Das Geheimnis der Dämonen - J.B. Brooklin - E-Book

Das Geheimnis der Dämonen E-Book

J.B. Brooklin

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Beschreibung

Alexander zu spüren war, als hätte sie einen Teil ihres Wesens wieder gefunden, den sie ohne es zu bemerken verloren hatte. Sariel hat lange gebraucht, um über den Tod ihrer Eltern hinwegzukommen. Doch nun, zwei Jahre später, beschließt sie, dass es an der Zeit ist, wieder ins Leben zurückzukehren. Gerade dann trifft sie auf Alexander, einem Dämon, zu dem sie sich auf unerklärliche Weise hingezogen fühlt. Doch noch bevor ihre Liebe eine Chance hat, begeht Sariel einen verhängnisvollen Fehler. Um sie zu retten muss sich Alexander versklaven. Nur Sariel kann ihn befreien. Sie muss sich entscheiden ob sie bereit ist, sich der Verantwortung zu stellen und ihr Leben für Alexander zu riskieren, oder ob sie ihm und ihrem wahren Wesen den Rücken kehrt. Leserstimmen: "Ein Buch das man nicht mehr aus der Hand legen möchte. Vorsicht, es macht Süchtig!" "Ich habe das Buch in einer Nacht verschlungen und warte jetzt begeistert auf die Fortsetzung." "Super Fantasy - spannend und fesselnd bis zum Schluss" "Das ist wieder eines der Bücher, in die man sofort voll hineinfällt. Und es beweist Dämonen müssen nicht unbedingt böse sein." "Wieder eine Geschichte, die mich einige Stunden Schlaf gekostet hat, weil ich einfach nicht aufhören konnte." "Ich kann das Buch jedem Fantasy-Fan empfehlen, der darüber hinaus noch eine aufkeimende Liebesgeschichte lesen möchte bzw. auf eine Prise Romantik steht. Für mich war die Mischung aus Humor, Spannung, Story und Fantasie sehr gelungen." "Wirklich toll! Ich kann das Buch nur jedem empfehlen, der gerne paranormales liest und mal etwas Abwechslung sucht!"

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Das Geheimnis der Dämonen

J.B. Brooklin

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Impressum

Nachdruck, Vervielfältigung und Veröffentlichung - auch auszugsweise - nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors!

Im Buch vorkommende Personen und Handlung dieser Geschichte sind frei erfunden und jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt.

Copyright © 2021 dieser Ausgabe OBO Verlag,

alle Rechte vorbehalten.

M. Kluger

Fort Chambray 

Apartment 20c

Gozo, Mgarr

GSM 2290

Coverdesign: Giusy Ame / Magicalcover

Bildquellen: Pixabay, Shutterstock

Prolog

Niemand weiß genau, wie sie entstehen, die Ifrit, auch Dämonen oder Totengeister genannt, deren Element das Feuer ist.

Man sagt, die Ifrit erscheinen als Rauchsäule am Ort eines Mordes.

Mag sein.

Sicher ist, sie bewegen sich so lautlos wie Rauch.

Sicher ist, Menschen können die Ifrit nur dann sehen, wenn sie es ihnen erlauben.

Sicher ist, die Ifrit wandeln unter den Menschen, um Morde zu rächen.

1

Irgendetwas stimmte nicht. Sie hätte ihn nicht sehen dürfen. Er war unsichtbar, zumindest für Menschen. Tiere und andere Wesen aus den Parallelwelten konnten ihn wahrnehmen. Aber nicht sie.

Sekunden später musste er sich seinen Irrtum eingestehen.

„Sind Sie ein Freund meines Onkels?“, sprach sie ihn an.

Langsam wandte er sich zu ihr um. Noch während sein Körper diese Bewegung vollführte, sorgte er dafür, auch für die übrigen Menschen sichtbar zu werden. Es hätte seltsam gewirkt, hätte sie ihre Worte ins Leere gerichtet.

„Nein, nicht direkt. Eher ein entfernter Bekannter“, versuchte er, ihrer Frage auszuweichen. Dabei bedachte er sie mit einem Lächeln, das darauf ausgelegt war, ihre Aufmerksamkeit auf andere, erfreulichere Dinge zu lenken. Er kannte seine Wirkung auf Menschen, insbesondere Frauen. In welchem Zeitalter er sich auch bewegte, er erfüllte immer die gängigen Vorstellungen von äußerer Schönheit. Was weitgehend daran lag, dass er eine leere Leinwand war, auf die die Menschen ihre Vorstellungen projizieren konnten.

In diesem Fall allerdings ging seine Taktik nicht auf. Anstatt sein Lächeln zu erwidern, bedachte sie ihn mit einem Stirnrunzeln.

„Wie heißt du?“, ging sie zu der vertrauteren Anrede über, nachdem sie sein Gesicht gesehen und ihn auf ihr Alter, also Anfang zwanzig, geschätzt hatte. Ganz so, wie Alexander es gewollt hatte, trotzdem war ihre Neugierde irritierend. Er beschloss, höflich zu bleiben, sie sich so schnell wie möglich vom Hals zu schaffen und dann das zu tun, weshalb er gekommen war.

„Alexander“, antwortete er kurz, um sofort mit einer angedeuteten Verbeugung den Rückzug anzutreten. „Es war mir ein Vergnügen, dich kennengelernt zu haben, aber jetzt muss ich leider gehen.“

„Warte“, rief sie ihm nach, aber er war schon wie Rauch zwischen den Menschen verschwunden. In dem Gedränge, das in dem Garten herrschte, war es ein Leichtes, ungesehen zu entkommen. Aber das Zusammentreffen hatte ihn verstört.

Wie war es ihr möglich gewesen, ihn zu sehen?

In diese Grübeleien versunken, bemerkte er nicht, wie er den Garten verließ und das Haus betrat. Er fand sich plötzlich in einer Halle wieder, die die Ausmaße eines Fußballfeldes hatte. Der Fußboden war mit alten - und soweit er es beurteilen konnte -, antiken Mosaiken ausgelegt. In der Mitte des imposanten Raumes hing ein riesiger Kronleuchter. An den Wänden protzten die Gemälde alter Meister. Sie zogen Alexander in ihren Bann. Er liebte Kunst und so ließ er es zu, sich für einige Minuten lang in eine andere Welt entführen zu lassen.

„Hier also ist der Tizian!“ Gegen seinen Willen war er beeindruckt. Madonna mit dem Kindund den Heiligen Lukas und Katharina war eines der wenigen großformatigen Gemälde des italienischen Künstlers, die sich in Privatbesitz befanden. Vor einigen Wochen hatte ein europäischer Privatsammler das Kunstwerk bei Sothebys für 12,2 Millionen Euro ersteigert. Seine Identität war bisher unbekannt.

Nur wenige Schritte entfernt hing ein Chagall. Eigentlich ein Stilbruch, aber seltsamerweise nicht störend. Dem Chagall folgte ein Rubens, dann ein Dali, danach Klimt. Diese chaotische Anordnung der Werke war interessant. Sogar mehr als das faszinierend.

