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Er bezahlte für ihren Körper, doch sie schenkte ihm ihr Herz. Die Männer im Dorf nennen ihn den »abscheulichen Ivanov«, die Frauen bezeichnen ihn als »russischen Keiler«. Allein die junge Allison bemerkt die feine Eleganz in den Bewegungen des großen, kräftigen Russen und lässt sich davon faszinieren. Erst als sie gezwungen ist, das Bett mit ihm zu teilen, zeigt er sich von einer gänzlich anderen Seite. Was steckt hinter seiner kalten, distanzierten Fassade? Wird es Allison gelingen, mit Verlangen und Zuneigung seinen Schutzwall zum Einsturz zu bringen?
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Veröffentlichungsjahr: 2025
REBECCA LAINEY
Das geschundene Herz des Gentleman
Impressum
Urheberrecht und Copyright by Rebecca Lainey
Erstausgabe Oktober 2019
Bildrechte:Fotografie: Lisa ReckliesInstagram: @lisarecklies oder @lisa_recklies_fantasyModell auf Instagram: @souli_cosplay
Inhalt
Impressum
Inhalt
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Epilog
Leseprobe
Kapitel 1
Allison musste ein Gähnen unterdrücken. Der Vollmond leuchtete so grell herein, dass er gar den Schein der Kerzenleuchter übertrumpfte. Die Zeiger der großen Uhr über dem Kamin bewegten sich auf Mitternacht zu. Nur fünf Männer saßen noch in einer Gruppe beisammen, spielten Karten und genossen ihr Bier, nachdem sie sich an einer der Huren abreagiert hatten, wie Molly dazu sagte. Nicht wenige der Frauen trugen blaue Flecken oder schlimmere Blessuren davon. Manchmal. Nicht immer.
Auch sie kannte die Grobheit der Freier, obwohl sie noch keinen in ihrem Körper hatte erdulden müssen. Ihr Gesäß schmerzte von den Männerhänden, die sie zwickten oder derbe schlugen, wenn sie sich mit den Krügen zwischen den eng gestellten Tischen vorbeizwängte.
Der abscheuliche Ivanov, wie die Männer ihn nannten, saß alleine am Fenster vor seinem dritten Krug. Er verweilte noch nicht lange im Dorf und doch könnte sein Ruf nicht schlechter sein. Der war ihm gewissermaßen vorausgeeilt. Man erzählte, er habe in seiner Heimat Unschuldige getötet und sei nach England geflohen, um sich einer Horde Piraten anzuschließen. Er war tatsächlich mit einem Schiff gekommen, hatte es aber nicht wieder bestiegen, als es vor drei Monaten erneut ablegte. Stattdessen hatte er sich ein Häuschen am Hafen gemietet und hielt sich die meiste Zeit über darin versteckt. Niemand wusste, womit er sein Geld verdiente oder wie er es sich leisten konnte, keiner Arbeit nachzugehen.
Molly behauptete, das interessiere sie kein bisschen, solange er bezahlen kann, was er versäuft. Dabei war sie es, die das Maul am weitesten aufriss, wenn es darum ging, hinter Ivanovs Rücken über ihn zu reden. Die Frauen bezeichneten ihn als Wildschwein oder »russischen Keiler«. Er war ungewöhnlich groß und ebenso ungewöhnlich übergewichtig. Er war so schwer, dass Molly ihm einen verstärkten Stuhl gebracht hatte. Der stand nun an Ivanovs Stammplatz. Kein anderer Mann aus dem Dorf setzte sich je an diesen Tisch oder auf diesen Stuhl.
Ivanovs Alter ließ sich schwer schätzen. Ein dichter, dunkelbrauner Vollbart verdeckte sein halbes Gesicht und sein wirres, kinnlanges Haar bemühte sich, auch die andere Hälfte zu verbergen.
Das Seltsamste an ihm war die merkwürdige Eleganz, die er trotz seines wilden Aussehens ausstrahlte. Er bewegte sich in einer Feinheit, die sie einem Mann nicht zugetraut hätte und die sie faszinierte. So sehr, dass ihr ein angenehmer Schauer den Rücken hinablief, sobald er zu seltenen Gelegenheiten ihren Blick erwiderte, wenn sie ihm sein Bier brachte.
An diesem Abend wirkte er jedoch anders als sonst. Unruhig und ungeduldig. Als würde er auf etwas warten, das für seinen Geschmack nicht schnell genug eintrat. Die wuchtigen Finger seiner Rechten trommelten auf die Tischplatte und seine Miene war noch grimmiger als für gewöhnlich.
Allison hoffte in ihrer Müdigkeit darauf, dass Molly bald die Sperrstunde einläuten würde. Doch die dicke Wirtin und Kupplerin summte gelassen vor sich hin, während sie die schweren Steinkrüge wusch und sie anschließend Allison zum Abtrocknen reichte.
In einer dunklen Ecke hatte Lizzie den alten Hamlish so weit, dass er sich von ihr in die Höhe ziehen und auf eines der Zimmer führen ließ. Sein schwacher Protest drang an Allisons Ohren und Lizzie zwinkerte ihr zu, ehe sie die Augen verdrehte.
Mrs. Hamlish war für ein paar Wochen zu ihrer Schwester gefahren und um sich die einsamen Abende zu vertreiben, ließ ihr Ehegatte sich von Lizzie verführen.
Zugleich erhoben sich die Kartenspieler, warfen ihre Münzen auf den Tisch und gleich darauf die Tür hinter sich in die Angeln. Ivanov war der Einzige, der übrig blieb. Er deutete Molly. Die trocknete seufzend ihre Hände an Allisons Schürze ab, weil sie ihre eigene bereits abgelegt hatte, und machte sich auf den Weg.
Allison klammerte sich an den Krug, den sie in den Fingern hielt und versuchte, zu lauschen. Trotz ihrer Bemühungen verstand sie kein Wort. Da Molly mit dem Rücken zu ihr stand und Ivanov verdeckte, konnte sie nichts an deren Mienenspiel ablesen. Für ein einfaches Bezahlen seiner Biere dauerte die Konversation zu lange.
Schließlich nickte Molly und drehte sich um. Mit dem Blick fixierte sie Allison und als sie hinter der Theke ankam, nahm sie sie bei der Schulter. »Er will dich haben. Geh in dein Schlafzimmer.«
Vor Schreck glitt Allison der Krug aus der Hand. Sie konnte ihn gerade noch auffangen, ehe er an der Thekenkante aufschlug. »Was?«
»Du hast mich gehört, Mädchen. Tu, was ich dir sage.«
»Aber du hast versprochen, ich müsste noch nicht ... ich bräuchte nicht so bald ... meinen Körper verkaufen.«
»Der Keiler hat mir gutes Geld geboten. Sehr gutes Geld, um Himmels willen, ich frage mich, woher er das hat.« Sie schüttelte den Kopf und saugte an ihrer Unterlippe, wie sie es immer tat, wenn sie nachdachte. »Jedenfalls hat er ausdrücklich nach dir verlangt.«
Heißes Nass sammelte sich in Allisons Augen, obwohl sie nicht genau wusste, weshalb. Ein flüchtiger Seitenblick ließ sie erkennen, dass Ivanov aus dem Fenster starrte. »Molly, bitte. Ich fühle mich heute gar nicht danach.«
»Ally, ich meine es gut mit dir und habe dich geschont, so lange es ging. Aber bei solchen Summen hört alle Liebe auf. Wir müssen kämpfen, um uns über Wasser zu halten. Wir alle. Du bildest keine Ausnahme.«
»Aber ...«
»Hör mal, Kindchen. Der fette Widerling zahlt für dich. Sogar mehr als üblich, um dich die nächste Zeit für sich allein zu haben. Viele von den Mädchen würden sich das wünschen. Nur einem einzigen Kerl das Bett zu wärmen. Also sei dankbar und geh.« Als Allison sich nicht sofort in Bewegung setzte, legte sich Mollys hohe Stirn in Falten. »Wenn du nicht gehorchst, kannst du dir noch heute Nacht eine andere Bleibe suchen.« Unter dem hellen Damenbärtchen wurden ihre Lippen schmal.
