Das Geheimnis der Hüter 2 - Soy Valente - E-Book

Das Geheimnis der Hüter 2 E-Book

Soy Valente

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Beschreibung

Viona wird immer mehr in einen Krieg hineingezogen, den sie nie führen wollte. Zudem muss sie herausfinden, wie viel Wahrheit in einer alten Prophezeiung steckt. Was, wenn die Saga über das Leben und den Tod stimmt? Wird es Viona schaffen, eine Möglichkeit zu finden, das Unvermeidbare aufzuhalten? Eine Geschichte voller alter Bekannten bahnt sich an, die ihr nach wie vor an den Kragen wollen. Und auch neue Feinde zeigen sich, die der jungen Wind-Erbin brenzlige Situationen bescheren. Wird Viona das Ultimatum des Rats einhalten können und die vier Elemente finden, ehe ihr die Zeit davonläuft?

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Seitenzahl: 329

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Prolog Alex
Kapitel 1 Viona
Kapitel 2 Viona
Kapitel 3 Viona
Kapitel 4 Viona
Kapitel 5 Jayden
Kapitel 6 Jayden
Kapitel 7 Alex
Kapitel 8 Alex
Kapitel 9 Jayden
Kapitel 10 Viona
Kapitel 11 Viona
Kapitel 12 Jayden
Kapitel 13 Viona
Kapitel 14 Viona
Kapitel 15 Viona
Kapitel 16 Viona
Kapitel 17 Jayden
Kapitel 18 Jayden
Kapitel 19 Jayden
Kapitel 20 Alex
Kapitel 21 Alex
Kapitel 22 Viona
Kapitel 23 Viona
Kapitel 24 Viona
Kapitel 25 Viona
Kapitel 26 Jayden
Kapitel 27 Jayden
Kapitel 28 Alex
Kapitel 29 Alex
Kapitel 30 Viona
Kapitel 31 Viona
Kapitel 32 Viona
Kapitel 33 Viona
Kapitel 34 Viona
Kapitel 35 Jayden
Kapitel 36 Jayden
Kapitel 37 Viona
Kapitel 38 Viona
Kapitel 39 Jayden
Kapitel 40 Jayden
Kapitel 41 Viona
Kapitel 42 Viona
Nachwort & Danksagung

Das Geheimnis der Hüter 2

Entfesselte Macht

Ein Roman von
Soy Valente
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Geheimnis der Hüter 2 – Entfesselte Macht
Soy Valente
Erstausgabe
Januar 2023
© 2023 DerFuchs-Verlag D-74889 [email protected] DerFuchs-Verlag.de
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk, einschließlich aller Teile, ist urheberrechtlich geschützt.
Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, Verbreitung, Übersetzung und Verfilmung liegen beim Verlag. Eine Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ohne Genehmigung des Verlags ist strafbar.
ISBN 978-3-96713-037-9 (Taschenbuch)
ISBN 978-3-96713-038-6 (ePub)

Für Johanna! Weil du die stärkste Kämpferin bist, die ich kenne. Dieses Buch ist all jenen gewidmet, die Kampfgeist besitzen.

Prolog Alex

Mein Tag begann damit, dass ich die Post in unwichtig und wichtig sortierte. Jeden Tag gab es eine Menge an Briefen auf meinem Schreibtisch. Am Anfang hatte ich mir die Zeit genommen und jeden Einzelnen geöffnet, mittlerweile tat ich dies nicht mehr.

Gerade als ich einen für mich unwichtigen Brief beiseitelegen wollte, flatterte eine Taube durch mein geöffnetes Fenster und setzte sich genau vor mich. Nerviges Vieh! Ich wollte sie irgendwie verscheuchen, aber die Taube ließ sich einfach nicht aus der Ruhe bringen.

»Such dir jemand anderen, der dich füttert!«, knurrte ich und wollte einen Ball aus Papier nach dem Vogel werfen, als dieser plötzlich angriff und nach mir hackte. Ich wusste selbst, wie kindisch es wirken musste, aber ich hatte nun einmal keine Zeit dafür, mich gegen dieses Ding zu verteidigen.

Ich seufzte und starrte die Taube finster an, nachdem sie endlich von mir abgelassen hatte. Vielleicht würde sie doch gleich davonfliegen. Da fiel mir eine Rolle Papier an seinem linken Bein auf.

»Wer schickt denn bitte noch Tauben? Und dann auch noch eine so nervige ...«, brummte ich und löste den Zettel, woraufhin sie auf und davon flog.

Ich ärgerte mich zwar immer noch darüber, aber öffnete die kleine Pergamentrolle und begann zu lesen, schließlich musste es ja verdammt wichtig sein.

Einladung zur Ratssitzung! Hiermit laden die Ältesten zur Sitzung. Anwesenheit aller Familien dringend erforderlich! Bei Abwesenheit gibt es einen Ausschluss der nächsten Sitzungen! Treffpunkt: Am Ratsstein Uhrzeit: 13 Uhr Wann: Heute

Hastig sah ich auf die Uhr. Mir blieben noch genau 30 Minuten. Diese verdammten Idioten!

Schnell schnappte ich meine Marke, denn ohne die würde ich nicht hinein gelangen und eilte zum geheimen Durchgang. Mein Herz raste. Ich wollte wirklich wissen, was so wichtig war, und hoffte auch, dass ich es ohne Zwischenfälle dorthin schaffen würde. Immerhin war ich noch kein offizielles Mitglied.

Zu meinem Glück konnte ich den Eingang mit meiner Marke öffnen und stand nun am Ratsstein. Er wurde so genannt, weil es ein riesiger Steintisch war, um dem sich die Ratsmitglieder versammelten, meist, um wichtige Ereignisse zu besprechen oder eben neue Gesetze zu erlassen. Gespannt schaute ich mich um und erblickte als erstes Nancy Valente, die Vertreterin des Windreichs, dann sah ich Samuel Runie. Er vertrat wohl seine Eltern für das Reich der Erde. Und zuletzt die Eltern der Fleur-Zwillinge aus dem Reich des Wassers. Sie schienen noch nicht entschieden zu haben, welcher ihrer Söhne nachfolgen sollte. Ich holte tief Luft und schritt an meinen Platz. Es fühlte sich befremdlich an, so endgültig.

