Das Glück der Küchenfee - Stella Conrad - E-Book
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Das Glück der Küchenfee E-Book

Stella Conrad

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Beschreibung

Denn Liebe geht durch den Magen … Der kulinarische Liebesroman »Das Glück der Küchenfee« von Stella Conrad jetzt als eBook bei dotbooks. Wenn das Leben dir Zitronen gibt – koche ein Sternemenü daraus! Lilli fühlt sich wie von Fortuna geküsst: Wenn sie nicht gerade Erfolge mit ihrem Catering-Service »Lillis Schlemmerei« feiert, kann sie auf einem Bio-Bauernhof Frühlingsluft schnuppern – und nebenbei noch ihrem gutaussehenden Freund Mike bei der Gartenarbeit über die Schulter schauen. Doch wer keine Probleme hat, der sucht sich welche: Lillis Plan, Mikes leerstehende Scheune in ein Gourmet-Restaurant zu verwandeln, entpuppt sich unversehens als organisatorische Vollkatastrophe. Und obwohl die Köchin als Mittelpunkt einer chaotischen Familie eigentlich genug Übung mit den Brandherden des Lebens haben sollte, geht es plötzlich gehörig rund! In der Fortsetzung des Bestsellers »Die Küchenfee« verzaubert Stella Conrad abermals mit liebenswerten Figuren, amüsanten Verwicklungen und duftenden Köstlichkeiten. Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die romantische Komödie »Das Glück der Küchenfee« von Bestseller-Autorin Stella Conrad ist ein Lesevergnügen für alle Fans von Julie Caplin! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 394

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Über dieses Buch:

Wenn das Leben dir Zitronen gibt – koche ein Sternemenü daraus! Lilli fühlt sich wie von Fortuna geküsst: Wenn sie nicht gerade Erfolge mit ihrem Catering-Service »Lillis Schlemmerei« feiert, kann sie auf einem Bio-Bauernhof Frühlingsluft schnuppern – und nebenbei noch ihrem gutaussehenden Freund Mike bei der Gartenarbeit über die Schulter schauen. Doch wer keine Probleme hat, der sucht sich welche: Lillis Plan, Mikes leerstehende Scheune in ein Gourmet-Restaurant zu verwandeln, entpuppt sich unversehens als organisatorische Vollkatastrophe. Und obwohl die Köchin als Mittelpunkt einer chaotischen Familie eigentlich genug Übung mit den Brandherden des Lebens haben sollte, geht es plötzlich gehörig rund!

In der Fortsetzung des Bestsellers »Die Küchenfee« verzaubert Stella Conrad abermals mit liebenswerten Figuren, amüsanten Verwicklungen und duftenden Köstlichkeiten.

Über die Autorin:

Stella Conrad, 1960 in Recklinghausen geboren, lebt an der Nordseeküste. Nach zehnjähriger Tätigkeit als Köchin (wobei sie backstage sogar Stars wie Tina Turner, Joe Cocker, Depeche Mode, Herbert Grönemeyer und Die Toten Hosen bekochte) arbeitete sie als Veranstalterin, Pressebetreuerin und in einer Schauspielagentur, bevor sie sich dem geschriebenen Wort zuwandte.

Stella Conrad veröffentlichte bei dotbooks bereits »Die Küchenfee«, »Die Tortenkönigin«, »Die Glücksträumerin«, »Der Feind an meinem Tisch« und »Die Glücksköchin«. Ihre Geschichten finden sich auch in den Sammelbänden »Ein Restaurant zum Verlieben«, »Zimt und Zucker für die Liebe«, »Zitronenküsse« und »Ein Café zum Verlieben«.

Die Autorin im Internet: www.facebook.com/stellaconradsbooks

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Originalausgabe Februar 2022

Copyright © der Originalausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Ralf Reiter

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / SF Stock / Sasha Ivanova

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-98690-022-9

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Stella Conrad

Das Glück der Küchenfee

Roman

dotbooks.

Kapitel 1

Für Mitte April war es erstaunlich warm. Lilli Berger stand auf der Terrasse und atmete tief durch. Die Apfelbäume im angrenzenden Obstgarten hatten die ersten Blüten geöffnet, und das geschäftige Summen von Hummeln und Bienen erfüllte die milde Frühlingsluft.

Lilli liebte den Frühling. Leider war es gleichzeitig die Jahreszeit, in der Mike als Biobauer am meisten zu tun hatte. Traditionell scherten Erdbeeren und Salatpflanzen sich nicht darum, ob Mittwoch oder – wie heute – Sonntag war.

Müßig schlenderte Lilli durch den Obstgarten und an den langgestreckten Gemüsebeeten entlang, in denen bereits erste Blattspitzen aus der Erde lugten.

Ganz in der Nähe bellten Mikes Hunde Ozzy und Zappa um die Wette, und sie hörte die fröhliche Stimme ihrer Teenager-Tochter Svenja, die mit den Vierbeinern spielte. Lilli ging um ein Gewächshaus herum und entdeckte die drei auf der großen Wiese am Ende des Grundstücks.

Svenja schleuderte einen großen Stock, so weit sie konnte, und die beiden irischen Wolfshunde stürmten los.

»Gut, dass du kommst, Mama«, sagte Svenja. »Du kannst mich mal für ein paar Minuten ablösen. Der Knüppel ist ganz schön schwer, und diese beiden Ungeheuer werden einfach nicht müde.«

Ungeheuer? Lilli lächelte innerlich. Diese Bezeichnung stammte garantiert von Armin, dem Vater ihrer Töchter. Er hatte Angst vor Hunden, egal welcher Größe, und deshalb hatten Svenja und Kati immer vergebens um die Anschaffung eines Hundes gebettelt. Von Ozzy und Zappa war Svenja von Beginn an begeistert gewesen; mit Mike selbst als neuem Mann an der Seite ihrer Mutter hatte sie sich allerdings schwerer getan.

Schulter an Schulter kamen die Hunde angetrabt; sie trugen den Knüppel gemeinsam. Wie auf einen unhörbaren Befehl hin ließen sie ihn vor Svenja ins hohe Gras fallen und bellten auffordernd. Svenja hob ihn auf und reichte ihn an ihre Mutter weiter.