Aber das war nicht wichtig. Mit einem Schulterzucken wandte er sich von der Ausstellung ab. Der Gastgeber des opulenten Gartenfestes, mochte ein begnadeter Kunstkenner sein, ein Genie, wenn es darum ging, seine Sammlung zu präsentieren. All das aber verblasste hinter seinem anderen Talent: der Planung des perfekten Mordes. Perfekt nach den Maßstäben der Menschen, denn die Tat war bisher ungesühnt geblieben. Niemand ahnte etwas von dem dunklen Geheimnis des Hamburger Bankers.

Alexander war hier, um den Blutpreis einzufordern.

Heute. Am Abend des Sommernachtsfestes, das Torsten Halder alljährlich in seiner Villa in Blankenese veranstaltete. Die Crème de la Crème der Hamburger Gesellschaft und einige handverlesene Prominente waren die Glücklichen, die an diesem Ereignis teilnehmen durften. Alexander war nicht eingeladen, aber das war auch nicht notwendig, konnte er doch überall erscheinen. Einer der Vorteile, die ein Ifrit genoss. Wenn nötig, konnte er sich auflösen und an einem anderen Ort wieder auftauchen. Unsichtbar. Warum aber hatte sie ihn entdeckt?

Seine Gedanken schweiften zu ihr ab. Sariel Halder. Ein Name wie aus einem Märchen. Das Bild der langen rotbraunen Haare und der traurigen, ernsten Augen wollte ihn nicht loslassen. Sie war schön. Selbst gemessen am Maßstab seiner Art war sie schön.

Es geschah schon wieder: Er war unkonzentriert. Was mindestens ebenso ungewöhnlich war, wie die Tatsache, dass er von einer Sterblichen bemerkt wurde.

Eine seltsame Nacht.

Erneut wanderte sein Blick durch den Raum. Eigentlich sollte er seine Aufgabe längst erledigt haben, aber sein mangelnder Fokus hielt ihn davon ab. Wenn er einen Mord rächte, so musste diese Rache perfekt sein. Das gelang nur, wenn er sich mit jeder Faser seines Wesens auf sein Tun konzentrierte.

Torsten Halder, der aus einer alten, ehrwürdigen Hamburger Bankerfamilie stammte, würde sterben.

Aber nicht heute.

Ohne davon zu wissen, hatte sich die Spanne seines Lebens soeben um einige Tage verlängert. Alexander brauchte Zeit, um darüber nachzudenken, wie der Hamburger Banker sterben würde, nachdem das heutige Vorhaben gescheitert war.

Er hatte den Tod verdient. Mehr als verdient. Einen flüchtigen Augenblick lang überlegte Alexander, ob Halders Nichte ebenfalls dieser Meinung sein würde.

2

Einige Sekunden lang stand sie regungslos inmitten der Menschen. Sie war es nicht gewöhnt, dass sie gleich zu Beginn eines Gesprächs einfach stehen gelassen wurde.

Er hieß Alexander. Und er sah verdammt gut aus, hielt aber nicht viel von Höflichkeit. Sariel hätte gerne länger mit ihm gesprochen, was ungewöhnlich für sie war, denn in letzter Zeit ging sie Männern aus dem Weg. Aber sein offensichtliches Desinteresse hatte ein Gefühl der Sicherheit in ihr erweckt. Ein verspätetes Unbehagen kroch in ihr hoch. Er musste gedacht haben, sie wollte etwas von ihm! Was, wenn er …?

Mit einem Schulterzucken brach sie diesen Gedankengang ab. Am besten wäre es, sich ebenfalls zurückzuziehen. Sie hatte keine Lust, unter all den Fremden herumzustehen und so zu tun, als amüsierte sie sich. In Wahrheit fühlte Sariel sich unbehaglich, fehl am Platz, und wäre nur zu froh gewesen, sich in die Sicherheit und Abgeschiedenheit ihrer Räume flüchten zu können. Sie wünschte, ihr Onkel hätte nicht auf ihrer Anwesenheit bestanden.

„Es wird dir gut tun, Sariel. Du gehst zu wenig unter die Leute“, hatte er gesagt. Er hatte recht. Obwohl der Tod ihrer Eltern schon zwei Jahre zurücklag, war sie noch immer nicht darüber hinweg. Verkroch sich lieber in ihr Schneckenhaus, als unter Menschen zu sein.

Sie sollte loslassen. Aber es war so verdammt schwer.

Eine einzelne Träne löste sich. Glitt an ihrer Wange hinab und hinterließ eine silberne Spur. Mit einer ungeduldigen Handbewegung wischte Sariel den Beweis ihrer Trauer ab.

Es war lächerlich. Peinlich … Und außerdem würden ihre Eltern wünschen, dass sie glücklich war.

Mit einem tiefen Seufzer drehte sie sich um, versuchte mit der Dunkelheit zu verschmelzen. Niemand sollte bemerken, wie sie sich davonstahl. Für heute hatte sie lange genug, die unbekümmerte, glückliche Sariel gemimt. Außerdem war die Abgeschiedenheit ihrer Räume besser, als die hoffnungsfrohen Annäherungsversuche der Mitgiftjäger zu ertragen, die seit Kurzem Interesse an ihr bekundeten.

Sariel Halder war reich. Und jung. Und, wenn man Forbes glauben sollte, eine der besten Partien des europäischen Geldadels.

Toll!

Seit dieser Artikel herausgekommen war, konnte sie sich vor dem Interesse der männlichen Bevölkerung kaum noch retten. Zu einer anderen Zeit hätte Sariel sich darüber amüsiert. Jetzt aber sehnte sie sich nach Einsamkeit. Trotz dieses Gedankens ertappte sie sich dabei, wie sie die Menge nach dem Mann absuchte, der sich nicht für sie zu interessieren schien.

Er war fort. Was gut war. Sie wollte keine belanglose Konversation führen. Mit einem ärgerlichen Seufzer versuchte sie, das Gefühl zu unterdrücken, das in ihr aufstieg. Es fühlte sich an wie Enttäuschung. Was war nur mit ihr los? Sie hatte kein Interesse.

„Ich hatte schon befürchtet, dich nicht mehr zu finden.“ Die Stimme beschwor ein Bild von schwarzem Samt herauf. Eine seltsame Klangfarbe für einen Mann. Bevor sie sich umdrehte, wusste sie, wer sie angesprochen hatte. Der Unbekannte, nach dem sie vor wenigen Sekunden die Menge abgesucht hatte.

„Nein … ich ... Ich wollte gerade gehen.“ Sariel wurde heiß. Innerlich verwünschte sie ihr Gestammel ebenso wie ihr rot glühendes Gesicht. Sie wusste es einfach, ihre blasse Haut gab jedes Gefühl preis.

„Wie schade. Ich wollte mich für mein ungehobeltes Benehmen entschuldigen. Es war unverzeihlich …“

Abwehrend hob Sariel die Hand. „Du bist mir keine Erklärung schuldig.“

Sein Blick ließ sie verstummen. Fast kam es ihr vor, als könne er bis in ihre Seele vordringen. Seine Augen waren schwarz. Hypnotisierend. Dann beugte er sich ein wenig vor und nahm mit einer fließenden Bewegung Sariels Hand. Wie eine Feder streiften seine Lippen über ihre Haut. Die Berührung war leicht, kaum wahrnehmbar. Trotzdem beschleunigte sich ihr Herzschlag.