»Wie ich sehe, sind wir vollzählig. Zuerst möchte ich unsere jüngsten Mitglieder Willkommen heißen. Ich bedauere es sehr, Sie auf diese Weise hier antreffen zu müssen.« Einer der Ältesten hatte zu sprechen begonnen. Ich hatte ihn noch nie gesehen und konnte ihn somit nicht recht zuordnen.

»Was kann so wichtig sein, diesen Aufwand zu betreiben?« Nancy kam gleich zur Sache. Hätte ich nicht gewusst, dass sie mit dem kleinen Halbblut in keinerlei Verbindung stand, würde sie mich doch stark an sie erinnern. Ungeduldig waren sie beide ganz eindeutig.

»Mrs. Valente, ich muss doch sehr bitten!« Der Älteste schüttelte nur den Kopf und sortierte für einen Moment seine Papiere. Es war anstrengend nicht die Geduld zu verlieren, denn dieser Kerl war nervtötend langsam.

»Der Grund, warum ich Sie hergerufen habe, sind die besorgniserregenden Daten, die bekannt sein dürften. Die Welt ist im Umbruch und es ist kein Guter. Datensammler berichten, die Gewaltbereitschaft steigt ungewöhnlich an, auch tauchen mehr und mehr todbringende Dämonen in unseren Gebieten auf. Bis jetzt ist uns keine Lösung dafür eingefallen, aber wir vermuten, dass es mit diesem Halbwesen zu tun hat.« Derart langsam, wie er seine Papiere sortierte, so sprach er auch.

Eines jedoch rastete in meinem Kopf ein. Welches Halbwesen? Und warum sollte dieses Wesen daran schuld haben?

»Geht das schon wieder los? Ich habe gesagt, die Valentes werden sich um diese Missgeburt kümmern. Wenn es also nur das ist, was es zu sagen gibt, hätte man es auch im Brief schreiben können!«, fauchte Nancy. Ich musste mich zusammenreißen, nicht zu lachen. Offenbar war tatsächlich nicht nur Viona aufbrausend.

»Nein, wir brauchen sie, denn es scheint, als könnte nur dieses Halbblut die Artefakte benutzen. Sie muss alle finden und sie aktivieren. Das ist nötig, um die Gewalt aufzuhalten.« Der Älteste hielt inne und sah zu Sam. Er war erstarrt.

»Sie muss die Artefaktmagie für uns einsetzen. Ich zähle dabei besonders auf die Unterstützung des Erdreichs, Samuel Runie.«

Abermals kämpfte ich mit mir. Sam würde Viona doch nicht ins Messer laufen lassen.

»Wir werden unser Bestes geben, dem Rat treu zu dienen.«

Auf gewisse Weise war ich fassungslos. Dieser miese Penner! Diese Loyalität würde noch seinen Tod bedeuten!

»Des Weiteren müssen wir dafür sorgen, dass sie von der Bildfläche verschwindet, sobald sie ihre Aufgabe erledigt hat. Da kommt Ihr ins Spiel, Mrs. Valente. Auf diese Art können Sie zeigen, wie loyal Sie wirklich sind.«

Wollte der Rat Viona wirklich umbringen? Ich wusste nicht genau, was ich davon hielt. Natürlich war ich kein Fan vom Halbblut, aber ich fand, wenn man sie kontrollierte, würde sie sehr nützlich für uns alle sein.

»Nun zu Ihnen, Mr. Jonsen. Für Sie habe ich eine besondere Aufgabe. Die Datensammler sprachen von einer Prophezeiung. Ihr Land ist am besten vernetzt und somit sollte es für Sie doch kein Problem sein, herauszufinden, ob es diese Prophezeiung wirklich gibt und wie viel Wahrheit darin steckt.«

Ich konnte nur nicken, denn alles andere würde seltsam wirken, schließlich wollte ich meinem Vater und meinem Land keine Schande bereiten.

»Mr und Mrs Fleur, ich würde Sie bitten, den Valentes und Jonsens ein wenig unter die Arme zu greifen. Wir wissen doch alle, dass Sie in der Vergangenheit geneigt waren, dem Halbblut zu helfen.«

Auch das Wasserreich stimmte zu. Es kam mir vor wie eine Hetzjagd. Viona tat mir leid, dennoch war es nun einmal so, dass sie gar nicht erst hätte geboren werden sollen. Diese Schuld hatten andere auf Vios Schultern geladen. Und nun sollte sie unser aller Schicksal bestimmen, weil sie allein die Artefakte finden konnte?

Das war grotesk!

»Dann ist es beschlossen. Das Halbblut wird in Kürze von uns unterrichtet«, wollte der Älteste die Versammlung auflösen, doch Nancy Valente fiel ihm ins Wort.

»Das werden wir erledigen, schließlich ist sie vom Blut meines Mannes.« Sie biss während dieser Äußerung die Zähne fest aufeinander, dass ich mir sicher war, es müsste schmerzhaft sein.

»Wie Sie wünschen.«

Somit war es beschlossen.

Kapitel 1 Viona

Sechs Monate war der letzte Hinterhalt von Ric her. Seitdem hatten wir keine ruhige Minute mehr gehabt, denn je öfter wir ausrückten, um Dämonen zu vernichten, desto stärker kamen sie zurück. Man merkte den Nationen an, dass sie fast vollkommen ausgebrannt waren. Selbst den Eliteeinheiten hingen die schweren Stunden nach und tief in meinem Herzen wusste ich, dass sie mir die Schuld daran gaben. Sie waren mittlerweile allerdings geübter darin, sie mir nicht mehr offen zu zeigen; ihre Verachtung jedoch war größer als jemals zuvor, da war ich mir sicher. Ich wollte daran glauben, einen Platz für mich unter ihnen zu haben, aber ihre Blicke ließen mich ständig zweifeln. Es war so viel stumme Wut darin.