Lilli nahm ihn entgegen und verzog das Gesicht. »Bäh, der ist ja total vollgesabbert.«

Sie holte aus und warf den Stock, der gen Himmel kreiselte, wieder herabfiel und dann nur wenige Meter entfernt in der Wiese landete. Die Hunde sahen sie erstaunt an, dann ging einer von ihnen gemütlich los und holte den Stock.

Stirnrunzelnd schüttelte Svenja den Kopf. »Das war völlig falsch, Mama. Du musst ihn weit werfen, nicht hoch. Dann kannst du ihn Ozzy und Zappa ja gleich geben.«

»Für diesen Baumstamm brauche ich ein Katapult.« Lilli seufzte. »Offenbar bist du stärker als ich.«

Svenja kicherte. »Gib es zu – du hast bloß keine Lust. Bestimmt bist du auf der Suche nach deinem geliebten Mike.« Sie machte alberne Kussgeräusche und rollte theatralisch mit den Augen.

»Nicht frech werden, Frolleinchen.« Sie sah Svenja dabei zu, wie sie den Knüppel weit über die Wiese schleuderte, dann fragte sie: »Hast du eine Ahnung, wo Mike steckt?«

»Klar. Er ist bei den Futterblumen«, erwiderte Svenja geistesabwesend. Sie war bereits wieder völlig auf die Hunde konzentriert.

Lächelnd ging Lilli weiter. Mit ›Futterblumen‹ meinte Svenja die essbaren Blüten, die Mike züchtete und die ihm von den Köchen etlicher Feinschmeckerrestaurants aus den Händen gerissen wurden. Um das gesamte Jahr hindurch liefern zu können, kultivierte er die Blumen nicht im Freiland, sondern in einem seiner Gewächshäuser. Durch die Glasscheiben konnte sie ihn bereits von draußen sehen, wie er langsam durch die Gänge zwischen den Pflanztischen ging.

Lilli seufzte zufrieden. Noch vor einigen Monaten hatte ihre Welt in Trümmern gelegen, und die Vorstellung, jemals wieder glücklich zu sein, war ihr mehr als absurd erschienen. Nur in einem Bereich war sie erfolgreich gewesen: Ihr Catering-Service Lillis Schlemmerei hatte durch Fleiß, Können und – zugegeben – den einen oder anderen glücklichen Zufall einen Auftrag nach dem anderen ergattert und die Kunden begeistert. Das allerdings wäre ohne ihre Geschäftspartnerin Gina und Koch Monsieur Pierre nicht zu schaffen gewesen; nicht zu vergessen Tochter Kati und Schwiegermutter Käthe.

Als hätte er ihre Anwesenheit gespürt, sah Mike plötzlich auf und lächelte. Dann kam er aus dem Gewächshaus.

Ohne dich in meinem Leben ginge es mir nicht halb so gut, dachte Lilli.

»Hast du mich gesucht?«, fragte Mike und zog sie in eine enge Umarmung.

Lilli schmiegte sich an ihn. »Ja. Und ich habe darüber nachgedacht, wie gut es mir geht.«

Mike ließ sie los und grinste verschmitzt. »Dann ist jetzt vielleicht der perfekte Zeitpunkt, um über den nächsten Schritt nachzudenken, findest du nicht?«

Jede andere Frau hätte jetzt vermutlich gedacht, dass ein Heiratsantrag unmittelbar bevorstand, aber Lilli wusste, dass es um etwas anderes ging.

»Warum nicht«, erwiderte sie. »Lass uns reden.«

Hand in Hand gingen sie zurück in den Obstgarten zu einem Liegestuhl, der von der Krone eines Apfelbaums beschatten wurde.

Lilli setzte sich, und Mike fragte: »Wann kommen Gina und Pierre?«

»So um vier.«

»Dann haben wir noch etwas Zeit. Magst du auch einen Kaffee?«

Lilli nickte, und Mike verschwand aus ihrem Blickfeld.

Sie musste lächeln, als sie ihn unwillkürlich mit ihrem Ex, dem Vater ihrer Töchter, verglich. Armin, der stilvolle und elegante Architekt, und Mike, der unkonventionelle, lebensfrohe Bio-Bauer – größer konnte ein Unterschied zwischen zwei Menschen kaum sein. Leider hatte sich das Stilvolle an Armin, wie sich herausgestellt hatte, nur auf sein Äußeres beschränkt, denn seine dreijährige heimliche Affäre mit Lillis damaliger Chefin Vanessa hatte es an Stil deutlich vermissen lassen.

Mit einiger Mühe hatten Armin und sie es mittlerweile geschafft, eine freundschaftliche Beziehung aufzubauen, natürlich auch der gemeinsamen Kinder wegen. Allerdings war sie nach wie vor nicht scharf darauf, mit Vanessa zusammenzutreffen, denn sie konnte ihr den Betrug einfach nicht verzeihen. Waren sie nicht gute Freundinnen gewesen? Offenbar nicht. Noch immer ärgerte Lilli, dass sie nichtsahnend als Köchin in Vanessas Spitzenrestaurant gearbeitet hatte, während die beiden Menschen, denen sie am meisten vertraute, sie hintergangen hatten. Wie hatte sie so blind sein können? Sie konnte es bis heute nicht begreifen.

Eines Abends hatte sie im Restaurant zufällig ein eindeutiges Telefonat zwischen Armin und Vanessa belauscht, das ihr auf brutalstmögliche Weise die Augen geöffnet hatte. Vanessa, die stets durchgestylte Lady mit rotgelackten Krallen, hatte sie darin ein kleines Muttchen genannt. Das hatte sich gnadenlos in ihr Gedächtnis gebrannt: Muttchen. Die unscheinbare, kleine Arbeitsbiene in fleckiger Schürze, ungeschminkt und verschwitzt. Nun, jetzt hatten sich die beiden Richtigen gefunden, fand Lilli; immerhin konnten Armin und Vanessa gemeinsam zur Maniküre gehen.

Natürlich hatte Lilli sofort gekündigt, und nach einiger Zeit war ihr Monsieur Pierre gefolgt und hatte bei Lillis Schlemmerei angeheuert. Bis heute glaubte Vanessa, Lilli habe den Koch dazu überredet, aber das war gar nicht nötig gewesen.

