Das Geheimnis der Hexentüren - Ulrich Klocke - E-Book

Das Geheimnis der Hexentüren E-Book

Ulrich Klocke

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Beschreibung

Tom findet das Verhalten seiner neuen Nachbarin seltsam. Warum schleicht sie sich heimlich in den Keller und warum spioniert ihr ihre Tochter Monia hinterher? Er folgt beiden heimlich und gelangt durch eine Hexentür in die Bibliothek der Meister Sebastian. Dort belauscht er ein Gespräch zwischen der Nachbarin und dem Meister. Demzufolge soll Monia an ihrem dreizehnten Geburtstag zur Hexenschülerin ernannt werden. Die wusste aber bisher nichts von ihrem Schicksal, weil ihre Mutter ihr verschwiegen hat, dass sie eine Hexe ist. Leider hat auch die Tochter der Zwillingsschwester der Nachbarin, Tabea, ein Anrecht darauf, Hexe zu werden, weil sie am gleichen Tag, wie Monia geboren wurde. Nun lassen die Statuten des Hexenzirkels aber immer nur eine Schülerin aus einem Familienclan zu. Deshalb musste die Großmutter kurz nach der Geburt der Mädchen in ihrem Wohnhaus einen Ring verstecken. Die beiden haben nun vor ihrem dreizehnten Geburtstag eine Woche Zeit, nach einem versteckten Hinweis, den Ring zu finden. Wer ihn zuerst vorweisen kann, wird Hexenschülerin. Nun will Monia aber gar keine Hexe werden und Tabea nur eine weiße Hexe und keine schwarze, wie ihre Mutter. Die will aber, dass Tabea eine schwarze Hexe wird, um später gemeinsam mit ihr Meister Sebastian zu entmachten. Das wollen aber Monia und ihre Mutter mit Hilfe von Tom verhindern.

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Der Ring

des

Columban

Inhalt

Monia

Kerry und Tabea

Der Ring

Meister Sebastian

Mama Ro

Marcias Grotte

Die geheime Wohnung

Der Diebstahl

Die Fälschung

Jalila

am Ziel

Der 13. Geburtstag

Das Fest

Für Eliza

1. Monia

„Mist, verschlafen!“ Tom sprang mit einem Satz aus dem Bett, griff sich ein frisches T- Shirt aus dem Regal, streifte seine Jeans über und schlüpfte barfuß in die Turnschuhe. Während er sich mit der einen Hand noch das Shirt über den Kopf zog, schnappte er sich mit der anderen seine Schulmappe. Krachend flog die Wohnungstür ins Schloss. Er stürmte mit riesigen Sätzen die Treppe hinunter. Dann war da plötzlich dieses rothaarige Mädchen, mit der großen Palme im Arm und dem erschrockenen Blick. Tom versuchte noch, ihr auszuweichen. Zu spät. Ein empörter Schrei, der Topf mit der Palme zerdepperte auf dem Fußboden und das Mädchen hielt sich ihren schmerzenden Arm. Tom murmelte ein flüchtiges „Tschuldigung, keine Zeit!“, und schon war er zur Haustür hinaus.

Die Uhr der Apotheke gegenüber zeigte gerade zehn Minuten vor acht. „Das wird knapp!“ Tom setzte sich in Trab. Zum Glück war die Fußgängerampel an der Kreuzung auf Grün.

Ausgerechnet heute musste er verschlafen. Sie schrieben in der ersten Stunde eine Mathearbeit. Er stand nicht besonders gut in diesem Fach und hatte deshalb bis in die Nacht hinein gepaukt. „Pauken bis in die letzte Minute und dann verschlafen. Na typisch Tom Wolters.“ würde seine Mutter jetzt sagen. Aber die schlief ja zum Glück noch. Sie ist Krankenschwester und hatte gestern Abend Spätschicht. Tom hoffte nur, dass sie nicht wach geworden ist, so, wie er mit der Tür geknallt hatte.