Allisons Herz raste. Ein Rauswurf würde ihren Untergang bedeuten, denn sie wusste nicht, wohin, und hatte keine Fähigkeiten erlernt, um einen ordentlichen Beruf auszuüben. Alle Bauern der Gegend hatten sie als Magd abgelehnt und da sie in Mollys Bar arbeitete, hatte sie sich jegliche Chance auf ein anständiges Leben verbaut. Sie war ein gefallenes Mädchen.
Mit weichen Knien ging sie auf ihr Zimmer. Der Flur kam ihr besonders dunkel und eng vor. Sie ließ die Tür hinter sich offen und setzte sich auf das breite Bett mit den Pfosten und dem Himmel aus hellem Stoff, den sie so liebte. Was für ein Glück sie doch gehabt hatte, nach dem Tod ihrer Eltern bei Molly ein sicheres Zuhause zu finden. Was für ein Glück.
Schwere Schritten näherten sich. Ivanovs Gewicht ließ die Bodendielen knarren und jaulen. Eine Träne perlte über Allisons Wange, doch sie wischte sie fort. Lizzie sagte, dass ein Mann, der für Sex bezahlte, sich nicht um die Bedürfnisse oder den Schmerz einer Frau kümmerte. Er gab Geld für eine Dienstleistung aus. Für eine Ware. Sie sagte auch, dass ein Mann ohnehin niemals so schöne Gefühle da unten hervorrufen konnte, wie eine Frau sie sich selbst zu bereiten wusste, aber die Freier seien die Allerschlimmsten.
Ivanov kam herein. Sie schluckte, um ihre ausgetrocknete Kehle zu befeuchten, doch es fühlte sich an, als würde sie Sand hinunterwürgen. Die Tür ging zu und er drehte den Schlüssel im Schloss. Allison erschauderte. Sie war ihm ausgeliefert.
Das hatte sie nicht von ihm gedacht. Dass er zu jenen Männern gehörte, die für Körperlichkeiten bezahlte. Sie hatte ihn anders eingeschätzt.
Weil sie sich nicht dazu überwinden konnte, ihn anzusehen, hielt sie den Kopf gesenkt. Sie konnte seinen Atem hören. Er ging wie immer zu laut.
Anstatt zu ihr zu kommen, ging er an der Kommode vorbei und verbarg sich in den Schatten einer Zimmerecke. »Zieh dein Kleid hinunter«, befahl er leise.
Allison hatte noch nie seine Stimme gehört. Sie war tief, dunkel und besaß kaum Akzent, obwohl sie einen solchen erwartet hatte.
»Mein Kleid?«, fragte sie dümmlich.
»Ich will deine Brüste sehen.«
Wieder bemühte sie sich, etwas Speichel zu sammeln, um zu schlucken. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Gehorsam zog sie die Ärmel von ihren Armen und schob sich das Kleid bis zur Taille hinab. Sie schämte sich für ihre Bloßheit, obwohl sie nicht prüde war. Doch der Umstand, dass Ivanov dafür bezahlte, gab allem einen bitteren Beigeschmack. Ihre Brustspitzen wurden fest, weil sie fröstelte.
»Mach die Augen zu«, wies Ivanov sie grimmig an. »Wenn du sie aufmachst, bevor ich es erlaube, brech ich dir das Genick mit bloßen Händen.«
Allison zuckte ob der Heftigkeit seiner Worte zurück. Das, was er sagte, passte nicht zu dem feinen Herrn, den sie in unbeobachteten Momenten gerne betrachtete. Dennoch hegte sie keinen Zweifel daran, dass er dazu fähig wäre, ihr den Kragen umzudrehen. Sie nickte und presste die Lider fest aufeinander. Würde er gleich aus den Schatten treten und sie anfassen, sie in Besitz nehmen? Wie gewaltsam würde er dabei vorgehen?
Sie hörte, wie er den Gürtel öffnete. Der Stoff seiner Beinkleider raschelte, doch soweit sie vernehmen konnte, zog er sie nicht gänzlich aus.
Die Finsternis, die sie umfing, machte es nur schlimmer. Nicht zu wissen, was als Nächstes passieren würde, befeuerte das Gefühl der Hilflosigkeit. Wenn sie schon seinem Willen unterworfen war, wollte sie sich zumindest auf das einstellen können, was er mit ihr tat.
Er tat einen Schritt in ihre Richtung und sie spürte einen Luftzug. Instinktiv riss sie die Augen auf und wich mit einem Ruck zurück.
Ivanov zuckte zusammen und zog sich so eilig in die Dunkelheit zurück, dass er mit dem Rücken geräuschvoll gegen den Schrank stieß. »Du sollst die Augen zulassen, verdammt!«, brüllte er und fluchte in seiner Muttersprache, was besonders derb klang.
»Es tut mir leid«, wisperte sie atemlos und schloss die Augen erneut. Ihre Schultern drängten sich von selbst nach oben und sie verdeckte mit den Armen ihre Brüste, obwohl sie sich davon abzuhalten versuchte. Ihre Lippen bebten. Es fühlte sich alles schrecklich falsch an.
»Du machst die Augen nicht mehr auf, ist das klar?« Ivanov klang wie ein knurrender Wolf, der seine Beute einzuschüchtern versuchte. Es wirkte.
Allison nickte, doch es genügte ihm nicht.
»Sag es!«, fuhr er sie an.
»Ich mache die Augen nicht auf, bis Ihr es erlaubt«, schwor sie in einem Flüstern und hoffte inständig, sich beherrschen zu können. Sie leckte sich die trockenen Lippen.
Ivanov stöhnte kaum hörbar. Es klang, als würde er seine Männlichkeit mit der Hand bearbeiten. Durch ihre Verwirrung hindurch begriff sie, dass er offenbar nicht vorhatte, sie zu berühren.
»Lass die Augen zu«, erinnerte er sie mit gepresster Stimme und sie nickte heftig.
Er machte wieder einen Schritt auf sie zu.
Der erste Schock über die merkwürdige Situation legte sich und machte der Neugier Platz. Wie sah es aus, wenn ein Mann sich selbst befriedigte? Ruhte sein Blick dabei auf ihren Brüsten? Unwillkürlich nahm sie die Arme runter, um ihm nichts vorzuenthalten.
Ivanov gab erneut ein Geräusch von sich. Irgendetwas zwischen einem Seufzen und einem frustrierten Brummen. »Lass die Augen zu«, befahl er abermals.
Allison reagierte nicht darauf. Sie hatte die Lider doch fest geschlossen, was ihm nicht entgehen konnte, wenn er kurz ihr Gesicht prüfte.
»Du machst die Augen nicht auf, verstanden?« Er klang schrecklich verbittert.
»Tu ich nicht«, versicherte sie ihm.
Ivanov wurde hörbar ungeduldig, mühte sich mit seiner Männlichkeit ab, aber irgendetwas schien nicht so zu laufen, wie er sich das vorstellte. Warum durfte sie ihn nicht ansehen? Weshalb bereitete es ihm solche Sorgen, ob sie die Augen aufmachte oder nicht? Könnte ihm das nicht gleichgültig sein?
Einige Minuten verstrichen, schließlich beendete er die Sache mit einem Knurren, obwohl er keine Erleichterung gefunden hatte.
»Du redest mit niemandem über mich, hast du gehört, Weib?! Sollte ich erfahren, dass du es doch getan hast, komm ich und reiß dir die Zunge raus.«
Allison konnte nicht antworten, da er den Raum verließ und die Tür mit solcher Wucht zuknallte, dass sie aus dem Rahmen zu fallen drohte. Zögerlich öffnete sie die Augen. Sie war allein. Langsam hüllte sie sich in ihr Kleid und stand auf. Beinahe wäre sie gestürzt, weil ihre Beine unter ihr nachgaben. Die Vorhänge waren vorgezogen. Nach ein paar Herzschlägen schob sie einen davon beiseite.