Mike tauchte wieder auf – in der einen Hand einen Liegestuhl, in der anderen ein kleines Tablett mit zwei Tassen Kaffee, das er Lilli übergab. Dann klappte er den Liegestuhl auseinander, stellte ihn neben ihrem auf und ließ sich hineinfallen. Das Möbelstück knarrte bedenklich, brach aber zu Lillis Erleichterung nicht auseinander.

Er nahm seine Tasse entgegen, trank einen Schluck und sagte: »Hier kann man es aushalten.«

»Könnte sein, dass ich nie wieder aufstehe.«

»Ha. Du?« Lächelnd schüttelte Mike den Kopf. »Dazu hast du eindeutig zu viele Hummeln im Hintern.«

»Fragt sich nur, ob es wirklich positive Energie ist oder purer Aktionismus. Ich … ich bin mir wieder unsicher, ob wir den nächsten Schritt wirklich gehen sollten. Mein Geschäft läuft gut, wir haben gut dotierte Aufträge, ständig kommen neue Kunden dazu – wozu sollten wir uns eine neue Bürde auf den Buckel laden?«

»Weil du offenkundig Spaß daran hast, etwas aufzubauen und zum Erfolg zu führen.«

Lilli stellte die Tasse auf der Armlehne ab und wandte sich ihm zu. »Mal ernsthaft: Ich bin dreiundvierzig Jahre alt.«

»Huch! Wirklich?« In gespieltem Entsetzen riss Mike die Augen auf. »Dann solltest du selbstverständlich keine Pläne mehr schmieden; immerhin stehst du bereits mit einem Bein im Grab. Ab sofort also nur noch Schonkost und leichte Beschäftigungstherapie.«

»Blödmann. Es geht nicht darum, einen Hühnerstall zu bauen oder ein neues Beet anzulegen, wie du sehr wohl weißt. Wir planen, deine Scheune umzubauen und ein Restaurant zu eröffnen. Bei der Vorstellung, wie viel Geld wir dabei in den Sand setzen können, wird mir übel. Sehr übel.«

Mike sah aus, als wolle er eine flapsige Bemerkung machen, aber dann kam er offenbar zu dem Schluss, dass ihr nicht nach Scherzen zumute war. »Okay, ich nehme deine Bedenken durchaus ernst«, sagte er dann. »Tatsächlich wäre es fahrlässig, es nicht zu tun. Wenn du deswegen so unsicher bist, lassen wir es. Oder verschieben die Sache um ein Jahr. Lass dich zu nichts drängen, was du nicht wirklich von ganzem Herzen tun willst, Lilli Leihköchin.«

Unwillkürlich musste Lilli lächeln. Lilli Leihköchin – das war der Spitzname, den Mike ihr zu Beginn ihrer Bekanntschaft gegeben hatte. Damals war er ihr Gemüselieferant gewesen, und es hatte ihn irgendwie amüsiert, dass man sie als Köchin mieten konnte.

»Aber was sage ich Gina und Pierre?«, fragte Lilli.

»Ganz einfach: Du sprichst offen über deine Bedenken, und dann sehen wir, was sie zu sagen haben. Das macht man so unter Erwachsenen: Man tauscht Meinungen aus.«

»Blödmann.«

»Du wiederholst dich, Frolleinchen.«

Lilli zuckte mit den Achseln. »Manche Dinge kann man gar nicht oft genug sagen.«

Lachend stand Mike auf und klappte seinen Liegestuhl zusammen. »Ich werde dich dann mal deinen düsteren Gedanken überlassen, Schatz. Der Rhabarberkuchen dürfte allmählich fertig sein.«

Kapitel 2

Streitende Stimmen weckten Lilli, die im Liegestuhl eingenickt war. Sie kamen näher, und schließlich bauten sich Gina und Pierre von ihr auf.

»Lilli, sag dieser Frau, dass sie nervtötender ist als eine sirrende Mücke nachts im Schlafzimmer«, blökte Pierre. Sein Kopf war knallrot.

Gina schnappte nach Luft. »Und sag diesem unmöglichen Kerl, dass er sturer ist als ein Esel!«

Lilli sah Pierre an. »Du bist sturer als ein Esel.« Ihr Blick wanderte zu Gina. »Und du bist nervtötender als eine … wie war das noch gleich? Ah ja, eine Mücke im Schlafzimmer. Nachts.«

»Ein sirrende Mücke!«, blaffte Pierre. »Sirrend! Sonst wäre sie ja nicht halb so nervtötend!«

»Verzeihung«, erwiderte Lilli. »Gina, du sirrst.«

Lilli grinste innerlich. Ihre beste Freundin Gina und Monsieur Pierre – eigentlich Peter Anton Meisenheimer – führten die explosivste Beziehung, die sie je zwischen zwei Menschen erlebt hatte. Obwohl sie zweifellos einander vergötterten, reichte der kleinste Funke, um einen Steppenbrand epischen Ausmaßes zu entfachen. Zwei Alphatiere, beide leidenschaftlich und temperamentvoll, ließen die Fetzen fliegen, und man tat gut daran, in Deckung zu gehen und das Ende des Scharmützels abzuwarten. Wie bei Kindergartenkindern, die sich wegen eines Spielzeugs in die Wolle gekriegt hatten, sollte man sich weder einmischen noch – Gott bewahre! – Partei ergreifen. So schnell, wie Gina und Pierre in Streit gerieten, versöhnten sie sich auch wieder, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Wie es bei Kindern halt auch stets geschah.

»Du bist ein Idiot!«, fauchte Gina ihren Liebsten an.

Pierre grinste lüstern und zog Gina an sich. »Aber ich bin dein Idiot.«

Mit leisem Ächzen stemmte Lilli sich aus dem Liegestuhl hoch. »Schön, dass wir das klären konnten. Wie wäre es mit einem Stück Rhabarberkuchen, ihr Süßen?«

Mike hatte auf der brandneuen Terrasse an der Küche den Tisch gedeckt. Wo Anfang April noch Wiese gewesen war, hatte er mit Svenjas und Katis tatkräftiger Hilfe an zwei Wochenenden ein Untergestell gezimmert und darauf robuste Holzbohlen verlegt; nun fehlte nur noch eine Tür von der Küche nach draußen. Bis dahin wurde alles durchs Fenster gereicht, so auch diesmal. Lilli nahm den Kuchen und die Schüssel mit Sahne entgegen und stellte beides auf den Tisch, an dem Gina und Pierre bereits Platz genommen hatten.

