Das Geisterschiff - Hubert Haensel - E-Book

Das Geisterschiff E-Book

Hubert Haensel

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Beschreibung

Zwei Romane in einem Band. Das Geisterschiff Als die MADELEINE, ein altersschwacher Frachter, dem fremden Raumschiff begegnet, glaubt Captain Finch, die Berührung einer eisigen Hand zu spüren. Die folgende Transition verschlägt den Frachter in unbekanntes Gebiet und in die Gewalt kriegerischer Androiden, die das längst vergangene Imperium ihrer Schöpfer neu entstehen lassen wollen. Die Crew der MADELEINE braucht Hilfe, will sie verhindern, dass die Visionen sterbender Sonnen und zerberstender Planeten wieder real werden. Doch der Preis dafür ist hoch. Erst 15.000 Jahre in der Vergangenheit durchschaut der Captain das Spiel des Schicksals – er kennt Das Geisterschiff. Dieser Roman erschien 1978 als Terra Astra 379. Mein Freund, der Roboter Ich heiße Jan Mollen und bin Student der Astronavigation. Für mein Praktikum habe ich auf der ZERBERUS angeheuert. Was ich nicht wusste: Der Passagierraumer hat seine besten Jahre schon hinter sich – und meine Ausbildung ist dem Steward anvertraut, der mich als Mädchen für alles sieht. Soll ich tatsächlich exotische Passagiere hüten, statt die Sterne zu sehen? Meine erste Landung auf einem fremden Planeten verbringe ich jedenfalls im Arrest. Doch wenigstens einer an Bord scheint Verständnis für mich aufzubringen. Er hört auf den Namen Jakob, und ich mag ihn. Jakob wird mein Freund, der Roboter. Dieser Roman erschien 1980 als Terra Astra 437. Außerdem enthält der Band die Kurzgeschichte "Mentalität", die von Hubert Haensel Ende der 1970er verfasst und 2017 im PERRY RHODAN-Report neu aufgelegt wurde.

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Seitenzahl: 245

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HUBERT HAENSEL

Das Geisterschiff

 

HOPF Autorenkollektion

 

Inhalt

Impressum

Vorwort

Das Geisterschiff

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

Mein Freund, der Roboter

1.

2.

3.

4.

5.

6.

 

Impressum

 

Originalausgabe Januar 2021

Text © Hubert Haensel

Copyright © 2021 der E-Book-Ausgabe by Verlag Peter Hopf, Minden

 

Covergestaltung: etage eins, Jörg Jaroschewitz

Covermotiv © sdecoret / de.depositphotos.com

Innenillustration © Alex Braccu

Korrektorat: Thomas Knip

 

ISBN ePub 978-3-86305-374-1

 

www.verlag-peter-hopf.com

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

 

Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Verarbeitung und die Verbreitung des Werkes in jedweder Form, insbesondere zu Zwecken der Vervielfältigung auf fotomechanischem, digitalem oder sonstigem Weg, sowie die Nutzung im Internet dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages erfolgen.

 

 

Vorwort

 

Liebe Freunde utopischer Literatur,

was wäre, wenn wir unsere Träume nicht hätten? Haben Sie sich auch schon diese Frage gestellt? Ich meine nicht die bedrückenden Träume, aus denen wir schweißgebadet aufschrecken, sondern die schönen, angenehmen, die uns in fremde Welten entführen und bei denen wir froh sind, dass wir sie haben. Weil sie uns für Stunden von Stress und Sorgen befreien und lange in der Erinnerung nachklingen. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen wir äußeren Zwängen mehr oder weniger machtlos gegenüberstehen, geben die angenehmen Träume uns das Gefühl von Freiheit und Freude zurück. Umso schöner, wenn alte Träume, an denen wir uns schon vor Jahrzehnten erfreuen konnten, sich als treue Begleiter erweisen.

Genau das bietet uns die Autorenkollektion. Ich kann eingestehen, dass ich zuletzt mit Freude Band 3 gelesen habe. Hanns Kneifels »Das Logbuch der Silberkugel« hatte es mir schon angetan, als ich den Roman erstmals als Heft der TERRA-Reihe las, und er hat bis heute nichts von seinem Flair verloren. Viele schöne Erinnerungen wurden dabei wach …

… Erinnerungen, die sich ebenso einstellten, als ich meine beiden im vorliegenden Buch enthaltenen Romane wieder las.

Da ist »Das Geisterschiff«, mein erster veröffentlichter Roman, geschrieben im letzten Jahrtausend – nun ja: 1977. Ich habe Raum und Zeit in diesen Roman hineingepackt und genau das, was mich schon in jungen Jahren bewegt hat, den Kontakt mit fremdem Leben. Wird er friedlich verlaufen oder feindselig? Dass wir allein sind, ist angesichts der Milliarden von Sonnen in unserer Milchstraße für mich schon ausgeschlossen. Die moderne Forschung zeigt uns, wie viele Sonnen eigene Planeten haben. Von den Abermillionen Galaxien will ich erst gar nicht reden. All das, was in der frühen Science-Fiction an Phantasie steckt, scheint sich also mehr und mehr zu bewahrheiten. Und auch wenn wir bislang keinem außerirdischen Leben begegnet sind – es ist wohl nur eine Frage der Zeit.

