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Ziemlich ungleiche Freunde Der Dschungel ist wunderschön und voller Geheimnisse. Doch das Leben der Tiere dort ist auch gefährlich. Komm mit auf eine Reise in die grüne Wildnis! Im Dickicht Sumatras, wo die Nacht den Tieren gehört, lebt ein schlauer Binturong. Da taucht ein Nashorn mit seltsamen Streifen auf und warnt ihn vor einer großen Gefahr. Einer Gefahr, die alle Bäume verschwinden lässt. Was kann das nur sein? Gemeinsam mit einem Flughund begeben der Binturong und das Nashorn sich auf eine abenteuerliche Reise, um ihren Lebensraum zu schützen. Ob sie schon zu spät sind? Und was hat es mit den rätselhaften Streifen des Nashorns auf sich? Realistische Tierabenteuer mit naturwissenschaftlicher Recherchegrundlage Erlebe die Wunder der Natur und das aufregende Leben der Tiere hautnah – diese realistische Kinderbuch-Reihe entführt Jungen und Mädchen ab 8 Jahren in die verschiedenen Lebensräumeder Erde. Ob im tiefen Meer, im dichten Wald, in der eisigen Arktis oder im grünen Dschungel: In diesen Geschichten erleben Tiere wunderschöne, gefährliche und zugleich bewegende Abenteuer. - Kinderbuch meets Sachbuch: Eine sorgfältig recherchierte und stimmungsvolle Geschichte voller Spannung rund um ein Nashorn, einen Binturong und einen Flughund. Alle Bände der Reihe "Das geheime Leben der Tiere" sind lose voneinander lesbar. - Berührende Schwarz-Weiß-Illustrationen: Die detailreichen Bilder von Marie Beschorner lassen die Welt der Tiere lebendig werden. - Faszinierende Tierfakten: Tauche in die Lebensräume der Tiere ein, lasse dich für die Vielfalt der Natur sensibilisieren und lerne viel Neues auf den Wissensseiten am Ende des Buches. - Leseförderung mit Antolin: Der Titel ist bei Antolin gelistet und fördert spielerisch die Lesekompetenz.
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Seitenzahl: 151
Veröffentlichungsjahr: 2025
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Glossar
Die Sonne fiel durch die Äste der Bäume und schien auf das Fell des Binturong, ließ es schokoladenbraun glänzen. Im Schlaf streckte er seine flauschigen Pfoten und rollte sich neu ein. Er lag auf einem Hut, der jetzt etwas platt war, und hatte den buschigen Schwanz um sich selbst geringelt. Seine langen Schnurrhaare zuckten im Traum und seine dreieckigen, wuscheligen Ohren drehten sich hierhin und dorthin, um kein Geräusch zu verpassen.
Falls da eines wäre, das ihn warnte. Binturongs schlafen immer nur mit den Augen, die Ohren bleiben wach.
Seine Ohren nahmen das Rascheln des Dschungels auf. Das Plätschern des Wassers am Fluss, wo jemand Wäsche wusch. Die Stimmen von Kindern im Dorf, zwischen den Hütten mit ihren spitzen Wellblechdächern und ihren wild ineinandergebauten Terrassen am Fluss. Das Knacken und Knistern eines alten Radios. Die Rufe der Papageien in den hohen Bäumen hinter dem Dorf.
Nichts, was ihn hätte beunruhigen müssen.
Er träumte.
Er träumte von einer großen, flachen Ebene, die ganz und gar kahl war. Etwas hatte alle Bäume mitgenommen und war davongeflogen und das war seltsam. Es sah sehr hässlich aus, so kahl. Aber dann wuchsen plötzlich neue Triebe aus der Erde, winzige zartgrüne Bäume, die mehr und mehr Blätter bekamen und sich hoch ans Licht schoben. Er sah sie wachsen wie in einem Tanz. Sie leuchteten von innen, magisch. Sie waren wunderschön und er war sehr froh über sie. Sie waren schon so hoch wie er, so hoch wie ein Orang-Utan, jetzt so hoch wie die spitzen Dächer der Hütten –
Er setzte seine weichen Pfoten in den neuen leuchtenden Wald, denn er spürte, dass etwas darin war, das auf ihn wartete. Etwas Aufregendes. Er reckte die Nase, witterte einen wunderbaren Geruch … Etwas raschelte in den Schatten. Es rief ihn.