Es war für vier Personen gedeckt. »Wir sollten Svenja Bescheid sagen, du hast sie vergessen«, sagte Lilli, als Mike ums Haus herumkam. »Bestimmt will sie auch Kuchen.«

Er schüttelte den Kopf und setzte sich. »Schon, aber wir sind ihr zu langweilig, hat sie gesagt. Sie hat sich Kuchen geholt und ist wieder abgedampft. Vermutlich geht mindestens die Hälfte davon an Ozzy und Zappa.« Er seufzte. »Drückt mir die Daumen, dass sie mir nicht das Wohnzimmer vollkotzen. Rhabarberkuchen ist nicht so ihr Ding. Leider vergessen sie das immer wieder.«

»So ist das halt, wenn die Gier größer ist als die Vernunft«, sagte Pierre.

Ein erstaunlich treffendes Bild für ihre Zweifel, fand Lilli. War es vielleicht tatsächlich so, dass ihre Gier größer war als ihre Vernunft? Eine Gier, die sie hochtrabende Pläne schmieden ließ, anstatt mit dem zufrieden zu sein, was sie gemeinsam erreicht hatten?

Während sie Mikes köstlichen Kuchen genossen, ließen Gina und sie den letzten Auftrag Revue passieren, ein elegantes Essen für zwölf Personen. Das war erst gestern gewesen, und Lilli schätzte sich glücklich, dass Kati und Pierre am Vormittag dieses Sonntags die Nacharbeiten übernommen hatten, denn es hatte ihr ermöglicht, auszuschlafen und ein paar entspannte Stunden bei Mike zu verbringen.

Wie üblich hatte Gina die Dekoration übernommen und die Gastgeberin mit ihrem beeindruckenden Blumenschmuck und dazu passend eingedeckter Tafel entzückt, während Lilli ein mehrgängiges kulinarisches Feuerwerk abgebrannt hatte. Bei der Zusammenstellung und der Vorbereitung des Menüs hatte Pierre ihr geholfen; trotzdem war es ein anstrengender Abend gewesen, da die Auftraggeberin auch auf kleinste Details geachtet hatte.

»Ich bin heilfroh, dass sie letztendlich so zufrieden war«, sagte Gina. »Eine Zeitlang dachte ich wirklich, uns fliegt alles um die Ohren.«

»Danke, dass du dir mir gegenüber nichts hast anmerken lassen«, erwiderte Lilli.

»Kundinnen, die mal irgendwann an einem Ikebana-Kurs teilgenommen und sich eine japanisch anmutende Tafel in den Kopf gesetzt haben, können dir das Leben zur Hölle machen.« Gina seufzte. »Sie hat mich jeden Tag angerufen. Mehrmals. Allein wegen der blöden Kirschblütenzweige hat sie ein Riesenfass aufgemacht.«

Tatsächlich war Japan nicht nur das Thema der Tischdekoration, sondern des gesamten Abends gewesen. Als wenn das nicht bereits herausfordernd genug gewesen wäre, wünschte die Kundin sich authentische Kaiseki-Küche, also japanische Haute Cuisine, bei der die Zutaten erstens von höchster Qualität sein – für Lilli ohnehin eine Selbstverständlichkeit – und zweitens auch noch besonders kunstvoll angerichtet werden mussten.

Dummerweis hatte Lilli bei ihren Recherchen herausgefunden, dass es zwei verschiedene Richtungen dieser Küche gab: die eine war leicht, vegetarisch und wurde zur traditionellen Teezeremonie gereicht – die zweite hatte sich im Laufe der letzten drei Jahrhunderte zu einer Kunstform entwickelt, bei der ein Menü gerne mal aus nicht weniger als elf Gängen bestand. Alle Zutaten mussten frisch, saisonal und möglichst regional sein. In ihrer Zubereitung sollte ihr natürliches Aroma bestmöglich zur Geltung kommen; außerdem sollten sich idealerweise in der Menüfolge Umgebung und Jahreszeit widerspiegeln.

Lillis vage Hoffnung, die Kundin könnte von ihr die erste Variante erwarten, hatte sich nach einem Telefonat zerschlagen.

Tagelang hatten Pierre und sie probegekocht, bis sie sich einigermaßen sicher gefühlt hatte – ständig den Gedanken im Hinterkopf, dass die penible Kundin vielleicht gar nicht würde beurteilen können, ob und wie authentisch das von Lilli servierte Essen war.

Dennoch gestanden Pierre und sie sich bei der Planung keine Nachlässigkeit zu, denn sie hatten keine Ahnung, wer zu den Gästen gehören würde. Was, wenn ein japanischer Kaiseki-Meister am Tisch saß, der seiner Gastgeberin eröffnete, dass man das gerade servierte Menü so und womöglich sogar besser in jeder beliebigen Garküche Japans erhielt? Oder waren Japaner dazu zu höflich? Wie auch immer – sie hatten beschlossen, kein Risiko einzugehen.

Aber kein Japaner weit und breit, wie sich herausgestellt hatte, wohl aber ein distinguiertes Paar, das etliche Jahre in Japan verbracht und dort regelmäßig vom Feinsten gespeist hatte. Sie waren voll des Lobes gewesen, was die Gastgeberin erleichtert und erfreut zur Kenntnis genommen hatte.