Apropos Zeit. Neben der unendlichen Weite des Weltraums ist die Zeit mein zweites Faible. Sie werden es sehen, sobald Sie »Das Geisterschiff« lesen. Mit der Zeit zu spielen erscheint mir jedenfalls ebenso faszinierend wie mit dem Raum.

Der zweite in diesem Taschenbuch enthaltene Roman ist »Mein Freund, der Roboter«. Ich will nicht behaupten, er sei das Gegenteil des Geisterschiffs, aber er ist einfach eine luftige, lockere, lustige Geschichte. Ich musste beim Nachlesen selbst oft genug schmunzeln oder gar lachen. Und das wünsche ich Ihnen ebenfalls.

Apropos: Wo sind eigentlich die Regisseure und Produzenten unter den SF-Lesern? »Mein Freund, der Roboter« wäre bestimmt keine sündhaft teure Produktion und mit den heutigen tricktechnischen Mitteln gut zu machen. Nichts für ungut, aber ich könnte mir den Roman sehr gut als unterhaltsamen Film für die ganze Familie vorstellen.

Und schließlich noch eine kleine Zugabe: Ein Kurzgeschichtenwettbewerb des Kelter Verlags war schuld daran, dass ich erst zum Hobby-Schriftsteller wurde und mich Anfang des neuen Jahrtausends als hauptberuflicher Autor selbstständig machte. Ich erhielt damals den 2. Preis, eine ausreichende Motivation, mich an längeren Romanen zu versuchen. Meine Story »Mentalität« ist kurz und prägnant, und, wie ich finde, ein Anstoß zum Nachdenken. Das Thema ist heute so brisant wie Mitte der 1970er Jahre.

Zu dieser Geschichte gibt es längst eine sehr schöne Illustration unseres Lesers Alexander Braccu, die wir Ihnen ebenfalls nicht vorenthalten wollen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen sehr viel Lesespaß und Freude mit diesem und allen zukünftig erscheinenden Bänden der Autorenkollektion.

Ach ja, sollte jemand zufällig einen Film-Regisseur kennen, der dieses Buch noch nicht gelesen hat …

 

Herzlichst Ihr

Hubert Haensel, 4. Dezember 2020

 

 

 

HUBERT HAENSEL

Das Geisterschiff

 

Die Hauptpersonen des Romans:

Samuel Finch: Kommandant der MADELEINE

Jack Swensson: Erster Offizier der MADELEINE

Dave Quinger: Der Funker schießt auf sich selbst

Oam-Pham-Phu: Ein Androide, der den Frieden will

 

 

Zu allen Zeiten wussten Sagen und Legenden von mystischen Dingen und unerklärbaren Geschehnissen zu berichten ‒ gerade das hochtechnisierte Raumfahrtzeitalter mit seinem sich ständig verändernden Weltbild bot den besten Nährboden für fantastische Geschichten.

Eine der bekanntesten, gleichzeitig der hartnäckigsten Erzählungen war die des Geisterschiffs. Schiff der toten Seelen, so wurde es von den Völkern der Galaxis genannt, lange schon, bevor die irdische Menschheit begonnen hatte, interstellare Raumfahrt zu betreiben.

Furcht und Schrecken galten als die ständigen Begleiter seines Fluges. Doch wo lag der Unterschied zwischen Dichtung und Wahrheit, falls es so etwas wie eine Wahrheit überhaupt gab?

 

 

1.

 

Die Koordinaten lauteten: Nord 67 b ‒ grün 8 delta/13.

Roter Überriese Debair ‒ eines der rund zwei Dutzend kosmischen Funkfeuer auf der Route Agmon IV/Terra, gleichzeitig Orientierungspunkt für den Weiterflug zu mindestens fünf besiedelten Sauerstoffwelten.

Am 9. August 2452 materialisierte die MADELEINE in unmittelbarer Nähe des Überriesen; die MADELEINE, ein kleiner, altersschwacher Frachter unter privater Flagge. Mit einem Viertel der Lichtgeschwindigkeit tauchte er aus dem Hyperraum auf, der Sonne gefährlich nahe.

Für Captain Samuel Finch war dies ein Grund mehr, den alten Kahn und vor allem seine interesselosen, profitgierigen Eigner in das hinterste Feuer der Hölle zu wünschen.

»Es ist eine Schande, wie unser Schiff verkommt«, fluchte Finch im Brustton voller Überzeugung. »Irgendwann geht es schief, dann landen wir auf direktem Weg in der nächsten Sonne.«

Außer dem Captain hielten sich drei weitere Männer in der Zentrale auf.

Jack Swensson, ein stämmiger, kräftiger Bursche, war eigentlich zu Besserem geboren. Doch wie das Schicksal mitunter sein kann, hart und keineswegs auf Standesunterschiede bedacht: Einige Unregelmäßigkeiten hatten ihn, den angehenden Offiziersanwärter bei der Raumflotte, zur Handelsmarine verschlagen. An Bord der MADELEINE erfüllte er die Funktion des Ersten Offiziers, was gleichbedeutend war mit einem Mädchen für alles, angefangen von der Vertretung des Captains bis hin zum Dienst auf dem Maschinendeck.

Der Mann an den Ortungsgeräten hieß Steven Kincaid. Aufgewachsen im Milieu alternder, kranker Skipper, waren Schiffe wie dieser Frachter seine Heimat. Er fühlte sich auf der MADELEINE rundum wohl.