Da drang ein neuer Geruch in seine empfindliche Nase, ein beißender, unangenehmer Geruch. Er nieste und wachte auf.
Blinzelte.
Der Abend war gekommen, die Dunkelheit hatte sich blau auf das Dorf und den Fluss und den Dschungel gesenkt. Die Menschen waren dabei, schlafen zu gehen. Er sprang von dem Tisch, auf dem der Hut lag, auf die Terrasse und schüttelte sich, um endgültig wach zu werden. Die Terrasse war lang und schmal und lief an der Flussseite um die Hütte herum, die Kinder spielten tagsüber dort und die Kleider der Menschen trockneten über dem Geländer.
Jetzt waren keine Kleider da.
Er reckte die Nase in seinem pelzigen Gesicht. Das Geländer! Das Geländer roch so seltsam! Und es sah auch seltsam aus. Anders als sonst. Es hatte eine neue Farbe. Und da standen mehrere kleine Eimer. Der Binturong schnüffelte daran und nieste. Igitt!
„So, fertig, man sieht sowieso nichts mehr. Abendessen“, sagte jemand.
Und jemand anders: „Lass es trocknen und komm rein. Es ist ein bisschen sehr bunt, oder? Blau und rot und gelb und grün und dazu noch viel Weiß.“
„Drüben, im anderen Dorf, haben sie auch so bunte Sachen“, erwiderte eine jüngere Stimme. „Die Touristen mögen das. Sie kommen, wenn wir ein buntes Geländer haben. Bestimmt. Und bringen Geld.“
Die ältere Stimme schnaubte. Da erst sah der Binturong die beiden; sie standen in der Tür zur Hütte, ein kleiner und ein großer Mensch. Und dann tauchten sie ins warme Licht hinein. „Wir angeln, wir jagen und wir sammeln Früchte“, sagte der große Mensch innen. „Das war doch schon immer so. Wir brauchen hier keine Touristen.“
„Wie oft noch, wir müssen mit der Zeit gehen!“, sagte jemand Drittes. „Sonst kommt das Palmöl zu uns, ist dir das lieber?“
„Ich will einfach in Ruhe gelassen werden, wir brauchen die Welt da draußen kein Stück“, brummte die älteste Stimme.
Der Binturong ging um die Farbeimer herum und hörte nicht mehr zu. Er verstand die Sprache der Menschen, denn er lebte mit ihnen, seit er denken konnte. Sie wussten es nicht, aber es waren seine Terrasse und seine Hütte. Nachts. Tagsüber durften die Menschen sie benutzen. Es gab so viele Menschen in der Hütte, wie er Krallen hatte, große und kleine, junge und alte. Manchmal legten sie Früchte irgendwohin, die er fraß. Die Menschen wunderten sich dann, wo die Früchte geblieben waren. Es war möglich, dass sie sie eigentlich hatten aufbewahren wollen. Nun ja …
Der Binturong verstand also ihre Sprache, doch die Worte in dieser Nacht verwirrten ihn.
Mit der Zeit gehen? Wohin ging die Zeit? Und wieso kam das Palmöl, wenn man nicht mit ihr ging?
Unter der Terrasse war etwas unterwegs. Etwas Großes, er hörte es. Er streckte den breiten Kopf durchs Geländer und sah hinunter: Dort, am Ufer des Flusses, ging ein kleiner grauer Felsen spazieren. Dabei streifte er die Terrasse leicht von unten. An einer Ecke hatte der Felsen einen weißen Streifen.
Moment, die Ecke war ein Horn.
Und jetzt drehte der Felsen sich um und sah den Binturong an. Es war gar kein Felsen. Es war ein Nashorn. Ein sehr junges Nashorn.
In seinen Augen stand Erstaunen.
„Mein Horn hat einen Streifen“, sagte es.