»Hast du eigentlich die Sängerin erkannt?«, fragte Gina. »Das war vielleicht irre – vorgestern habe ich sie noch im TV gesehen, und gestern macht sie mir Komplimente für meine Tischdekoration.«

»Zuerst wusste ich nicht, wer sie ist«, erwiderte Lilli, »aber sie hat mich am Ende des Abends angesprochen und um eine Visitenkarte gebeten. Als sie sich mir vorstellte, wusste ich natürlich Bescheid.«

»Welche Sängerin?«, fragte Mike neugierig. »Könnte ich sie vielleicht kennen?«

»Ein Kaliber wie sie kennst du auch dann, wenn du mit ihrer Musik nichts anfangen kannst«, erwiderte Lilli. »Zumindest weißt du, dass es sie gibt: Tabitha Thomsen, die Königin des Popschlagers.«

»Der Name kommt mir bekannt vor«, murmelte Mike. »Ist sie nicht so ein dunkelhaariger … hm … Vamp?«

Gina nickte. »Dunkelhaarig und mit einem dezenten Schlampen-Touch. Das ist sie.«

»Was? Du nennst sie eine Schlampe?«, fragte Pierre stirnrunzelnd.

»Habe ich etwa eines deiner Idole beleidigt?« Gina grinste. »Ich dachte, du verehrst niemanden außer Elvis. Und mir, natürlich. Nein, sie ist keine Schlampe, eigentlich fand ich sie gestern sogar sehr nett. Aber wenn sie auf der Bühne wie eine Domina aufgedonnert ist, verströmt sie einen Hauch von Gewöhnlichkeit, finde ich. Ihre Outfits sind immer leicht nuttig, aber gestern sah sie ganz anders aus, viel dezenter. Leider will ihr Publikum sie offensichtlich in Strapsen und Nieten sehen.«

»Und was das Publikum will, bekommt es auch. Schließlich bezahlt es dafür«, sagte Pierre.

Lilli nickte. »Genau wie bei uns, oder? Die Kundschaft bezahlt, und wir liefern das, was sie will. Sogar Kaiseki-Küche.«

»Aber nicht in Strapsen und Nieten.« Kichernd stieß Gina Pierre in die Seite. »Auch wenn das meinem Freund bestimmt gut gefallen würde.«

»Mir hätte tatsächlich gefallen, wenn du dich als Geisha verkleidet hättest«, erwiderte Pierre. »Das wäre doch sehr passend gewesen. Beim römischen Fest im Theater wart ihr schließlich auch entsprechend angezogen. Oder beim Mittelalter-Thema auf der Messe. Mann, bin ich mir vielleicht bescheuert vorgekommen in meinem angeblich authentischen Wämschen!«

»Du warst sehr sexy, wenn ich mich recht erinnere.« Gina lächelte ihn liebevoll an. »Und beim Theaterfest stand uns immerhin der gesamte Fundus zur Verfügung. Aber als Geisha rumlaufen … nee, danke. Steifer Kimono, Trippelschritte auf Holzsandalen, Perücke … und dann auch noch dieser breite Gürtel!« Sie schüttelte den Kopf. »Alles hat seine Grenzen, finde ich. Bei einem Event wie gestern muss der Service praktisch unsichtbar sein.«

»Du bist erst dann unsichtbar, wenn die gesamte Menschheit erblindet, meine Schöne«, schmalzte Pierre. »Aber vielleicht könntest du ganz privat mal einen Kimono …?«

Lachend hielt Lilli sich die Ohren zu. »Viel zu viel Information, Pierre!«

Kapitel 3

»Kommen wir zum Geschäftlichen«, sagte Lilli, nachdem sie den Tisch – bis auf die Getränke – abgeräumt hatten.

Gina hob die Hand. »Ich bin dafür, dass wir das Restaurant auch Lillis Schlemmerei nennen. Los, aufschreiben.« Sie deutete auf den Block, den Lilli vor sich liegen hatte.

Aber Lilli tat nichts dergleichen. »Ich glaube, du machst gerade den zwölften Schritt vor dem ersten. Du gibst einem Baby einen Namen, das noch nicht geboren ist. Nein, es ist noch nicht einmal gezeugt. Und es steht noch längst nicht fest, dass es jemals passieren wird. Um genau das zu besprechen, sitzen wir hier.«

Mike und Pierre wechselten einen beredten Blick, dann sagte Pierre: »Meine Damen und Herren – in der rechten Ecke steht Gina Wilhelmi, die galoppierende Urgewalt, immer stürmisch voran und unverbesserlich optimistisch. In der linken Ecke sehen Sie Lilli Berger, die fantasievolle, aber zögerliche Planerin, die personifizierte Vernunft auf zwei Beinen, die vor jedem Schritt alle Optionen sorgfältig durchdenkt.«

»Besser hätte ich es nicht sagen können.« Mike nickte Pierre anerkennend zu.

»Na toll«, murmelte Lilli und verzog das Gesicht. »Damit wäre ich wohl die offizielle Spaßbremse hier am Tisch. So seht ihr mich also? Vielen Dank auch.«

Beinahe wäre sie aufgestanden und gegangen. Die Rolle als dröge Spielverderberin, die auf jedes Pro mindestens ein Contra aus dem Hut zauberte, passte ihr ganz und gar nicht. Aber musste ein Projekt dieser Größenordnung nicht von allen Seiten beleuchtet werden? Wie sie schon ein paar Stunden zuvor zu Mike gesagt hatte: Schließlich ging es nicht darum, einen Hühnerstall zu bauen.

»Nicht beleidigt sein, cara mia.« Gina nahm Lillis Hand. »Sind wir nicht gerade deshalb ein so hervorragendes Team? Wenn mein Gehirn abschaltet, denkst du für uns beide. Das finde ich wunderbar, weißt du? Pfeffer und Salz, Essig und Öl, Tomate und Basilikum – was wäre das eine ohne das andere? Nicht vollständig!«

Gegen ihren Willen musste Lilli kichern. Tomate und Basilikum … also wirklich.

»Und da machte unsere Schöne wieder Strahlemann und Söhne«, stellte Pierre fest. »Schön, dass der liebe Frieden wiederhergestellt ist. Fangen wir also an. Mike, du bist dir ganz sicher, dass du deine Scheune für das Projekt zur Verfügung stellen willst?«

Mike nickte. »Absolut. Sie ist ja praktisch ungenutzt. Die paar Dinge, die ich dort lagere, kann ich woanders unterbringen. Außerdem steht die Scheune weit genug von meinem Haus entfernt, dass ich den Publikumsverkehr ignorieren kann, falls mir danach ist.«

»Äh … hm … das meinte ich eigentlich nicht.« Pierre warf Lilli einen raschen Blick zu. »Ich rede nicht vom Gebäude an sich, sondern … äh … von den persönlichen Verquickungen, die daran hängen.«

Mikes Gesichtsausdruck sprach Bände: Er hatte keine Ahnung, worauf Pierre hinauswollte.