Der Mond beschien Ivanovs massige Gestalt, während er sich entfernte. An seiner Seite befand sich der riesige, bärenartige Hund, der stets vor der Tür auf ihn wartete, wenn er sein abendliches Bier trank. Das Tier hatte einen wuchtigen Kopf und enorm viel Fell in den Farben Creme und Grau. Es ähnelte seinem Herrn. Die Leute hatten auch mindestens genauso viel Angst vor dem Hund wie vor Ivanov.
Die Tür ging auf und Allison ließ den Stoff an seinen Platz zurückschnellen, weil sie sich ertappt fühlte. Molly musterte sie neugierig und mit einer Miene, als würde sie ihre Ware prüfen. »Das ging schnell. Hat er dich zur Frau gemacht?«
Allison schüttelte den Kopf.
»Er wirkte grimmiger als vorher. So sollte das nicht laufen, Mädchen. Wenn ein Mann sich erleichtert hat, hebt sich für gewöhnlich seine Stimmung. Hast du ihn unzufrieden gemacht?«
»Ich habe genau das getan, was er verlangt hat.«
»Gut. Gib dir Mühe. Wie gesagt zahlt er viel.«
»Ja, Molly.«
»Ich weiß, dass du wütend auf mich bist, Kind. Ich weiß auch, dass der Keiler ein besonders ekelhafter Vertreter seiner Art ist, aber es ist nun mal Geld.« Sie seufzte. »Er will dich morgen wiedersehen, hat sogar eine volle Woche im Voraus bezahlt, aber die Leute sollen nicht wissen, dass er zu dir kommt. Das wollen weder er noch ich. Noch du. Du machst ihm also um elf Uhr die Hintertür auf und nimmst ihn mit auf dein Zimmer. Wenn er mit dir fertig ist, kommst du in den Schankraum zurück. Verstanden?«
»Ja, Molly«, wiederholte Allison gehorsam.
»Hier ist dein Anteil.« Ein mickriger Penny landete auf der Kommode.
Als die Kupplerin gegangen war, betrachtete Allison die Münze, drehte sie zwischen den Fingern und ging hinüber zum Bett, um das Geldstück in der Börse unter ihrer Matratze zu verstauen. Das kleine Ding aus Leder begrüßte sie mit gähnender Leere.
Kapitel 2
»Wird Ivanov heute wieder zu dir kommen?«, fragte Lizzie, als sie nebeneinander an der Schank standen und Bier für ein paar neu angelegte Seemänner zapften.
»Ja«, erwiderter Allison heiser und wollte sich der Freundin endlich anvertrauen, doch Ivanovs Drohung hallte ihr in den Ohren. Da sie an ihrer Zunge hing, verbot sie sich, mit Lizzie darüber zu sprechen, was passiert oder eben nicht passiert war. Gewiss wüsste sie jedoch einen Rat.
Lizzie bemerkte, dass etwas nicht stimmte. »Du wirkst bedrückt. Er hat dir aber nicht wehgetan, oder? Molly hat nichts dazu gesagt.«
»Nein, hat er nicht.« Auch wenn er damit gedroht hatte, glaubte sie nicht, dass er ihr wehtun würde. So war er nicht. Andererseits kannte sie ihn nicht wirklich.
»Gut für ihn. Sonst müsste ich ihn abstechen wie ein Schwein.«
»Wie einen Keiler, meinst du«, mischte sich Helen ein und nahm einen Schluck Wasser, bevor sie dem Schmied winkte, mit dem sie auf dem Zimmer gewesen war. »Sag, Ally, grunzt er im Bett wie einer? Wie ein Keiler, der eine Sau rammelt?«
Allison fühlte einen imaginären Stich ins Herz, der sehr real schmerzte, und Lizzie stieß empört Luft aus. »Halt's Maul, Helen. Sie ist doch keine Sau!«
»Aber er«, erwiderte Helen ungerührt. »Na los, erzähl ein bisschen.«
»Ich erzähl gar nichts«, murmelte Allison. Die Unterhaltung war ihr unangenehm und verursachte ihr ein Drücken im leeren Magen.
»Hast recht. Ich würde auch vergessen wollen, wenn sich so ein fettes, stinkendes Wildschwein mit mir in den Laken wälzt.« Helen zuckte mit den Schultern und spazierte davon, um einen einsamen Herrn zu bezirzen.
Lizzie rempelte Allison mit dem Ellbogen an. »Hör nicht auf die dumme Kuh. Die hat doch keine Ahnung von irgendwas.«
Dann kam auch noch Rosie dazu, die ihr blondes Haar wie einen Pelzmantel trug und auch auf diese Weise hegte und pflegte. »Genau, Allison. Du bist keine Sau. Du kannst ja nichts dafür, dass er sich ausgerechnet dich ausgesucht hat.«
»Ich möchte nicht darüber reden«, wiederholte Allison.
Rosie ließ das Thema jedoch nicht auf sich beruhen. »Ich würde ihn dir ja abnehmen, wenn er nicht so verdammt abstoßend wäre.«
Allison setzte zu einer wutentbrannten Erwiderung an, die Rosie nicht gefallen hätte, doch Lizzie kam ihr dazwischen: »Außerdem will er nur Allison. Hat Molly selbst gesagt. Sie oder keine. Jetzt verschwinde.«
Mit herausgestreckter Zunge und einer dämlichen Grimasse machte sich Rosie in eines der Zimmer davon.
»Warum hast du mich nicht sprechen lassen?«, forderte Allison zu wissen.
»Muss ja keiner wissen, Ally. Du hörst doch, wie sie reden. Das musst du dir nicht antun, wenn es nicht zwingend nötig ist.«
»Was muss keiner wissen?«
Daraufhin lachte Lizzie herzhaft. »Na, wenn du's selbst noch nicht mal weißt!«
Plötzlich tauchte Molly auf und beendete das Gespräch mit einem Klaps auf Allisons Po. »Du hast die Uhr im Blick, Mädchen? Geh dich frisch machen. Reicht ja, wenn mir der Fette die Laken vollschwitzt.«
Lizzie beugte sich vor und küsste Allison die Stirn, bevor sie sich der Arbeit widmete. Ihr rotes Haar schimmerte im Kerzenschein wie flüssiges Feuer und Allison griff sich in die eigenen Strähnen, von denen sie wünschte, sie hätten eine derart aufregende Farbe und solch betörenden Glanz.
Sie brachte die letzten Krüge zu den Trinkern und verschwand dann still und heimlich, um Mollys Befehl Folge zu leisten. Sie wusch sich das Gesicht in der Waschschüssel. Das Wasser kristallisierte fast zu Eis vor Kälte, doch der feine Duft nach Lavendel machte es erträglich. Zur Sicherheit fuhr sie mit dem Lappen flüchtig zwischen ihre Beine, auch wenn ihr der Gedanke, Ivanov könnte mehr Intimität verlangen, ein klein wenig Furcht einjagte.
Ein paar Bürstenstriche durch ihr Haar mussten genügen. Mit heftig klopfendem Herzen ging sie um kurz vor elf zur Hintertür. Sie drückte die Klinke hinunter, erwartete jedoch nicht, dass Ivanov bereits hier war. So wurde sie von seinem Anblick überrascht und hätte beinahe geschrien. Sie konnte sich gerade noch beherrschen und zuckte geräuschlos zusammen.