„Ja.“ Der Binturong sprang von der Terrasse, sorgfältig darauf achtend, dass er nicht an die Farbe geriet. Er landete vor dem Nashorn, ging auf seinen weichen Bärenpfoten um das Tier herum und begutachtete es von allen Seiten.
„Du hast noch mehr Streifen“, sagte er, als er wieder vorn angekommen war. „Überall. Sieht interessant aus. Das kommt von der Farbe der Menschen.“
„Oh“, sagte das Nashorn.
„Was machst du hier?“
„Ich weiß nicht.“ Es schüttelte den Kopf. Irgendwie schien es verwirrt zu sein.
„Da war Unruhe im Wald. Bei meiner Familie. Sie sind alle weg. Sie haben gesagt, etwas kommt.“
„Was kommt?“
„Ich weiß nicht. Die Baumhonigfresser waren nervös. Seit ich aus dem Ei geschlüpft bin, haben sie immer auf den Bäumen gelebt, unter denen wir fressen. Sie waren immer da. Aber heute Abend sind sie weggeflogen. Sie haben auch gesagt, dass etwas kommt.“
„Warte mal, du bist doch ein Nashorn. Du bist ganz sicher nicht aus einem Ei geschlüpft“, sagte der Binturong. „Eier sind lecker, aber ich habe noch nie ein Nashornei gesehen.“
„Alle kleinen Kinder schlüpfen aus Eiern“, erwiderte das Nashorn störrisch. „Ich habe das beobachtet. Bei den Baumhonigfressern. Bei anderen Nashörnern noch nicht, denn ich bin das einzige Kind. Aber es ist ja wohl klar, dass wir aus Eiern schlüpfen. Dafür haben wir schließlich das Horn. Die Baumhonigfresser machen die Eier von innen mit dem Schnabel kaputt, wenn sie rauswollen, wie wir mit unseren Hörnern.“
„Äh“, sagte der Binturong. „Und deine Familie ist weggegangen?“
„Oder weggeflogen. Ich denke, sie sind mit den Baumhonigfressern mitgeflogen. Ich habe geschlafen. Sie waren die ganze Zeit schon nervös, und als ich aufgewacht bin, waren sie weg. Meine Mama auch. Hast du sie gesehen? Ist sie hier vorbeigeflogen?“
„Nashörner fliegen nicht.“
„Natürlich fliegen sie“, sagte das Nashorn eigensinnig.
„Hast du gesehen, wie sie fliegen?“
„Nicht … direkt, aber wenn die Baumhonigfresser das können, können wir das auch. Wir können alles. Ich meine, ich habe es noch nie probiert, aber bestimmt könnte ich es auch. Also? War meine Mama hier?“
„Keine Ahnung, ich hab geschlafen, wie du“, sagte der Binturong. „Ich schlafe immer tagsüber.“
Sie trotteten jetzt nebeneinanderher durchs Dorf, zwischen den Hütten der Menschen mit ihren Wellblechdächern hindurch. Die Lichter in den Hütten gingen nach und nach aus, Öllampen wurden gelöscht, die Menschen schliefen.
„Sie verschlafen die beste Zeit“, murmelte der Binturong. „Na, sollen sie. Jetzt ist es unser Dorf.“
Er sprang auf eine Wassertonne und von da auf eine weitere Terrasse. „Oh, wie schön! Hier sind Litschis! Ich weiß nicht, ob sie die für sich wollen … vielleicht … aber vielleicht haben sie die auch für die Binturongs hingestellt.“ Er griff eine der hübschen Früchte, biss die rosa Schale auf, bis er an das weiße Fruchtfleisch kam. Der leckere Saft rann seine Kehle hinunter und verklebte sein Fell. Er würde sich später putzen. „Mmmh! Frisst du auch Früchte?“
„Natürlich, Nashörner können alles fressen“, sagte das kleine Nashorn. „Vielleicht haben die Menschen die Früchte auch für vorbeifliegende Nashörner hingestellt.“
Der Binturong warf ihm eine Frucht hinunter und das Nashorn schnüffelte daran.