Lilli hingegen sehr wohl. »Er meint dich und mich, Mike. Was ist, falls es mit uns auf Dauer nicht klappt? Wenn wir uns trennen?«

»Wie bitte?« Fassungslos blickte Mike in die Runde. »Ich soll über eine rein hypothetische Trennung nachdenken? Das kann nicht euer Ernst sein.«

»Ich finde Pierres Diskussionsbeitrag sehr vernünftig«, sagte Lilli mit einem Nicken. »Das müsste natürlich vertraglich festgelegt werden.« Die erste Notiz landete auf dem bisher weißen Block.

»Was müsste festgelegt werden?«, fragte Mike verdutzt.

»Dass du uns nicht vom Gelände jagen kannst, falls ihr euch trennt, bellissimo«, sagte Gina.

»Aber ich würde doch niemals …«

Gina hob die Hand, um Mike zu stoppen. »Das sagst du jetzt. Aber was ist, wenn du verletzt und wütend bist? Weil Lilli einen anderen hat? Und uns – oder speziell Lilli – nicht mehr sehen willst? Oder andersherum: Du hast eine Neue, und der passt es überhaupt nicht, dass deine Ex ständig in deiner Nähe ist? Was dann?«

Bei der Diskussion wurde Lilli allmählich flau im Magen. Es behagte ihr nicht, über eine eventuelle Trennung von Mike zu sprechen. Wäre sie abergläubisch, dann würde sie jetzt befürchten, durch dieses Gespräch ein Unheil heraufzubeschwören, das sonst nicht geschehen würde. Es drängte sie danach, sich selbst zu beruhigen.

»Bei einem Ehevertrag wird ja auch festgelegt, wie im Falle der Scheidung verfahren wird. Und wann wird das gemacht? Genau: zu Beginn der Ehe, wenn der Himmel noch voller Geigen hängt und der Gedanke an Trennung vollkommen absurd erscheint«, sagte sie also. »Wir wären unprofessionell und dumm, uns über den Fall der Fälle keine Gedanken zu machen. Und Regelungen zu treffen. Vorsorglich. Das hat nichts damit zu tun, wie sicher wir uns unserer Beziehung sind, Mike. Immerhin wollen Gina und Pierre einsteigen. Auch sie brauchen verbindliche Sicherheit.«

Gina nickte. »Ja, das stimmt. Es ist keineswegs so, dass wir eurer Beziehung misstrauen. Ganz im Gegenteil, ihr seid wie geschaffen füreinander. Einigen wir uns darauf, dass diese … hm … Sache im Vertrag festgehalten wird. Hat Armin sich schon die Scheune angesehen, Lilli?«

Armin war Architekt und hatte sich sofort erboten, zum Projekt nicht nur das Gebäude zu begutachten, sondern – falls gewünscht – auch Baupläne zu erstellen und weitere Aufgaben zu übernehmen.

An den Besichtigungstermin erinnerte Lilli sich mit gemischten Gefühlen. Armin und Mike waren sich begegnet, und Lilli hatte einige Spannungen zwischen ihnen wahrgenommen, zumal Mike wusste, dass Armin sich auch nach der Trennung weiterhin um eine Versöhnung bemüht hatte. Zu Lillis Geburtstag hatte er ihr sogar ein nagelneues Auto vor die Tür gestellt.

Ihre Reaktion darauf hatte Mike so gründlich missverstanden, dass er ihre gerade begonnene Beziehung umgehend wieder beendet und jegliche Erklärungsversuche Lillis brüsk abgelehnt hatte. Dennoch hatten sie weiterhin zusammengearbeitet, was Lilli allerdings größte Selbstbeherrschung abverlangt hatte. Nur mit Grausen erinnerte sie sich daran, wie todunglücklich sie gewesen war.

»Armin ist von der Scheune sehr angetan«, sagte Lilli. »Die Bausubstanz ist hervorragend, das Mauerwerk tadellos, das Dach in bestem Zustand.«

Sie hatten sich angewöhnt, den Begriff ›Scheune‹ zu benutzen. Er suggerierte fälschlicherweise, dass es sich um ein einfaches hölzernes Gebäude handelte, aber in Wirklichkeit war es ein erst vor einigen Jahren erbauter, moderner Viehstall.

»Zu unserem Glück ist die Scheune bereits mit Wasserleitungen und Stromanschlüssen ausgestattet, es gibt sogar Starkstrom«, fuhr Lilli fort. »Das reduziert die nötige Investition beim Umbau spürbar. Wir haben es also mit einer äußerst soliden Bühne für unser Projekt zu tun.«

»Würdest du ihn mit dem Umbau beauftragen wollen?«, fragte Gina.

»Er steht Gewehr bei Fuß«, sagte Lilli. »Falls – oder sobald – wir ihm einen Auftrag erteilen, legt er mit den Bauplänen los. Auch das Bauantragsverfahren bei den Behörden kann er für uns erledigen.«

Pierre runzelte die Stirn. »Und die Kosten?«

»Er kann nicht umsonst für uns arbeiten, und das soll er auch nicht«, erwiderte Lilli. »Aber er wird seine Leistung nicht … wie soll ich sagen … nicht nach der normalen Preisliste berechnen, das hat er mir – und seiner Mutter, übrigens – versprochen. Allerdings hat er, was die verschiedenen Gewerke angeht, keinen Einfluss auf die Preise. Aber«, sie hob den Finger, »er arbeitet seit Jahren mit diesen Firmen zusammen und kann uns garantieren, dass wir keinen Pfusch geliefert kriegen. Sprich: Nicht wir müssen mühsam nach vertrauenswürdigen Malern suchen, sondern bekommen sie von Armin auf dem Silbertablett serviert. Das erspart uns sehr viel Zeit und Mühe. Zudem müssen wir bei den Bauarbeiten praktisch nichts kontrollieren und überwachen, denn er übernimmt auch die Aufsicht.«

