Das Feuerpferd - Sabine Abel - E-Book

Das Feuerpferd E-Book

Sabine Abel

0,0
3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Feuerpferd

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Contents

Das Feuerpferd

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

Piratin-Streetlib

Die Autorinnen

Impressum

Im Gestüt am Schattensee wird in einer Gewitternacht ein weißes Fohlen geboren. Mit seiner Geburt in der Welt der Sterblichen entschwindet die Kraft des Feuers aus dem Schattenreich und der Insel Seoria droht der Untergang.

 Der „alte Grint“ versucht, diesen Moment der Schwäche zu nutzen, um das ganze Schattenreich zu unterwerfen. Seorias Herrscherin, die Zauberfürstin Moghora, muss nun in beiden Welten um ihre Macht kämpfen. 

Die Bewohner des Gestüts und eines benachbarten Weinguts sehen sich gezwungen, Partei zu ergreifen und entscheiden am Ende über den Ausgang des Kampfes zwischen Moghora und dem alten Grint.

Was LeserInnen über „Das Feuerpferd“ sagen:

„sehr empfehlenswert für alle, die eine spannende Lektüre suchen ohne dass literweise Blut fließt.“

„Ein sehr gelungenes Werk aus der Zusammenarbeit dreier Autorinnen!“

„Es wird eine Geschichte erzählt, die man so noch nicht kennt.“

Das Feuerpferd

Annemarie Nikolaus, Monique Lhoir, Sabine Abel

License Notes

This ebook is licensed for your personal enjoyment only. This ebook may not be re-sold to other people nor somewhere uploaded for further distribution. If you would like to share this book with another person, please purchase an additional copy for each recipient.

1

Mit den Schuhen in der Hand tastete sich Silvana die Treppe hinab. Licht schimmerte durch die Ritzen der Küchentür und verriet, dass ihr Bruder immer noch über den Wirtschaftsbüchern saß. Vorsichtig öffnete die junge Frau das schwere Portal. Als sie hinausschlüpfte, entriss ihr ein Windstoß die Tür und warf sie krachend ins Schloss.

Dorianos Schatten tauchte am Küchenfenster auf. Es kümmerte sie nicht; sie rannte über den Hof, die Schuhe in der Hand.

Doriano öffnete das Fenster. „Silvana! Silvana, komm zurück. Was willst du da draußen in diesem Unwetter?“ Er zog seine Regenjacke an und eilte ihr nach.

Noch regnete es nicht, aber der Donner grollte bereits über ihnen und der Wind wirbelte die Reste des Heus auf, das sie am Morgen an der Wand des Geräteschuppens gelagert hatten. Er zerrte an den klappernden Fensterläden. Silvana lief hinüber, um sie zu befestigen.

Als sie den Pferdestall erreichte, schlug ein Blitz am Rand des Maisfelds ein und verwandelte die alte Pinie in eine Fackel. Durch das geöffnete Tor drang Brandgeruch in den Stall und die Tiere schnaubten nervös. Miklos und Waltari, die beiden Hengste, trommelten mit den Hufen gegen die Wände ihrer Boxen.

Eine schwarze Stute lag im Stroh und begrüßte sie mit leisem Wiehern. Silvana tastete nach einer Stalllaterne und zündete sie an. „Larissa, mein gutes Mädchen! Ist es so weit?“ Sie kniete nieder und massierte behutsam den mächtigen Leib des Pferdes.

Die Stute schnaubte und ächzte.

Silvana strich ihr über den Hals. „Das wird ein tolles Pferdchen, du wirst sehen. Dein Baby wird das Feuer aller Blitze in sich tragen, die jetzt niedergehen. Es wird schnell sein wie der Sturm, der um den Stall fegt, und mächtig wie das Donnergrollen.“

Ein leises Lachen erklang. Ihr Bruder hatte unbemerkt den Stall betreten. „Soll das eine Zauberformel für das neue Fohlen werden?“

„Ach, Doriano!“ Sie stand auf und hob die Laterne höher, um ihm den Weg durch die Stallgasse zu leuchten.

