Carlo, der Wirt, war außer sich vor Verzweiflung. Er gestikulierte wieder wild mit den Armen und sprach italienisch, was den Gästen sehr romantisch erschien, da sie nur Deutsch und ein bisschen Englisch verstanden.

»Was, kein Platz? Machen Sie sich doch nicht lächerlich, Carlo. Natürlich ist Platz da. Es ist ganz gleich, wo für uns gedeckt wird«, sagte Lona Taube eingebildet.

Es wurde in der Nähe des Eingangs ein Tisch aufgestellt, und die kleine Gesellschaft ließ sich dort nieder. Lona Taube stellte das Menü zusammen.

»Es ist mir aber sehr unangenehm, dass Sie hier sitzen müssen«, sagte Carlo ängstlich. »Der prachtvolle Schmuck, denken Sie doch an die ältere Dame vor ein paar Wochen ... ach, es ist entsetzlich. Wenn Goldmaske ...«

»Aber wie können Sie so scherzen, Carlo. Halten Sie doch den Mund«, erwiderte Lona Taube ärgerlich. Dann wandte sie sich dem Oberkellner zu, den sie viel sympathischer fand.

Ein italienisches Tanzpaar trat auf, und die Gäste folgten fasziniert den wunderbaren Darbietungen. Schließlich verließen die beiden das Parkett wieder, nachdem sie noch ein paar Zugaben absolviert hatten.

Im gleichen Augenblick hörte Lona Taube jemand hinter sich sprechen.

»Verhalten Sie sich ruhig.«

Sie sah, dass die Gesichter ihrer Begleiter bleich wurden, und sie wandte sich halb in ihrem Stuhl um.

Der Mann, der hinter ihr stand, trug einen langen, schwarzen Mantel, der fast bis auf die Erde reichte, und eine goldene Maske verdeckte sein Gesicht.

In der einen Hand hielt er eine Pistole, die andere streckte er nach ihrem Hals aus. Ein kurzes Knacken, und ihre wertvolle Perlenkette um den Hals und ihr Armband verschwanden in seiner Tasche. Lona war starr vor Furcht.

Inzwischen wurden die anderen Gäste aufmerksam. Männer sprangen auf, Frauen schrien, die Band hörte auf zu spielen.

Aber Goldmaske war fort, und zwei Männer kamen langsam aus ihren Verstecken hervor.

»Beunruhige Dich nicht, Frieda«, sagte Erwin leise, aber eindringlich. »Ich bringe Dich nach Hause, und dann muss ich sofort zu meiner Zeitung. Werde mir bloß nicht ohnmächtig.«

»Ich denke gar nicht daran, ohnmächtig zu werden«, entgegnete Frieda trotzig, aber sie war doch sehr nervös.

Erwin hatte sie auf die Straße gebracht, bevor die Polizei kam, und hielt ein Taxi für sie an.

»Es war entsetzlich, wer war das nur?«

»Ich weiß es nicht«, erwiderte er kurz. »Wie heißt eigentlich Dein romantischer Liebhaber?«, fragte Erwin dann, »das hast Du mir noch gar nicht gesagt.«

Frieda war so nervös, dass sie die Fassung verlor.

Erwin Müller hörte sich ihren hysterischen Wutausbruch ruhig an.

»Ich wette, dass er sehr gut aussieht, wahrscheinlich besser als ich«, meinte Erwin dann gelassen. »Du bist wirklich albern, Frieda, aber ich werde ihn schon treffen, wo wohnt er denn?«

»Du wirst ihn nicht treffen.« Sie hätte am liebsten geweint. »Ich sage Dir nicht, wo er wohnt, und ich hoffe, dass ich Dich niemals wiedersehe.«

Sie übersah seine Hand und schwieg, als er ihr Gute Nacht wünschte und stieg ins Taxi.

Wütend eilte Erwin Müller zur Redaktion und schrieb einen heftigen Artikel über Goldmaske. Doch all die Angriffe, die darin standen, galten eigentlich dem romantischen Fremden aus Südamerika, den Frieda kennen gelernt hat.

Was ihm im Nachhinein komisch vorkam, war: Während Goldmaske der Schauspielerin die Halskette und das Armband entwendet hat, gab es ihrerseits keine Reaktion der Gegenwehr. Es sah aus, als wäre es mit ihrem Einverständnis geschehen, oder das Ganze war vorher abgesprochen.

Es hatte auch den Anschein, als wenn sich beide kennen würden. Es ist nicht auszuschließen, dass dieser Schmuck auch versichert war, um dann nach einem Diebstahl eine Versicherungssumme zu kassieren. Wäre das Letztere der Fall, und der Schmuck bei einer Gesellschaft, die Erwin vertritt, versichert, käme ein Haufen Arbeit auf ihn zu.