Dave Quinger saß angespannt vor dem Funkpult und suchte alle Frequenzen ab.

»Wir sollten abmustern«, sagte Swensson gereizt. »Dann wären wir unsere Sorgen los.«

»… und unseren Job ebenfalls«, entgegnete Kincaid. »Kein Reeder würde uns die modernen halbautomatischen Schiffe anvertrauen. Nein, mein Freund, wir sind gezwungen, auf der MADELEINE zu bleiben und mit ihr zusammen alt zu werden oder unterzugehen, je nachdem.«

Für Selbstvorwürfe war es schon lange zu spät. Swensson hatte sein Geschick in der Hand gehabt, den richtigen Zeitpunkt aber verpasst.

»Uns fehlt der Mut, und ich will verdammt sein, wenn wir nicht selbst daran schuld sind. Was bleibt uns anderes übrig, als auf diesem Seelenverkäufer durch die halbe Milchstraße zu schippern?«

Finch zog es vor, zu schweigen. Achtlos knüllte er den Datenträger zusammen, den der Rechner vor wenigen Minuten ausgespuckt hatte, und warf ihn seinem Ersten zu: »Programmiere du den Kurs! Ich muss nachdenken.«

Der Captain hatte das Schott noch nicht erreicht, da gellte der Alarm durchs Schiff. Finch fuhr auf dem Absatz herum.

»Ein anderer Kahn in der Nähe!«, meldete Kincaid von der Ortung.

Das allein wäre nichts Weltbewegendes gewesen, schon gar nicht in geringer Entfernung zu einem Funkfeuer. Finch gab jedoch viel auf Vorahnungen; wie beinahe jeder Raumfahrer war er abergläubisch. Und das eigenartig taube Gefühl, das sich in seinen Armen ausbreitete, hatte ihn schon immer vor drohenden Gefahren gewarnt.

»Entfernung acht Millionen Kilometer, rasch sinkend«, las Kincaid endlich die hereinkommenden Daten ab.

Die Ortung zeigte lediglich einen verwaschenen länglichen Reflex. Obwohl das fremde Schiff schon in wenigen Minuten und mit höchstens tausend Kilometern Distanz den Kurs der MADELEINE kreuzen würde.

»Die wollen was von uns«, argwöhnte Finch.

Quinger schüttelte den Kopf: »Kein Kontaktversuch bislang.«

»Grundlos rücken die uns nicht so nahe auf den Pelz. Ich habe ein ungutes Gefühl dabei …«

Erste Störungen hatten sich im Ortungsbild schon abgezeichnet. Ab einer Distanz von zwei Millionen Kilometern lieferten die Sensoren keine Anzeige mehr. Von einer Sekunde zur nächsten verschwand das fremde Schiff von den Bildschirmen.

Der Captain schlug auf den Alarmknopf. Wieder ertönte das an- und abschwellende Heulen, das auch jene Besatzungsmitglieder erreichen sollte, die tief in den Frachträumen arbeiteten.

»Aus!«, bemerkte Quinger. »Sogar das Rauschen der Statik ist verstummt. Ich fürchte, unsere Funkanlage hat endgültig den Geist aufgegeben.«

»Ich schalte um auf Direktbeobachtung!«, warnte Finch.

Die Optik war auf die Riesensonne Debair justiert. Von den Schirmen sprang ein gleißendes Rot herab. Nur zögernd schwenkte der Aufnahmebereich zur Seite, wich die Sonnenglut der Schwärze des Alls.

»Diese verfluchte schwerfällige Technik!«

Die Filter hatten sich einen Sekundenbruchteil zu spät vorgeschaltet, und der Captain blinzelte gegen die Blendung an. Immerhin stabilisierte sich die Wiedergabe. Die Vergrößerung ließ erste Einzelheiten erkennen.

»Zigarrenförmig. Offensichtlich Sol-Typ wie unsere MADELEINE, wenn auch modifiziert«, erkannte Swensson.

Die übergroßen Stabilisierungsflossen im Heckbereich und erst recht nicht die in der Rumpfmitte befindliche kugelförmige Ausbuchtung passten zu einem irdischen Schiff. Auch keines der bekannten raumfahrenden Völker baute so.

Und das seltsame Leuchten, das den Raumer umgab. War es ein besonderer energetischer Schutzschirm?

»So etwas habe ich nie gesehen«, sagte Kincaid. »Dabei fliege ich seit meinem zwölften Lebensjahr von einem Stern zum nächsten.«

»Du meinst, wir haben es mit Fremden zu tun?«

»Man muss nur eins und eins zusammenzählen, um zu diesem Schluss zu kommen.«

Mit einem Schlag wurde es dunkel. Selbst die vielen kleinen Kontrollskalen und Anzeigen, die für gewöhnlich ihren flackernden Schein durch die Zentrale schickten, erloschen.

»Der Ärger reißt nicht ab«, schimpfte Finch. »Das Notaggregat versagt den Dienst.«

Ein unterdrückter Aufschrei antwortete ihm, gefolgt von dumpfem Poltern. Dann war es totenstill. Erst nach wenigen Sekunden erklang ein zaghaftes Stöhnen. Gleich darauf Swenssons Stimme, fast im Flüsterton.