„Nee“, sagte es dann. „Das ist die falsche Sorte Frucht.“
„Ich dachte, ihr könnt alles fressen?“
„Können schon“, sagte das Nashorn. „Ich könnte diese Litschi fressen. Ich könnte ja auch fliegen. Aber ich will gerade nicht.“
Der Binturong war fertig mit den Litschis, er ließ eine für die Menschen übrig. Dann lief er auf seinen Bärenpfoten über ein Hausdach, einen Baum entlang, wobei er seinen Schwanz um die Äste ringelte, um sich festzuhalten – und wieder auf eine Terrasse. Die Terrassen und Häuser waren wild übereinandergebaut am Ufer des Flusses. Im Fluss lagen die schmalen Holzboote, mit denen die Menschen fischen gingen. Auf einem der Boote hatte jemand ein Bündel Bananen vergessen. Mit einem langen eleganten Sprung war der Binturong dort.
Im Boot nebenan saß ein Orang-Utan.
„Guten Abend“, sagte der Orang-Utan, der eine Banane fraß. Ein Orang-Utan-Kind linste hinter seinem Rücken hervor und steckte schüchtern einen Finger in den Mund. „N‘Abend“, nuschelte es.
Das Nashorn stand am Ufer und sah zu ihnen hinüber.
„Ich könnte rüberhüpfen!“, rief es. „Auf eines der Boote! Nichts leichter als das! Ich will nur gerade nicht.“
In einem dritten Boot hockte ein winziger Koboldmaki und fraß einen blaugrün schillernden Käfer, den er erjagt hatte. Seine riesigen Augen suchten dabei immer wieder unruhig das andere Ufer ab, wo die dichte nachtblaue Masse des Waldes sich erhob, voller Geräusche und wunderbarer Geheimnisse.
„Die Nashörner sind nervös“, sagte der Binturong. „Sie sind alle weggegangen. Die Honigfresser genauso. Und du bist auch nervös?“
„Ich?“ Der Koboldmaki machte einen erschrockenen Satz in die Luft. „Nein. Nein, nein!“
„Was ist nur im Wald? Was kommt da?“, fragte der Binturong und leckte Bananenreste von seinen Lippen.
„Nichts. Nichts, nichts!“ Der Koboldmaki säuberte seine langen Finger mit der kleinen Zunge. „Es ist alles in Ordnung. Ich bin vollkommen entspannt. Das Dorf gehört nachts uns und es gibt nichts zu befürchten. Nichts zu befürchten!“
Der Binturong sah am Ufer entlang. Ja, das Dorf gehörte nachts den Tieren, das war wahr. Eben kam ein Elefant vorbei, der vielleicht nicht schlafen konnte, schwang seinen Rüssel nach oben und schnappte sich ein anderes Bündel Bananen, das die Menschen oben in ein Fenster gelegt hatten. Vielleicht, damit es von den Unten-Tieren nicht geholt wurde.
Ein weichfelliger kleiner Fleckenmusang, der irgendwo ein Ei erbeutet hatte, wuselte aus einer Lücke unter einem anderen Blechdach hervor. Zwei Zwerghörnchen, die eigentlich tagsüber wach sein sollten, wuselten über das Geländer einer weiteren Terrasse und jagten sich gegenseitig, nur so zum Spaß.
Wenn die Menschen wüssten, dachte er, dass die Häuser und Wege und Boote nachts von all diesen Tieren bevölkert wurden! Aber die Menschen hatten keine Ahnung. Sie sammelten tagsüber Früchte und fingen Fische und sangen Lieder, und solange man sie nicht zu sehr ärgerte, lief das Zusammenleben mit ihnen ganz gut.
Das Dorf war ein wunderbarer Ort, um Nahrung zu finden und zu spielen. Und der Wald, der es umgab, war ein wunderbarer Ort für alles andere.
Doch etwas war da, etwas machte alle nervös. Der Binturong spürte es.