Ivanov sah ihr nicht in die Augen, stattdessen glitt sein Blick knapp über ihrem Scheitel über sie hinweg. Sein Hund lag ein paar Schritte weiter hinten im Gras und hatte den Kopf gehoben, um sie zu mustern. Seine Zunge hing ihm aus dem Maul. Allison wollte Ivanov Wasser für sein Tier anbieten, brachte aber kein Wort hervor. Stattdessen ließ sie den Mann ein, der sich bücken musste, um sich nicht den Kopf am Türsturz anzuschlagen.
Schweigend folgte er ihr in ihr Gemach. Sie machte die Tür zu und hatte bereits das Bett im Blick, da wandte sie sich erneut um. Es wäre klüger, abzuschließen.
Offenbar hatte Ivanov denselben Gedanken gehabt und so stießen sie vor der Tür zusammen. Allison prallte keuchend gegen einen ausladenden Körper, dem sie bloß bis zur breiten Brust reichte. Ivanov zog sich hastig zurück und murmelte etwas auf Russisch, das sie nicht verstand. Während sie nun endlich den Schlüssel im Schloss drehte, bemerkte sie aus dem Augenwinkel, wie Ivanov verärgert den Kopf schüttelte und flüchtig über sein bärtiges Gesicht wischte.
Allison wollte sich entschuldigen, doch sie hatte mit ihrer Irritierung zu kämpfen. »Ihr riecht gut«, murmelte sie erstaunt. »Ist das ein Duft aus Eurer Heimat?«
Ivanov wandte sich ruckartig zu ihr um und nestelte an seinem Hemdkragen, als hätte er Angst, dieser würde ihn strangulieren. Er nickte nur. Sein Blick huschte unruhig umher, begegnete dabei jedoch nie dem ihren.
»Mir kam heute Morgen eine Idee«, sagte sie und wünschte, sie könnte ihre Stimme zu mehr als einem schüchternen Flüstern überreden. »Wenn Ihr möchtet, kann ich mir das umbinden.« Sie griff nach dem Streifen aus schwarzem Samt, der übriggeblieben war, als Lizzie sich ein Cape genäht hatte. »Dann müsst Ihr Euch keine Gedanken darüber machen, ob ich die Augen auch wirklich geschlossen halte. Außer Ihr legt heute keinen Wert mehr darauf.«
Ivanovs Miene ließ sich nicht deuten, aber schließlich nickte er. »Doch.«
*
Stumm beobachtete er, wie sie sich den blickdichten Stoff umlegte. Kaum konnte sie nichts mehr sehen, verstärkte sich das Zittern ihres Körpers. Sie fürchtete sich vor ihm. Natürlich tat sie das. Er hatte ihr letzte Nacht schon sagen wollen, dass sie ihn nicht zu scheuen brauchte. Er würde ihr nicht wehtun und er wollte nicht, dass sie Angst vor ihm hatte. Der Ekel, den sie wie alle anderen vor ihm empfand, war vernichtend genug.
Dann war ihm jedoch der Gedanke gekommen, dass ihre Angst die Abscheu vielleicht ein wenig zu überdecken wusste, und er hatte den Mund gehalten. Es war schändlich und sein Handeln widerte ihn an. Aber das machte kaum einen Unterschied, denn er widerte sich immer an.
Das kleine Kompliment zu seinem Parfüm hatte seinen Herzschlag durch die Decke gehen lassen und ihm die letzte Courage geraubt. Zu ihm hatte noch nie eine Frau etwas Nettes gesagt. Schon gar nicht eine von solch hinreißender Anmut.
Allison griff nach einem Bettpfosten, um sich trotz der Augenbinde orientieren zu können, und nahm auf der Matratze Platz. Sie war schön und ihre Bewegungen geschmeidig. Das Haar reichte ihr bis zur schmalen Taille und hatte die einzigartige Farbe von Kupfer mit Gold vermischt. Ihre Lippen wiesen einen außergewöhnlichen und verboten sinnlichen Schwung vor. Zudem erinnerten sie mit ihrem zarten Rosa an Kranichbeerenpastila, seine liebste Süßigkeit. Er würde vor Wonne vergehen, könnte er diese Lippen nur für eine Sekunde auf dem Mund spüren. Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen und er stieß Luft aus, weil der Gedanke an einen Kuss von ihr dermaßen lächerlich anmutete.
»Soll es wieder wie gestern Nacht sein?«, fragte sie in die Stille, in der er seinen eigenen Herzschlag hörte.
Er nickte zögerlich, begriff jedoch sofort, dass sie das nicht sehen konnte. »Ja«, brachte er mühsam hervor.
Als sie sich ihm offenbarte, leckte er sich die wulstigen Lippen, und musste einige Male schlucken, um nicht zu sabbern wie Evgeny.
Ihre Haut war blass und glatt, ihre Brüste groß und die Nippel rosig. Er stellte sich vor, sie in den Mund zu nehmen, daran zu saugen, sie mit der Zunge zu erforschen. Er wollte diese Brüste mit den Händen kneten, das Gesicht dazwischen versenken, gegen ihre warme Haut stöhnen, während Allison ihn berührte ...
Seine Männlichkeit drückte sich pochend gegen seine Hosen. Er befreite sie, nahm sich in die Hand und bewegte die Finger auf und ab. Seine Erregung ließ ihn beben.
Doch zugleich spürte er mit voller Wucht, wie widerlich es war, was er tat.
Und – das Schlimmste von allem – er sah, wie unwohl Allison sich fühlte. Wie ihre Stirn sich in Falten legte, wie dieser verspannte Zug sich um ihren Mund legte, wie sie nervös ihre Hände im Schoss knetete.
»Ihr könnt ruhig näher kommen«, flüsterte sie unvermittelt.
Er wollte sich zurückhalten, doch hatte sich bereits ohne sein bewusstes Zutun in Bewegung gesetzt. Hart schluckend sah er auf ihre Brüste hinab, und auf Allison in ihrer Gesamtheit, und pumpte schneller. In dem Bemühen, ein grunzendes Stöhnen zu unterdrücken, kam ein seltsameres, aber gleich abstoßendes Geräusch aus seiner Kehle.
Plötzlich ein Rumpeln im Nebenzimmer, das ihn weiter aus dem Konzept brachte und ihn den Kopf heben ließ. Er erblickte seine widerwärtige Gestalt im Spiegel, die noch schlimmer als sonst wirkte, weil sie in starkem Kontrast zu Allisons edler Schönheit stand. Eilig ließ er seine erschlaffende Männlichkeit los. Auf Russisch fluchend zog er sich die Beinkleider hoch und stürmte nach draußen, weil er es keine Sekunde länger ertrug. Das Dumme war nur, dass er nicht vor sich selbst davonlaufen konnte.
*
In völliger Verwirrung nahm Allison die Augenbinde ab und starrte auf die geschlossene Tür, durch die Ivanov verschwunden war. Was war passiert? Hatte sie etwas falsch gemacht? Aber sie hatte sich nicht gerührt. Hätte er sich das Gegenteil davon gewünscht? So wirkte er nicht.
Das Kribbeln in ihrem Unterleib brachte sie durcheinander und ließ sie kaum einen klaren Gedanken fassen. Ivanovs Stöhnen, zusammen mit seinem männlichen Duft, hatte angenehme Schauer durch ihre Weiblichkeit gesandt. Mit einem Räuspern vertrieb sie die unerwünschte Erkenntnis und kümmerte sich erneut um die Frage, was den Mann so plötzlich zur Flucht gezwungen hatte.
Irgendetwas hatte ihn aufgebracht. Das Geräusch aus dem Nebenzimmer hatte etwas in ihm ausgelöst. Aber was? Es war nur das dumpfe Aufschlagen irgendeines dummen Wäschekorbes gewesen.
Sie stand auf und begab sich in jene Position, die Ivanov kurz zuvor eingenommen hatte. Ein merkwürdiges Ziehen in ihrem Bauch erinnerte sie daran, wie er von diesem Fleck aus auf sie hinabgesehen und sich an ihr erregt hatte. Gefiel ihm, was er sah, wenn er sie anschaute? Oder gefiel es ihm eben nicht gut genug? War sie der Grund für seine Flucht? Warum aber hätte er dann ausdrücklich nach ihr verlangt? Und weshalb wäre er ein zweites Mal gekommen?