Der Rat hatte mir ein kleines Anwesen am Rande der Wälder besorgt, damit ich stets auf Abruf sein konnte, aber eigentlich war es, dass ich niemanden in Gefahr brachte. Das Haus war sogar nach meinen Wünschen eingerichtet worden. Ich hatte Melissa jedoch einen Großteil abgetreten und behielt den oberen Teil für mich. Es waren nicht viele Zimmer, doch genügten, mir ein eigenes Musikzimmer einzurichten. Als Kind hatte ich immer schon davon geträumt. Musik war für mich ein ständiger Begleiter. Je älter ich geworden war, desto schneller begriff ich, dass alles um mich herum eine bestimmte Melodie hatte.

Das Klingeln an der Tür holte mich aus meinen Träumereien. Obwohl ich keinen Besuch erwartete, streckte ich die magischen Fühler aus. Jills typischer Wassergeruch stieg mir in die Nase, was mich sogleich entspannte. Also war es Besuch für meine Schwester. Erneut versank ich in Gedanken, während ich an meinem Kunstprojekt arbeitete.

»Versuch, dich wenigstens einmal wie ein normaler Mann zu verhalten!«, unterbrach Melissas tadelnde Stimme die friedliche Stille und sogleich war das letzte Bisschen Konzentration abermals dahin.

»Ich habe doch nichts Falsches getan! Ich wollte lediglich sehen, wieso Viona nicht neugierig am Eingang steht. Ist sie krank?« Erschrocken zuckte ich zusammen, denn ich bemerkte Jill erst, nachdem er beinahe mitten im Raum stand. Er beäugte mich forschend.

»Schlechtes Gewissen, Halbblut?«, hakte er nach und kam weitere Schritte auf mich zu.

»Sollte ich eines haben?«, war alles, was ich verwundert über meine Lippen brachte, und wandte mich ihm nun direkt zu.

Anders als die meiste Zeit wirkte er freundlich. Mit einem Hauch Neugier ließ er seinen Blick durch den Raum wandern, bis er wieder auf mir ruhte.

»Scheinst nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen zu sein.«

So viel zu freundlich ... Ich mochte seine überhebliche Art nicht, doch gerade, als ich seiner Äußerung etwas entgegensetzen wollte, klingelte es erneut. Dieses Mal wandte ich mich seufzend ab und stapfte zur Tür. Heute waren wohl Gutscheine verlost worden, für die schnellste Runde, das Halbblut zu nerven, denn vor der Tür standen bereits die nächsten Hüter.

»Schau an, dann ist die lustige Truppe ja komplett«, murrte ich sarkastisch und ließ, Alex, Jay, Flynn und Sam herein.

Der Sohn des Erdgottes war mir weiterhin am liebsten von allen. Auch wenn wir uns noch aussprechen mussten, war er wenigstens keiner, der seine Launen an mir ausließ.

»Das Dummchen hat also wirklich vergessen, was heute für ein Tag ist.«

Dieser Unterton gefiel mir ganz und gar nicht und noch weniger, dass es Alex mit einem seltsamen Grinsen sagte. Plötzlich fiel es mir ein, denn ein Geruch stieg mir in die Nase, der nur zu dieser Jahreszeit existierte: gebrannte Mandeln.

Es war Heiligabend.

Jetzt nahm ich auch erst bewusst die Lichter im Haus wahr und die kleine Tanne im Eingangsbereich, die geschmückt worden war.

»Melissa, ich hab doch gesagt, dass ich keinen Tannenbaum will. Und überhaupt: Findest du das Ganze nicht vollkommen übertrieben?«

Wieso ich ausgerechnet jetzt anfing zu meckern, war mir zwar ein Rätsel, aber es lenkte davon ab, dass ich mich wirklich dumm fühlte.

»Du willst nie irgendwas, also halt die Klappe, Grinch!«, trällerte mir Melissa fröhlich entgegen und verschwand dann erneut summend in der Küche.

Sie lag falsch, wenn sie sagte, ich würde nie etwas wollen. Eine Sache gab es, die ich unbedingt haben wollte und das waren die frischen warmen Plätzchen, die meine Schwester sicher schon am Morgen gebacken hatte. Immerhin war das eine Tradition.

Mit einem kindlichen breiten Grinsen ließ ich die Anwesenden stehen und marschierte in die Küche. Vorsichtig schlich ich hinter meine Schwester und stibitze ihr ein paar Kekse vom Blech. Dass sie heiß waren und ich mir die Finger dabei verbrannte, sollte wohl die Strafe dafür sein, allerdings war mir das vollkommen egal. Diese Leckerei würde jetzt in meinem Bauch verschwinden, ganz gleich, wie kalt oder heiß die Plätzchen waren.

»Hey! Die sind nicht nur für dich, also reiß dich am Riemen!«, ermahnte mich Mel mit einem Schmunzeln.

»Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst«, begann ich mich zu verteidigen und holte mir rasch ein großes Glas Orangensaft. »Feiern wir dieses Jahr wieder auf der Ranch deines Dads?«

Das einzig coole daran, dass Mel und ich unterschiedliche Väter hatten, war genau genommen, dass Mels Vater im Outback lebte und es eine sehr, sehr lange Zeit brauchte, um gefunden zu werden.

»Dad hätte nichts dagegen. Du weißt ja, dass er dich ebenso wie eine Tochter liebt. Aber er meinte, wir könnten das spontan entscheiden.«

Es war schön, meine Schwester so ausgeglichen zu sehen. Es lag sicherlich auch daran, dass sie in letzter Zeit viel mit Jill zusammen war und er sich erstaunlicherweise viel umgänglicher seitdem zeigte. Vielleicht taten sie sich gegenseitig gut.

»Ich muss dir aber noch etwas sagen«, druckste sie auf einmal herum und sah vom Plätzchenteig zu mir auf.

»Bist du in jemanden verliebt?« Eigentlich wollte ich sie necken, aber meine Frage traf wohl direkt ins Schwarze. Sie lief rot an und kaute auf ihrer Unterlippe. »Nicht dein Ernst! Aber doch nicht etwa ...«

Mel stopfte mir ein dickes Stück Teig in den Mund und sah mich eindringlich an. Ich verschluckte mich und brauchte erst einmal ein wenig Zeit, um ohne Husten Luft zu bekommen.

»Oh, das ist wirklich niedlich! Und irgendwie gruselig.« Ich freute mich für Mel, aber ihre Reaktion zeigte mir auch, dass Jill nichts von seinem Glück wusste.