„Bei diesem Licht siehst du mit deinen wilden Locken aus wie eine kleine Hexe.“ – „Oder wie eine Elfe“, setzte er zwinkernd hinzu, als sie die Augenbrauen hob. „Wie konntest du wissen, dass Larissa fohlt? Es ist viel zu früh!“

„Sie braucht Hilfe.“ Silvana legte der Stute die Hand auf ihren Kopf, um sie zu beruhigen.

„Wir auch. Um das Gestüt zu retten, bräuchten wir ein Pferd, das den Teufel im Leib hat.“Endlich, im Morgengrauen, erhob sich ein Fohlen zum ersten Mal auf seine staksigen Beine.

„Ein Albino“, rief Doriano perplex.

„Aber nein; siehst du nicht, dass es schwarze Augen hat?“ Silvana tätschelte die Stute mit einem vergnügten Zwinkern: „Larissa, mit wem hast du uns da betrogen?“

„Vielleicht ist es wirklich das Zauberpferd, das wir uns gewünscht haben.“ Doriano setzte sich ins Stroh und umarmte beide.

Als sie den Stall verließen, zerrte der Sturm an ihnen. Unvermindert tobte das Gewitter; doch im Licht des neuen Tages wirkte es nicht mehr bedrohlich. Lachend hoben sie ihre Gesichter den vereinzelten Regentropfen entgegen, sprangen übermütig durch die spärlichen Pfützen der Nacht.

Da schlug erneut der Blitz ein. Aus dem Dachstuhl ihres Hauses schoss eine Flamme.

Sie erstarrten.

„Komm löschen, vielleicht sind wir schnell genug.“ Doriano schrie gegen das Pfeifen des Sturms und griff nach ihrer Hand.

Silvana riss sich los. „Nein, zuerst die Pferde! Wir müssen sie wegbringen, bevor das Feuer auf die Ställe übergreift!“ Sie rannte zurück, ohne auf Doriano zu achten.

Schon fegte der Wind Rauchschwaden in Richtung Stall. Die Tiere witterten das Feuer und wieherten verängstigt.

Zuerst holte sie die beiden Hengste. Sie griff ihnen in die Mähne und sprach beruhigend auf sie ein. Im Hinausgehen öffnete sie die Türen der anderen Boxen bis auf jene von Larissa und dem Fohlen. Die Pferde folgten anstandslos.

Währenddessen stürmte Doriano zum Brunnen. Er füllte zwei Eimer und hastete damit auf den Dachboden. An der Wand zum Hof qualmte bereits eine der Dachstielen. Das Wasser reichte nicht zum Löschen.

Er zwängte sich an einer Kommode vorbei und stieß drei aufeinander gestapelte Stühle um; aus einer Truhe riss er alte Decken und Kleidungsstücke. Hektisch schlug er auf das Feuer ein, versuchte, es mit dem Stoff zu ersticken. Er erreichte stattdessen, dass Funken aufstoben. Flammen züngelten gegen die nächsten Dachbalken. Der Sturm schürte das Feuer und trieb es auf Doriano zu.

Er raste erneut in den Hof und füllte seine Eimer. Zurück im Dachstuhl schwenkte er sie mit aller Kraft und goss das Wasser in hohem Bogen gegen die Sparren, doch der Brand fraß sich weiter. Entmutigt rannte er die Treppen wieder hinunter, warf auf dem Weg zur Haustür die Eimer in die Küche. Allein würde er es nicht schaffen.

Silvana war in den Stall zurückgekehrt. „Larissa, wir müssen dich und dein Fohlen auf die Weide bringen. Schaffst du das?“ Sie legte ihr eine Decke auf und redete weiter auf die Stute ein. Larissa war noch schwach von der Geburt, folgte aber willig, als begriffe sie den Ernst der Lage. Behutsam stieß sie den Kleinen an, der wackelig auf seinen dünnen Beinen stand und wieder umzufallen drohte. Ganz langsam, damit das Fohlen folgen konnte, führte Silvana sie aus dem Stall.