Ihr Blick schweifte durch das Sichtfeld, das sich ihm geboten haben musste. Dennoch begriff sie nicht, was ihn ...
Der Spiegel.
Ein Stich fuhr ihr durch die Brust. Ivanov schämte sich und mochte sich offenbar nicht ansehen. Ganz zu schweigen davon, dass sie ihn nicht ansehen durfte.
Sie dachte an die vielen demütigenden Worte, die man benutzte, wenn man über ihn sprach, und an sein Zurückschrecken, als sie gegeneinandergeprallt waren. An seine Reaktion auf ihr Kompliment. Er hatte so völlig perplex dreingesehen, als hätte man ihm noch nie geschmeichelt. Hatte man vermutlich auch nicht. Alles, was man über ihn zu sagen wusste, waren böse Worte.
Das alles weckte ein sonderbares Gefühl in ihr, welches sich nicht benennen lassen wollte, weil es nicht gänzlich aus Mitleid bestand. Seufzend strich sie den Bettpfosten entlang, befühlte die Schnitzerei und fragte sich, ob Ivanov morgen Nacht wiederkommen oder für immer fortbleiben würde.
Kapitel 3
Die schweren Krüge balancierend wich sie einer unerwünschten Hand aus, die ihr an den Hintern fasste. »Zier dich nicht so«, brummte Smith und griff erneut nach ihr. Einer seiner Kumpane hielt ihn zurück.
»Lass das Weib doch erst mal unser Gesöff abstellen, Idiot«, knurrte Johnson und versetzte Smith einen deftigen Stoß in die Seite.
»Meinetwegen. Aber dann soll sie herkommen und mich mal anfassen lassen.«
Allison biss die Zähne zusammen. Am liebsten würde sie dem Kerl ins Gesicht schlagen. Er war einer der Gründe, weshalb ihr Gesäß stets grün und blau geschlagen und gezwickt war.
Evans kam gerade zur Tür herein und gesellte sich an den Tisch, an dem Allison Krüge austeilte. »Der abscheuliche Ivanov ist mir über den Weg gelaufen. Der Kerl ist so schwerfällig, dass ihn sogar die Schnecken überholen. Und er riecht heute, als hätte er in seinem Parfüm gebadet.«
Ihr Herz schlug schneller. Ivanov war auf dem Weg hierher.
»Er muss doch den Keilergestank überdecken!«, warf Johnson laut lachend ein und setzte den Krug so ungeschickt an, dass er einen Teil des Bieres auf sein ungewaschenes Hemd schüttete.
»Jetzt komm her, Schlampe«, knurrte Smith und packte sie an der Taille. Unsanft landete sie auf seinem Schoß und spürte seine harte Männlichkeit, die er an ihr rieb.
»Lass mich los«, zischte sie, aber seine krallenartigen Finger, die immer schmutzig waren, hatten sich in ihrem Fleisch vergraben. Seine Rechte bohrte sich zwischen ihre Schenkel an ihre intimste Stelle.
Allison unterdrückte einen Schrei und die Übelkeit, die in ihr aufstieg.
Da tauchte Molly zu ihrer Rettung auf und klatschte dem aufdringlichen Smith die Handfläche gegen den Hinterkopf. »Kein Vergnügen ohne Bezahlung. Merk dir das gefälligst. Ab mit dir, Mädchen.«
Das brauchte sie kein zweites Mal zu befehlen. Allison suchte das Weite und hörte, wie Smith sich beschwerte: »Aber du sagst doch immer, sie steht noch nicht zur Verfügung.«
»Tut sie auch nicht«, erwiderte die Kupplerin. »Aber bald.«
Wenn Ivanov sie »zur Frau gemacht« hatte, hieß das. Wie gut, dass Molly nicht wusste, dass sie längst eine Frau war. Sonst hätte sie die letzten Monate keine Schonzeit genossen. Doch die näherte sich jetzt ihrem Ende. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, wenn sie sich vorstellte, was das für ihre Zukunft bedeutete.
Würde der fast zahnlose Smith bald in ihr Bett kommen, sich zwischen ihren Schenkeln versenken und sie mit seinen ekelhaften Fingern antatschen?
Sie alle schimpften auf Ivanov, dabei war dieser gepflegt und nicht so verdammt grob wie die anderen. Obwohl er wild und böse aussah.
In Parfüm gebadet, hatte Evans gesagt. Hatte Ivanov das getan, weil sie ihm gestanden hatte, seinen Duft zu mögen? Konnte das sein? Sie freute sich darüber und fühlte sich geschmeichelt ob der Möglichkeit, er könnte sich für sie zurechtgemacht haben.
Nach ihm würde sich wohl keiner für sie einparfümieren. Zumindest nicht Smith, der sich an Mollys Hintern abreagierte und durch das Gasthaus grölte. Molly säuselte ihm ins Ohr. Vermutlich Versprechungen, wann er endlich in Allisons Bett durfte. Ihr wurde schlecht, wenn sie nur daran dachte.
Sie wandte der Szene den Rücken und ging auf ihr Zimmer, um ihre kleine Überraschung für Ivanov vorzubereiten. Doch sie hatte nicht mehr so viel Freude daran, wie noch heute Morgen, als ihr der Einfall gekommen war.
Immerhin lauerte in ihrem Hinterkopf der Gedanke an die Männer, die ihm folgen würden. Widerliche Säufer, abscheuliche Seemänner, übelriechende Schläger. Mollys Klientel war nicht bekannt für seine Gehobenheit.
Gedrückter Stimmung warf sie sich den Morgenmantel über ihre Überraschung und ging an den Hinterausgang. Lizzie eilte an ihr vorbei, tätschelte ihr im Gehen aber ermunternd den Arm, wofür Allison sich ein Lächeln abrang.
Sie öffnete die Tür und wurde enttäuscht.
Ivanov war nicht da.
*
Schwer schluckend betrachtete er Allison, als sie im Türsturz erschien. In ihrem wallenden Umhang und mit dem offenen Haar, das ihren Körper umspielte, sah sie aus wie ein Engel. Der schönste Engel, den die Welt je gesehen hatte.
Er sollte ihr fernbleiben. Sollte sie nicht weiter bedrängen und benutzen, um seine lange aufgestaute Lust zu befriedigen. Was ihm ohnehin nicht gelingen wollte, wenn man die vergangenen Nächte des Versagens berücksichtigte.
Evgeny setzte sich unvermittelt in Bewegung.
»Nein«, zischte er aufgebracht. »Junge, bleib hier.«
Der Hund gehorchte nicht, sondern trottete auf Allison zu, die zurückwich, als sie ihn entdeckte.
Hastig verließ er seine Deckung – eine alte Eiche – und pfiff sein ungehorsames Tier ins Platz. Evgeny ließ sich auf der Stelle ins Gras plumpsen.
Zumindest das funktionierte noch.
*
»Er hat mir einen Schrecken eingejagt«, murmelte sie erleichtert, als Ivanov auf sie zukam und seinen Hund sofort unter Kontrolle brachte. Wie beeindruckend das war. »Ich habe Euch gar nicht kommen sehen.«
Ivanov sagte nichts, sondern leckte sich die Lippen und sah zu Boden.
»Soll ich etwas zu trinken für Euren Hund holen?«
»Nein, er ... er geht zum Bach, wenn er Durst hat. Wasser, das nicht fließt, verschmäht er grundsätzlich.«
Allison lächelte flüchtig und schlang die Arme dichter um ihren Oberkörper. »Kommt Ihr herein?«
Ivanov nickte und folgte ihr in ihre Schlafkammer. Seine schweren Schritte und sein leicht röchelndes Atmen verfolgten sie, was ihr allerdings nicht unangenehm war. Im Gegenteil empfand sie sogar ein merkwürdiges Gefühl der Geborgenheit. Mit Ivanovs bedrohlicher, massiger Gestalt in ihrem Rücken würde der widerliche Smith es gewiss nicht wagen, sie anzurühren.