»Das wird eine schwierige Geburt«, sagte er leise vor sich hin, und dann hier in Bremen, im Steintor Viertel, wo einer den anderen deckt und keine vernünftigen Aussagen zu bekommen sind, die auch der Wahrheit entsprechen.

Normalerweise wird Erwin Müller von den Versicherungsgesellschaften nur beauftragt, wenn es um höhere Summen und hochgradigen Wirtschaftsverbrechen mit vielen Millionen Schadenssummen geht. Wie er jetzt zum Beispiel an einem Fall in der Wesermarsch dran sitzt, wo es in einer Firma um zig Millionen Euro der Veruntreuung geht. Er wird dann als ein externer Sonderermittler eingesetzt. Diese kleineren Fälle, wie hier mit Goldmaske, bearbeitet meistens sein Kollege Wolfgang Schröder im Alleingang. Da dieser aber noch im Urlaub ist, wird Erwin auch in diesem Fall ermitteln.

Er nahm seinen Schreibblock und machte dementsprechende Notizen. Wer weiß, wann er diese noch einmal gebrauchen würde.

***

3

Frieda McCartney war eine moderne junge Dame, die die Hemmungen früherer Generationen nicht kannte. Gleich bei der ersten Zusammenkunft hatte sie sich in Adam Bellmann verliebt. Seine männliche Erscheinung und sein gutes Aussehen hatten es ihr angetan. Es war ein romantisches Abenteuer für sie, und in ihrer Fantasie versah sie den Geliebten mit allen Tugenden und Vorzügen, die ein Mann nur haben konnte. Seine Bescheidenheit, seine Kraft, sein feiner Humor, seine kindlichen Ansichten über Geld und Finanzen und seine Naivität imponierten ihr. Er ordnete sich ihr in gewisser Weise unter und nahm ihr Urteil über Verhältnisse, Ereignisse und Menschen an, ohne etwas dagegen zu sagen, sodass sie sich geschmeichelt fühlte.

Vor allem fand sie seine Zurückhaltung außerordentlich taktvoll. Er hatte sie nur einmal umarmt, und er vergaß nie, dass ihre Bekanntschaft erst kurze Zeit dauerte. Das Wort »Liebe« war noch nicht zwischen ihnen gefallen. Als sie sich das zweite Mal trafen, küsste er sie, und das berührte sie unangenehm, warum wusste sie nicht. Er musste es gemerkt haben, denn er versuchte es nicht wieder. Aber sie sprachen trotzdem davon, zu heiraten und ein gemeinsames Heim in Südamerika einzurichten. Adam erzählte ihr von den Wundern des Schwarzen Erdteils, und sie unterhielten sich sogar über Kindererziehung.

Einen Tag nach ihrem Erlebnis im Tivoli hatte sie sich zum Mittagessen mit ihm verabredet.

»Ist dein Geld gekommen?«, fragte Frieda ihn lächelnd.

Adam nahm seine Brieftasche heraus und zeigte ihr zwei Banknoten zu je fünfhundert Euro.

»Ja, heute Morgen. Ich habe die beiden Scheine für meine kleinen Ausgaben eingesteckt, ich hasse es, in Bremen ohne Geld zu sein. Aber wenn es heute Morgen nicht gekommen wäre, hätte ich dich anpumpen müssen, Liebling. Was hättest du dann wohl von mir gedacht?«

Sie lächelte wieder. Männer benahmen sich in Geldsachen wirklich komisch. Zum Beispiel Erwin. Sie hatte ihm vor einigen Jahren gesagt, dass er einen kleinen Wagen haben müsste, aber er war direkt beleidigend geworden, als sie ihm Geld dafür leihen wollte.

»Hast du Dich gestern Abend gut unterhalten?«

Sie verzog das Gesicht.

»Das könnte ich nicht gerade behaupten.«

»Dein Bekannter ist Zeitungsmann?«

»Erwin war nicht schuld daran, dass der Abend so unglücklich verlief. Es war ein Mann, der eine helle Maske trug«, erwiderte Frieda.

»Ach so.« Adam zog die Augenbrauen hoch.