Auf dem Weg zur Koppel kam ihr Doriano entgegen. „Silvana, warum hilfst du mir denn nicht? Ich kann den Brand nicht allein löschen! Wir werden alles verlieren.“ Tränen des Zorns liefen über sein Gesicht.

„Nicht, so lange wir die Pferde besitzen!“ Silvana funkelte ihn an. „Statt dich dort oben vergeblich abzumühen, hättest du schauen sollen, wie wir die Ställe sichern.“

„Willst du im Stall schlafen?“

Mit ohrenbetäubendem Krachen fuhr der nächste Blitz in einen alten Schuppen, der am Ende der Felder stand. Sie kamen nicht dazu, sich darum zu kümmern. Im gleichen Augenblick drängte sich das Fohlen zwischen sie. Beide lächelten unwillkürlich. Doriano hielt es fest, damit es nicht näher ans Feuer lief.

Silvana streichelte die feine Mähne und seufzte: „Ach Pferdchen, wenn es doch richtig regnen würde.“

Eine gewaltige Bö fegte über den Hof, wirbelte Äste, Schmutz und kokelnde Dachteile durcheinander – und dann prasselte der Regen in dicken Tropfen auf sie herunter. Unzählige Blitze überzogen den Himmel, der sich wieder verfinstert hatte.

„Doriano! Endlich! Es regnet!“ Silvana streckte die Hände aus und leckte die Nässe von ihrer Haut.

Plötzlich hob das Fohlen den Kopf, stellte sich auf die Hinterbeine und wieherte hell. In den dunklen Wolken erschien die Kontur eines Schimmels, der ihnen stolz seinen Kopf entgegenreckte. Dann verschwand das Bild in dem Rauch, der aus dem Dachstuhl quoll, und das Feuer erlosch mit einem erbärmlichen Zischen.

„Hast du das gesehen, Doriano?“ Silvana und Doriano verfolgten fasziniert das Spiel der Wolken über dem Dach.

„Feu“, sagte Silvana in den Sturm hinein. „Es heißt Feu – Feuer.“

2

Moghora schmiegte sich an Lybios. Mit zwei Fingern strich er ihr durchs Haar und raunte: „Bekommst du deine Zaubersprüche nicht mehr zusammen? Es ist nur ein kleines Fohlen.“

Die Fürstin des Schattenreichs stieß ihm die Faust in die Seite und kicherte. „Tatamm Onyx Radadamm Sert ...“

Lybios biss ihr ins Ohr.

„Was tust du da?“ Moghora rückte lachend von ihm ab, schloss die Augen und begann erneut. „Tatamm Onyx Radamm Sertatium.“

Im gleichen Moment erlosch das Feuer im Kamin. Die Kerzen auf der Anrichte begannen zu qualmen, bis auch sie keinen Schein mehr gaben.

„Nein!“ Mit einem Aufschrei ließ Moghora ihre Kristallkugel los, lief zum Fenster des Turms und blickte auf Seoria hinab. Alle Lichter auf der Insel erloschen nach und nach. Die schmale Sichel des Mondes verwandelte ihre Welt in einen grauen Schattenriss.

Lybios sprang auf, nahm die Kugel und trat hinter die Fürstin. „Moghora, was geht hier vor? Warum wird es plötzlich dunkel?“

„Das Fohlen ...!“ Sie presste die Hände gegen die Schläfen und ihr Atem wurde zu einem Keuchen. Mit Tränen in den Augen zog sie ihr dünnes, fast durchsichtiges Gewand enger um die Schultern, als fröre sie. „Lybios ... wir haben einen Fehler gemacht. Unser Fohlen wurde gerade in der Welt der Sterblichen geboren.“

„Aber wieso?“ Lybios drehte die Zauberkugel, aber er konnte nichts darin sehen. Er schüttelte den Kopf. „Das ist unmöglich.“

„Es ist nicht unmöglich!“, schrie sie und stampfte mit dem Fuß auf. „Irgendetwas ging schief. Der Zauberspruch ... er war falsch. Du hast mich abgelenkt!“ Ihre Augen verfärbten sich gelb und schossen Blitze. „Nur wegen dir wird Seoria untergehen!“

„Wegen mir? Moghora!“ Lybios wollte die Fürstin beruhigend in den Arm nehmen.