„Ich muss … ich muss jetzt wirklich gehen.“ Verwirrt schob Sariel eine Haarsträhne zurück, trat einen Schritt nach hinten und drehte sich um. Verschwand in der Menge. Kurze Zeit später befand sie sich in ihrem Zimmer, lehnte mit dem Rücken gegen die Tür und fragte sich, was zum Teufel mit ihr los war.

Ein Handkuss! Handküsse waren seit Jahrzehnten, wahrscheinlich seit Jahrhunderten aus der Mode. Warum hatte er sich zu einer solchen Geste hinreißen lassen? Aus irgendeinem Grund bewirkte Sariel Halders Nähe, dass er nicht klar denken konnte. Das war schlecht. Sehr schlecht. Alexander war über hundert Jahre alt. In dieser Zeit hatte er ungezählte Morde gerächt. Jedes Mal war er kalt, besonnen und fokussiert gewesen. Heute aber verhielt er sich wie jeder andere hirnlose Trottel, dem eine Frau gefiel.

Anstatt sich in den Mantel seiner Unsichtbarkeit zu hüllen, verharrte er und dachte über die Begegnung nach. Sie war eine seltsame Frau, anders als die Menschen, mit denen er sonst zu tun hatte. Über ihrem Wesen lag etwas Ätherisches, fast so, als könne sie sich ebenfalls in Rauch auflösen.

Die Präsenz eines anderen Menschen unterbrach seine Gedanken. Trotz der Tatsache, dass er sich inmitten unzähliger Gäste befand, war es eine bestimmte Person, deren Gegenwart in sein Bewusstsein kroch.

Torsten Halder.

Wie ein schwarzer Schatten breitete sich seine Aura über der Terrasse aus. Winzige Nadelstiche durchbrachen Alexanders Energiefeld. Noch bevor er reagieren konnte, überwältigte ihn der Gedanke, dass es zu spät war. Sein Körper fühlte sich mit einem Mal an, als sei er in ein Spinnennetz verstrickt. Zwang ihn, in Bewegungslosigkeit zu verharren, obwohl sich jede Faser seines Wesens danach sehnte, sich in Rauch aufzulösen.

Arroganz. Arroganz und Dummheit waren die größten Feinde eines Ifrit. Er war wie ein Tölpel in eine Falle gestolpert, deren Vorhandensein ihm entgangen war. Und das nur, weil eine Frau ihn abgelenkt hatte.

Zu der langen Liste der Fehler, die Alexander an diesem Tag begangen hatte, gesellte sich ein weiterer. Er hatte Torsten Halder unterschätzt. Ihre Blicke kreuzten sich, Halder deutete eine knappe Verbeugung an. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Mit einem Schlag traf Alexander eine Erkenntnis. Sein Gegner wusste genau, warum er hier war. Und schlimmer noch, er hatte Vorkehrungen getroffen.

Alexander kippte nach vorne. Dunkelheit umfing ihn, senkte sich über seine Gedanken.

3

Kalt.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis Alexander imstande war, dieses eine Wort im Kopf zu formen.

So kalt.

Alexander versuchte, Luft zu holen, schaffte es aber nur mit Mühe, etwas davon in seine Lungen zu pressen. Eine unsichtbare Kraft drückte seinen Oberkörper nach unten, schnürte seine Brust ein. Er konnte nicht mehr als ein paar zittrige Atemzüge tun.

Ich muss … Wärme … ich … brauche … Wärme …

Das Denken dieser wenigen Worte erschöpfte ihn. Zu der Kälte gesellte sich Dunkelheit. Nicht lange und er würde in ihr versinken, um nie wieder zurückzukehren. Nie wieder …

Die Worte hallten in seinem Kopf, brachten Fragmente seiner Willenskraft zurück. Er würde nicht aufgeben. Er war ein Ifrit. Ein Dämon des Feuers. Auch wenn seine Lebensflamme kaum noch brannte, so war sie nicht erloschen. Er würde es Torsten Halder nicht so leicht machen.

Die Entscheidung entzündete einen winzigen Funken in ihm. Ein Funke, der die tödliche Kälte kaum spürbar erwärmte.

Besser.

Die Erstarrung, die Alexander in festem Griff hielt, lockerte sich soweit, dass er seine Augen öffnen konnte. Ohne sich zu bewegen, ließ er seinen Blick schweifen, erfasste den dunklen, fensterlosen Raum, in den Halder ihn verbannt hatte. Viel gab es nicht zu sehen. Der Boden bestand aus grauem Beton, die Wände ebenfalls. Die Pritsche, auf der er lag, war aus Metall.

Eine Stahltür sorgte dafür, dass die Kälte diese vier Wände nicht verlassen konnte, ebenso wenig wie er selbst. Solange er diesen eisigen Temperaturen ausgesetzt war, konnte er sich nicht in Rauch verwandeln. Die Erkenntnis rief ein ironisches Lächeln hervor. Verwandeln! Er konnte froh sein, wenn er es schaffte, bei Bewusstsein und am Leben zu bleiben.

Mit einem letzten kritischen Blick in den Spiegel wandte Sariel sich um. Ihr Onkel hasste Unpünktlichkeit, und das Frühstück wurde jeden Morgen genau um halb sieben serviert. Als Sariels Eltern noch lebten …

Entschlossen verbannte sie diesen Gedanken aus ihrem Kopf. Ihre Eltern waren tot. Seitdem lebte sie bei Onkel Torsten, und auch wenn seine Angewohnheiten ihr oft seltsam vorkamen, musste sie ihm doch dankbar sein. Immerhin hatte er sie bei sich aufgenommen. obwohl er alleinstehend und kinderlos war. Plötzlich eine fast erwachsene Nichte unter seinem Dach zu haben, musste ihn in seinem gewohnten Lebensstil einschränken. Aber nicht mehr lange. Heute wollte Sariel ihm die frohe Botschaft überbringen, dass sie in drei Tagen nach Paris reisen würde. Ihr Kunststudium an der Sorbonne begann in zwei Wochen. Bis dahin musste sie eine Bleibe gefunden und den Transfer ihrer wenigen Besitztümer organisiert haben.

Das Problem war: Ihr Onkel würde sich nicht freuen. Nicht umsonst hatte er ihr immer wieder nahe gelegt, ihre Studien auf den Bereich der Betriebswirtschaftslehre zu konzentrieren. Mit der Perspektive, eines Tages die Führung seiner Bank zu übernehmen. Torsten Halder hasste es, wenn man seine Pläne durchkreuzte.

Sariel seufzte. Wahrscheinlich würde er für lange Zeit nicht mehr mit ihr reden. Das tat er immer, wenn sie sich ihm widersetzte. In der Vergangenheit hatte er damit erreicht, was er wollte. Dieses Mal aber würde sie ihren Willen durchsetzen. Auch wenn es bedeutete den Kontakt zu ihrem einzigen Verwandten zu verlieren.