»Scht! Sei doch nicht so laut. Bring das lieber unseren Gästen. Und wehe dir, du isst sie allein!«, forderte meine Schwester und drückte mir einen voll bepackten Plätzchenteller in die Hand.

Das war Folter! Mit vor Speichel triefendem Mund lief ich in den Wohnbereich zurück, wo sich die anderen angeregt unterhielten, sodass ich in Versuchung kam, mich mit den Plätzchen aus dem Staub zu machen.

»Viona, denk nicht einmal daran!«, schallte die mahnende Stimme meiner Schwester aus der Küche und schon war die Aufmerksamkeit der anderen auf mich gerichtet.

Seufzend stellte ich den Teller ab und schob mir gleich zwei Plätzchen gleichzeitig in den Mund.

»Nichts fallen lassen, sonst weint das Krümelmonster.« Sam hatte sich zu mir gesellt und machte sich ebenfalls über die Kekse her.

»Es wäre sowieso sehr traurig, weil wir seine Freunde aufessen.«

Ich konnte sehen, wie ihm ein kleines Lächeln über die Miene huschte. Ich liebte es und stellte fest, dass ich Sam vermisst hatte. Immerhin war er sowas wie meine erste Liebe gewesen. Es hatte leider so kommen müssen, dennoch fühlte ich mich schlecht. Die Trennung war hart gewesen.

»Egal, wie gut du deine Gedanken auch verbergen willst, ich spüre trotzdem die Veränderung deiner Emotionen. Tu mir einen Gefallen und denk nicht so viel nach. Es ist vergangen und ganz gleich, was auch passiert, ich gehe den Weg mit dir gemeinsam. Wir funktionieren als Paar vielleicht nicht, aber als Partner waren wir immer klasse.« Sam fand stets die Worte, die mich aufbauten, und schenkte mir gleich das Gefühl, nichts Unrechtes getan zu haben.

Aber nein, in meinem Fall war es anders. Ich hatte ihm das Herz gebrochen und nicht einmal eine Sekunde darüber nachgedacht, egoistisch wie ich war. Und dennoch stand er nun da und schenkte mir seine Freundschaft, die ich nicht verdient hatte.

Ich hatte sie verletzt und in Alex‘ und Jaydens Fall sogar ihren Vater getötet. Und sie selbst hatte ich mehr als einmal in Gefahr gebracht, dennoch blieben sie an meiner Seite.

Ich schüttelte leicht den Kopf, denn mit einem hatte Sam Recht: Ich konnte nicht ändern, was geschehen war. Allerdings musste es möglich sein, mich zu ändern und zu mir zu finden. Vielleicht sogar den Menschen, der ich immer sein wollte. Ich hasste mich für das, was ich derzeit war.

»Wir haben Post, Vio! Schnell, das musst du dir ansehen!«, rief meine Schwester plötzlich ziemlich überdreht und hastig setzte ich mich in Bewegung.

Am Eingang wedelte Mel mit einem leuchtenden Brief, während sich ein paar Tauben wohl zurück in ihre Verschläge aufmachten. Hastig lief ich zu meiner Schwester.

»Was ist das?«, fragte ich leise und schaute den Brief in Mels Hand genauer an.

Er wirkte wie von Diamanten gepresst. Bei genauerer Betrachtung erkannte ich, dass er aus Eis war. Ich nahm ihn meiner Schwester ab.

Wir begannen zu lesen.

Kapitel 2 Viona

Einladung zum alljährlichen Winterball!

Liebste Naomie!

Ich weiß, du sprichst nicht mehr mit mir und willst mich nicht sehen, aber auch in diesem Jahr möchte ich deine Familie und dich zum Winterball einladen. Ich hoffe, du kannst deinen Stolz überwinden und gibst mir die Chance, meine Tochter kennenzulernen. Ich habe ihr viel zu erklären und bin mir sicher, dass sie Fragen hat, die nur ich ihr beantworten kann. Natürlich kann ich dich nicht dazu zwingen, aber ich bitte dich, Naomie, gib unserer Tochter die Möglichkeit, zu verstehen, wer sie ist.

Liebste Grüße, R.V.

Meine Finger verkrampften sich, wobei der Brief ein wenig in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ich kämpfte mit meinen Emotionen, die mich gerade übermannen wollten. Es war auf einmal alles zu viel: Den Namen meiner Mutter und die Worte auf diesem Papier brannten tief in meiner Seele. All die Jahre, in denen ich dachte, mein Erzeuger würde sich nicht für mich interessieren, dabei hatte meine Mutter mir verschwiegen, dass er sehr wohl Kontakt haben wollte. Es machte mich wütend auf sie, aber eine Frage kam mir dennoch in den Sinn: Wussten sie nicht, dass meine Mutter gestorben war?

»Was ist mit dir?«, holte mich Mel aus meinen Gedanken.

»Wir gehen auf einen Ball.« Das war es, was ich heraus bekam. Ich würde sonst keine Worte für mein inneres Chaos finden.

»Einen Ball?« Meine Schwester runzelte die Stirn. Ich nickte und beäugte sie von oben bis unten. Jetzt löste sich zumindest ein kleiner Knoten und mir fiel ein Thema ein.

»Ein Tanzball. Du solltest dir Gedanken um ein Kleid machen. Immerhin ist er schon heute Abend.«

Ich brachte nicht einmal meinen Satz zu Ende, da stürmte meine Schwester auch schon los. Sie murmelte noch etwas von, ich habe doch gar nichts zum Anziehen, das mich trotz des Schocks zum Lächeln brachte. Schlimmer war allerdings, dass sie mich somit mit unseren Gästen allein ließ.

»Wofür hat deine Schwester dieses Mal nichts zum Anziehen?«, hakte Jayden nach, der von mir unbemerkt im Eingangsbereich aufgetaucht war.

Er musste wohl das Gespräch mitbekommen haben.

»Na, für den jährlichen Ball der Valentes«, seufzte ich und ging an ihm vorbei, denn auch ich musste mir was Festliches aus meinem Schrank fischen gehen, obwohl es sicherlich witzig wäre, die Einzige in Jogginghosen zu sein.

Die anderen Besucher ignorierte ich, denn die konnten sich bestimmt auch eine kleine Weile mit sich selbst beschäftigen. Das taten sie eh die meiste Zeit.