Sie stieß ihn beiseite und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, während sie die Hände knetete. „Warum war ich so unvernünftig?“, stammelte sie. „Wie konnte ich wegen dir so unüberlegt handeln!“ Sie funkelte Lybios an. Zwischen ihren Augenbrauen erschien eine Falte.

„Moghora!“ Lybios umfasste ihre Schultern. „Ich wollte nicht ...“

„Du wolltest nicht? Mehr weißt du nicht zu sagen?“ Die Fürstin riss das Fenster auf und atmete durch. „Ich weiß, es war auch mein Fehler“, flüsterte sie in den Wind. Sie lehnte die Stirn gegen den kühlen Steinrahmen. „Mit dem Fehlzauber und der Geburt des Fohlens in der Anderen Welt wurde den Bewohnern von Seoria das Feuer genommen. Im Winter wird unser Volk frieren und sterben, des Nachts werden ihre Kinder vor Angst weinen, ihre Kochstellen bleiben kalt und sie müssen hungern.“

Tröstend zog er sie an sich und für einen Moment hielt sie still. „Es tut mir unendlich leid, Moghora. Wie kann ich es wieder gutmachen?“

„Das Fohlen darf auf gar keinen Fall bei den Sterblichen bleiben!“ Sie runzelte die Stirn.

„Ich hole es zurück!“

Moghora tappte durch das Halbdunkel zu einer mit Schnitzwerk verzierten Truhe. Dort suchte sie einen kleinen Lederbeutel heraus.

„Du musst dich sofort auf den Weg in die Welt der Sterblichen machen!“ Sie ließ ihre Augen über seine makellose Gestalt wandern. „Ich ...“ Sie schluckte. Zu gerne hätte sie die Nacht mit ihm verbracht. Sie streckte die Hand aus und berührte ihn sanft am Arm.

Er löste seinen begehrlichen Blick von ihren Hüften. „Ich bringe das Feuer nach Seoria zurück!“

Die Fürstin nickte und hielt ihm den Lederbeutel hin. „Wir dürfen keine Zeit verlieren. Alles, was du benötigst, findest du darin. Hüte diese Steine gut! Sie werden dich und das Pferd sicher zurückgeleiten.“ Moghora reichte ihm ein Amulett. „Und nimm das. Es wird die einzige Verbindung zwischen uns sein.“

Lybios band es an seinem Gürtel. „Sobald ich das Fohlen habe, bringe ich es hierher. Und dann ...“ Er lächelte.

„Bedenke: Wir sind nicht die einzigen, die von seiner Existenz wissen. Der alte Grint wird alles daran setzen, es in seinen Besitz zu bekommen.“

„Ich werde mich deiner würdig zeigen.“

„Gut!“ Sie fuhr mit ihren langen, silbernen Fingernägeln durch sein schwarzes Haar und seufzte. „Schade, dass wir nicht noch einen Moment haben. Ich wünschte ...“

Lybios hauchte einen Kuss auf ihre Wange. „Wenn das Fohlen auf Seoria ist, haben wir alle Zeit der Welt.“

Moghora nahm die Kristallkugel und murmelte einen Zauberspruch.

Im nächsten Augenblick stand Lybios inmitten eines grellen Lichtkegels im Stall von Silvana und Doriano. Nachdem sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, erblickte er die Geschwister. Sie lagen auf dem Boden und bedeckten ihre Gesichter mit den Händen. Das konnte Lybios nur recht sein. Es blieb wenig Zeit; bald würden sich die beiden von ihrem Schreck erholt haben.

Er stapfte zur Box des Fohlens, legte einen Arm um seinen Hals und blies ihm sanft ins Ohr. Ohne einen Laut erhob sich Feu aus dem Stroh und trabte hinter Lybios aus dem Stall. Sie schlugen den Weg zum Schattensee ein.