„Monster“, piepste der kleine Orang-Utan plötzlich. „Ich darf das nicht sagen, aber da sind Monster im Wald!“
„Pssst, pssst!“, macht der große Orang-Utan und steckte dem kleinen schnell ein Stück Banane in den Mund. „Solange wir nicht darüber reden, sind sie nicht da. Also können sie auch nicht gefährlich sein. Vergiss sie. Der Wald ist schön.“
„Wie sehen diese Monster aus?“, fragte der Binturong und begann, sein Fell zu putzen, damit es wieder schön wuschelig und plüschig wurde.
„Wie Insekten!“, flüsterte der Koboldmaki, dessen riesengroße runde Augen noch größer waren als sonst. „Wie gigantische Käfer. Aber man kann sie nicht jagen und fressen. Sie sind noch weit weg, zum Glück, zum Glück. Sie fressen selbst. Sie fressen Bäume. Und sie fressen Menschen, die waren in ihren Bäuchen. Aber die haben sie wieder ausgespuckt, die Menschen sind aus ihnen herausgekrabbelt. Die großen Käfermonster bewegen sich nur, wenn die Menschen in ihren Bäuchen sind. Es ist sehr, sehr seltsam. Und die Menschen haben geredet. Sie haben immer wieder dasselbe Wort gesagt, ein Zauberwort vielleicht: Palmöl. Sie wollen Palmöl. Aber hier sind fast keine Palmen. Nur die großen Urwaldbäume. Ich weiß nicht, warum sie hier Palmöl suchen, wenn gar keine Palmen da sind.“
„Wir müssen mit der Zeit gehen, sonst kommt das Palmöl zu uns“, murmelte der Binturong.
Es klang verwirrend. Er begriff es nicht.
In diesem Moment fiel etwas aus der Luft auf ihn.
Es gab ein ziemliches Geflatter und ein großes Durcheinander und dann hing das Etwas, das gelandet war, an seinem Ohr. Er konnte es schlecht sehen, ohne zu schielen.
„Oh, Verzeihung“, sagte das Etwas. „Ich kann nur im Hängen landen, hier war sonst nichts …“
„Was soll das? Was bist du? Und was willst du hier?“, fragte der Binturong. Das Etwas zog sein Ohr nach unten. Es war unbequem.
„Ich war etwas aufgeregt. Verzeihung, Verzeihung. Ich bin ein Kalong. Ein Kalong-Flughund. Wir wohnen im Wald, wo es leckere Früchte gibt, oder an seinem Rand, wo es noch leckerere Blumen gibt … Aber etwas kommt. Die anderen sind in die entgegengesetzte Richtung geflogen, glaube ich, aber es ist nicht immer gut, mit den anderen zu fliegen. Gewöhnlich mache ich alles anders als die anderen. Also bin ich hierhergekommen … Da sind Heuschrecken im Wald, riesige Heuschrecken.“
„Und sie bewegen sich nur, wenn Menschen darin sind“, sagte der Binturong und seufzte.
„Richtig! Woher weißt du das?“
„Und wenn wir nicht mit der Zeit gehen, regnet es Palmöl“, fuhr der Binturong fort. „Die ganze Welt ist verrückt geworden.“
„Wir müssen etwas tun“, sagte das kleine Nashorn. „Wir müssen schnell jemanden finden, der die Käferheuschrecken aufhält. Ich denke, ich werde losfliegen, um Hilfe zu holen.“
Als es Morgen wurde, schlief der Binturong wieder auf dem Hut.
Die anderen Tiere waren in ihre Verstecke im Wald zurückgekehrt.
Nur das Nashorn hatte immer noch in der Gasse gestanden, mit den Ohren gewedelt und versucht zu fliegen, als der Binturong eingeschlafen war.
Er träumte wieder von der kahlen Ebene ohne Bäume. Diesmal drehte er im Traum den Kopf und sah, dass am Rand der Ebene das Dorf und der Fluss lagen. Und er erschrak: Die schreckliche, hässliche Ebene war dort, wo der Urwald gewesen war! Der Urwald, der das Dorf umgab! Ein großer Metallkäfer krabbelte in seinem Traum über die Ebene. Er spuckte einen Menschen aus, der rief: „Wo ist das Palmöl? Wo? Und wo ist die Zeit, mit der wir gehen?“
Es war alles sehr durcheinander im Traum.