»Das ist vielleicht sogar das Beste daran«, sagte Pierre. »Ich könnte jedenfalls nicht beurteilen, ob ein Maurer langsam oder schnell arbeitet. Wenn der mir erzählen würde, dass ein Pensum von einem halben Quadratmeter Mauer pro Tag normal ist …« Er zuckte mit den Achseln und hob die Hände. »Ihr wisst, was ich meine. Wir können das nicht selbst stemmen, denke ich. Handwerker suchen, Angebote einholen, ständig irgendwelche Entscheidungen treffen, Leute beaufsichtigen, die Qualität der Arbeit beurteilen … ich bin dafür, dass Armin das übernimmt. Ich freue mich darauf, ehrlich. Es wird total spannend sein, jeden Tag einen Fortschritt zu sehen. Zu erleben, wie unsere Vision zur Wirklichkeit wird.«

Lilli nickte lächelnd in die Runde. »Genauso geht es mir auch. Ansonsten hätten wir ja einen Gastronomiebetrieb übernehmen können, den der Vorbesitzer nicht weiterführen möchte. Das will ich, ehrlich gesagt, auf keinen Fall. Ich … mir geht es auch darum, gemeinsam mit euch etwas ganz Neues entstehen zu lassen. Etwas, das in jedem Detail unsere Handschrift trägt.« Sie sah alle nacheinander an und fuhr fort: »Egal, ob es darum geht, wo neue Fenster eingesetzt werden, oder darum, welche Blumen auf den Tischen stehen.«

»Also bist du ja doch Feuer und Flamme dafür!« Gina klatschte in die Hände wie ein begeistertes Kind. »Ich dachte schon, du willst nicht mehr!«

»Natürlich bin ich Feuer und Flamme, Schatz.« Lilli beugte sich zu Gina und umarmte sie. »Ich sitze mit den drei Menschen hier am Tisch, mit denen ich mir absolut vorstellen kann, eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Aber ich habe auch Ängste und Zweifel, das will ich euch nicht verschweigen. Niemand von uns hat riesige Geldsummen herumliegen, also werden wir nicht unerhebliche Kredite aufnehmen müssen. Und zumindest Gina und ich haben zudem die Verpflichtung, auch an unsere Kinder zu denken.«

»Immerhin sind wir alle in einem Alter, in dem wir imstande sind, Dinge rational zu durchdenken«, warf Pierre ein.

»Ha, als wäre das eine Frage des Alters.« Prustend winkte Gina ab. »Aber ich denke, wir kennen uns gegenseitig gut genug, um einschätzen zu können, ob wir uns dauerhaft vertragen können, oder?«

»Na ja, ich bin allerdings ziemlich neu in der Runde«, sagte Mike grinsend. »Hoffentlich bin ich nicht nur deshalb in der Band, weil ich derjenige bin, der ein Schlagzeug besitzt.«

»Natürlich nicht, aber du musst zugeben, dass wir uns mit unseren diversen Talenten zu einem Dreamteam zusammenfügen«, sagte Pierre. »Gina ist unschlagbar darin, Menschen zu umsorgen und wunderschön zu dekorieren, Lilli und ich kochen seit Jahren auf hohem Niveau zusammen, und Mike liefert die allerbesten Zutaten. Stellt euch doch nur vor: Wenn ich frischen Salat benötige, muss ich nur vor die Tür gehen und ihn pflücken! Wenn das nicht das Paradies ist, dann weiß ich auch nicht.«

»Mike liefert nicht nur die Zutaten, sondern auch den Ort des Geschehens. Das entspricht dem Schlagzeug plus einem Verstärker, wenn nicht sogar zwei. Ohne ihn ginge es nicht, Leute.« Lilli blickte in die Runde und atmete tief durch. »Na gut, Butter bei die Fische. Wer dafür ist, diesen Wahnsinn anzugehen, hebt die Hand.«

Vier Hände gingen hoch, und Lilli nickte.

Damit war es abgemacht: Sie waren offizielle Geschäftspartner, die sich eine gemeinsame Zukunft aufbauten.

Kapitel 4

»Was macht ihr denn hier? Spielt ihr Schule oder warum zeigt ihr auf?«

Niemand hatte bemerkt, dass Svenja herangekommen war.

»Nein, wir haben gerade abgestimmt, ob wir gemeinsam das Restaurantprojekt angehen wollen«, sagte Lilli. »Hier in Mikes Scheune.«

Theatralisch verdrehte Svenja die Augen. »Als wenn ich nicht wüsste, dass ihr in Mikes Scheune kochen wollt. Immerhin quatscht ihr darüber schon seit mindestens hunderttausend Jahren. Oder sogar zweihunderttausend. Ich kapiere das nicht – ich weiß immer sofort, ob ich etwas will oder nicht.« Sie inspizierte den Tisch und seufzte enttäuscht. »Kein Kuchen mehr da?«

»Doch, in der Küche«, erwiderte Mike. »Aber der ist nur für dich und nicht für die Hunde.«

»Jaja«, murmelte Svenja im Weggehen. Hüpfend verschwand sie um die Hausecke. Mit ihren langen Beinen wirkte sie wie ein Fohlen, das über eine Wiese galoppiert.

Nachdenklich blickte Gina ihr hinterher. »Deine Svenja wird immer hübscher, Lilli. Mittlerweile sieht sie beinahe erwachsen aus.«

»Lass sie das bloß nicht hören«, gab Lilli leise zurück, »es ist schon schwierig genug mit ihr. Mal scheint sie ganz erwachsen, und im nächsten Moment spielt sie mit Puppen, als wäre sie fünf Jahre alt. Vollkommen unberechenbar. Ich kann nie vorhersehen, mit wem ich es gerade zu tun habe. Wenn ihre Lieblingsmarmelade alle ist, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder reagiert sie ganz vernünftig und schreibt das Zeug auf die Einkaufsliste – oder sie kriegt einen völlig übertriebenen Wutanfall. Zwischentöne? Fehlanzeige.«

»Tja, mit einem pubertierenden Teenager bleibt das Leben stets spannend«, sagte Gina. »Wir können froh sein, dass Kati und Tobi aus dem Gröbsten raus sind.«

»Schon, aber Kati war mit vierzehn nicht annähernd so kapriziös wie Svenja. Manchmal kann ich kaum glauben, dass beide aus einem Nest geschlüpft sind«, erwiderte Lilli. »Kati war damals schon zielstrebig, und ich konnte mich immer auf sie verlassen. Genau wie du auf Tobi.«

Lillis Tochter Kati und Ginas Sohn Tobi waren beide gerade volljährig und hatten unlängst ihre Abiturklausuren geschrieben. Zur Begeisterung ihrer Mütter hatte sich aus jahrelanger Freundschaft zwischen ihnen einige Monate zuvor eine Liebegeschichte entwickelt – zu Beginn nicht ohne Komplikationen, mittlerweile aber gefestigt.