»Du warst ja im Tivoli. Und Goldmaske war auch dort«, sprach Adam weiter, »Ich habe es heute Morgen in der Zeitung gelesen. Ich wünschte nur, dass ich dabei gewesen wäre. Es ist mir rätselhaft, dass die Männer in diesem Land so feige sind. Lassen einen dreisten Räuber ohne weiteres entwischen. Einer von uns beiden wäre auf dem Platz geblieben, wenn ich in seiner Nähe gewesen wäre. Ihr habt einfach zu viel Angst vor Pistolen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung ...«

Adam Bellmann erzählte Frieda eine Geschichte von früheren Abenteuern, die ihn selbst in sehr günstigem Licht zeigte.

Während er sprach, kehrte er das Gesicht dem Fenster zu, und Frieda hatte Zeit, Adam zu beobachten. Sie betrachtete ihn jedoch nicht kritisch, sondern mit den Augen eines romantischen jungen Mädchens. Er war älter, als sie gedacht hatte. Vielleicht vierzig, oder ein paar Jahre mehr. Die kleinen Falten in den Augenwinkeln und ein harter Zug um den Mund deuteten es an. Sie wusste, dass er ein gefahrvolles Leben hinter sich hatte, und man konnte der Welt kein glattes, jugendliches Gesicht mehr zeigen, wenn man solche Strapazen durchgemacht hatte wie er.

In der Wüste hatte er Hunger und Durst gelitten, am Ufer eines Flusses hatte ihn ein schweres Fieber gepackt, und seine Begleiter ließen ihn im Stich, sodass er allein und ohne Waffen von Löwen angegriffen werden konnte. Unter dem Kinn hatte er eine lange Narbe von der Pranke eines Leoparden.

»Heutzutage ist das Leben in Afrika nicht anders als hier im Steintor Viertel«, sagte er. »Es ist nichts Geheimnisvolles mehr daran. Ich glaube kaum, dass es noch viele Löwen dort gibt. Aber in den alten Zeiten passierte es, dass sie manchmal mitten auf der Straße lagen und sich in der Sonne rekelten ...«

Frieda hätte ihm stundenlang zuhören können, aber sie erklärte ihm, dass sie noch Pflichten in der Klinik habe.

»Ich werde hinkommen und Dich nach Hause bringen, wo liegt die Klinik eigentlich?«

Sie beschrieb ihm die genaue Lage des Hauses in der Nähe des Steintor Viertels.

»Es ist neben dem Gelände eines großen Krankenhauses an der St. Jürgen Straße, am Haupteingang vorbei und dann bis zum Ende geradeaus. Du siehst es dann schon am Ende der Straße hinten rechts. Ein kleines helles Gebäude.«

»Was ist eigentlich Doktor Martens, der Inhaber dieser Privatklinik, für ein Mann?«

»Oh, er ist rührend gut«, erwiderte Frieda begeistert.

»Dann wollen wir ihn nach Amerika holen. Es gibt dort viel Arbeit für ihn, besonders bei den Kindern. Wenn ich die Farm kaufen könnte, die an meine stößt, ließe sich das Haus dort leicht in ein Erholungsheim umbauen. Es ist eines der großen holländischen Farmhäuser, und ich selbst besitze eine schöne Wohnung, sodass wir eine andere nicht brauchen.«

Sie lachte.

»Du scheinst immer mehr Land haben zu wollen, Adam. Ich werde noch an einen Agenten schreiben müssen, um nähere Einzelheiten über dieses begehrenswerte Grundstück zu erfahren.«

Adam runzelte die Stirn.

»Hast Du Freunde in Kapstadt?«, fragte Frieda.

»Ich kenne einen jungen Mann dort, aber ich habe ihm nicht mehr geschrieben, seitdem er England verließ.«

»Hm«, Adam wurde ernst. »Wenn Fremde drüben Land kaufen wollen, werden sie meistens hereingelegt. Ich möchte Dir einen Rat geben. Versuche niemals, in Südamerika Land durch einen Agenten zu kaufen, denn diese Menschen sind meistens Betrüger. Eines ist aber sicher: Der Landbesitz in der auch meine Farm liegt, wird in ein paar Jahren das Doppelte wert sein. Die Regierung baut eine neue Eisenbahnlinie, die gerade an der Grenze meines Landes vorbeikommt. Wenn ich ein Vermögen hätte, würde ich es bis auf den letzten Cent dort in Grundbesitz anlegen.«

Adam nahm wieder die beiden Fünfhunderteuronoten aus der Tasche und betrachtete sie. Sie raschelten zwischen seinen Fingern.

»Warum bringst Du das Geld nicht auf die Bank?«

»Weil ich es bei mir haben möchte. Außerdem fasse ich deutsche Banknoten gern an. Sie sehen so sauber aus.«

Er steckte die Brieftasche wieder ein und fasste Frieda dann plötzlich an den Schultern. In seinen Augen glühte ein Feuer, wie sie es noch nie vorher gesehen hatte, und sie erschrak ein wenig.