„Guten Morgen, Onkel“, murmelte Sariel, als sie das Esszimmer betrat. Wie immer war der Tisch tadellos gedeckt. Das Silberbesteck glänzte im Sonnenlicht, das durch die hohen Terrassentüren fiel und den Raum überflutete. Hier tanzten keine Staubpartikel in dem grellen Licht. Wahrscheinlich erstarrten auch sie in Angst und Ehrfurcht vor Torsten Halder.

Das edle Porzellan wurde von feinen Stoffservietten eingerahmt. Die silberne Teekanne, die auf dem Tisch stand, versprach den edelsten Darjeeling. Kaffee wäre ihr lieber gewesen, aber davon hielt ihr Onkel nichts. Ganz der vollendete Kavalier stand er sofort auf, als sie den Raum betrat. Dann erst erwiderte er ihren Morgengruß: „Guten Morgen, Sariel. Ich hoffe, du hast gut geschlafen.“

„Ja, danke“, log sie mechanisch, während sie die Serviette auf ihrem Schoß ausbreitete. Sie hatte gehofft, ihn in eine seiner Zeitungen vertieft zu sehen, aber heute war Sonntag. Der optimale Zeitpunkt, um von ihren Plänen zu berichten. Sie hatte die ganze Nacht damit verbracht, dieses Gespräch vorzubereiten, die richtigen Formulierungen zu finden und ihre Argumente überzeugend darzulegen.

Dreißig Minuten später hatte Sariel ihren Entschluss noch immer nicht in die Tat umgesetzt. Stattdessen lauschte sie mit geheucheltem Interesse seinen Ausführungen über die internationale Finanzwirtschaft. Wie so oft schweiften ihre Gedanken ab.

Kalt … So kalt …

Die Worte schlichen sich in Sariels Kopf, unterbrachen ihre Sorgen, die sich allesamt darum drehten, wie sie ihrem Onkel die Neuigkeiten beibringen sollte. Ihr war nicht kalt. Im Gegenteil ihre Handflächen schwitzten, und sie hatte das unangenehme Gefühl, dass ihr Deo nicht das hielt, was die Werbung versprach. Kälte war so ziemlich das Einzige, was Sariel im Moment nicht spürte. Seltsam.

Konzentriert horchte sie in sich hinein, versuchte herauszufinden, was der Auslöser dieses Gedankens war.

Nichts. Wahrscheinlich verwirrten die Probleme, die sie heraufbeschwor, ihre Sinne. Es wurde Zeit zu handeln. Mit einem tiefen Atemzug versuchte sie, innere Stärke zu gewinnen.

„Aus diesem Grund ist es so wichtig, Sariel …“

„Onkel, ich muss dir etwas mitteilen“, unterbrach sie seine Ausführungen. Mit einem Stirnrunzeln brach er ab. Torsten Halder war es nicht gewöhnt, dass man ihm ins Wort fiel.

„Ich fange in zwei Wochen mit meinem Kunststudium an der Sorbonne an. Ich wollte es dir schon längst sagen, aber …“

„Kunst? Du willst Kunst studieren nach allem, was ich für dich getan habe?“ Torsten Halders Gesicht färbte sich rot. Mit einem Mal war es, als würde Wut wie eine kalte Welle von ihm ausgehen. Wut, die sich auf Sariel richtete. Angst kroch in ihr hoch. Mit einem solchen Ausbruch hatte sie nicht gerechnet.

„Ich will nichts mehr davon hören.“ Torsten Halder schob seinen Stuhl zurück und stand auf. „Du wirst deine Anmeldung zurückziehen. In vier Wochen beginnt das Herbstsemester in Hamburg. Ich habe dich bereits für das Betriebswirtschaftsstudium angemeldet. Und das, junge Dame, ist genau das, was du studieren wirst!“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, verließ er den Raum.

Gegen seinen Willen schlossen sich Alexanders Augen. Wie Bleigewichte fielen die Lider nach unten, sie zu öffnen, würde mehr Kraft erfordern, als er besaß. Es waren nur wenige Sekunden, in denen er seine Umgebung erkundet hatte. Trotzdem überkam ihn ein bleiernes Gefühl der Müdigkeit, und er merkte, wie die winzige Flamme, die ihn am Leben hielt, kämpfte, um nicht zu erlöschen.

Kalt.

So kalt.

Die Worte verhallten in seinem Kopf, wurden zurückgeworfen. Wärme floss durch seinen Körper. Zurückgeworfen? Wärme? Irgendetwas oder irgendjemand hatte seine Gedanken gehört. Sein Pulsschlag beschleunigte sich, als er diese Erkenntnis aufnahm. Die Flamme, die eben noch kurz davor war zu ersterben, tanzte mit einem Mal. Energie! Nicht viel, aber genug, um ihn am Leben zu erhalten. Genug, um mehr zu ermöglichen.

Vorsichtig streckte er seine Sinne aus, zwang sie, diesen Raum zu verlassen. Dabei war er sich mit jeder Faser seines Wesens der Gefahr bewusst, in die er sich begab. Wenn Torsten Halder auch nur das kleinste Lebenszeichen von ihm auffing, war er verloren. Er musste weiterhin glauben, dass Alexander dem Tod entgegenging. Oder besser noch, bereits tot war.

Sariel.

Er hätte es wissen müssen. Torsten Halders Nichte hatte seine Gedanken aufgefangen, sie reflektiert und ihnen dadurch etwas von ihrer Kraft gegeben. Zögerlich tastete Alexander ihre Aura ab. Er wollte ihr nicht noch mehr Energie entziehen. Sie hatte bereits mehr als genug getan. Auch wenn sie davon nichts ahnte.

Angst.

Irgendjemand oder irgendetwas jagte Sariel Angst ein.

4

Nur wenige Minuten, nachdem Torsten Halder das Esszimmer verlassen hatte, stand Sariel ebenfalls auf. Ihr war der Appetit vergangen, daran konnte auch der frische, geräucherte Lachs auf ihrem Teller nichts ändern. Alles schmeckte schal, so als sei das Leben schon lange daraus entwichen. Selbst die Marmelade hatte einen alten, abgestandenen Geschmack. Das musste an ihrer Stimmung liegen, denn Martha, die Haushälterin ihres Onkels, achtete stets darauf, dass nur das Beste auf dem Esstisch zu finden war. Andernfalls hätte er sie längst gefeuert.

Mit einem Ruck versuchte sie, die düsteren Gedanken abzuschütteln. Ich bin ihm dankbar, wiederholte sie wie ein Mantra in ihrem Kopf. Sie hatte es in den letzten zwei Jahren zu einem unablässigen Refrain gemacht. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte sie sich allein zurechtfinden müssen. Was vielleicht besser gewesen wäre, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf.

Der kostbare weiße Perser auf dem Fußboden verschluckte das Geräusch ihrer Schritte, als sie auf die Tür zuging. Sie musste diesen Raum verlassen. Oder noch besser, dieses Haus, das von der Wut erfüllt war, die ihren Onkel gepackt hatte.