Aber dann reckten sich neue Triebe aus der Erde und der Wald wuchs.
Der Binturong sah auch wieder das Leuchten. Wollte wieder in den Wald hineingehen, wie beim letzten Mal. Witterte wieder das Geheimnis, das dort hinter dem Vorhang aus grünem Licht auf ihn wartete. Diesmal, dachte er. Diesmal würde er herausfinden, was es war.
Er huschte über einen Ast – und wachte abermals auf.
Der Hut unter ihm bewegte sich. Das war es, was ihn geweckt hatte. Der Hut war aufgestanden und weggegangen und er hatte den Binturong mitgenommen.
Sie – er und der Hut – befanden sich jetzt mitten im Dorf vor einem Obststand. Es war heller Tag, keine Zeit, wach zu sein. Unter dem Hut war ein Mensch. Und jetzt sprach der Mensch mit der Frau, die das Obst verkaufte, und seine Stimme war ganz hell. Es war ein noch nicht ausgewachsener Mensch. Ein Kind.
„Du hast einen sehr ungewöhnlichen Hut“, sagte die Frau gerade.
„Ja, hübsch, nicht?“, fragte das Kind. „Ich habe ihn heute Morgen so gefunden.“
Der Binturong überlegte, ob er einen Satz machen und fliehen sollte, aber das Kind reckte jetzt einen Arm nach oben und streichelte ihn und es fühlte sich nicht gefährlich an.
„Der Binturong wohnt schon länger auf unserer Terrasse“, flüsterte das Kind. „Ich nenne ihn Bin. Aber ich glaube, er glaubt, er wohnt heimlich da.“
„Bald wirst du keine Früchte mehr im Wald sammeln und verkaufen“, sagte ein großer Mensch neben dem Kind zu der Frau. „Warte nur, bald wird es keinen Wald mehr geben. Die Palmölfirma hat das Gelände gekauft.“
„Wovon werden wir nur leben?“ Die Frau sah all die bunten verschiedenen Früchte an, die vor ihr auf einem Tuch auf der Erde lagen. Gelb und rot und rosa und grün.
„Wir werden auch nicht mehr jagen können, nicht, wenn da nur Ölpalmen wachsen. Da können sich die Tiere nicht verstecken, also werden sie fortziehen“, meinte ein zweiter Mann. Immer mehr Menschen kamen hinzu. Der Binturong fühlte sich unwohl und tat so, als wäre er nur eine Pelzverzierung. Die Menschen redeten alle durcheinander, aufgeregt, er verstand die Worte nicht mehr.
„Touristen“, sagte das Kind unter dem Hut, „wir brauchen Touristen, dann können sie die Bäume nicht fällen.“ Alle lachten und erwiderten, so einfach wäre das nicht.
Dem Binturong wurde es zu laut. Er sprang auf einen anderen Hut, von dort aus auf noch einen und schließlich auf ein Dach und sauste davon; das heiße Wellblech kitzelte unter seinen Pfoten. Schließlich fand er ein kühles Versteck unter dem Blech an der Stirnseite einer Hütte, ringelte seinen buschigen Schwanz um einen Balken und versuchte, zu Atem zu kommen.
Er sah den Fluss von seinem Platz aus, die Uferbefestigung aus großen und kleinen Steinen – und ein Boot auf dem Wasser, auf dem ein Mensch stand und ein Fischernetz einholte. Auf der anderen Seite des Flusses sah er die riesigen Bäume. Den Wald.
Palmöl, dachte er, muss etwas Schreckliches sein, wenn es diesen Wald zerstören konnte. Nicht wie Lampenöl, das kannte er von den Menschen, oder Öl für Bootsmotoren, das stank. Palmöl musste schlimmer sein, denn auch die Menschen hatten Angst vor dem, was kam. Tranken die metallischen Käfer es etwa und bekamen dann unglaubliche Kräfte? Oder waren die Käfer schon unendlich stark und spuckten das Palmöl aus, nachdem sie die Bäume gefressen hatten?
Oder vielleicht war es gar keine Flüssigkeit, sondern es hieß nur Öl und war auch ein Tier.