Sie beobachtete ihn genau, als sie ihn ins Zimmer führte und die Tür hinter ihnen verschloss. Sein Blick fiel auf den mit dichtem Stoff verhängten Spiegel.
»Ist Euch das recht?«, fragte sie heiser.
Er nickte knapp, schien jedoch trotz des gestrigen Vorfalls nicht glücklich damit zu sein. Machte es ihm zu schaffen, dass sie ihn durchschaute? Männer mochten das nicht, sagte zumindest Lizzie.
»Ich hatte gehofft, wir könnten uns zuvor ein wenig unterhalten«, murmelte sie und deutete auf das Bett.
Er wirkte überrascht. »Unterhalten?«
»Molly sagt, Ihr bezahlt sehr viel für mich. Da können wir uns doch Zeit lassen.«
»Wie meint Ihr das? Sie sagt?«
Ihr fiel auf, dass er plötzlich die förmliche Anrede benutzte, obwohl er sie zuvor bereits geduzt hatte. »Nun, eben ... dass sie es mir gesagt hat.«
»Warum muss sie Euch das sagen? Es ist doch Euer Geld«, erwiderte er mit in Falten gelegter Stirn. Das schien ihn völlig zu verwirren.
»Es ist nicht mein Geld, Sir. Molly behält den Großteil davon ein. Für Unterkunft, Essen und die Sicherheit, die sie uns bietet.«
»Aber ... aber Ihr seid es, die diese Dinge mit mir tun muss. Sie soll Euch das Geld aushändigen. Ich werde mit ihr darüber reden.«
»Nein! Ivanov!«, warnte sie mit geweiteten Augen. »Sie wird mich rauswerfen, solltet Ihr Derartiges verlangen. So laufen diese Angelegenheiten nun mal. Bitte.«
Seine Zungenspitze schnellte hervor, befeuchtete die Lippen, die sich in seinem dichten Bart vor ihr zu verstecken suchten. »Dann ... dann zahle ich Euch extra.«
»Das müsst Ihr nicht.« Allison schüttelte eilig den Kopf. Sie bereute es, das Geld erwähnt zu haben. Er dachte offenbar, sie wolle ihn ausnehmen.
Ivanov ignorierte ihren Protest und kramte seinen Geldbeutel hervor.
»Nicht.« Sie griff nach seinen Händen, um ihn davon abzuhalten. Als ihre Finger sich – nur für eine Sekunde – berührten, wich er mit einem Keuchen zurück.
Er ballte die Hände zu bebenden Fäusten und machte einen weiteren Schritt rückwärts. »Nicht anfassen«, würgte er hervor. Warum war ihm jede ihrer Berührungen so unangenehm, dass er sofort aus ihrer Reichweite verschwand? Wenigstens steckte er den Beutel dahin zurück, wo er hingehörte.
»Es tut mir leid. Ich wusste nicht ...« Sie sprach den Satz nicht zu Ende. »Ist es in Ordnung, wenn wir uns kurz setzen? Ich kann mich auch gleich ausziehen, wenn Euch das lieber ist«, fügte sie hinzu und schlug die Augen nieder.
»Ich will Euer Bett nicht kaputtmachen.« Zumindest schien er einer kleinen Unterhaltung nicht abgeneigt.
»Das Bett hält sehr viel mehr aus, als Ihr denkt.« Um den ersten Schritt zu tun, setzte sie sich auf die Kante am Fußende.
Ivanov nahm zögerlich Platz, hielt dabei jedoch so viel Abstand zu ihr wie nur irgend möglich. Bedachte man den Grund seines Kommens, war das befremdlich.
Das Bett knarrte und die Matratze senkte sich unter seinem schweren Gewicht. Er schien darüber besorgt. Seine Stirn legte sich in Falten.
»Habt Ihr auch einen Vornamen?«, fragte sie mit einem kleinen Lächeln, welches das Eis brechen sollte, doch nicht dazu in der Lage war.
»Zwei. Ivar Alexej.«
»Darf ich Euch bei einem davon nennen?«
»Ivar.« Nervös drehte er den goldenen Siegelring an seinem Finger. Das Emblem war ein reich verziertes I.
»Euer Hund ist riesig. Ich habe noch nie einen so großen Hund gesehen. Oder einen so wuscheligen.«
»Sein Name ist Evgeny. Er ist ein Owtscharka.«
»Owtscharka«, wiederholte sie ungeschickt und errötete, als Ivanovs Mundwinkel zuckten und er zugleich den Kopf senkte. Er wirkte nur noch halb so wild, wenn er lächelte. »Ist das eine Rasse aus Eurer Heimat?«
»Aus dem Kaukasus. Dort setzt man sie ein, um Haus und Hof zu bewachen und Gesindel zu vertreiben«, erklärte er ihr nach einem Räuspern.
»Wäre ich ein Dieb, würde mich allein schon seine Statur abschrecken, wie ich zugeben muss, obwohl er natürlich außergewöhnlich hübsch ist.«
»Meint Ihr? Hm. Vielleicht könnte ich das mehr genießen, wenn er nicht ebenso außergewöhnlich dickköpfig wäre.«
Allison lachte zurückhaltend. »Hat er das von Euch?«
Ivar gab einen Laut von sich, der nach einem ungläubigen, luftvollen Lachen klang. Für einen Moment zeigte er in einem einseitigen Grinsen seine Zähne. Sie waren überraschend weiß, was besonders ins Auge stach, weil sein Bart so dunkel war.
Allison wollte ihm etwas Liebes, Nettes sagen, doch sie fürchtete, es würde erneut Spannung in die Atmosphäre bringen. Gerade schien er etwas zu entkrampfen.
Der Wunsch, ihn Erfüllung finden zu lassen, verstärkte sich. Aber sie brauchte Gewissheit, ihm zumindest ein klein bisschen vertrauen zu können. »Habt Ihr ernst gemeint, was Ihr in der ersten Nacht zu mir gesagt habt? Würdet Ihr mir wehtun?«
»Nein!« Heftig schüttelte er den Kopf. »Ich ... Habt Ihr noch Angst vor mir? Ich werde gehen, wenn es so ist. Ihr müsst nicht einmal darum bitten. Nur ein Wort.« Er wirkte von unsichtbaren Dämonen gequält. Eilig stand er auf und näherte sich der Tür, als erwartete er den Rauswurf als einzige Möglichkeit.
Allison erhob sich ebenfalls. »Ivar.«
Er hielt inne, drehte sich jedoch nicht zu ihr um.
»Ich möchte, dass Ihr bleibt. Immerhin habe ich das hier nur Euretwegen angezogen.« Unsicher ließ sie den Morgenmantel von den Schultern gleiten.
Das Rascheln des Stoffes lockte seinen Blick letztendlich doch in ihre Richtung. Sein Mund öffnete sich einen Spalt und seine Pupillen waren derart geweitet, dass seine Augen schwarz wirkten, während er sie musterte. Von oben bis unten und noch einmal denselben Weg zurück. Seine Zungenspitze wischte seine Lippen entlang. Angenehme Hitze stieg in ihr auf. Er begehrte sie.
Sein Begehren verlieh seiner Miene zu ihrer Überraschung etwas Verletzliches und nahm ihm das Barbarische. Unleugbar war er auf seine ihm eigene Weise ein schöner Mann. Auch wenn das vielen Leuten verborgen blieb.
»Ich dachte, Ihr möchtet mich heute vielleicht selbst ausziehen«, flüsterte sie, gekleidet in einen Hauch von Nichts, der ein Entkleiden eigentlich unsinnig machte, da ihm ohnehin kein Millimeter ihres Körpers verborgen blieb.