»Wie lange sollen wir eigentlich noch warten?«, fragte er leise. »Ich kann doch leicht das Aufgebot bestellen, dann heiraten wir sofort und sind in zwei Tagen in Amerika.«

Sie machte sich von ihm frei und bemerkte erstaunt, dass sie zitterte.

»Das ist unmöglich«, erwiderte Frieda atemlos. »Ich habe noch so viel zu tun, und ich muss doch zunächst noch in der Klinik bleiben, bis ich eine verlässliche Nachfolgerin habe. Es geht nicht, dass ich Doktor Martens einfach sitzenlasse. Und Du hast auch selbst einmal gesagt, dass Du erst in einigen Monaten heiraten wolltest.«

Adam schaute sie lächelnd an.

»Ich kann Monate, auch Jahre warten«, erwiderte er.

Frieda hatte an diesem Abend eigentlich nur eine halbe Stunde für ihn Zeit, aber er wollte trotzdem mit ihr essen gehen. Der Gedanke daran, machte ihr keine besondere Freude. Sie sagte sich selbst, dass sie ihn liebe. Er war genauso, wie sie ihn sich wünschte. Aber Heirat, sofortige Heirat? Nein. Sie schüttelte den Kopf.

»Mit welcher Bank arbeitest Du eigentlich zusammen?«, fragte Frieda plötzlich.

Diese Frage überraschte ihn sehr. Sein Gesichtsausdruck war auch dementsprechend.

»Bank? Ach so, die Standard Bank, das heißt, nicht eigentlich die Standard Bank, sondern es ist eine Firma, die mit einer Bank in Verbindung steht. Aber warum interessiert Dich das?«

Frieda wollte es erfahren, um ihm eine Freude machen zu können, aber davon sollte er noch nichts wissen.

»Ich erzähle es Dir später.«

Adam begleitete Frieda ins Steintor Viertel. Sie ging zum Dienst in die Klinik und er verbrachte den Nachmittag in verschiedenen Reiseagenturen, um Pläne und Prospekte durchzusehen. Er wäre gern in Bremen geblieben, ebenso wie in vielen anderen Orten, die er hatte verlassen müssen.

Inga zum Beispiel, lebte hier. Sie ist eine Schönheit geworden. Er hatte sie wiedergesehen, obwohl sie nichts davon wusste. Sonderbar, wie sich Frauen entwickeln konnten. Früher war sie ein ungelenkes Mädchen gewesen, das ihm gar nicht gefallen hatte. Wie würde wohl Frieda in ein paar Jahren aussehen? Im Augenblick war sie ja sehr schön. Aber sie besaß Eigenschaften, die ihm wenig gefielen. Freilich, eine vollkommene Frau gab es wohl überhaupt nicht.

Als er Frieda heute an den Schultern fasste und ihr in die Augen sah, hatte er etwas anderes erwartet, als dass sie sich so erschrocken von ihm abwandte. Sie hatte ihre Scheu so offen gezeigt, dass er klugerweise im Augenblick nicht weiter aufdringlich werden wollte. Natürlich musste er sie heiraten, aber eine Heirat in diesem Land war sehr gefährlich. Ein Zeitungsreporter und zugleich Versicherungsdetektiv war ihr Freund? Diese Leute hasste er ganz besonders, denn sie steckten ihre Nase in alle möglichen Dinge, die sie nichts angingen, und waren skrupellose Menschen. Und Reporter, die über Kriminalfälle berichteten, waren die allerschlimmsten.

Adam fühlte sich unbehaglich und beschäftigte sich wieder mit Inga. Von ihr wanderten seine Gedanken zu anderen Frauen. Was mochte wohl aus Lina geworden sein? Tom hatte sie wahrscheinlich wiedergefunden und ihr alles verziehen. Tom war immer ein willensschwacher Mensch. Aber Inga ....?

Am Abend speiste Adam mit Frieda im Tivoli. Der Überfall in diesem Lokal zeigte bereits seine Folgen. Der Speisesaal war halb leer, und Carlo ging mit düsterer Miene auf und ab.

»Die Sache hat mich ruiniert, Frau McCartney«, sagte er ganz gebrochen. »Die Leute kommen überhaupt nicht oder ohne Schmuck, und ich liebe doch vornehmes Publikum, das auch den nötigen Schmuck trägt, allerdings nicht wie Sie.«

»Ich hoffe, Goldmaske kommt heute Abend wieder«, erklärte Adam mit einem ruhigen Lächeln.