»Mich hat jemand heftig angerempelt und gegen die Konsole gestoßen. Mir brummt der Schädel.«

»Wer bitte?«, fragte Finch irritiert. »Keiner außer uns …«

Wieder polterte es, diesmal unmittelbar vor dem Captain. Die Finsternis ließ absolut nichts erkennen.

»Ich bin es jedenfalls nicht!«, rief Kincaid. »Ich habe mich nicht von meinem Platz wegbewegt.«

Eine eisige Hand legte sich auf Captain Finchs Nacken. Er schauderte, drehte sich jedoch sofort im Sessel herum und ließ die Arme vorschnellen. Nur war da nichts, was er hätte festhalten können. Ein leises Kichern hing in der Luft, als wolle sich jemand über seinen Versuch lustig machen.

»Wer ist da?« Samuel Finch bemühte sich, seiner Stimme einen festen Klang zu geben. Ihm war bewusst, wie banal die Frage klang, aber was hätte er sonst sagen sollen?

»Du glaubst mir also«, triumphierte Swensson.

Wieder erklang dieses Kichern.

»Bei allen Raumgeistern …«, Steven Kincaid verschluckte sich vor Erregung. »Da draußen, das muss das Geisterschiff sein! Man hört schauderhafte Dinge, und es soll so aussehen wie … wie …«

Als hätte es nur dieser Feststellung bedurft, um eine Reaktion des Unbekannten auszulösen, sprang die Beleuchtung wieder an. Ein schneller Blick in die Runde überzeugte die Männer davon, dass sie nach wie vor allein waren.

»Sehr farbenprächtig.« Finch lachte beim Anblick von Swenssons blutunterlaufener Stirn. »Das soll ein Geist verursacht haben?«

Der Bildschirm war ausgeschaltet. Dabei war der Captain sich völlig sicher, während des Energieausfalls nicht einen einzigen Schalter berührt zu haben. Und Swensson und Kincaid waren überhaupt nicht in seine Nähe gekommen.

»Es spukt!«, stellte Swensson mit Siegermiene fest. »Wir sollten aus diesem Raumsektor verschwinden!«

Beide Raumer hatten den Punkt erreicht, nach dem ihre Flugbahnen sich wieder voneinander entfernten. Nicht allzu groß, aber trotzdem irgendwie Furcht einflößend stand das fremde Raumschiff vor dem sternenübersäten Hintergrund der Milchstraße. Seine Außenhülle schimmerte im Widerschein der Sterne teils in metallischem Blau, teils kräftig grün, und die vielfältigen Aufbauten waren so exotisch, dass sie bestimmt keiner irdischen Werft entstammten.

Eine treffende Beschreibung abzugeben, fiel ohnehin schwer. Die Konturen waren alles andere als stabil, sie flossen ineinander, schienen ständig neue Formen und Farben zu bilden.

Dennoch schien es den vier Raumfahrern, die gebannt jede Veränderung verfolgten, als hätten sie dieses Schiff irgendwann schon gesehen. Sie wussten nur nicht, wann und wo. Es war fremd, trotzdem wirkte es vertraut.

»Wir sollten beschleunigen und verschwinden, solange wir die Möglichkeit dazu haben!«, drängte Swensson.

Captain Finch zögerte. Vielleicht aus Neugierde – wer vermochte das zu beurteilen. Jedenfalls zögerte er zu lange.

Es war, als würde eine riesige Glocke angeschlagen, und den Resonanzkörper bildete die MADELEINE. Die isolierenden Schichten in der Außenhülle warfen die Schwingungen zurück und verstärkten sie binnen Sekunden zu einem einzigen mächtigen Gong.

Die Sterne überschlugen sich, wurden zu schmalen, gebogenen Linien. Der Überriese Debair erschien wieder im Erfassungsbereich der Optik. Auch wenn die Instrumente nichts dergleichen anzeigten, der Frachter rotierte mit einem Mal um eine Diagonalachse.

Zunehmend schneller erfolgte der Wechsel: das Dunkel des Weltraums ‒ der glühende Schein der Sonne …

Dunkel ‒ grell ‒ dunkel ‒ grell … Ein Chaos aus Farben und Gefühlen griff nach der Besatzung des Frachters.

Die Belastung setzt enorme Kräfte frei, erkannte der Captain. Wenn die MADELEINE nicht standhält, sind wir verloren.

Wie oft hatte er ein klägliches Ende prophezeit, irgendwo in der endlosen Einsamkeit zwischen den Sternen. Nun schien es gekommen, und Finch fühlte trotz allem Trauer, er wollte das Unvermeidliche nicht akzeptieren, sich dagegen aufbäumen …

Der Antigrav versagte, erste Andruckkräfte wurden wirksam. Der Captain spürte, wie ihm das Bewusstsein schwand. Er wollte sich zur Wehr setzen, dagegen ankämpfen, aber er schaffte es nicht. Er nahm nicht einmal mehr das irisierende Leuchten wahr, das die MADELEINE umfloss und unaufhaltsam ins Schiff vordrang.

 

*

Mehr als eine Stunde war vergangen, in der das fremde Raumschiff Kurs und Geschwindigkeit der MADELEINE angepasst und außerdem die Rotation des Frachters mithilfe von Magnetfeldern aufgehoben hatte.