Zögernd griff sie nach der Augenbinde, wollte ihn fragen, ob sie sie brauchten, doch Ivars Haltung gab ihr die Antwort. Sie legte sie um und hüllte sich bedauernd in Finsternis.
*
Schwer schluckend verweilte er vor der Tür und sah Allison an, wie sie vor ihm stand – in einem Nebel aus Stoff, der sie in keiner Weise verbarg, sondern gar höchst aufreizend präsentierte. Der Gedanke, dass sie das für ihn angezogen hatte, ließ ihn vor Erregung kaum atmen. Seine Erektion drückte sich pulsierend und fiebernd gegen seine Beinkleider.
»Kommt her«, forderte sie ihn leise, fast zärtlich auf.
Und er gehorchte, denn wie könnte er nicht?
Er blieb vor ihr stehen, hob sehnsüchtig die zitternden Hände, brachte es jedoch nicht über sich, sie zu berühren. Obwohl er es so sehr wollte, dass er über dem Wunsch fast den Verstand verlor.
»Könnt Ihr ... Euer Kleid ... wie gestern?«, stammelte er heiser.
»Ich möchte, dass Ihr das tut, Ivar«, erwiderte sie mit verführerisch gesenkter Stimme. Wie sie seinen Namen sagte, machte ihn schwindlig. »Ihr dürft mich berühren, wo immer Ihr möchtet. Ich werde Euch nichts verwehren.« Die zarten Muskeln an ihrem Hals bewegten sich in einem Schlucken. Musste sie den Ekel vor ihm bezwingen?
Allison trat einen langsamen Schritt zurück, sank auf die Bettkante und ließ das Kleid, falls man es so nennen durfte, über ihre linke Schulter gleiten. Ihre Nippel leuchteten rötlich durch den Stoff und Ivar verging beinahe vor Lust. »Wenn Ihr mehr sehen möchtet, müsst Ihr mich entkleiden«, flüsterte sie und er ging vor ihr auf die Knie, weil ihm die Kraft zum Widerstand ausging. Allison trieb ihn weiter an den Abgrund, als sie die langen Beine spreizte, um ihn dazwischen Platz nehmen zu lassen. Der Stoff besaß zwei Schlitze und fiel gerade zu Boden, um ihre Weiblichkeit zu bedecken, auf die er nicht einmal einen flüchtigen Blick zu werfen wagte. Stattdessen starrte er ihre zarten Beine an, die sich ihm nackt, glatt und weiß präsentierten. Das Blut brodelte in seinen Adern.
Dann sah er in ihr Gesicht, betrachtete ihre leicht geöffneten Lippen und leckte sich über die seinen. Ein Kuss von ihr. Nur ein einziger Kuss und er würde Gott nie wieder um einen Gefallen bitten.
Sein Atem ging so laut und vergrößerte die Scham, weil er wusste, dass Allison ihn hören, vielleicht sogar den Lufthauch spüren konnte. Er schwitzte wie ein Schwein. Sehr passend, wo ihn doch alle als solches bezeichneten.
Allisons Brüste waren nur wenige Zentimeter von ihm entfernt. Er wollte einen besseren Ausblick darauf, aber es kostete ihn Überwindung, ihr Haar behutsam nach hinten zu streichen. Es war so weich und die Versuchung, die Strähnen durch seine Finger gleiten zu lassen, war übermächtig. Doch er ließ es bleiben. Ein weiteres Mal zog er sich zurück, um das Beben unter Kontrolle zu bekommen. Das Unterfangen war zum Scheitern verurteilt. Diese Frau war zu schön, um sich in ihrer Nähe beruhigen zu können. Und ihr Duft vernebelte ihm die Sinne.
Sein Herz schlug so laut, dass er es in den Ohren zu vernehmen glaubte und fürchtete, Allison könnte es ebenfalls hören.
Zaghaft hob er die Hand, ergriff vorsichtig den Stoff, um nicht versehentlich ihre Haut zu berühren, und schob ihn hinunter. Zentimeter für Zentimeter offenbarten sich ihm ihre Brüste, schienen sich ihm entgegenzurecken. Er schluckte schwer. Im nächsten Moment war es Allison selbst, die ihm ein Stück entgegenrutschte und den Kopf in den Nacken legte, um sich das Haar zurechtzuschütteln.
Ihre Brüste bewegten sich, sodass seine Männlichkeit beinahe beschloss, ohne eine einzige Berührung zu bersten. Mit einem Knurren konnte er sich gerade noch davon abhalten, in seine Beinkleider zu kommen. Heute würde es ihm ganz gewiss gelingen, sich zum Höhepunkt zu bringen, doch ihm stand jetzt nicht der Sinn danach. Viel lieber wollte er die Hand an Allison legen, als an seinen ekelhaften Schwanz. »Darf ich Euch berühren?«, fragte er so leise, dass er sich selbst kaum hörte.
»Ihr dürft alles, Ivar.«
Warum sagte sie solche Sachen? Es brachte ihn fast zum Explodieren.
Der Gedanke, von ihren Beinen umgeben zu sein, erregte ihn zusätzlich und nicht einmal die Abscheu vor sich selbst konnte ihn zurückhalten. Er legte die Fingerspitzen seiner Linken an Allisons Schlüsselbein. Seine Pranke wirkte riesig im Gegensatz zu ihr. Mit jedem Millimeter in Richtung ihrer vollen Brüste, wurde sein Atem heftiger. Als er sie schließlich in die Hand nahm, stöhnte er so laut, dass er fast überhört hätte, dass auch Allison einen Laut der Zustimmung von sich gab. Doch er hatte das winzige Seufzen gehört und es jagte ihm wohlige Schauer über den Rücken. Mit beiden Händen knetete er ihre Brüste, strich über ihre festen Nippel, ließ sie über seine Handflächen streichen. Er hörte, dass er wieder auf diese abstoßende Weise grunzte, konnte sich aber keinen Einhalt gebieten.
Unvermittelt spürte er zarte Finger an seinem Hinterkopf, die ihn sanft näherziehen wollten, und wich mit einem Keuchen zurück.
»Es tut mir leid, ich habe kurz nicht daran gedacht«, stieß Allison hervor und ballte die kleinen, schmalen Hände zu Fäusten, ehe sie sich damit erneut auf dem Bett abstützte.
Warum hatte sie ihn an sich drücken wollen? Was wünschte sie? Warum wünschte sie irgendetwas, bei dem er näherkommen musste? Sollte sie ihn nicht eher von sich stoßen? Er war ein fettes, schwitzendes Schwein und sie war ... nicht einmal zu beschreiben. Nicht mit den Worten, die ihm bekannt waren.
Forschend sah er in ihr Gesicht, musterte die feinen Züge, die er mit dem Finger nachfahren wollte. Ihre Miene ließ sich nicht deuten. Ihr Mund stand leicht offen, sie zeigte ihre süßen, weißen Zähne und ihre Wangen waren gerötet. Ihr Anblick war das Schönste, das er sich vorstellen konnte. Zu gerne wollte er ihre Augen sehen, das zauberhafte, funkelnde Blau darin, das ihn an Saphire erinnerte. Aber das würde bedeuten, dass auch sie ihn sehen würde ...
»Ivar«, hauchte sie und vollbrachte es, dass sich sein Magen vor Aufregung überschlug.
»Hn?«
»Nicht aufhören.« Ihre Stimme war so zart wie der Flügelschlag eines Schmetterlings. Ihr sachter Tonfall und die Worte, die sie sagte, jagten ihm neuerlich Schauer über den Rücken. Nein, durch den ganzen Körper.
Seine Hände fuhren fort, sie zu streicheln. Er drückte ihre Brüste zusammen und erregte sich an deren Anblick. Seine Hosen waren bereits feucht, weil die Leidenschaft seiner Männlichkeit derart viele Lusttropfen abverlangte.
