Das Fenster - Uwe Kirst - E-Book

Das Fenster E-Book

Uwe Kirst

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Reisen in die Vergangenheit sind tückische Freunde. Das Fenster, durch das wir die Welt einst betrachtet haben, mag dasselbe sein, doch das, was wir nun sehen, ist etwas ganz anders. Vergangene Gerüche oder Empfindungen, hervorgerufen durch Töne, Farben und Räume, eröffnen uns einen Blick in unser Unterbewusstsein, schaffen einen Zugang zu gespeicherten Lebensmomenten und erzeugen damit zuweilen einen krassen Gegensatz zwischen gestern und heute. Die Vielfalt der Impulse aus dem Früher, gespiegelt in der Erfreulichkeit des lebendigen Jetzt und der Hoffnung, die nie endet – davon erzählt diese kleine Geschichte. Als Momentaufnahme aus einem Schicksal unserer besonderen Zeit, die ungleich mehr Facetten hat, als Menschen, die in ihr leben. Das Fenster und Über Land - zwei Erzählungen über das Reisen als Sinnbild für Aufbrechen, Ankommen und Entdecken. Als Metapher für innere und äußere Veränderungen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 35

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



adakia pocket

kleine Reihe – großer Genuss

Vol. 3

Uwe Kirst

DAS FENSTER

Erzählungen

In der Reihe »adakia pocket« sind bisher erschienen:

Vol 1: Fuchstraum – Im Mauseloch

Vol 2: Raul Jordan (Hrsg.) – Wandrers Weg

Vol 3: Uwe Kirst – Das Fenster

Vol 4: Mark Jischinski – Partner TÜV

Vol 5: Dana Schwarz-Haderek – Vogelfrei

adakia Verlag UG (haftungsbeschränkt)

Richard-Wagner-Platz 1

04109 Leipzig

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechts ohne Zustimmung des Verlags ist unzulässig.

Gesamtherstellung: adakia Verlag, Leipzig

Covergestaltung: Susan Ullrich

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2019

1. Auflage, Juni 2019

ISBN 978-3-941935-60-0 (EPUP)

ISBN 978-3-941935-61-7 (MobiPocket)

Für meine Schwester

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Das Fenster

Über Land

Das Fenster

Er wollte es schon lange tun. Nie war Zeit dafür. Es waren andere Dinge wichtiger, als mit sich selbst zu reden, hinabzusteigen ins Gestern und einer Sehnsucht zu folgen.

Der Verkehr auf der Autobahn verlangt nicht viel von ihm. Nur das Lenkrad festhalten, den Blick nach vorn richten, auf rote Lichter achten, die vor ihm aufleuchten, dann bremsen oder links blinken und überholen.

Das Radio ist stumm geschaltet. Üblicherweise laufen die Dauernachrichten mit 5-Minuten-Themen und diesem nervtötenden Börsenbericht dazwischen. Wie viele Menschen im Lande brauchen viertelstündliche Informationen zu Aktien und Wertpapieren? Die, die es wirklich wissen wollen, haben den Ticker auf dem Bildschirm oder eine App auf ihrem Smartphone.

Mit dem neuen Jahrtausend kamen diese Anpassungen an den Hype des Neuen Marktes. Alles stürzte sich auf Aktien, als wäre die Seligkeit damit zu erlangen. Kollegen hatten ihre Ersparnisse in Aktien umgewandelt. Geldgier und Dummheit haben viele Gesichter. Immer schon.

»Was macht denn dieser …?« Er muss kräftig bremsen. Es ist nicht gut, zu oft nach rechts oder links zu schauen. Er sollte sich lieber auf den Wagen vor ihm konzentrieren. Hans fällt ihm ein. Ein früherer Vorgesetzter, klug, geradlinig. Er war mal mit ihm unterwegs gewesen, im Auto. Wenn Hans sprach, schaute er immer den Gesprächspartner an, auch beim Fahren. Wohin die Fahrt damals ging, weiß er nicht mehr, aber an die Angst erinnert er sich gut.

Die Fahrbahn steigt an, und später, in sanftem Bogen, wird es nach unten gehen. Da stehen sicher wieder die Blitzer, erst im letzten Augenblick sichtbar. Schon mehrere Kilometer davor sind nur hundert- zwanzig, dann hundert dann achtzig erlaubt. Geschwindigkeitsbeschränkung in verträglicher Dosierung. Natürlich wird wieder irgendwer drei Kilometer vorher nur noch fünfzig fahren. Als gäbe es dafür eine Gutschrift in Flensburg.

Die Verkehrsnachrichten werden gleich kommen. Er hebt die Stummschaltung des Radios auf – schon wieder die Börse.

»Haben die noch nicht begriffen, dass seit dem Börsencrash und der jüngsten Finanzkrise kaum ein Normalbürger mehr Aktien hat?« Ärgerlich tippt er auf den Radiotasten auf einen anderen Sender.

Die Sonne kommt von rechts. Es ist warm draußen, später Mai. Das Grün wirkt frisch, selbst an der Autobahn. Er hat noch eine ziemliche Strecke vor sich bis zu seinem Ziel. Er war dort lange nicht; in der Stadt seiner Geburt. Bilder steigen auf, Häuserzeilen, Landschaften. Gespräche, die er in den letzten Jahren bei seinen dienstlichen Obliegenheiten an Orten geführt hatte, die nicht weit davon lagen. Gespräche mit Menschen, die er nicht kannte und die alles »toll« fanden, weil sie gerade dort hingezogen waren.

Auch er fand vieles toll, das Neue, Wiedererstandene, Saubere, Geordnete. Nur zurück wird er niemals wollen. Zu hart war der Schnitt des Weggehens und zu wertvoll der Sieg des Ankommens.

Zu Hause sein, wo früher nur die Träume wohnten; seine Träume vom Land der Berge, dem anheimelnden Dialekt, den Traditionen. Solcher Traditionen, die in seiner Heimat verpönt waren.

Wie schlimm das war, sich nicht mit einem Landstrich identifizieren zu dürfen. »Kleinbürgerlich« sei das, so hieß es harsch. »Fühle dich verbunden mit den Traditionen der arbeitenden Klasse, nicht mit einer Tracht«, denn das sei Deutschtümelei.

Er wäre so gern verwaltungsrechtlich ein Thüringer gewesen, nicht nur Einwohner eines Bezirkes im früheren Land Thüringen. Heute ist er lieber Wahlfranke.

Was macht »Heimat« aus? Die Sprache, die Landschaft, ein bestimmter Geruch? Das Gelebte allein ist es nicht, denn es fehlt ihm nicht. Sich-Auskennen und Bekannte, die auf der Straße grüßen – das schon eher, denn das hatte ihm sehr gefehlt, in den ersten Jahren nach der Flucht.