Höchstens hundert Meter trennten beide Raumer voneinander. Eine Gestalt im Raumanzug löste sich aus dem Schlagschatten des unbekannten Schiffes und strebte der MADELEINE entgegen.

Es war zweifellos ein Mensch, der den Frachter betrat, nachdem er die Außenschleuse überraschend schnell geöffnet hatte. Zielstrebig bewegte er sich durch die engen Korridore. Einem Beobachter wäre keineswegs entgangen, dass er sich an Bord genauestens auskannte. Das Zentraleschott glitt vor ihm zur Seite. Er sah sich vorsichtig um und nickte zufrieden. Die Besatzung war ohne Bewusstsein. Was der Mann auch beabsichtigte, von dieser Seite hatte er keine Störung zu befürchten.

Neben dem Sessel des Kommandanten verharrte er eine Weile. Ein Hauch von Wehmut lag in seinen Augen, ein feuchter Schimmer, und um seine Mundwinkel zuckte es.

Captain Samuel Finch und der Fremde waren einander ähnlich wie ein Ei dem anderen. Der Fremde wirkte jedoch älter, reifer und in seiner ganzen Ausstrahlung erfahrener. An seinen Schläfen zeichneten sich erste graue Haare ab. Obwohl er biologisch kaum älter als fünfzig Jahre sein mochte, sprach aus seinem Blick die Erfahrung eines sehr langen Lebens. Die Art und Weise, wie er sich bewegte, zeugte von weit mehr Elan und Willensstärke, als Captain Samuel Finch je besessen hatte.

Der Fremde wandte sich abrupt ab und widmete seine Aufmerksamkeit dem Bordrechner. Er gab über die Tastatur Zahlen und Bezeichnungen ein, die eindeutig dem galaktischen Koordinatensystem entstammten.

Schließlich betrachtete er zufrieden sein Werk, ließ den ausgeworfenen Kontrollstreifen in einer Tasche seines Raumanzugs verschwinden und verließ die MADELEINE auf dem Weg, auf dem er gekommen war.

Er hatte sich nicht länger als dreißig Minuten an Bord des Frachters aufgehalten.

 

*

Captain Finch fühlte sich hundeelend, als er wieder zu sich kam. Sein erster Blick galt dem Chronometer. Er erschrak, denn er war mindestens zwei Stunden ohne Bewusstsein gewesen – eine Zeitspanne, während der viel geschehen sein konnte.

Die Bildschirme zeigten weiterhin den Überriesen Debair. Unverkennbar war, dass die MADELEINE sich der Sonne näherte. Bislang war ihre Anziehungskraft aber nicht stark genug, den Frachter endgültig in ihren Bann zu zwingen.

Erleichtert registrierte der Captain, dass die Rotation des Schiffes aufgehört hatte.

Endlich regten sich auch Swensson und Kincaid. Das Erste, was Swensson über die Lippen brachte, war die Frage nach dem Angreifer.

»Das Schiff ist verschwunden«, antwortete Finch, ohne den Blick von den Bildschirmen abzuwenden. »Der Raum ist im weiten Umkreis leer.«

»… und wir leben noch!«, sagte Kincaid erleichtert.

Der Captain ging nicht darauf ein. »Was wollten der oder die Fremden von uns?«, fragte er. »Wer greift einen Frachter an, nur um anschließend sang- und klanglos wieder zu verschwinden?«

»Wir sollten uns davor hüten, normale Maßstäbe anzulegen«, gab Swensson zu bedenken. »Ein Geisterschiff, dessen Besatzung wer weiß wie aussehen mag, lässt sich nicht mit Logik erfassen. Die Legenden berichten ohnehin sehr viel Ungereimtes.«

Über Bordrundruf trafen die ersten Anfragen ein, was eigentlich vorgefallen sei. Der Captain speiste alle mit wenigen nichtssagenden Worten ab.

Kurz darauf erfolgte der Hypersprung, mit dem sie die zweihundert Lichtjahre bis Omicron II binnen weniger Sekunden zu überwinden gedachten. Samuel Finch hatte den Kurs nach den bereits vorliegenden Daten programmiert und den Frachter bis auf die erforderliche Eintauchgeschwindigkeit beschleunigt.

Der brennende Schmerz der Entstofflichung und die Rematerialisation folgten unmittelbar aufeinander.

 

 

2.

 

Nicht Omicron, eines der relativ seltenen Doppelgestirne, sondern eine kleine, gelbe Sonne, als deren Begleiter drei Planeten auszumachen waren, leuchtete von den Bildschirmen herab.

»Fehltransition!«, konstatierte der Captain niedergeschlagen. »Wenn wir nicht rechtzeitig auf Omicron II eintreffen, werden wir unser blaues Wunder erleben.«

»Ich kann keinen Fehler in den Berechnungen finden«, seufzte Swensson nach einer Weile. »Der Kontrollstreifen ist ebenfalls in Ordnung. Die Kursdaten sind exakt.«

Finch winkte mürrisch ab. »Lass es gut sein. Wir haben keine Zeit, uns lange mit Fragen herumzuschlagen, die wir nicht beantworten können. Unsere Position …«

Ein Anruf aus dem Triebwerksraum unterbrach ihn. Das Gesicht von Wilson Kane erschien auf dem Monitor des Bordrundrufs. Der Techniker war sichtlich erregt.