»Ich verstehe. Und wieso kümmert ihr euch erst jetzt darum? Es ist doch ein Ball, der jedes Jahr stattfindet.«

Jay lief neben mir her. Ich biss mir auf die Unterlippe, denn ich wollte ihm nicht gleich einen bissigen Kommentar hinterlassen.

In meinem Zimmer warf ich einige Kleider aus meinem Schrank. Die waren wirklich nicht gut für einen Ball.

»Weil wir nie auf einem dieser Bälle waren. Falls es dir entgangen ist, hassen mich die Menschen.« Frustriert pfefferte ich ein schwarzes Kleid neben Jay aufs Bett. Er hatte diese Angewohnheit, es sich überall gemütlich zu machen, nie abgelegt, nicht einmal jetzt, da er mit Taylor zusammen war und sie mich nicht ausstehen konnte. Ich musste mir doch eingestehen, dass ich seine Nähe sehr genoss. Ich fühlte mich, wenn er bei mir war, weniger nutzlos.

»Es ist doch dein Vater, der ihn Jahr für Jahr veranstaltet, um seine Verwandten und Freunde zu treffen. Außerdem ist es eine Art Pflichtprogramm für jeden Hüter, der aus einer der älteren Familien stammt.« Jayden wirkte etwas verwundert, betrachtete neugierig ein paar meiner Kleider.

»Meine Mutter schien da anderer Meinung zu sein.« Ich konnte immer noch nicht verstehen, dass sie mir das all die Jahre verheimlicht hatte.

In der Zwischenzeit hatte ich aufgegeben nach einem schicken Ballkleid zu suchen.

»Viona!«, schrie Melissa panisch.

Ich sprang von meinem Stuhl, auf dem ich mich niedergelassen hatte, und stürmte in ihr Zimmer. Sie saß auf ihrem Bett und um sie herum lagen gefühlte tausende von Kleidern.

»Was um alles in der Welt ist hier los?«, schoss es aus mir heraus.

Auch wenn ich ein dumpfes Gefühl hatte, was ihre Panik ausgelöst hatte, hoffte ich für sie, dass es sich nicht bestätigte.

»Ich habe kein passendes Kleid. Ich weiß nicht einmal, was man bei einem Winterball trägt.« Mel brach plötzlich in Tränen aus und ich fing hell an zu lachen.

Es war nicht, weil ich das ganze so amüsant fand, eher, da es die einzige Reaktion war, die ich zustande brachte, ohne Gewalt anzuwenden. Sie war die geborene Queen.

»Du willst mir also wirklich sagen, unter all diesen Kleidern ist kein Einziges, was festlich genug ist, um es in genau vier Stunden zu tragen?«, fragte ich.

Als ich einen Blick auf Mels Wecker geworfen hatte, wurde ich auch etwas nervös.

»Es muss perfekt sein, immerhin ist es so etwas wie ein königlicher Ball. Da kleidet man sich eben nicht wie bei einer Familienfeier!«, beschwerte sie sich und wühlte weiter in ihren Kleidungsstücken.

Genaugenommen war es eine Familienfeier. Es war die meines Vaters, also wieso machte ich mir darüber so einen Kopf? Die Hüter-Familien hassten mich sowieso und Mel würde immer wie ein strahlender Stern aussehen, ganz gleich, was sie trug. Es lag ihr im Blut, bezaubernd zu erscheinen.

»Mel, ganz egal, was du trägst, du wirst großartig aussehen.« Es waren Jills Worte, die meine Schwester innehalten ließen, zumindest für einen Moment.

Er wirkte verlegen und betrachtete sie für einen Moment nur. Vielleicht wollte Jill ihre Reaktion sehen. Auch Melissa zeigte in diesem Augenblick die Zuneigung, die sie für den Wassererben empfand.

»Findest du?« Mel hielt gerade eines ihrer Kleider in Händen und beäugte es nachdenklich.

Er räusperte sich.

»Ich war gestern in einem Laden und habe da etwas gesehen«, sprach Jill vorsichtig weiter und wirkte auf einmal recht unsicher. So kannte ich ihn gar nicht. Mels verzweifelte Miene wechselte zu Neugier.

»Hast du etwa ein Geschenk?« Man konnte ihre Freude schon hören, denn darin war meine Schwester gut: Sich Dinge ausmalen, die vielleicht sein könnten und wenn es dann nicht so war, zerbrach ihre heile Welt in tausend Splitter. Oft wirkte sie dadurch wie ein kleines Vögelchen.

»Also ich ... Ich dachte, es könnte ... Na ja, es könnte dir gefallen. Ich würde dich zumindest gern darin sehen«, stammelte Jill und hielt Melissa eine Geschenkschachtel hin.

Mit einem Strahlen im Gesicht nahm sie sie an sich und hob den Deckel. Dann flossen Tränen. Nicht, weil sie traurig war, nein, sie freute sich. Sie fiel Jill um den Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Das ist das Süßeste, was je jemand für mich gemacht hat! Danke«, quietschte sie und holte ein lilafarbenes Kleid aus der Schachtel. Als müsste sie sich erst überlegen, ob dieses Kleid würdig war, von ihr getragen zu werden, beäugte sie es. Ich kannte den Blick, doch Jill tat mir dabei irgendwie leid.

Je länger Melissa dastand und das Kleid betrachtete, desto nervöser und unsicherer wurde der Wassergott. Er schaute schlussendlich zu Boden und wirkte, als würde er gleich zu einer Entschuldigung ansetzen. Es war schon lustig, wie viel Mühe sich Jill gab, um Melissa von sich zu überzeugen.

»Perfekt«, murmelte sie und grinste über beide Ohren.

»Großartig, das wäre dann geklärt.« Ich seufzte, woraufhin ich Mel ihr Ding machen ließ – immerhin hatte ich selbst noch ein großes Kleiderproblem.