Sie ging durch die langen, weißen Gänge zu ihrem Appartement zurück. Das Innere der Villa war vollkommen in strahlendem Weiß gehalten. Einzige Ausnahme davon der Ballsaal, aber Sariel war sicher, dass dieser ihrem Onkel ein Dorn im Auge war. Von diesem Raum abgesehen, gab es nichts, was die sterile Einöde durchbrach. Holzböden, Teppiche, Möbel, Wände, sogar die Bilder, die nicht im Ballsaal hingen, erstrahlten in einem blendenden Weißton.

Die Flure waren mit dicken Teppichen ausgelegt, was der Grund dafür war, dass sie es zuerst nicht wahrnahm. Dann aber hörte sie es, ein leises Tapsen, die Schritte eines Tieres. Einer der Wachhunde folgt mir! Ein kalter Schauer rann ihren Rücken hinab. Das konnte nur einer der Rottweiler sein, die ihr Onkel hielt. Normalerweise waren diese Kreaturen in den Zwingern verbannt; nur nachts ließ er sie hinaus. Dann machten sie den Garten unsicher. Obwohl Torsten Halder immer wieder versichert hatte, sie würden Sariels Geruch kennen und ihr niemals etwas zuleide tun, ging sie ihnen aus dem Weg. Ihre Anwesenheit war mit ein Grund, weshalb sie abends niemals das Haus verließ.

Vielleicht beabsichtigt er genau das damit. Ärgerlich vertrieb sie diesen Gedanken. Was war nur heute mit ihr los? Torsten Halder war mit Sicherheit kein herzlicher Mensch. Es lag nicht in seiner Natur, Gefühle auszudrücken oder liebevoll zu sein. Allein die Idee, er könne sie in eine Umarmung schließen, führte dazu, dass sich ein zynisches Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. Nein, seine Stärke lag nicht darin, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen. Vielmehr im Gegenteil: Wo immer er sich aufhielt, verbreitete er eine Aura der Macht und der Aggression. Aber egal, wie gefühlskalt er auf andere Menschen wirken mochte, so wusste sie doch eines: Er war der einzige Verwandte, den sie hatte.

Noch immer dieses Tapsen. Ein Hecheln gesellte sich hinzu. Wie von selbst verlangsamten sich Sariels Schritte, bis sie stehen blieb und sich umdrehte. Da, nur wenige Meter von ihr entfernt, stand Rosco, der größte und - ihrer Meinung nach - am gemeinsten aussehende Rottweiler, den ihr Onkel besaß. Auch er blieb stehen, maß sie mit seinen Blicken und wartete gelassen auf ihre nächste Bewegung. Das zumindest war Sariels Eindruck, als sie ihn musterte. Vielleicht überlegte er sich auch nur, ob sie ein nettes Frühstück abgeben würde.

Wieder bahnte sich Furcht einen Weg durch ihren Körper. Aber das durfte nicht sein. Wenn diese Bestie ihre Angst spürte, war alles möglich. Auch das Undenkbare. Mit einem gezwungenen Lächeln drehte sie sich um, ging weiter in Richtung ihrer Räume. Immer darauf achtend, dass ihre Schritte gemessen waren. Obwohl sie nichts lieber getan hätte, als zu rennen.

Er musste herausfinden, warum Sariel Angst hatte. Er konnte sich nicht erklären, was ihn dazu drängte, aber ihr Wohlbefinden war wichtig. Wichtiger als alles andere. Die energetische Verbindung zu ihr herzustellen, erschöpfte ihn. Aber auch das war ohne Belang. Er musste wissen, wie es ihr ging.

Angst! Noch immer. Jetzt aber war ein neues Element hinzugekommen. Verwirrung.

Alexander versuchte den Grund dafür herauszufinden, aber er sah nur verschwommene Bilder. Irgendetwas verfolgte sie, aber es war nicht Halder. Vielleicht einer seiner Bodyguards? Angestrengt suchte er ihr Umfeld nach einem weiteren Menschen ab. Aber da war nichts … bis auf … ein Hund!

Es bestand keine unmittelbare Gefahr für sie. Vielleicht hatte sie schon immer Angst vor Hunden gehabt. Das Tier selbst hatte keine bösen Absichten, soviel konnte er immerhin mit den letzten Resten seiner Energie spüren. Es machte vielmehr einen wachsamen Eindruck, so als würde es aufpassen, auf ihr Wohlergehen achten.

Kein Grund zur Besorgnis also.

Besorgnis?

Warum machte er sich um einen Menschen Sorgen? Um eine Frau, die er noch nicht einmal kannte?

Mitgefühl. Das war alles. Sariel Halder hatte ihre Eltern verloren. Alexander hatte nie den Schmerz gespürt, den Sariel gefühlt haben musste. Was er aber kannte, war die Isolation, die ein Wesen ohne Familie zwangsläufig erleidet. Und was Freunde betraf, es gab nur einen Menschen, zu dem Alexander ein solches Verhältnis pflegte und auch ihn sah er nur selten.

Alleinsein war zu seiner Natur geworden. Er kannte kaum etwas anderes, und doch sehnte er sich nach etwas, was er nicht benennen konnte, was er nie erlebt hatte. Ein Ifrit war machtvoll. Das Gefühl von Einsamkeit einzugestehen, war ein Zeichen der Schwäche.

Und das konnte tödlich sein.

Acht Schritte zur Tür. Umdrehen. Acht Schritte zurück, zum Fenster. Umdrehen. Acht … Dieser Hund machte sie verrückt. Seit zwei Stunden lag Rosco vor ihrer Tür. Warum verschwand er nicht dorthin, woher er gekommen war?

Natürlich war diese Frage müßig. Sariel wusste genau, warum er vor ihrem Zimmer Wache hielt. Ihr Onkel hatte das veranlasst. Er wollte nicht, dass sie an die Sorbonne ging.

„Er hat kein Recht, mich hier festzuhalten.“ Die Worte verhallten in dem Raum.

Ihr Onkel hatte seine Aktion besser vorbereitet, als sie zunächst vermutet hatte. Weder Handy noch Laptop waren auffindbar. In der kurzen Zeit, die seit ihrer Ankündigung und der Rückkehr zu ihrem kleinen Apartment vergangen war, hatte er ihre Verbindungen zur Außenwelt abgeschnitten. Rosco tat ein Übriges.

Rosco! Der Hund war darauf abgerichtet, Fremde anzugreifen. Wenn Sariel den Versicherungen ihres Onkels Glauben schenken sollte, war er ebenfalls darauf trainiert, ihr nichts zu tun. Was also hinderte sie daran, ihre Gefangenschaft zu beenden und das Haus zu verlassen?

Eine Idee formte sich in ihrem Kopf. Sie würde so tun, als wolle sie in die Küche gehen. Nach dem mageren Frühstück heute Morgen hatte sie ohnehin Hunger. Selbst wenn Rosco ihr folgen würde, schaffte sie es möglicherweise, durch die Tür zu verschwinden, die von der Küche in den Garten führte. Sie brauchte nichts weiter zu tun, als sie dem Hund vor der Nase zuzuschlagen. Ein triumphierendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Das war die Lösung!