Das mit der Palme tat ihm leid. Jetzt wird das Mädchen wohl den Flur fegen müssen. Peinlich war ihm die ganze Sache schon. Ihm war nämlich auf einmal klar geworden, wer das Mädchen auf der Treppe gewesen ist. Das konnte nur die Tochter der neuen Nachbarin gewesen sein, die auf ihrer Etage eingezogen ist. Tom selbst hatte sie noch nicht gesehen, aber seine Mutter hatte schon von den beiden erzählt und dass die Frau in dem leerstehenden Geschäft unten im Haus einen Bio-Laden einrichten will. „Na, die werden ja gleich den richtigen Eindruck von mir bekommen haben!“ Er zuckte mit den Schultern. Was soll`s? Er musste sich sputen. Mathe war jetzt wichtiger

In der zweiten Stunde, der Unterricht hatte gerade begonnen, klopfte es an der Klassenzimmertür. Der Direx kam rein. Und Toms neue Nachbarin. „Kinder, ich möchte euch eure neue Mitschülerin vorstellen!

Das ist Monia Magus. Sie ist erst kürzlich von Paderborn nach Hamburg gezogen und wird hoffentlich bis zum Ende ihrer Schulzeit bei uns bleiben. Seid nett zu eurer neuen Klassenkameradin! Das mir keine Klagen kommen!“

Frau Rodenberg, die Klassenlehrerin, begrüßte Monia, nahm sie beim Arm und blickte sich suchend um. Tom ahnte Fürchterliches! Ausgerechnet neben ihm war noch ein Platz frei. Und genau diesen steuerte Frau Rodenberg jetzt an! „Am besten setzt du dich neben Tom. Der beißt nicht. Obwohl er im Augenblick so aussieht.“ Das ging wohl gegen ihn und seinem entsetzten Gesichtsausdruck. Monia lächelte ihn schüchtern an und nahm neben ihn Platz. Tom konnte sich gar nicht richtig auf den Unterricht konzentrieren. Irgendwie spürte er, wie das Mädchen ihn ständig aus den Augenwinkeln beobachtete. Sein schlechtes Gewissen meldete sich wieder. Soll er sich wegen der Palme in der großen Pause gleich bei ihr entschuldigen? Oder vielleicht noch warten, bis sie wieder zu Hause sind? Tom überlegte. Er beschloss, abzuwarten.

Nach Schulschluss beeilte er sich, als einer der ersten aus der Klasse zu kommen. Er wollte gleich zum Blumenladen an der Ecke, um einen kleinen Entschuldigungs- und Begrüßungsstrauß für Monia und ihrer Mutter zu kaufen. So quasi als Wiedergutmachung. Er hoffte nur, dass sie ihm im Treppenhaus nicht über den Weg laufen würde, wenn er grade mit den Blumen nach Hause kam.

Das wäre ihm doch zu peinlich gewesen.

Tom hatte vor dem Spiegel im Flur geübt, was er gleich sagen will. „Guten Abend, Frau Magus. Ich möchte mich bei ihnen und ihrer Tochter wegen des Missgeschicks mit der Palme heute Morgen entschuldigen.“ Soll er sich verbeugen? Soll er ihr die Hand geben? Wenn er diese unangenehme Sache wenigstens schon hinter sich hatte. Aber es musste ja sein. Tom holte noch einmal tief Luft, ergriff beherzt die Türklinke und wollte gerade die Wohnungstür öffnen, als er hörte, wie draußen im Treppenhaus leise eine Tür klappte. Neugierig spähte Tom durch den Türspion. Er sah gerade noch, wie Frau Magus leise auf Zehenspitzen über den Flur schlich. Tom war unentschlossen. Sollte er etwa jetzt gleich zu ihr hinausgehen und sich entschuldigen? Er zögerte, sah noch einmal durch das Guckloch und beobachtete, wie Frau Magus langsam die Treppe hinunter stieg.

Während er noch überlegte, was dieses seltsame Verhalten zu bedeuten hätte, öffnete sich die Tür gegenüber ein zweites Mal. Monia streckte ihren Lockenkopf hinaus und schaute sich vorsichtig nach allen Seiten um. Tom hielt den Atem an. Jetzt trat sie vollends auf den schummerigen Flur hinaus und zog langsam die Wohnungstür hinter sich ran. Fast lautlos schlich das Mädchen an das Treppengeländer und spähte in die Tiefe. Dann folgte sie ihrer Mutter die Treppe hinunter.