Zurück in meinem Zimmer fand ich es zu meiner größten Verwunderung ordentlich vor. Jay war verschwunden. Sicherlich machte er sich auch für den Ball fertig. Auf dem Bett lag ein dunkelgrünes Kleid, darauf ein Zettel auf dem jemand geschrieben hatte, dass ich es mit Stolz tragen sollte, denn es wäre für eine Königin gemacht, außerdem wünschte er mir schöne Weihnachten. Wie gebannt hob ich das Kleid an und beäugte es. Es war in einer A-Linie geschnitten, verlief nach unten hin etwas weiter und besaß einen Schlitz an der linken Seite. Ein wirklich wunderschönes Prinzessinnen-Abendkleid. Das grün würde meine roten Haare betonen und mich nicht ganz so blass wirken lassen.

Allerdings fragte ich mich, vom wem es kam. Jayden vielleicht? Aber woher sollte er es haben, schließlich hatte ich es nicht besessen. Da ich kaum noch Zeit hatte, schlüpfte ich hinein und stellte fest, dass es mir perfekt passte.

Kapitel 3 Viona

Nachdem ich meinen Look mit ein wenig Make-up abgerundet hatte, klopfte es auch schon an der Türe und Melissa betrat mein Zimmer.

»Woher hast du dieses unglaublich schicke Kleid?« Ihr Mund blieb etwas offen stehen, doch auch ich starrte meine Halbschwester an.

Mit ihren blonden Locken, die sie hochgesteckt und ein kleines Diadem eingearbeitet hatte, wirkte sie wie eine wahre Prinzessin. Auch das Kleid stand ihr sehr gut. Das war ein wahres Ballkleid: gigantisch und super fürs Tanzen mit dem weiten Tüll.

»Du bist wunderschön, wie eine Königin.«, flüsterte ich.

Meine Schwester bekam rosige Wangen und sah mich verlegen an. Sie bekam selten solche Komplimente von mir, das merkte man ihr in diesem Moment auch an. Mel war wirklich verlegen und suchte nach Worten, die sie mir entgegnen könnte. Dabei war es nicht nötig, etwas zu sagen. Für den Augenblick wirkte sie glücklich und das war alles, was ich wollte.

»Jetzt fehlen nur noch die Kürbiskutsche und die weißen Mäuse.«

Versuchte sich Melissa gerade ernsthaft an einem Scherz? Wie auf Kommando schellte es an der Tür.

»Ich mach auf!«, schrie Mel geradezu, raffte ihr Kleid und eilte davon.

Vielleicht erhoffte sie sich wirklich eine Kutsche. Es dürfte jedoch einer der Jungs sein, der ankam, um uns durchs Portal mitzunehmen. Ich behielt Recht. Es war Jill, der dumm an der Tür stand und den blonden Engel vor sich anstarrte, als wäre sie gerade vom Himmel gefallen und vor ihm gelandet.

»Siehst du, keine Kutsche, nur Jill«, merkte ich feiend an.

»Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass man dich mit einer Kutsche abholt?« Jills Worte waren an mich gerichtet, nicht an seinen schönen Engel.

»Natürlich habe ich das gedacht! Und sie wird von Einhörnern gezogen, die Regenbögen pupsen.« Ironisch erwiderte ich Jill dies und steckte meinen Schlüssel in die Tasche.

Dieses Mal wollte ich mich so wenig aufregen, wie es nur ging. Aber auch wenn es momentan den Anschein erweckte, war es ein Sicherheitsrisiko. So oder so blieben alle in meinem Umfeld in Gefahr.

»Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber wir fahren mit dem Auto aus der Stadt und direkt in ein Portal. Wäre ja alles nicht so aufwändig, wenn du einfach bei den Jonsen geblieben wärst.« Jill besaß eine Art zu reden, die mich regelmäßig wütend machte, aber ich würde mich nicht mit ihm streiten. Es schien so, dass Melissa ihn ernsthaft mochte und auch er hatte wohl Interesse an meiner Schwester. Wie gut ihre Beziehung zueinander war, musste sich erst beweisen. Eventuell benötigte auch nur ich diesen Beweis, um ruhig schlafen zu können. Ich hatte schließlich gesehen, wohin mich bedingungsloses Vertrauen geführt und wohin es meine Familie gebracht hatte. Vertrauen konnte schnell ausgenutzt werden.

Nach einem Schulterzucken ging ich zu Jills Wagen und betrachtete ihn nachdenklich. Es war ein Jeep, bei dem man die Sitze zurückklappen musste, um hinten Platz nehmen zu können.

»Du kannst auch laufen. Sind ja nur 50 km bis zur Stadtgrenze«, knurrte Jill, bevor ich überhaupt etwas sagen konnte.

Ich wollte mich nicht einmal beschweren. Ich seufzte und half meiner Schwester mit ihrem Kleid in den Wagen, ehe ich nach hinten auf den Sitz rutschte. Melissas Tüll erstickte mich fast, doch würde ich es einfach ertragen. Dem Frieden wegen. Ich wollte versuchen, Jill eine Chance zu geben, auch wenn er es mir nicht sonderlich leicht machte.

Für einen Moment konnte ich seinen Blick auf mir spüren. Was führte der Kerl jetzt schon wieder im Schilde?

***

Eine lange und stille Fahrt später, kamen wir am Portal an. Fynn erwartete uns dort schon.

»Schön, dass du uns dieses Jahr begleitest, Viona. Ich bin sicher, dir wird das Ganze gefallen.« Er kam mir nervös vor, obwohl ich noch nicht genau sagen konnte, wieso. Das alles wirkte seltsam. Vielleicht interpretierte ich auch einfach zu viel hinein.

»Wir werden sehen«, war alles, was ich ihm erwiderte, innerlich seufzte ich jedoch.

Mir wurde bei dem Gedanken, heute das erste Mal meinen Erzeuger zu sehen, flau im Magen. Ich fragte mich schon sehr lange, wie er wohl war. Wie er aussah und, ob ich ihm ähnelte? Es gab ja diese Kinder, die Eigenschaften von den Eltern hatten. Meine Mom hatte immer angemerkt, dass sie fast jede Handlung, die ich tat, an meinen erbärmlichen Erzeuger erinnerte. Deswegen hatte sie mich nur schwer ertragen können.

»Auf der Einladung stand 20 Uhr, jetzt ist es 20:15 Uhr. Wo bleiben die Feuerjungs?«, meckerte Mel und stapfte mit ihren Schuhen einen richtigen Weg ins Gras. Ihre Worte rissen mich aus meinen Gedanken. Ich hatte Melissa fast vergessen.