Der Waldboden war vom Unwetter aufgeweicht; Lybios kam schwer voran. Dennoch musste er immer wieder auf das Fohlen warten, das auf seinen wackeligen Beinen nicht Schritt halten konnte. In diesem Moment verfluchte er Moghora. Er hasste die Welt der Sterblichen und sie wusste es genau.

Endlich erreichten sie das Ufer des Sees. Lybios öffnete hastig den Lederbeutel. Gleichmäßig verteilte er die Steine zu einem Pentagramm. Er führte Feu hinein, schloss die Augen, umkreiste das Fohlen und begann, einen Zauber zu beschwören.

„Was tun Sie da?“

Lybios zuckte zusammen, als Silvana ihn ansprach. Er hatte nicht erwartet, dass die beiden ihn so schnell finden würden.

„Verschwindet, wenn euch euer Leben lieb ist!“ Doch hier in der Welt der Sterblichen konnten die Menschen ihn überhaupt nicht hören. So blieb die Drohung wirkungslos.

Schnell vollendete er den Kreis um das Fohlen, trat zurück und zückte seinen Zeremoniendolch.

„Nein!“ Silvana ging auf ihn zu; ihre Augen blitzten ihn zornig an. „Ich warne Sie, bleiben Sie von dem Pferd weg.“

Feu wieherte, sprang aus dem Kreis und galoppierte davon, als habe er einen Bann abgeschüttelt.

Lybios presste seine Hände auf die Ohren; er ertrug es nicht länger. Diese Sterblichen sprachen in einer Tonhöhe, die beinahe sein Trommelfell platzen ließ. Überhastet murmelte er den Rest der Formel, die den Sprung in seine Welt und zu Moghoras Turm ermöglichte. Eine Wolke aus grellem Licht nahm ihn auf.

***

Zwei kräftige Hände packten Lybios und hielten ihn brutal fest. In seinem Kopf drehte sich alles.

Dies war nicht Moghoras Turm, zu dem er sich zurückzaubern wollte. Beim Zauberspruch am Schattensee musste ihm ein Fehler unterlaufen sein.

Man band ihm die Hände auf dem Rücken zusammen. Geruch von verdorbenem Fleisch drang in seine Nase und ließ seinen Magen krampfen. Langsam öffnete er die Augen und starrte direkt in das knubbelige Gesicht eines Twehts, den Dienern des alten Grint. Auf dem Kopf ragten zwei daumengroße Hörner in die Höhe und orangefarbene Pupillen flackerten auf. Der Tweht reichte ihm gerade bis zum Bauch. In der Klaue hielt er eine spitze Lanze, die Lybios weit überragte.

Lybios schluckte. Er war Moghoras Erzfeind in die Hände gefallen! Und seine Zauberkräfte funktionierten hier nicht, denn trotz aller Anstrengungen: Die Fesseln blieben fest.

„Steh auf!“ Der Tweht zog ihn auf die Beine.

Die Beule an Lybios‘ Hinterkopf klopfte schmerzhaft. Seine letzte Erinnerung war der schrille Schrei der Sterblichen. Er schien immer noch in seinen Ohren zu klingen.

Jetzt befand er sich in einer Höhle. Stickige, feuchte Luft umgab ihn und es fiel ihm schwer zu atmen.

Ein zweiter Tweht versetzte Lybios von hinten einen Stoß. „Los, beweg dich!“

Lybios strauchelte und folgte dann dem vorausgehenden Tweht. Sie liefen in einen schmalen Gang hinein. Auf dem glitschigen Boden verlor er mehrmals das Gleichgewicht und musste aufpassen, dass er nicht ausrutschte. Nach einem kurzen Stück verzweigte sich der Weg und wenig später gelangten sie an einen unterirdischen See. An den Wänden hingen vereinzelt riesige Glühwürmer, die die Felsen spärlich beleuchteten und sich im Wasser spiegelten. Von hier aus gingen mehrere Gänge ab, einige davon durch Felsbrocken halb versperrt. Seine Bewacher führten ihn weiter in das Labyrinth hinein. Lybios suchte an jeder Abzweigung nach einem Anhaltspunkt, um sich den Weg einzuprägen.