Behutsam trat sie auf. Leise, damit die alten Holzstufen nicht knarrten. Tom wurde neugierig.

Warum schlich Monia ihrer Mutter hinterher? Und warum verließ die Mutter so heimlich die Wohnung? Tom legte den Blumenstrauß zur Seite und öffnete ebenfalls leise die Wohnungstür. Er lauschte in das dämmerige Treppenhaus. Unten fiel leise eine Tür ins Schloss. Aber es war nicht die Haustür. Die rumste immer, wenn der Schließmechanismus sie zudrückte. Das konnte nur die Kellertür gewesen sein. Tom musste auch ab und zu mal hinunter in den ehemaligen Luftschutzkeller. Aber dann er ging ganz normal die Treppen hinunter und schlich nicht, wie Monia und ihre Mutter. „Seltsam“, dachte er, „warum soll keiner wissen, dass sie in den Keller gehen? Das ist doch kein Verbrechen.“ Ein zweites Klappen der Kellertür riss ihn aus seine Gedanken.

Das konnte nur Monia gewesen sein! Er griff sich die Taschenlampe vom Telefonschränkchen, zog die Wohnungstür zu und folgte ihnen. Tom stieg leise die zwei Etagen hinunter bis ins Erdgeschoss.

Er legte sein Ohr an die Kellertür und lauschte.

Nichts! Kein Geräusch! Er wartete noch einen Moment, drückte dann vorsichtig die Klinke herunter und zog die Tür einen kleinen Spalt auf. Die kalte, etwas modrige, Kellerluft strich ihm übers Gesicht.

Er mochte diesen Keller nicht. Der ist ihm schon immer etwas unheimlich gewesen. Das Haus war ein Altbau und im zweiten Weltkrieg dienten die Kellerräume als Luftschutzkeller. Seine Großmutter hatte ihm früher oft gruselige Geschichten aus dem Krieg erzählt und das sie an manchen Tagen zwei-, drei Mal in den Keller hinunter mussten, weil Fliegeralarm war. Die vergilbten Aufschriften an den Kellerwänden und die schweren Eisentüren mit den großen Riegeln zeugten noch immer von diesem unrühmlichen Teil der deutschen Geschichte. Die engen muffigen Kellergänge mit der schlechten Beleuchtung taten das Übrige dazu, dass es selbst Erwachsenen hier unten gruselt.

Tom lauschte noch einmal angestrengt in die Tiefe.

Kein Laut! Keine Schritte, kein Türen schlagen. Er griff seine Taschenlampe fester und stieg vorsichtig die steile Treppe hinunter. An der ersten Feuerschutztür blieb er noch einmal stehen und horchte in den Gang hinein. War da nicht ein leises Schlurfen? Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals. Er lugte um die Ecke, doch der Gang war leer. Eine einzige schwache Glühbirne tat ihr Möglichstes, um ihn zu beleuchten. Aber ganz hinten, am Ende, wo das Licht nicht mehr hin schien, da war es so fürchterlich duster! Tom lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Er nahm allen Mut zusammen und huschte schnell die letzten Meter bis zum Ende des Ganges. Von den Nischen rechts und links gingen die Türen zu den einzelnen Kellerverschlägen ab. Alle waren mit Vorhängeschlössern gesichert. Aber Monia und ihre Mutter konnten doch nicht spurlos vom Erdboden verschwunden sein. Oder war es gar nicht die Kellertür, die er gehört hatte? Sind sie vielleicht zu einem Nachbarn gegangen? Aber so viel er wusste, kannten sie noch niemanden hier im Haus. Und warum taten die beiden so geheimnisvoll?

Hier, in dem hintersten Teil des dunklen Kellers, war es besonders unheimlich. Tom schaltete die Taschenlampe ein und leuchtete die letzten beiden Türen ab. Und siehe da, nur vor einer hing ein Vorhängeschloss! Die andere war nur angelehnt.