»Gewöhn dich lieber daran. Die meiste Zeit verbringt man in deren Gesellschaft mit Warten oder im Streit.« Diese spitze Bemerkung konnte ich mir doch nicht verkneifen.

»Willst du mir irgendetwas mitteilen, Viona? Oder wieso bist du so bösartig?«, murrte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Ich? Nein, ich hab dir nichts zu sagen.«

Ich zuckte kurz darauf etwas zusammen, als wie auf Knopfdruck Sam, Jay und Alex aus dem Portal schritten. Jayden wurde natürlich von seiner Freundin begleitet. Sie trugen perfekt abgestimmte Klamotten. Tay schwebte in ihrem bodenlangen weinroten, gigantischen Prinzessinnenkleid geradezu umher. Das Ding hatte mehr Ringe im Reifrock, als ich zählen konnte. Die einzige Frage, die ich mir stellte, war, wie um alles in der Welt sie damit auf die Toilette gehen wollte. Neben ihr stand Jayden in einem etwas helleren roten Anzug. Das Hemd und die Krawatte stachen mit dem Weiß und dem Schwarz schon hervor, aber es rundete das Ganze perfekt ab.

»Dein Kleid ist beeindruckend.«

Ich meinte es genauso und in Tays Miene konnte ich etwas wie Freude erkennen.

»Ich habe ganze zwei Stunden gekämpft, mich da hinein nähen zu lassen. Nun hoffe ich nur noch, nicht aufs Klo zu müssen«, meinte sie und wir beide kicherten leise.

Ich konnte sie nicht wirklich leiden, aber würde mir Mühe geben, sie zu akzeptieren. Das allein war ich Jayden schuldig.

»Können wir nun los? Wir sind schon zu spät.« Melissa deutete auf ihre funkelnde Armbanduhr. Sie war stets pünktlich bei jedem Treffen. Oft befand sie sich sogar viel früher am Treffpunkt, weshalb es sie wurmte, dass sie heute also zu spät kam.

Ich schwieg und betete, dass ich diese Schuhe bald ausziehen konnte. Sie waren einfach nicht mehr meine Art von Fußbekleidung. Wenn das vorbei war, würde ich sicher Blasen haben und eine Weile meine Stiefel nicht mehr tragen können. Verfluchter Ball!

Kapitel 4 Viona

Ich hasste Portalreisen und das würde sich wohl niemals ändern! Nachdem sich mein Körpergefühl wieder eingestellt hatte, sah ich mich um und fühlte mich gleich überwältigt von den funkelnden Lichtern, die das Anwesen vollkommen einhüllten. Es gab riesige glitzernde Figuren von verschiedenen arktischen Tieren, aber das allerschönste war die Eislaufbahn direkt neben dem Eingang, auf der einige talentierte Eisläufer ihre Künste zeigten.

»Beeindruckend, nicht wahr?« Ich zuckte stark zusammen, als mich eine mir vollkommen fremde Person ansprach. Er lächelte mich breit an. »Ich wollte dich nicht erschrecken, konnte aber einfach nicht länger warten, um dich endlich kennenzulernen.«

Während der Mann sprach, verschaffte ich mir einen Überblick. Er war fast zwei Meter groß, ähnlich gebaut wie die anderen Hüter und hatte dasselbe schwarze Haar wie Chris. Seine grauen Augen betrachteten mich freundlich.

»Entschuldige, aber sollte ich Sie kennen?« Ich wollte nicht unhöflich sein, konnte aber so überhaupt nichts mit diesem Kerl anfangen.

»Deine Mutter scheint dir nie etwas über deinen Bändigerteil erzählt zu haben, oder?«

Er kannte meine Mutter? Das alles wirkte recht seltsam auf mich. Ich wich etwas von ihm zurück und von selbst spannte sich mein Körper an. Es schien, als würde er sich instinktiv bereit machen, davonzurennen, auch wenn ich mit diesen Sachen nicht weit kommen würde.

»Ich bin Ronald Valente«, stellte er sich vor und hielt mir eine Hand hin, die ich kritisch beäugte.

Valente? Also war er jemand aus der Familie meines Vaters? Mein Misstrauen wollte so schnell nicht verschwinden, also zögerte ich.

»Dein Vater«, fügte er mit seinem immer noch freundlichen Lächeln hinzu.

»Mein«, ächzte ich und wandte mich ab, ehe ich noch mehr sagte, was ich später vielleicht bereuen würde.

Ich wollte hier weg. Das alles war auf einmal doch zu viel für mich. Als ich mich daraufhin kurz umschaute, musste ich jedoch feststellen, dass ich mich wohl diesen unüberwindbaren Hürden stellen musste, denn niemand war da, um mir beizustehen. Alle hatten sich schon nach drinnen begeben.

»Das muss ein Schock für dich sein. Aber typisch für deine Mutter. Wo ist sie eigentlich? Es ist nämlich ein Wunder, dass sie dich dieses Jahr herkommen ließ. Dafür wollte ich mich bei ihr bedanken.«

Mein Vater schien recht neugierig zu sein und, wenn ich ehrlich war, konnte ich es ihm nicht einmal verübeln. Da hatte er all die Jahre eine Tochter gehabt und durfte sie nicht einmal kennenlernen. Leider war ich nicht mehr in der Stimmung für all diese Emotionen, die sich allmählich in mir breitmachten.

»Ich möchte gerade nicht über sie reden«, änderte ich deshalb die Richtung des Gesprächs.

Ich wollte ihn nicht von mir stoßen, schließlich war es nur natürlich, dass mein Vater neugierig auf mich war.

»Okay verstehe. Kann ich dich dennoch etwas fragen? Die Familie ist tabu, das habe ich verstanden.« Er war um einiges taktvoller, als die anderen Ratskerle, die mir sonst so über den Weg gelaufen waren. Ich nickte leicht und folgte ihm einige Schritte. »Wann genau hast du entschlossen, dieser Welt eine Chance zu geben?«

Mein neu gewonnener Vater legte weiterhin lächelnd den Kopf schief. Kurz musste ich überlegen. Es schien ihm ein wenig zu lang zu dauern, denn er fuhr sich verlegen durchs dunkle Haar.