»Was denkt ihr da oben euch eigentlich?«, platzte Kane heraus. »Ich soll den ganzen Schlamassel wieder in Ordnung bringen, was? Diesmal nicht. Ich sage dir, Sam, da ist nichts zu reparieren.«

»Der Reihe nach!«, bat der Captain. »Wovon redest du überhaupt?«

Der Techniker riss vor Überraschung der Mund und Augen auf. »Du bist gut. Erst fliegt ihr den Hyperantrieb in Klumpen, und dann will es keiner gewesen sein. Der Umwandler ist ein einziger riesiger Schrotthaufen. Wir können von Glück reden, dass er uns nicht um die Ohren geflogen ist, sonst wären wir …« Kane schnippte mit den Fingern.

Der Captain holte tief Luft. Schweiß perlte auf seiner Stirn. »Willst du ernsthaft behaupten, dass unser Antrieb nach einem Sprung von knapp zweihundert Lichtjahren Schrottwert hat?«

»Zweihundert?« Kane winkte heftig ab. »Du hast Nerven. Dreitausend – trifft die Sache weit eher. Ich halte es für ein Wunder, dass die MADELEINE den Gewaltakt überstanden hat.«

»Sag’ das noch einmal!« Finch hatte sich vornübergebeugt, die Ellenbogen auf seiner Konsole aufgestützt und das Gesicht in beiden Händen vergraben. So starrte er auf die Wiedergabe der Außenbeobachtung und den Monitor zugleich. »Besteht eine Gefahr für das Schiff?«

Wilson Kane schüttelte den Kopf. »Die Energiezufuhr ist komplett unterbrochen. An dem Aggregat kannst du dir nicht einmal mehr die Finger verbrennen.«

»Okay, dann komm rauf in die Zentrale.« Der Monitor erlosch und Finch wandte sich an den Ersten Offizier: »Steht unsere Position fest?«

»Ich fürchte, Wilson hat recht, wenn er von dreitausend Lichtjahren spricht«, antwortete der Erste tonlos. »Für diesen Sektor liegt keine Sternkarte vor. Wir befinden uns in unerforschtem Gebiet.«

»Wir haben hier eine Sonne vom G-Typ vor uns. Wie weit ist das nächste Sonnensystem entfernt?«

Swensson benötigte einige Minuten, um das festzustellen.

»Etwa vier bis fünf Lichtjahre …«

»Also derzeit unerreichbar für uns. Ebenso, wie wir mit unserer Funkanlage keine dreitausend Lichtjahre überbrücken können ‒ es sei denn, wir hätten drei Jahrtausende Zeit.« Finch ließ eine wüste Verwünschung folgen.

»Warten bringt noch weniger«, kommentierte Kincaid. »Es gibt zu viele weiße Flecke auf den Karten der Galaxis. Bis hier eines unserer Schiffe aufkreuzt, kann ein Menschenleben vergehen …«

Wilson Kane betrat die Zentrale. Sofort wandten sich die drei Männer dem Techniker zu. Kane reagierte mit einem Achselzucken darauf.

»In der Schwerelosigkeit ist eine Reparatur undenkbar, das wisst ihr«, sagte er. »Zudem fehlen einige Ersatzteile, die wir in mühevoller Kleinarbeit erst selbst herstellen müssen. Jeder weiß doch, wie es um unseren Kahn steht.«

»Also bleibt uns keine Wahl«, stellte Finch fest. »Hoffentlich bietet einer der drei Planeten günstige Bedingungen. ‒ Welche Metalle benötigen wir für die Ersatzteile?«

 

*

Nach fünf Stunden Flugzeit ‒ wenigstens der Normalantrieb rechtfertigte die in ihn gesetzten Erwartungen ‒ passierte die MADELEINE die sonnennächste Welt, einen stark abgeplatteten, zerfurchten Kleinplaneten. Mangels eigener Rotation herrschte auf der sonnenabgewandten Seite eisige Nacht, während die Fernthermometer auf der anderen Hälfte Temperaturen bis zu fünfhundert Grad Celsius anmaßen.

»Ungeeignet«, sagte Swensson bedauernd. »Wer kann sich schon für Seen aus geschmolzenem Blei begeistern?«

Planet Nummer zwei zeigte sich kaum besser. Wegen der fehlenden Lufthülle war er für eine Landung denkbar ungeeignet. Die MADELEINE raste mittlerweile mit nahezu fünfzigtausend Kilometern in der Sekunde durch das Sonnensystem und musste bereits auf Gegenschub gehen.

Schließlich näherte sich der Frachter dem dritten und äußersten Planeten.

»Zwölftausend Kilometer Äquatordurchmesser!«, meldete Swensson. »Die Schwerkraft beträgt null Komma neun fünf Gravos. Stark ausgeprägte Polkappen. Nahezu die gesamte Oberfläche liegt unter dichten Wolkenfeldern verborgen.«

Knapp zwanzigtausend Kilometer über dem Planeten schwenkte die MADELEINE in einen Orbit ein.

»Sauerstoff, Stickstoff, Edelgase!« Vor Begeisterung platzte Swensson lauthals heraus. »Die Atmosphäre ist für uns atembar ‒ hört ihr?«

Die Welt, die sich nun langsam unter ihnen drehte, schien unbewohnt. Falls sie intelligentes Leben hervorgebracht hatte, stand es bestenfalls auf einer vor-technischen Entwicklungsstufe. Die Antennen des Frachters fingen nicht die einfachsten Funksignale auf.