Mit klopfendem Herzen drückte er die Tür auf. In dem Raum dahinter war es stockdunkel. Der Kegel seiner Taschenlampe huschte gespenstisch über Wände und Decke. Vor ihm lag ein großer Raum, von mehreren Bogenpfeilern gestützt, der eigentliche Luftschutzkeller. Bis hierher hatte sich Tom noch nie vorgewagt. Hier war es ihm dann doch zu unheimlich. Er tastete nach dem Lichtschalter. Klick! Nichts! Klick, klick. Der Raum blieb dunkel. Tom wagte sich nur langsam und vorsichtig in das Gewölbe vor. Er leuchtete gründlich die Wände ab. Irgendwo musste es doch noch einen Ausgang, eine Tür in einen Nebenraum oder wenigstens eine Nische geben. Monia und ihre Mutter konnten sich doch nicht in Luft aufgelöst haben. Aber der Raum war leer. Die Pfeiler warfen unheimliche Schatten im Schein der Taschenlampe.

Der Junge bemühte sich, leise aufzutreten.

Trotzdem schien es ihm, als wenn der Klang jeder seiner Schritte tausendfach von den Wänden wiederhallte. Tom schluckte. Seine Kehle war vor Aufregung wie ausgedörrt. Irgendwie hatte er das Gefühl, als wenn sich jeden Augenblick eine düstere Gestalt aus einem der diffusen Schatten lösen würde, sich auf ihn stürzt und ihn in unbekannte Welten verschleppt. Er sah sich schon als Sklave in der dritten Dimension gefangen, als Diener irgendeines grausamen Dämonen.

Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er rechts, hinter einem der Pfeiler, ein leises Scharren vernahm. Tom fuhr herum. Seine Nackenhaare sträubten sich, als er langsam in die Richtung ging, aus der das Geräusch kam. Im Schatten des Pfeilers verborgen entdeckte er eine Tür. Langsam wagte sich Tom weiter vor und leuchtete mit der Taschenlampe hinein. Vor ihm lag ein schier endlos langer Gang. Er schien sich irgendwo in der Unendlichkeit zu verlieren. Rechts und links von diesem Gang gingen eine Unmenge Türen ab. Und gleich für die erste stand halb offen. Tom öffnete sie ganz und übertrat zögernd die Schwelle. Mit einem Mal gab es einen mächtigen Blitz. Er wurde förmlich in die Tür hinein gesogen und es wirbelte ihn durch die Luft. Vor Schreck ließ er die Taschenlampe fallen. Ihm war, als würde er in einem Funkenregen durch Raum und Zeit katapultiert. Alles um ihn herum drehte sich und wirbelte durcheinander. So urplötzlich, wie er gekommen, war der Spuk auch schon vorbei. Tom saß auf seinem Hinterteil und sah sich erstaunt um.

In einem schummrigen Halbdunkel standen große, mächtige Regale mit uralten Büchern und Schriftrollen. Hier und da lagen auf staubigen Tischen im dämmrigen Licht vergilbte Landkarten und alte Pergamente. Gleich neben Tom stand ein riesiger Globus, auf dem waren Ländern eingezeichnet, von denen er noch nie etwas gehört hatte.

Dann hörte Tom die Stimmen. Er schlich vorsichtig in die Richtung, aus der sie kamen, immer darauf bedacht, nirgendwo anzustoßen. Hinter der letzten Regalreihe suchte er Deckung. Der Raum war sehr groß und schien rund zu sein. Tische waren in mehreren Ringen kreisförmig um seinen Mittelpunkt herum angeordnet. Durch eine gewölbte Glaskuppel fiel fahles Licht auf dieses Zentrum. Zwischen zwei mächtigen antiken Folianten hindurch sah er in der Mitte des Raumes Monias Mutter stehen. Sie redete heftig auf einen uralten Mann ein. Der Mann hatte einen langen Bart und trug einen seltsamen weiten Umhang. Er hantierte, gänzlich unbeeindruckt von den erregten Worten der Frau, mit einigen Reagenzgläsern an einem riesigen Tisch, der auf einem gemauerten Sockel stand. Der war mit allerlei seltsamen Apparaturen und Gläsern vollgestellt. Farbige Flüssigkeiten glucksten, qualmten und blubberten in den verschiedensten Glaskolben, Röhren und Retorten vor sich hin. „Eine richtige Alchimistenküche“ dachte Tom.