Allison bog sich ihm entgegen und er konnte nicht länger widerstehen. Schüchtern näherte er sich, ließ sie seinen Atem auf der Haut spüren und gab ihr Zeit, damit sie sich zurückziehen konnte, falls sie das wollte. Doch sie tat es nicht, sondern wölbte den Rücken noch ein wenig mehr und sein Gehirn hörte auf, zu denken. Er presste die Lippen an ihre Brustwarze, Allison seufzte und drückte sich an ihn. Vorsichtig nahm er die empfindliche Spitze in den Mund und saugte daran. Stöhnend gab er sie frei, drückte das Gesicht zwischen ihre Brüste, leckte ihre süße Haut, kehrte zu ihrem Nippel zurück und nuckelte erneut. Seine Hoden waren derart geschwollen, dass sie wehtaten, und seine Männlichkeit war hart wie Stahl. Er wollte sich Erleichterung verschaffen, war jedoch zu erregt, um die Hände von Allison zu nehmen.
Unvermittelt berührte ihr zarter Fuß seinen Schwanz, streifte ihn einmal der Länge nach, und ließ ihn vor Wollust brummen. Er konnte sich nicht länger beherrschen. Laut und fortwährend grunzend rieb er sich an ihrem Bein und nahm sie so tief in den Mund, wie er konnte. Dann passierte etwas, das er im ersten Moment nicht realisierte, doch es brachte ihn dazu, seinen Höhepunkt zu finden und sich ergiebig zu verströmen. Er pumpte den Samen in seine Beinkleider, während er sich an Allison drückte.
Langsam kam er zu sich und ihm dämmerte, was ihn über die Klippe gesandt hatte. Allison hatte die Arme um seinen Hals gelegt und kraulte ihm das Haar sowie den widerlich verschwitzten Nacken. Ihn hatte noch nie jemand so zärtlich berührt. Noch nie hatte eine Frau die Finger in seinem Haar vergraben. In seiner Brust wurde es unglaublich heiß. Doch Scham und Selbstekel legten sich wie ein dunkler Schatten über das zärtliche Gefühl, das sich in ihm regte.
Erst jetzt begriff er, dass er sich an ihr gerieben hatte wie ein Hund, der das Bein seines Herrn besprang. Dass er sie seinen fetten Wanst hatte spüren lassen und mit seinem schweren Gewicht halb auf sie gesunken war. Er hatte sie besudelt.
Hastig löste er sich von ihr und spürte aufkommende Übelkeit. Er warf keinen Blick mehr auf das Mädchen, stattdessen ließ er seinen Geldbeutel auf ihre Kommode fallen und verließ fluchtartig das Zimmer.
*
Allison ließ sich rückwärts auf das Bett fallen und musste wieder zu Atem kommen. Mit der trotzigen Eingebung, ihn mit dem Fußrücken zu massieren, wenn sie es schon nicht mit den Händen tun durfte, hatte sie sich sehr viel Verwirrung eingebracht. Sie hatte nicht erwartet, dass es sie dermaßen erregen würde. Doch die Art, in der Ivar sich an ihr gerieben hatte, regte ihre Fantasie an. Seine lustvollen, geschmeidigen Beckenstöße ließen sie wünschen, dass er das zwischen ihren Beinen wiederholte. In ihr.
Und wie er seine Lust hinausstöhnte, ging ihr jedes Mal durch und durch, ließ sie erbeben und verursachte ihr Gänsehaut. Er klang dabei so mächtig und gewaltig, dass sie sich ganz klein fühlte und ebendies auch noch genoss.
Zudem war sein Haar irrsinnig weich und sein Bart fühlte sich auf ihrer Haut unbeschreiblich an. Es kratzte ein bisschen, aber auf eine sinnliche Weise. Seine Lippen konnten Liebkosungen austeilen wie gewiss keine anderen.
Als seine Lust ihn genug abgelenkt hatte, hatte sie sich in seine Arme und an seinen massigen Körper geschmiegt und Ivar hatte sie willig dort gehalten. Das war das schönste Gefühl gewesen, das sie bisher erlebt hatte. Geborgen und beschützt, begehrt und begehrend. Es hatte in ihrem Bauch gekribbelt.
Mit einem Seufzen zog sie die Augenbinde fort und musste blinzeln, weil sogar das schwache Licht der Öllampen zu grell schien. Ihr Blick fiel auf die Tür, durch die Ivar verschwunden war. Weshalb hatte er ein weiteres Mal die Flucht ergriffen? Der Spiegel war abgedeckt und ihr Zusammensein war schön gewesen. Zumindest hatte sie es derart empfunden. Vielleicht war seine Empfindung eine ganz andere.
Dann bemerkte sie den ledernen Beutel auf der Kommode und erstarrte. Aus welchem Grund hatte er sein Geld hiergelassen? Sie hatte ihm doch gesagt, dass es nicht nötig sei.
Langsam erhob sie sich. Das verführerische Kleid, das sie von Lizzie geborgt hatte, wies einen feuchten Fleck zwischen ihren Beinen auf. Hitze stieg ihr in die Wangen, als sie den Stoff von ihrer Haut zupfte. Sie spürte kalten Steinboden unter ihren Sohlen. Nachdenklich stand sie vor dem Beutel. Sollte sie einen Blick hineinwerfen? Hart schluckend nahm sie ihn an sich. Er war ungewöhnlich schwer. Ohne das Band zu lösen, ließ sie das schwarze Leder unter ihrer Matratze verschwinden. Sie würde Ivar das Geld morgen zurückgeben, denn er hatte bereits für sie bezahlt.
Kapitel 4
Er kam nicht. Kurz nach Mitternacht gab sie ihren Platz am Fenster neben der Hintertür auf, weil ihr klar wurde, dass ihr Warten vergeblich war.
Irgendetwas musste ihm letzte Nacht missfallen haben, auch wenn sie nicht die leiseste Ahnung hatte, was es gewesen sein könnte. Doch ganz offenbar hatte sie etwas falsch gemacht. Oder er hatte schlichtweg genug von ihr.
Lizzie hatte wissen wollen, ob er Gefallen an dem Kleid gefunden hatte. Zumindest diese Frage hatte Allison beantworten können, wenn schon die unzähligen in ihrem Kopf kein Gegengewicht finden wollten. Sie hatte ihrer Freundin auch gestanden, welch lustvolle Gefühle Ivar in ihr auslöste und ...
Ungleichmäßige, tollpatschige Schritte donnerten den Gang entlang. Irgendein Kerl lallte unverständlich und Molly lachte. Konnte der Freier nicht mehr selbst gehen oder weshalb wurde er von der Kupplerin auf eines der Zimmer geführt? Kümmerte sie sich etwa persönlich um den Kerl? Schwer vorstellbar.
Als die Tür aufging, fuhr Allison erschrocken hoch und band den Morgenmantel fester um ihren Körper, der dank Lizzie in eine ähnlich skandalöse Kreation wie vergangene Nacht gehüllt war.
Der widerliche Smith stolperte herein und schenkte ihr ein Grinsen, das aufgrund der vielen fehlenden Zähne nichts Angenehmes an sich hatte. »Heute gehörst du mir, kleine Hure«, murmelte er in ihre Richtung. Sie roch seinen Atem und ihr drehte sich der Magen um. Eilig stolperte sie ein paar Schritte zurück.
»Molly, Ivanov wollte mich für sich allein«, rief sie der Alten in Erinnerung.
»Das fette Schwein«, grummelte Smith und wischte sich über den Mund. »Ich werd's dir besser besorgen, als der Keiler es jemals könnte.«
»Der Fette ist aber nicht hier. Und sollte er wiederkommen, wirst du eben dein Maul halten und ihm nichts von deinen anderen Kunden sagen«, konterte Molly und verließ nach einem warnenden Blick das Zimmer.
Die Tür fiel ins Schloss und Smith kam auf sie zu, drängte sie in die Ecke neben dem Bett.