Wo die Wolkendecke aufriss, wurde für kurze Zeit erkennbar, was sie sonst schamhaft verborgen hielt: die tiefblauen Wogen eines Ozeans und die schmutzig braune Vegetation weiter Landstriche.

Der Landeflug erfolgte nur mithilfe des Antigravs. In knapp acht Kilometern Höhe tauchte die MADELEINE in die ersten dichten Wolkenbänke ein. Ringsum tobte ein Chaos aus Blitzen und dröhnenden Donnerschlägen. Faustgroßer Hagel prasselte gegen das Schiff.

Obwohl die Morgendämmerung über diesem Bereich des Planeten schon einige Stunden zurücklag, herrschte finsterste Nacht. Captain Finch flog den Frachter ohne Sicht. Unaufhörlich zerrte und rüttelte der Sturm an der MADELEINE, als wolle er sie vom Kurs abbringen.

Dann ‒ Bodenkontakt.

Ein letztes Knistern und Knacken, mit dem Spanten und Verstrebungen zur Ruhe kamen, ein leichtes Nachfedern der mächtigen Landebeine. Das Dröhnen des Antigravs brach unvermittelt ab.

Minuten später begann der Orkan abzuflauen. Es dauerte nicht lange, dann verklang das Donnergrollen in der Ferne. Am östlichen Horizont durchbrachen vereinzelte Lichtfinger das Schwarz der Wolken. Keine zehn Minuten später schien für kurze Zeit die Sonne.

 

*

Eine weite Steppe erstreckte sich bis an den Horizont. Das Land war so gleichmäßig eben, dass es eigentlich nur während einer Eiszeit entstanden sein konnte. In der Nähe der MADELEINE plätscherte ein weit mäandernder Fluss gemächlich dahin.

Etwa zehn Kilometer südlich erhob sich eine bewaldete Hügelkette aus der Ebene. Nicht besonders hoch, aber den Messungen zufolge reich an Bodenschätzen.

»Wir sehen uns die Sache aus der Nähe an«, entschied der Captain. »Je eher wir dieser Welt ade sagen können, desto besser.« Er wandte sich an Swensson: »Jack, du bleibst an Bord. Bis zu unserer Rückkehr sollte alles vorbereitet sein; vielleicht können wir schon morgen oder übermorgen mit der eigentlichen Arbeit beginnen. Ach ja ‒ und setze alles daran, herauszufinden, was für unseren Fehlsprung verantwortlich war. Das lässt mir keine Ruhe.«

Eine Viertelstunde später verließen der Captain, Dave Quinger und der Lagerist Walter Küber die MADELEINE durch die Heckschleuse. Sie führten einen hochmodernen Bodentaster mit sich, der Probebohrungen bis zu fünfzig Metern Tiefe ermöglichte. Zu ihrem Selbstschutz trugen sie die üblichen handlichen Laserpistolen. Auch wenn es unnötig erschien, die generellen Vorschriften für Raumfahrer enthielten in der Hinsicht eindeutige Passagen.

Es war eine lautlose Landschaft, die sie auf ihren Antigravkissen überflogen. Eine in Reglosigkeit erstarrte Natur.

»Es ist seltsam hier«, kommentierte Quinger. »Eine unwirkliche Welt. Ich vermisse Insekten, Vögel und überhaupt …«

»Sei froh, dass wir uns nicht mit einer bedrohlichen Tierwelt herumschlagen müssen«, fiel der Captain dem Funker ins Wort. »So friedvoll ist es mir bedeutend lieber. Im Übrigen werden wir gleich die nötigen Messungen vornehmen. Schon um die Daten zu präzisieren, die wir vom Schiff aus bekommen haben.«

Sie landeten auf einem sanft ansteigenden Hang, rund hundert Meter über dem Niveau der Ebene. Vor ihnen begann ein dichter werdender Wald.

Bereits die ersten detaillierten Analysen bestätigten größere Erzvorkommen. Sie begannen in einer Tiefe von etwa dreißig Metern und setzten sich weit in die Kruste des Planeten hinein fort.

Eine Probebohrung wurde niedergebracht. Mühelos fraß sich der wenige Zentimeter dicke Desintegratorstrahl in den Untergrund. Allerdings kam er schon nach wenigen Minuten zum Stillstand. Der stete Strom ihrer molekularen Bindungen beraubter Materie versiegte jäh. Daran änderte sich auch nichts, als der Captain die Energieleistung erhöhte und den Durchmesser des Bohrstrahls vergrößerte.

»Unmöglich.« Kopfschüttelnd schaltete Finch das Gerät ab. »Es gibt nicht viel, was einem Desintegrator widerstehen kann.«

»Metatol«, sagte Quinger. »Vor allem das künstliche Metall hat diese Widerstandskraft. Gerade deshalb und wegen seines geringen spezifischen Gewichts findet es im modernen Raumschiffsbau Verwendung.«

Wer das langwierige, technisch aufwändige Herstellungsverfahren von Metatol kannte, dem musste sich eine Frage geradezu aufdrängen: Wie kam das Kunstmetall, das der Menschheit erst seit wenigen Jahren bekannt war, unter die Oberfläche einer offenbar unbewohnten Welt?