„Donnerwetter! Das glaubt mir keiner, wenn ich das Dienstag in der Klasse erzähle!" Doch die Stimme von Monias Mutter riss ihn wieder aus seine Gedanken. „Muss denn das wirklich sein, Meister Sebastian? Du weißt doch, das ich mit meiner Zwillingsschwester nicht gut auskomme!“ Sie rang förmlich die Hände. „Warum musst du sie denn ausgerechnet bei mir einquartieren?“ Der als Meister angeredete drehte sich flüchtig zu ihr um.

„Ach Aurelia! Warum fragst du denn überhaupt noch? Du kennst doch die Regeln des Zauberkreises! Du musst deine Tochter Monia an ihrem dreizehnten Geburtstag zur Nachfolgerin bestellen. Unglücklicherweise ist deine Nichte Tabea am gleichen Tag geboren, wie Monia. Sind aber zwei Mädchen von der gleichen Familie, aber aus verschiedenen Linien, am gleichen Tag geboren, kann nur eine dem Hexenzirkel beitreten.

So hat es der erhabene Columban, der Gründer und Mentor unseres Zirkels, seinerzeit verfügt.

Deine Zwillingsschwester Kerry hat doch die gleichen Rechte, wie du! Auch ihre Tochter muss die Chance bekommen, zur Hexe geweiht zu werden! Deshalb musste eure Mutter den Novizinnenring des Columban, den jede Hexenschülerin bei der Vereidigung tragen muss, laut Hexenratsbeschluss am dreizehnten Tag nach der Geburt eurer beiden Mädchen neutral in diesem Haus, ihrem Eigentum, verstecken. Und zwar so, dass jeder von euch die gleichen Chancen hat, den Ring zu finden. Wer von euch beiden ihn mir als erstes vorweisen kann, dessen Tochter wird als Hexenlehrling in den magischen Zirkel aufgenommen. Und deshalb wird deine Schwester morgen bei dir einziehen. Basta!“ Monias Mutter senkte missmutig den Kopf. Der alte Mann legte ihr versöhnlich seine Hand auf den Arm. „Sie mal, Aurelia! Deine Schwester kommt direkt aus Verbannung von der Insel Isla Margerita hier her.

Ich finde es ja auch nicht gut, dass die Verbannung für eine Woche ausgesetzt wurde, schließlich hatte sie versucht, mich mit unlauteren Mitteln abzusetzen. Dafür verbringt sie nun eine angemessene Zeit dort, wo sie über ihre Schandtaten nachdenken kann. Aber die Regeln besagen nun mal auch, dass in so einem Fall, wie eurem, die Suche nach dem Ring Vorrang hat. Und das Chancengleichheit herrschen muss. Das trifft auch auf die Räumlichkeiten zu. Der Ring ist hier im Haus versteckt und deshalb wohnt Kerry auch ab morgen bei dir. Oder soll ich sie etwa auf dem Dachboden einquartieren?“ Monias Mutter huschte ein Lächeln über das Gesicht. Doch bevor sie antworten konnte, hob Meister Sebastian gebieterisch die Hand. „Spar dir deine Antwort! Ich kann mir schon denken, wie sie ausfällt. Sieh mal, mir wäre eine weiße Hexe im Zirkel ja auch viel lieber. Ihr Wissen über die Heilkraft der Kräuter und der Natur muss weiter gegeben werden. Aber es war damals Kerries Entschluss, sich der schwarzen Magie zu verschreiben, und das müssen wir respektieren! Auch sie ist eine Hexe nach den Regeln unseres Ordens. So! Und jetzt überreiche ich dir einen versiegelten Umschlag. Darin findet ihr einen verschlüsselten Hinweis, wo der Ring versteckt sein könnte. Du wirst ihn morgen Punkt zwölf Uhr Mittag im Beisein deiner Schwester öffnen. Von diesem Zeitpunkt an habt ihr genau eine Woche Zeit, diesen Ring zu finden. Gelingt es euch nicht, erlischt mit euch der letzte Zweig eurer Hexensippe!“ Meister Sebastian zog aus dem weiten Ärmel seines Gewandes einen braunen Umschlag und überreichte ihn Monias Mutter.