Mit einem leisen Knarren schwang die Zimmertür auf, deren Holzrahmen ebenso altertümlich war wie das gesamte Haus.

Roscos Kopf, der bisher auf seinen Vorderpfoten geruht hatte, schnellte nach oben. Das Tier, das eben noch friedlich und entspannt ausgesehen hatte, wirkte plötzlich hellwach.

„Braver Bursche“, sang Sariel leise in einem, wie sie hoffte, beruhigenden Tonfall. Roscos Ohren stellten sich auf Empfang. Er rührte sich nicht, aber es war offensichtlich, dass er sofort aufspringen würde, sobald sie einen Fuß vor die Tür setzte.

Angst stieg in ihr auf. Aber sie schluckte sie hinunter. Es war ihr Leben. Ihre Entscheidung, ob und wo sie studieren würde. Torsten Halder hatte kein Recht, ihr seinen Willen aufzuzwingen.

Sie setzte einen Fuß in den Flur.

Rosco zog die Lefzen nach hinten.

Der zweite Fuß folgte.

Ein leises Knurren drang aus seiner Kehle.

„Wie wäre es mit einem kleinen Spaziergang, Rosco?“, flötete Sariel und kam sich dabei unendlich blöd vor.

Der Hund und Sariel musterten sich, als wären sie in einem unsichtbaren Wettbewerb gefangen. Wer würde den ersten Schritt tun? Wer würde als Erster seine wahren Absichten verraten?

Ohne ihren Blick von Rosco zu wenden, zog Sariel die Tür hinter sich zu, achtete aber darauf, sie nicht zu schließen.

Das Knurren wurde lauter.

Trotzdem wagte sie einen Schritt in den Flur hinaus, Richtung Küche. „Komm schon, Rosco. Nur ein kleiner Abstecher zu Martha. Du bekommst von ihr ein saftiges Steak. Ich verspreche es dir.“

Anscheinend war Rosco nicht hungrig oder besser trainiert, als Sariel erwartet hatte. Sein Grollen übertönte mittlerweile alle anderen Geräusche. Die Botschaft war eindeutig: Eine weitere Bewegung in die falsche Richtung und er würde sie anfallen.

Mit einem Knall fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Torsten Halder hatte gewonnen.

Wut.

Die Erkenntnis, dass die rot glühende Emotion Torsten Halders Energiefeld wie Lava umspülte, brachte ein Lächeln auf Alexanders Lippen. Das war gut. Sehr gut. Halder war mit etwas anderem beschäftigt. Ihm entging, wie Alexander seine Aura abtastete und versuchte, in seine Gedanken zu dringen.

Die winzige Flamme, die Alexander am Leben hielt, nährte sich an Halders Wut. Sie wurde stärker. Erlaubte ihm, seine Fühler auszustrecken und zu versuchen, hinter Halders Pläne zu kommen.

Der Banker war abgelenkt. Die starke Emotion, die er im gesamten Haus verbreitete, sorgte dafür, dass er Alexanders Zugriff nicht spürte. Aber Halder war nicht dumm, seine Gedanken waren von Barrieren umgeben, die Alexander nicht durchdringen konnte. So sehr er auch nach einer Lücke suchte, er konnte keine entdecken. Ein Gutes aber hatten seine Bemühungen: Das rot glühende Gefühl umgab Halder in einer pulsierenden Wolke. Für Alexander war es ein Lebenselixier. Noch ein wenig mehr davon und er wäre stark genug, um diesem Gefängnis zu entfliehen.

Warum war der Banker wütend?

Irgendjemand oder irgendetwas hatte ihn in einen Zustand versetzt, in dem er töten wollte.

Noch hatte Halder sich unter Kontrolle. Nicht mehr lange und der Damm würde brechen. Dann würde er die Ursache für seine Rage vernichten.

Sariel.

Die Erkenntnis fuhr wie ein Stromschlag durch Alexanders Bewusstsein. Sie war es, die Halder in diesen Zustand versetzt hatte. Das Wissen bewirkte, was Alexanders vorsichtiges Tasten zuvor nicht erreicht hatte: Torsten Halders Gedanken öffneten sich ihm. So verschlossen er vor wenigen Sekunden noch gewesen war, so offen lag er jetzt vor ihm. Ahnungslos in seiner Arroganz.

Wie eine Welle stieg das Gefühl, einen Sieg errungen zu haben, in Alexander auf. Er hatte sich den Zutritt zum Allerheiligsten verschafft. Halders Denken lag wie eine Landkarte ausgebreitet vor ihm. Die einzelnen Gedanken wie silberne Stränge. Sie liefen alle auf ein einziges Ziel zu. Schwarz pulsierte es in der Mitte des funkelnden Netzes. Die von dieser dunklen Masse ausgehende Gefahr war so greifbar, dass Alexander kurz davor war umzukehren.

Schwarze Hostie

Das Wort, das Alexander in Halders Gedanken las, katapultierte ihn in seinen eigenen Körper zurück und unterbrach die energetische Verbindung, die er mit dem Banker aufgebaut hatte. Erstarrung senkte sich über ihn, als er darüber nachdachte, was diese Entdeckung bedeutete.

Die schwarze Hostie war eine der schlimmsten schwarz-magischen Kreationen. Ein magisches Gebäck mit dem Sinn, demjenigen, der es aß, zu Unsterblichkeit und Macht zu verhelfen.

Ein Schauer erfasste Alexander mit einer Heftigkeit, die ihn mehrere Minuten lang in schmerzhaften Krämpfen gefangen hielt. Dann ließ die Kälte nach, die das Wort in ihm hervorgerufen hatte. An ihre Stelle trat eine weitere Erkenntnis. Torsten Halder hatte ihn gefangen genommen, weil er ihn brauchte. Eine der beiden wichtigsten Zutaten, die er für die Herstellung der Hostie benötigte, war Blut. Das Blut eines Dämons und eines Halbdämons. Halbdämonen, die Kinder eines Dämons und einer Sterblichen, waren selten; noch seltener als Ifrit. Wie also wollte Halder an diese Ingredienz kommen? Es war Jahrzehnte her, seit Alexander das letzte Mal einem Halbdämonen begegnet war.

Wie also …? Sariel. Der Name war nur ein Wispern in seinen Gedanken.

Die Nichte des Bankers war der einzige Mensch, der bisher in der Lage gewesen war, Alexander zu sehen. Der Grund dafür war einfach.

5

Schmerz.

Eisige Flammen, die statt Blut durch ihre Adern flossen. Mit einem Stöhnen wand sie sich im Bett. Ihr Herz hämmerte, während die Schmerzen sie immer fester umklammerten. Dann endlich wachte sie auf. Schweißgebadet.

Trotz der erlösenden Erkenntnis, dass es ein Albtraum gewesen war, brauchte Sariel lange, um sich zu beruhigen. Die Bilder in ihrem Traum waren zu lebendig gewesen. Verfolgten sie noch immer, obwohl sie das Licht anknipste und versuchte, sich mit tiefen, regelmäßigen Atemzügen zu entspannen.

Ein Körper. Unendliche Qualen. Angst, die wie Blut durch die Adern strömte, und der hilflose Versuch, sich zu wehren.