»Es kann dort seit Jahrtausenden liegen«, überlegte Dave Quinger.

»Das Wrack eines abgestürzten Raumschiffs?«, fragte der Captain. Er stutzte, weil Quinger auf eine einzelne Baumgruppe zuging. »Dave, was hast du vor?«

Quinger hielt nur kurz inne und sah sich um. »Ich ‒ weiß nicht recht.« Er wirkte nervös. »Ich habe den Eindruck, wir werden seit einigen Minuten beobachtet.«

»Hier ist niemand außer uns.« Finch winkte ab, doch wie er das tat, indem er sich halb um die eigene Achse drehte, verriet seine eigene Unsicherheit. Nach wie vor war alles ruhig ‒ zu ruhig, wie er mit einem Mal fand.

»Zurück zur MADELEINE?«, fragte Küber.

Dave Quinger stieß einen unterdrückten Schrei aus. Seine Rechte hatte er ohnehin schon nahe an der Laserpistole gehalten, nun riss er die Waffe vom Magnetholster und löste sie aus.

Fauchend entlud sich der Strahlschuss. Dreißig Meter entfernt ließ die gebündelte Energie einen umgestürzten Baum aufglühen. Das feuchte Holz bot den aufzuckenden Flammen aber wenig Nahrung.

Zweimal hintereinander betätigte Quinger den Auslöser. Die zweite Schussbahn lag etwas weiter links. Für den Bruchteil einer Sekunde traf der Laserstrahl auf ein bisher unsichtbares Hindernis, floss daran auseinander und zeichnete dessen Konturen nach. Die Umrisse schienen einer menschlichen Gestalt zu gehören.

Gleichzeitig rissen auch der Captain und Walter Küber ihre Waffen hoch.

»Also doch!«, stöhnte Quinger. »Jemand verfolgt uns, womöglich schon seit wir das Schiff verlassen haben. Es war nicht mehr als ein Zufall, dass ich dieses Wesen, oder was immer es sein mag, bemerkte.«

»Wir sind also nicht allein hier«, bestätigte Finch. »Wer immer das ist, sein Versteckspiel lässt nicht das Beste ahnen. Gut, wenn es so sein muss: Wir schießen, sobald etwas verdächtig erscheint. Fragen stellen wir hinterher.«

Der Captain hielt seinen Laser schussbereit und griff mit der linken Hand nach dem Bodentaster. Gemeinsam mit Küber hob er das Gerät an.

»Wir gehen zurück«, entschied er.

Der Erste Offizier meldete sich Sekunden später über Funk: »Wir haben Laserschüsse angemessen. Was ist bei euch los?«

»Eine Begegnung mit etwas Unsichtbarem«, antwortete Finch. »Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ist bei euch alles ruhig?«

»Keinerlei Vorfälle.« Jack Swensson klang überrascht. »Soll ich den Schutzschirm aufbauen?«

Finch entschied sich dagegen. Der Energieverlust, den ein aktives Prallfeld für die MADELEINE bedeuten würde, eben weil der Umwandler ausgefallen war, erschien ihm zu hoch.

»In Ordnung«, bestätigte Swensson. »Und das Wichtigste: Wir haben die Ursache unseres Fehlsprungs herausgefunden. ‒ Jemand hat am Bordrechner herumgespielt!«

Weil der Captain nicht sofort darauf reagierte, fuhr der Erste Offizier fort: »Die Zielkoordinaten wurden für dieses Sonnensystem programmiert. Wer immer uns das eingebrockt hat, ist dabei äußerst geschickt vorgegangen. Eine Rückkopplung löschte alle zu einem späteren Zeitpunkt eingegebenen Werte, aber erst, nachdem diese auf dem Kontrollstreifen ausgedruckt worden waren. Einen raffinierteren Trick kann ich mir kaum vorstellen.«

Der Captain und seine beiden Begleiter sahen einander erschrocken an.

»Wer könnte die Programmierung ausgeführt haben?«, fragte Finch.

Swensson hatte sich die Frage schon gestellt, denn er antwortete ohne zu zögern: »Außer uns beiden vielleicht Wilson. Jeder andere müsste spätestens an der Überbrückungsschaltung scheitern.«

Der Captain rieb sich das Kinn. »Ich war es nicht, du sicher auch nicht, und Wilson …?«

»Für ihn lege ich meine Hand ins Feuer«, antwortete der Erste Offizier.

»Ich bin ganz deiner Meinung.« Der Captain seufzte. »Also, was bleibt? Kann der Rechner während unseres letzten Aufenthalts frisiert worden sein? Ich meine, Universe-City ist ein heißes Pflaster.«

»Ausgeschlossen!«, wehrte Swensson ab. »Die falsche Programmierung muss zeitnah vor dem letzten Hypersprung erfolgt sein, also erst nach unserem Orientierungsaustritt. Andernfalls wären wir nie im Debair-Sektor angekommen. Ich kann mir auch nicht vorstellen …« Mitten im Satz brach die Verbindung ab.

»Jack!«, rief Finch in böser Vorahnung. »Jack, was ist los?«

Swensson antwortete nicht.

Augenblicke später wussten der Captain und seine Begleiter, was geschehen war. Die MADELEINE war verschwunden!

 

 

3.