In diesem Moment bekam Tom einen schmerzhaften Stoß in die Rippen und jemand flüsterte wütend: „Was machst du denn hier, du Blödmann?“ Monias grüne Augen funkelten ihn zornig in der Dunkelheit an. „Was fällt dir ein, mir hinterher zu spionieren? Bist du noch bei Trost?“ Tom musste ein Stöhnen unterdrücken. Ihr Schlag war nicht von schlechten Eltern. „Wir müssen machen, dass wir fort kommen!“ Monia wies mit dem Kopf Richtung Tür. „Wir müssen vor ihr draußen sein“, zischte sie. „sonst gibt`s mächtig Ärger!“ Sie packte ihn beim Arm und zog ihn mit sich fort. Kurz vor der Tür stolperte Tom und konnte gerade noch verhindern, dass er ein Packen Hefte zum Umkippen brachte. Geistesgegenwärtig griff er nach ihnen und bekam den Stapel auch zu fassen.

Er wollte nur noch schnell das letzte Heft zurücklegen, da zog Monia ihn schon weiter. So stopfte Tom sich das Büchlein kurzentschlossen in den Hosenbund, und ab durch die Tür! Wieder der Funkenregen und durch die Luft gewirbelt werden und sie standen wieder in dem Gang mit den vielen Türen. Tom packte seine Taschenlampe, die noch immer brennend auf dem Boden lag, und sie hasteten den Kellergang entlang, die Treppe hoch bis in den Hausflur. Gerade, als sie sich verpusten wollten, sah Tom durch die Milchglasscheibe der Eingangstür den Lichtschein der Fahrradlampe seiner Mutter, die vom Dienst nach Hause kam.

Erschrocken löschte er seine Lampe. Schon hörten sie das Klirren ihres Schlüsselbundes. Jetzt war er es, der Monia mit sich zog. Schnell die Treppe hinauf, im Laufen seinen Wohnungstürschlüssel aus der Tasche gefummelt, aufschließen, rein in die Wohnung. Monia hatte es da wesentlich leichter.

Ihre Tür war ja nur angelehnt. Sie zischte ihm noch ein wütendes „Wir sprechen uns noch!“ zu und verschwand hinter ihrer Wohnungstür.

Tom sprintete in sein Zimmer, streifte sich im Laufen das T- Shirt über den Kopf und entledigte sich im Hechtsprung auf sein Bett noch schnell seiner Schuhe. Als er sich die Hose abstreifte, hörte er schon, wie sich der Wohnungsschlüssel seiner Mutter im Schloss drehte. Schnell unter die Decke! Geschafft! Mit dem Rücken zur Tür liegend hörte Tom, wie sich langsam die Klinke senkte und seine Mutter leise die Tür öffnete. Obwohl er so abgehetzt war, versuchte er, so ruhig, wie möglich zu atmen.

Dann hörte er noch, wie sie etwas von einem „möblierten Bombenkrater“ murmelte, bevor sich die Tür wieder schloss. Tom entnahm dieser Äußerung, dass es wohl mal wieder Zeit wäre, sein Zimmer aufzuräumen.

Jetzt, wo sein Atem ruhiger ging, gelang es ihm, endlich wieder klare Gedanken zu fassen. Was war geschehen? Hatte er das alles nur geträumt? Es gibt doch keine Hexen! Oder? Oder doch? Hier im Haus? Seine Gedanken kreisten um das eben Erlebte. Verwirrt und müde schlief er endlich ein. In der Nacht träumte ihm, er flöge mit Monia auf einem Besen um den Blocksberg herum.