Allein die Erinnerung daran bewirkte, dass sich ihr Herzschlag erneut beschleunigte. Sie bekam kaum noch Luft.

„Aufhören! Sofort aufhören!“ Obwohl sie die Worte flüsterte, bewirkten sie eine Veränderung. Die Atmosphäre in ihrem Schlafzimmer wurde wärmer. Fast so, als würde sich die eisige Kälte, die sie noch vor kurzem gespürt hatte, zurückziehen.

Das helle Mondlicht zog eine silberne Spur durch den Raum. Mit den Augen folgte Sariel der klar erkennbaren Linie bis zu der großen, weißen Scheibe am Nachthimmel. Es war Vollmond. Wahrscheinlich hatte sie deshalb so schlecht geträumt. Ohne Vorwarnung durchzuckte sie ein weiteres Bild. Die Gestalt, deren Schmerzen sie beobachtet hatte, drehte den Kopf und sah sie an.

Alexander.

Die Erkenntnis war ein Schock. Dann aber rasten Fragen durch ihren Kopf: Warum sah sie das Gesicht eines Mannes, den sie kaum kannte, in ihren Gedanken? Warum hatte sie diese Vision im Wachzustand? Zuvor glaubte sie noch, es sei ein übler Traum. Aber jetzt?

Mit einem Satz sprang Sariel aus dem Bett. An Schlaf war nicht zu denken, denn das Chaos in ihrem Kopf würde sich nicht so schnell legen. Dazu waren zu viele Fragen aufgewirbelt worden. Bei all den Dingen, die ihr unklar waren, hatte sie doch eine Gewissheit. Er war in Gefahr. Die Qualen, die Sariel in ihrem Traum durchlebt hatte, waren real.

Kein Mensch sollte so leiden müssen.

Wie ein Sturm wirbelte die Erkenntnis durch seinen Kopf. Sariel Halder war eine Halbdämonin. Da ihr Vater Torsten Halders Bruder war, musste ihre Mutter eine Dämonin gewesen sein. Sariels Gesicht tauchte in seinen Gedanken auf. Umrahmt von Haaren, die wie Lava glühten.

Sie war halb Ifrit.

Er hätte es wissen müssen, aber Halbdämonen waren selten. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, sie als solche zu identifizieren. Mit einem Seufzen überließ er sich der Gedankenflut. Er musste zur Ruhe kommen, um seinen nächsten Schritt zu planen. Die Energie, die er durch Torsten Halders emotionalen Ausbruch gewonnen hatte, sorgte dafür, dass er sich von Minute zu Minute stärker fühlte.

Höchste Zeit, um diese ungastliche Zelle zu verlassen.

Alexander war zittrig auf den Beinen, als er aufstand und sich in die Mitte des Raumes stellte. Aber er wusste, er hatte genügend Lebenskraft gesammelt. Seine Verwandlung in Rauch würde gelingen. Gerade so.

Als Ziel wählte er die Sahara. Dort, inmitten der Wüste, befand sich eines seiner Häuser. Gebaut aus Steinblöcken, die er dem alten römischen Fort Tisavar entwendet hatte. Damals war die römische Befestigung bereits eine Ruine, die verlassen den Rand der Sahara säumte. Er hatte Jahre gebraucht, um aus den Steinen eine Behausung zu formen. Die viereckige Struktur schlang sich um einen Innenhof, dessen Mitte ein Brunnen schmückte. Während draußen die Sonne ein helles, in den Augen brennendes Licht verbreitete, herrschte innen ein schattiges Halbdunkel.

Die Räume mit ihren weiß gekalkten Wänden boten Zuflucht vor der gleißenden Hitze. Bunte Kissen und Diwane sorgten für Bequemlichkeit.

Er liebte diesen Ort. Hier fühlte er sich in seinem Element, geschützt durch die unendliche Weite der Sahara, ihrer tödlichen Kargheit und Menschenfeindlichkeit.

Er würde ein paar Stunden dort bleiben, so lange, bis er seine Kräfte regeneriert hatte, und dann zurückkehren, um Sariel in Sicherheit zu bringen. Der Gedanke, sie zurückzulassen, gefiel ihm nicht, aber er war noch nicht stark genug, um ihr jetzt schon helfen zu können.

Das Bild der flimmernden Glut vor Augen, die die Wüste zu dieser Tageszeit erfüllen würde, löste er sein stoffliches Sein auf.

Der Aufprall war heftig und raubte ihm für einen Augenblick den Atem. Die unsanfte Landung bewirkte eine abrupte Transformation in seinen menschlichen Körper.

Er lag auf dem Boden … auf … einem Teppich?

„Beeindruckend.“ Ohne aufzusehen, schrieb Torsten Halder in ein Journal. „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so schnell in der Lage sein würden, die Kälte zu überwinden.“ Der Banker hob den Kopf und streifte Alexander mit einem Blick, der vollkommen emotionslos war.

„Setzen Sie sich.“ Mit einer knappen Geste zeigte Halder auf einen Sessel, der vor seinem Schreibtisch stand. Alexander hatte sich in Halders Bibliothek materialisiert. Ein Fehler, der nicht hätte passieren dürfen. Wenn es denn ein Fehler war …

Der Raum war vollkommen in Weiß gehalten. Die Farbe strahlte hell genug, um in den Augen zu schmerzen. Wären nicht die Bücher und DVDs gewesen, die die Wandregale füllten, hätte er sich wie in einem Vakuum gefühlt.

Noch immer erschöpft von der Kraftanstrengung, stand Alexander auf, versuchte das Zittern seiner Beine zu unterdrücken und bewegte sich auf den Sessel zu. Dann setzte er sich und unterzog den Banker einer eingehenden Musterung.

Halder war etwa sechzig Jahre alt. Seine stahlgrauen Haare passten zu den Augen, deren innere Kälte keine Gefühle preisgab. Seine Haltung ließ auf einen militärischen Hintergrund schließen. Sein Körper war trotz seines fortgeschrittenen Alters schlank und durchtrainiert. Alles an ihm verriet ein Übermaß an Disziplin.

„Man begegnet nur selten einem Ifrit, der … wie soll ich es ausdrücken? …, dumm ist?“

„Dumm?“ Noch während Alexander dieses Wort wiederholte, breitete sich die Erkenntnis in ihm aus. Der Banker hatte recht. Der Fluchtversuch, und dann die Falle, in die er unvorbereitet getappt war - er hatte sich wie ein Tölpel benommen.

„Wie schön. Selbsterkenntnis stärkt den Charakter.“ Der Spott war nicht zu überhören. Halder spielte mit ihm. Das Bild einer Katze schob sich in Alexanders Gedanken. Einer Katze, die mit einer Maus spielte. Wie hatte ihm ein solcher Fehler unterlaufen können?

Wieder unterbrach der Banker seine Gedanken. „Sie wundern sich, warum Sie hier sind. Nicht wahr?“

Statt einer Antwort nickte Alexander. Er würde Halder nicht verraten, was er wusste.