Die Twehts bewegten sich problemlos in den schmalen Gängen. Lybios jedoch musste nach einer Weile geduckt weiterlaufen, um nicht an die Decke zu stoßen. Jedes Mal, wenn sie über herumliegende Kadaver stiegen, scheuchten sie ein paar Morps auf, die zwischen abgenagten Knochen schliefen. Die rattenähnlichen Tiere traten daraufhin quietschend die Flucht an.

Irgendwann fielen Lybios fremdartige Symbole an den Wänden auf, die zu einem Teil in die dunklen Felswände hineingekratzt und an anderen Stellen in weißer und gelber Farbe aufgezeichnet waren. Die Wege wurden breiter. Lybios konnte wieder aufrecht gehen. Dann bogen sie in einen Gang ein, dessen Wände aus elfenbeinfarbenen Marmorblöcken bestanden. Sie spiegelten das grünlich glimmende Licht der Glühwürmer und er konnte nun viel weiter sehen.

Lybios suchte nach markanten Punkten, an denen er sich orientieren könnte. Vergeblich. Die Marmorwände wiesen keinerlei Unregelmäßigkeiten auf, er entdeckte nicht den kleinsten Kratzer. Er prägte sich die Anzahl der Abzweigungen ein, aber nachdem sie zehn Mal in unterschiedliche Richtungen abgebogen waren, verlor er den Überblick.

Die Twehts gingen unbeirrbar weiter und der Tritt ihrer Krallenfüße hallte durch die Gänge. Je tiefer sie in das Labyrinth eindrangen, desto dünner wurde die Luft. Sicherlich schleppten sie ihn zum alten Grint, dem die Twehts seit Jahrhunderten dienen mussten. Lybios hoffte dennoch, dass sie ihn zuerst woanders hinbrachten. Innerhalb der Marmorstadt wirkten seine Zauberkräfte nicht und er war auf Moghoras Hilfe angewiesen.

Sie bogen ein weiteres Mal ab und blieben vor einer schweren Eisentür stehen.Nach ein paar Klopfzeichen wurde sie geöffnet. Lybios‘ Herz begann zu rasen.

„Los, rein da!“

Lybios stolperte zwei Stufen hinauf und blinzelte. Mit einem leisen Schleifgeräusch schloss das schwere Tor hinter ihm. Die frische Luft im Raum ließ Lybios erleichtert durchatmen.

An den Wänden hingen mehrere Lanzen und zwei große Säbel in goldenen Halterungen. Neben den schlitzartigen Fensteröffnungen standen Statuen, die weibliche Gestalten in aufreizenden Posen zeigten.

Ein Mann, nur wenig älter als Lybios, erhob sich hinter einem schweren Holztisch und musterte ihn lange. Lybios hielt seinem Blick stand. Wer war dieser Kerl? Der Grint auf keinen Fall, denn der Alte lebte bereits seit Hunderten von Jahren. Langsam ballte Lybios seine Hand, um zu prüfen, ob seine Zauberkräfte vorhanden wären. Plötzlich bekam er von hinten einen Tritt und einer der Twehts drückte ihn zu Boden. Blitzschnell wollte er sich wieder aufrichten.

„Bleib liegen!“ Der Mann kam hinter den Schreibtisch hervor und blieb vor Lybios stehen. Sein dunkelblauer Umhang reichte bis zum Boden.

Schweißperlen traten auf Lybios‘ Stirn. Er schaute zu ihm hoch. „Wer bist du?“

„Ich bin Xavo. Willkommen in unserem Reich!“

„Was ... was wollt ihr von mir?“

„Nur eine Auskunft. Weiter nichts.“ Xavo verschränkte die Arme und fixierte ihn.

„Eine Auskunft?“ Lybios richtete sich auf, so gut es mit den gefesselten Händen ging. Er wollte gerade fragen, was er von ihm wissen wollte, als jemand an die Eisentür hämmerte und gleich darauf eintrat. Ein anderer Tweht. Diesmal ein Weibchen, wie Lybios am süßlichen Gestank erkannte.