»Im Grunde hat diese Welt mich gefunden. Anders als alle Hüter bin ich unwissend aufgewachsen. Meine Mutter tat alles, um mich fernab dieser Welt zu erziehen. Dass es eine dumme Idee gewesen war, muss hier nicht extra betont werden«, bekam Ronald hastig seine Antwort und es schien ihn für den Moment zufrieden zu stellen.

»Wie hat sie all die Zeit deine Kräfte gebändigt?«

Dass er genau das wissen wollte, verwunderte mich, vor allem da ich die Antwort darauf selbst nicht kannte. Ich zuckte also nur mit den Schultern.

»Weiß ich nicht. Aber jetzt hätte ich auch eine Frage. Wenn du es mir gestattest natürlich nur.«

Dad nickte und lachte leise. Ganz offensichtlich fand er es genauso seltsam wie ich.

»Angenommen du wärst meine Mutter, wie hättest du es angestellt?«

Ich war mir sicher, dass er mehr wusste, als er mich wissen lassen wollte.

»Nun wir haben Hexenfamilien, die uns für Zauber zur Verfügung stehen, allerdings wirken diese nur bis zu einem bestimmten Alter.« Ohne zu zögern, verriet er mir eines der Familiengeheimnisse. Ob er mich lockte oder wirklich wollte, dass ich ihm vertraute, konnte ich nicht einschätzen.

»Das erklärt zumindest so einiges«, murmelte ich.

Das würde erklären, wieso meine Fähigkeiten so plötzlich aufgetaucht waren und ich mich aus diesem Grund verändert hatte. Auch, dass ich es bis jetzt immer noch tat und ständig über meine Grenzen hinausging. Konnte ich deshalb diese Dunkelheit spüren? Wenn das der Preis dafür war, meine Fähigkeiten zu erlangen, wollte ich ihn nicht zahlen! Ich wünschte mir nur ein normales Leben.

»Egal, was passiert, du musst dir eines merken: Ich wollte, dass du bei uns aufwächst. Naomie hatte sich all die Jahre jedoch sehr gut versteckt und gelernt, sich anzupassen. Du weißt sicherlich, dass wir Götter jahrelang nach dir gesucht haben. Oder hat man es dir verschwiegen?«

Auf einmal hatte sich Ronalds Stimme verändert. Er sprach nicht mehr ganz so freundlich und auch seine Haltung spannte sich an.

»Belästigt dich dieser Kerl eventuell?«

Irritiert drehte ich mich zu Jayden um, der sich uns genähert hatte. Auch seine Haltung kam mir ablehnend vor.

»Nein, es ist schon in Ordnung«, bemühte ich mich, Jay zu beruhigen, der sich neben mich gestellt hatte, fast als wollte er mich vor meinem Vater beschützen. Ich wusste allerdings nicht, auf wessen Seite ich stehen, und noch weniger, was ich von der ganzen Sache halten sollte. Zum Glück musste ich mich auch nicht weiter darum kümmern, denn im Augenwinkel entdeckte ich, wie sich ein paar Mädels über Melissa lustig machten. Dieses Mal war anscheinend sie der Freak, weil sie von all den Dingen hier keine Ahnung hatte.

»Entschuldigt mich.«

So schnell ich mit diesen Heels rennen konnte, eilte ich zu meiner Schwester und stellte mich schützend zwischen sie und die Kampfzicken.

»Mach, dass du wegkommst. Diese Bitch bekommt eine Abreibung. Diese lächerliche Behauptung verdient es!«, zischte mich gleich eins der Mädels an, das ich kampflustig anfunkelte.

»Fass sie an und ich schlitz dir deinen Barbieschädel auf!«, knurrte ich.

Nun, es war nicht mein Stil, vollkommen unbewaffnet auf eine Party zu gehen, also zog ich einen kleinen Dolch aus meinem Ausschnitt und drehte ihn einmal in der Hand, bis die Spitze bedrohlich auf meine Gegenüber zeigte.

»Sie soll einfach zurücknehmen, dass Jill mit ihr hier ist und sich verpissen. Sie gehört nicht zu uns.« Es war die zweite Rebellin, die sich jetzt an mich wandte und damit wohl schlichten wollte.

»Ach und wieso sollte sie etwas zurücknehmen, das der Wahrheit entspricht? Sie gehört genauso hierher, wie ihr.« Ich machte eine Pause und funkelte die beiden gefärbten Schönheiten noch etwas mehr an. »Und jetzt sucht euch jemand anderen zum Spielen, verstanden. Ich mach keine leeren Versprechungen.«

Die beiden tauschten vielsagende Blicke aus, ehe sie davon stöckelten. Also hatte ich noch einmal Glück gehabt. Eine gewaltsame Auseinandersetzung wäre bestimmt niemandem von uns gut bekommen. Das alles war schon schlimm genug gewesen. Ich hatte mich mal wieder von meiner besten Seite gezeigt!

Hastig zog ich Mel hinter mir her in einen Bereich, in dem wir ungestört miteinander reden konnten.

»Himmel, was für giftige Weiber«, entfuhr es Melissa, die sich einen Weinfleck aus dem Kleid zu rubbeln versuchte. »Es ist ruiniert! Sieht es sehr schlimm aus?«, plapperte Mel weiter und fing plötzlich an zu schniefen.

»Oh Gott, bitte nicht weinen. Dein Mascara hält das vermutlich nicht aus«, bemühte ich mich, sie aufzuhalten, aber es war zu spät. Und viel schlimmer als die Tränen war der Schnodder, während sie das mit Mascara beschmierte und rote Gesicht an meine Brust drückte. Das würde ebenso schlimm für mein Kleid enden.

»Oh nein! Jetzt habe ich auch noch dein Kleid besudelt. Ich bin so ein schrecklicher Mensch.« Schluchzend zog sie ihre Nase hoch, obgleich es das nicht weniger schleimig auf meiner Brust machte.

»Wo ist Jill hin? Er sollte doch wissen, dass du hier nicht alleine sein kannst.« Meine Frage ließ sie nur noch stärker heulen.

»Er ... Jill hat mich stehen gelassen. Er hätte etwas mit dem Rat zu besprechen. Es muss also wichtig sein.«