2. Tabea und Kerry

Im Halbschlaf hörte Tom, wie es an der Wohnungstür klingelte. Dann ein leises Stimmengemurmel und plötzlich wurde seine Zimmertür aufgestoßen. Breitbeinig, die Arme in die Seiten gestemmt, stand Monia da, wie ein Racheengel. „Steh auf, du Langschläfer! Wir haben etwas zu besprechen! Sofort!“ Ihre Stimme klang energisch und gereizt. Tom war die Situation etwas peinlich. Er zog sich die Bettdecke bis unter das Kinn und starrte Monia an. Die griff sich seine Jeans von der Stuhllehne und schleuderte sie ihm ins Gesicht. Tom starrte sie immer noch an. Monia merkte wohl, dass er sich etwas genierte und drehte sich demonstrativ zum Fenster um. „Nun mach schon, wir haben nicht ewig Zeit!“ Ihrer Stimme klang schon etwas versöhnlicher. Tom schlüpfte schnell in seine Jeans, fischte sich ein frisches T-Shirt aus dem Regal und angelte mit dem Fuß nach seinen Turnschuhen unter dem Bett. Das „Ritsch“ des Reißverschlusses und Toms Spiegelbild im Fenster verrieten Monia, dass er jetzt wohl halbwegs salonfähig war. Sie drehte sich um und warf ihm seine Jacke zu. „Nun mach schon!“ Sie schubste ihn nicht gerade sanft durch die Zimmertür. Im Flur roch es nach frisch gebrühten Kaffee und Kakao. Toms Mutter rumorte in der Küche. Monia dachte nicht im Entferntesten daran, ihm eine Chance zum Frühstücken zu lassen. Tom konnte gerade noch im Vorbeihuschen ein knuspriges Croissant vom Teller haschen, der auf der Anrichte im Flur stand, und schon waren sie an der Wohnungstür. „Bin bald wieder da aa!“ rief er seiner Mutter zu. Beim Zuschlagen der Tür hörte er nur noch ein „Aber Junge!“ Den Rest des Satzes verschluckte die massive Wohnungstür.

Vor der Haustür zog Monia ihn gleich nach links um die Ecke hinter den kleinen Laden. Da standen sie sich nun Aug in Aug gegenüber. Monia starrte Tom mit wütendem Blick an. Dann senkte sie die Augen, ihre Schultern sackten zusammen und sie war plötzlich nur noch ein kleines Häufchen Elend. „Was hast du letzte Nacht gesehen?“ flüsterte sie leise.

Sie schaute Tom mit gesenktem Kopf von unten herauf an. „Alles?“ Er nickte stumm. Verlegen drehte er sich um und setze sich auf einem Stapel alter Obstkisten. Monia setzte sich neben ihn.

„Meine Mutter ist eine Hexe!“ flüsterte sie. „Eine Hexe!“ Sie sah Tom mit unendlich traurigen Augen an und schluchzte mit erstickender Stimme: „Und ich soll auch eine werden!“ Dann brachen die Tränen aus ihr heraus. Tom suchte in seiner Jeans und hielt Monia dann ein noch halbwegs sauberes Taschentuch hin. Dankbar lächelte sie ihn an und trocknete sich die Tränen. Sie schielte verlegen zu Tom herüber. Der starrte nur verbissen auf das Croissant in seinen Händen, dass er langsam, aber sicher mit Daumen und Zeigefinger in seine Bestandteile zerpflückte. Er fühlte sich nicht besonders wohl neben einem weinenden Mädchen.

„Hat sie dir nie etwas davon erzählt? Ich meine, da muss es doch Anzeichen dafür gegeben haben, dass sie eine Hexe ist.“ Monia lachte verbittert auf!

„So etwas, wie zum ersten Mai nackt auf einem Besen zum Blocksberg reiten? Meine Mutter ist eine weiße Hexe! Die fliegt nicht zum Blocksberg!“ Tom schwieg nachdenklich. „Freilich hat sie mir viele Heilkräuter erklärt und wir sind oft durch die Senne gestrolcht und haben Beeren und Pilze gesammelt.

Aber das habe ich nicht im Geringsten mit Hexenkunst in Verbindung gebracht. Für mich hatte eine Hexe auch immer einen Buckel und eine Warze auf der Nase und hat kleine Kinder gefressen. Bis gestern Abend jedenfalls.“ „Kennst du denn deine Tante Kerry und deine Cousine, wie heißt sie noch gleich?“ Monia schüttelte den Kopf.