„Was gibt es?“

Sie grunzte laut und verbeugte sich vor Xavo. „Du sollst sofort zu Sundar kommen.“

Lybios horchte auf. Sundar galt als die rechte Hand des Grint und jeder im Schattenreich fürchtete ihn.

Xavo nickte. Bevor Lybios begriff, was geschah, setzte Xavo ihm ein Fläschchen an die Lippen. Panisch drehte er seinen Kopf zur Seite, wurde jedoch von einem der Twehts festgehalten. Ein anderer hielt ihm die Nase zu, sodass er schlucken musste. Eine bittere Flüssigkeit rann seine Kehle hinunter.

„Nur eine Schlafdroge.“ Xavo lachte laut. „Damit du uns in der Zwischenzeit nicht wegläufst.“

Als Lybios erwachte, fühlte er sich, als wäre ihm eine Herde Büffel über den Schädel gestampft. Das Hemd klebte an seiner Haut. Er hustete und öffnete langsam die Augen. Der Boden war kalt und staubig. Er fror, aber wenigstens trug er keine Fesseln mehr.

Er lag in der Ecke eines fensterlosen Gewölbes. Ein Spalt unterhalb der Decke ließ spärliches Licht hinein. Rechts von ihm lauerten zwei Morps, die sicherlich gern an ihm herumgeknabbert hätten. Der Geruch von Kot und Urin drang in seine Nase. Lybios würgte und kauerte sich zusammen.

Sein Blick fiel auf eine kleine Eisentür. Er versuchte aufzustehen, doch seine Beine knickten ein und er landete wieder auf dem Boden. Plötzlich vernahm er Stimmen, Grunzlaute folgten. Kurz darauf wurde die Tür einen Spalt geöffnet, aber niemand erschien.

Lybios zog sich an der Wand hoch. Er musste hier weg! Er konzentrierte sich und versuchte, seine Zauberkräfte fließen zu lassen. Nichts geschah.

Die Hände zu Fäusten geballt wartete er. Sollten sie nur kommen! Niemand betrat den Raum, alles blieb still. Lybios löste sich von der Wand und taumelte durch die offene Tür.

Der Nebenraum war größer als sein Verlies. Ein Gittertor, vor dem eine schwere Kette hing, versperrte den Weg hinaus. Auf einem Tisch standen drei Krüge. Er verspürte Durst und seine Kehle brannte. Mit schweren Schritten schleppte er sich hinüber.

„Wasser!“ Das erste Gefäß trank er gierig bis zum letzten Tropfen aus. Den Inhalt des zweiten entleerte er über seinem Kopf.

„Schmeckt es dir?“

Lybios zuckte zusammen.

Xavo stand hinter dem Gittertor und grinste ihn an.

Das Wasser! Hatten sie es vergiftet? Lybios ließ den Krug fallen; krachend schlug er auf den Boden und zerschellte. Schweißperlen traten ihm auf die Stirn.

Xavo lachte. „Ist dir heiß?“

Lybios bekam keine Luft. Er zerrte an seinem Hemd und riss es auf. Sein Herz raste und die Augenlider wurden schwer. Japsend stürzte er zu Boden. Arme und Beine wurden gefühllos, sein Kopf fühlte sich leer an. Wann hatte er Moghora zuletzt gesehen? Gestern? Oder vor ein paar Wochen?

„Es wird dir gleich besser gehen.“ Xavo betrat den Raum. „Wir haben dem Wasser eine Wahrheitsdroge beigemischt.“

Nach einer Weile kehrte die Kraft in Lybios‘ Körper zurück. Stöhnend richtete er sich auf. Plötzlich war ihm alles gleichgültig.

Xavo griff ihm in die Haare und zog seinen Kopf zurück. „Der Feuerzauber deiner Fürstin, wie funktioniert er?“

3

Als das blendende Licht erlosch, nahm Silvana die Hände von den Augen und blinzelte. „Doriano, wo ist dieser Mann geblieben?“

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!