„Vielleicht mag ich es nicht, wenn man mich töten will“, sinnierte der Banker, lehnte sich in seinem Sessel zurück und maß Alexander mit seinem Blick.

„Das ist nicht der wahre Grund“, murmelte Alexander. Sein Kopf wurde schwer, sein Körper wurde wie von Bleigewichten nach unten gezogen. Es war anstrengend, einen klaren Gedanken zu fassen. Trotzdem schaffte er es, an einer Gewissheit festzuhalten. Sein Eindringen in Torsten Halders Gedankenwelt musste sein Geheimnis bleiben.

„Oh nein. Nicht so schnell.“ Ein schwacher Stromschlag fuhr durch seinen Körper. Energie. Nicht genug, um ihn zu kräftigen, doch so viel, um zu verhindern, dass die Dunkelheit gewann.

„Ich habe Ihre Kräfte überschätzt. Wie dumm von mir.“ Der Banker lachte, aber Alexander konnte dem nichts entgegensetzen. Außer einer Frage:

„Was wollen Sie von mir?“

Statt Worte ließ Halder Bilder in seinem Kopf entstehen. Visionen, die einen Teil seiner Pläne so deutlich zeigten, als würde Alexander sie auf dem Fernseher verfolgen. Natürlich würde er ihn umbringen. Zuvor aber würde er sich jede seiner Fähigkeiten aneignen. Das Wichtigste aber zeigte Halder ihm nicht: Sein Plan, eine schwarze Hostie zu kreieren, sollte wohl das Geheimnis des Bankers bleiben.

6

Es mussten Stunden vergangen sein, bis er es schaffte, die Augen zu öffnen. Wie Bleigewichte lagen die Lider auf den Pupillen. Er benötigte seine ganze Kraft, um wieder zu sehen. Was er erblickte, war nicht überraschend. Er befand sich in seiner Zelle, dem winzigen Raum, aus dem er für kurze Zeit entkommen war. Sehr weit hatte ihn sein Fluchtversuch nicht gebracht.

Die Nacht war die Hölle gewesen. Wortwörtlich. Halder hatte es geschafft, dass Alexander wünschte, nie geboren zu sein. In den hundert Jahren, die er auf der Erde war, hatte er nie solchen Schmerz erfahren. Nie eine solche Angst verspürt. Warum auch? Ein Ifrit zu sein, hatte viele Vorteile, und einer davon war, dass er seine körperliche Gestalt nach Wunsch verändern konnte. Krankheiten sind einem Ifrit fremd. Sobald ihn ein körperliches Unwohlsein beschlich, brauchte er nichts weiter zu tun, als sich in Rauch aufzulösen. Danach materialisierte er sich und setzte seinen Leib wieder in perfekter Harmonie zusammen.

Zum ersten Mal in seinem Leben war dies nicht möglich. Halders Gift hatte ihn dieser Fähigkeit beraubt. Der Banker hatte es langsam injiziert. Jeder Tropfen hatte geschmerzt.

„Das wird Ihnen für einige Zeit die Lust nehmen, sich unsichtbar zu machen oder in Rauch aufzulösen. So leid es mir tut.“

Die Worte hallten in seinem Kopf wider. Der Spott hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Und noch etwas. Hass.

Ich werde ihn töten!

Die Gewissheit nahm etwas von dem Schmerz, den das Gift hinterlassen hatte. Er wusste nicht, wie er es schaffen würde, aber die Machtdemonstration, die seinen Willen brechen sollte, hatte das Gegenteil bewirkt. Anstatt Alexander zu zerstören, hatte der Banker erreicht, dass der Ifrit fokussierter war als jemals zuvor.

Er war zu schwach, um mehr als seine Augen zu bewegen, aber das reichte aus, um seine Zelle erneut in Augenschein zu nehmen. Nichts hatte sich verändert. Noch immer befand er sich in einem kleinen Raum, der von Betonwänden umgeben war. Kein Fenster unterbrach die glatte Oberfläche der Mauern. Selbst die Tür ihm gegenüber war ohne Fugen in das Gemäuer eingefügt. Kein Lichtstrahl drang hinein. Es gab keine Spalten, keine Risse im Mauerwerk, nichts als die kalte, glatte, weiße Betonoberfläche.

Mit einem Seufzen schloss er die Augen, konzentrierte sich darauf, seine Umgebung mit den Sinnen abzutasten. Und dann endlich entdeckte er etwas, was ihm zuvor entgangen war. Energiefäden durchzogen den Raum. Manche waren mehrere Jahrzehnte alt, andere nur einige Stunden. Viele der Energielinien stammten von Halders Opfern. Seelen, die er ebenso wie Alexander gefoltert hatte. Ihre Überreste sprachen eine deutliche und zugleich erschreckende Sprache. Die letzte Nacht war angenehm im Vergleich zu dem gewesen, was die Zukunft für Alexander bereithielt.

Die jüngeren Energiestränge stammten von dem Banker. Sie durchzogen den Raum wie ein Spinnennetz. Einen Fluch auf den Lippen, schloss Alexander die Augen. Kein Wunder, dass er nicht weiter als Halders Arbeitszimmer gekommen war. Der Banker wusste genau, was er vorhatte. Und nicht nur das, Alexander konnte seine Kräfte nicht nutzen, denn Halders Energie hinderte ihn daran.

Ein raffiniertes Konzept. Aber sein Gegner hatte den gleichen Fehler begangen wie Alexander: Er war in seiner Machtbesessenheit unvorsichtig geworden.

Ein Lächeln stahl sich auf Alexanders Lippen. Die Bilanz war ausgeglichen, nur wusste Halder noch nichts davon.

Zwei Fehler. Ein dritter würde Alexander nicht unterlaufen.

„Sariel!“

Ihr Name war nur ein Flüstern auf seinen Lippen, aber es reichte. Wie schon zuvor öffnete sich Torsten Halders Bewusstsein. Seine Gedanken. Die Schaltzentrale seiner Macht.

Das schwarze Pulsieren in der Mitte wies ihm den Weg. Alexander lenkte seine Energie darauf zu. Er hatte nur wenige Sekunden, um sein Vorhaben auszuführen, aber er konnte sich keinen Fehler erlauben.

Langsam also.

Und dann war er dort. Inmitten des dunklen Mahlstroms, der Halders gesamtes Wesen durchdrang. Eine unglaubliche Machtkonzentration. Und, was noch wichtiger war, Energie. Genau das, was er brauchte, um zu überleben und den Banker zu töten. Ein Lächeln breitete sich auf Alexanders Gesicht aus. Die Vorstellung, Halder mit seiner eigenen Kraft zu vernichten, war ein berauschender Gedanke. Er konnte bereits fühlen, wie dessen Energie in seinen eigenen Adern pulsierte, sich über seinen Körper ausbreitete. Er durfte nur eines nicht vergessen: Halders Energie war gefährlich, denn von nun an würden dessen Machtgier, die Skrupellosigkeit und sein Fokus auf die Herstellung der schwarzen Hostie, ebenfalls ein Teil von Alexander sein. Ein Teil seines Wesens, den er kontrollieren musste.

Es würde nicht einfach werden, aber er schaffte das. Ganz sicher.