„Ich habe eine Tante Sarah und ihre Tochter heißt Tabea. Die leben aber auf der Isla Margerita in der Karibik. Von einer Tante Kerry habe ich noch nie gehört. Aber dieser alte Meister Sebastian hat meine Mutter ja auch Aurelia genannt. Sie heißt aber Ruth! Ich vermute mal, Aurelia muss wohl ihr Hexenname sein und vielleicht ist Kerry der Hexenname von meiner Tante Sarah?“ Das leuchtete ihm ein. Monia sah ihn verzweifelt in die Augen. „Tom? Ich will keine Hexe werden! Keine weiße, keine schwarze und auch keine grünkarierte mit rosa Pünktchen! Ich will einfach nicht!“ Tom musste innerlich schmunzeln. Eine karierte Hexe mit rosa Pünktchen! Er stellte sich die Dame bildlich vor. Aber dann riss er sich zusammen. „Wir müssen es ihnen sagen! Wir müssen ihnen sagen, dass wir Bescheid wissen!“ Monia riss entsetzt die Augen auf! „Wie? Wann? Ich meine, warum?“ Tom seufzte.

„Wir müssen ihnen sagen, dass du keine Hexe werden willst! Sie können dich doch nicht einfach zwingen!“ Er zögerte. „Oder doch?“ Monia zuckte mit den Schultern. „Ich weiß doch genau so viel, wie du. Schließlich habe ich ja auch erst gestern Abend von meinem Schicksal erfahren. Sag mal, wie bist du eigentlich in die Bibliothek gekommen? Da kommt man doch nicht einfach mal so zufällig vorbei!“ Tom berichtete kurz und sachlich, wie er zufällig beobachtet hatte, wie ihre Mutter in den Keller schlich und sie ihr kurz darauf hin gefolgt ist.

Da ist er eben neugierig geworden und ihnen nachgegangen. Hätte er geahnt, dass er eine Achterbahnfahrt durch Zeit und Raum machen würde, nicht für alles Geld der Welt hätte er sich da hinein getraut. „Aber Moment mal!“, fiel ihm plötzlich auf. „Warum bist du denn eigentlich deiner Mutter gefolgt?“ „Na ja,“ meinte Monia, „seit dem wir hier vorgestern eingezogen sind, verhielt sich meine Mutter immer so merkwürdig. Als wenn sie etwas suchen würde. Und dann habe ich gemerkt, dass sie sich ab und zu davonschlich. Sie ist aber nicht in den neuen Laden gegangen. Das hätte ich gehört.

Dazu hätte sie das Haus verlassen müssen und du weißt ja, wie die Haustür immer rumst, wenn sie ins Schloss fällt. Darum bin ich ihr dann gefolgt. Bis in den Keller hinunter. Sie konnte nur dort gewesen sein. Die Haustür habe ich nicht gehört und auf der Kellertreppe brannte ja auch Licht. Aber sie war wie vom Erdboden verschluckt. Ich bin bis hinten in den großen Raum gegangen und konnte gerade noch sehen, wie sie mit der Hand über die Wand fuhr.

Plötzlich ist da eine Tür aufgesprungen, die war vorher aber nicht da! Und als sie hinter der Tür verschwand, bin ich ihr nachgegangen. Weil die erste Tür in dem Gang dahinter nur angelehnt war, bin ich da auch rein. Tja, und plötzlich war der Boden weg und ich wurde durch diesen Feuerzauber gewirbelt, dass mir Hören und Sehen verging! Und dann stand ich plötzlich in der Bibliothek. Als ich vorsichtig weiter ging, habe ich die Stimme meiner Mutter gehört. Ich habe mich hinter einem Regal versteckt und so mitbekommen, dass ich zur Hexe auserkoren bin. Dann habe ich dich irgendwann entdeckt und den Rest weißt du!“ Tom schwieg nachdenklich. „Wann kommt denn eigentlich deine Tante?“ „Keine Ahnung. Aber sie muss ja vorm Mittag hier sein. Meine Mutter soll ja schließlich diesen ominösen Umschlag Punkt zwölf