»Will Svenja immer noch Model werden, oder ist dieser Plan mittlerweile Schnee von gestern?«, fuhr Gina fort.

Stöhnend verdrehte Lilli die Augen. »Bei allem ändert sie beinahe stündlich ihre Meinung – nur bei diesem Thema nicht. Ausgerechnet! Seit sie ein Kind ist, verfolgt sie fasziniert diese Sendung mit Heidi Klum. Nicht nur das: Seit Jahren verkündet sie, dass sie sich dort bewerben will. Und selbstverständlich gewinnen, damit sie endlich ein glamouröses Leben führen und Promis kennenlernen kann.«

»Wie ich dieses Mädchen kenne, wird sie das garantiert machen«, warf Pierre ein. »Sich dort bewerben, meine ich. Bei aller Unberechenbarkeit hat sie einen eisernen Willen. Gibt es eine Altersgrenze nach unten?«

»Gott sei Dank, ja.« Lilli nickte. »Weil ich eine gute und kluge Mutter bin, habe ich mich natürlich informiert: Man muss mindestens sechzehn Jahre alt sein. Ich habe also noch zwei Jahre Gnadenfrist und die Hoffnung, dass sich ihr Berufswunsch bis dahin geändert hat. Falls nicht, könnte ich ihr immer noch die Zustimmung zur Teilnahme verweigern, solange sie noch nicht volljährig ist. Und inständig dafür beten, dass sie Armin nicht rumkriegt, wenn ich mich querstelle.«

»Oder vorher nicht gelernt hat, einen Ausweis zu fälschen«, sagte Gina düster. »Was ist mit Jungs? Lungern schon pickelige Teenager vor deinem Haus herum?«

Tatsächlich war Lilli insgeheim heilfroh darüber, dass Svenja sich nicht – noch nicht – für Flirts mit Jungs zu interessieren schien. »Noch kein Thema. Obwohl … doch, allerdings unter dem Aspekt, dass sie, wenn sie dann irgendwann einmal ein Topmodel ist, einen millionenschweren Fußballer oder Filmstar zu ehelichen gedenkt. Berühmter Rocksänger mit schlechtem Ruf oder ein Boygroup-Mitglied wäre auch akzeptabel. Das zumindest ist der Plan, soweit ich weiß. Und dieser Plan – so absurd er ist – bewahrt mich vermutlich davor, mir Sorgen um eine ungewollte Teenager-Schwangerschaft machen zu müssen.«

Weibliche Rundungen ließen bei Svenja noch auf sich warten, was zwar optimal für ein Model war, beim männlichen Geschlecht in ihrem Alter aber vermutlich nicht dazu führte, dass um sie gebalzt wurde. Aber Svenja würde sich vorerst ohnehin auf niemanden einlassen, der nicht aus den Medien bekannt war. Das war ein besserer Schutz als ein mittelalterlicher Keuschheitsgürtel.

»Keine Sorge, das regelt sich bestimmt von ganz allein«, sagte Mike. »Sie ist ein gutes Mädchen, finde ich. Hattet ihr in ihrem Alter nicht auch Flausen im Kopf? Was wolltet ihr denn werden?«

»Prinzessin«, erwiderten Lilli und Gina synchron. Kichernd sahen sie sich an, dann fuhr Gina fort: »Aber das war nur eine kurze Phase. Davor wollte ich Eiskunstläuferin werden, bis ich begriff, dass ich dafür echt hart trainieren müsste. Also flog es wieder von der Wunschliste. Dann war es Primaballerina, aber das wurde aus denselben Gründen gestrichen. Es folgten eine Unzahl weiterer Pläne, von denen die meisten vollkommen unrealistisch waren.«

»Und genau das versetzt mich in höchste Alarmbereitschaft«, fügte Lilli hinzu.

»Verstehe ich nicht«, sagte Pierre.

»Dann will ich es dir erklären, Unwissender.« Lilli blickte ihn ernst an. »Gina und ich waren typische Teenager, deren Zukunftspläne und Berufswünsche sich schneller änderten als Aprilwetter. Ärztin, Lehrerin, Anwältin, Schauspielerin, Konditorin, erste Frau auf dem Mond, Tierpflegerin im Zoo, natürlich nur bei süßen Tieren … nenne mir einen Beruf, und er stand garantiert mal auf meiner Liste. Svenja allerdings ist seit Jahren fest entschlossen, dass sie …«

In diesem Moment kam Svenja wieder am Tisch vorbei, einen Teller mit Kuchen in der Hand. Die letzten Worte ihrer Mutter hatte sie offenbar aufgeschnappt, denn sie fragte mit vollem Mund: »Wasch isch mit mir?«

»Ich habe deine Mutter gerade gefragt, ob du immer noch Model werden willst«, antwortete Gina, ehe Lilli sie daran hindern konnte.

Svenja sah Gina an, als hätte sie etwas reichlich Dummes gesagt. Dann schluckte sie den Kuchen runter und erwiderte hoheitsvoll: »Na klar. Guck mich doch mal an.«

Langbeinig und schmalhüftig stakste sie über die Wiese davon, und Lilli ahnte, dass dieses Thema noch lange nicht ausgestanden war.

Kapitel 5

»Armin hat mir natürlich bereits erzählt, dass er von dir und deinen Freunden den Auftrag erhalten hat, Herrn Kowalskis Scheune umzubauen«, sagte Käthe Berger und nippte an ihrem Tee.

Lilli hatte ihre Schwiegermutter eingeladen, um ihr Armins Baupläne für das Restaurants zu zeigen. Über den Grundriss hinaus hatte er, gemeinsam mit Lilli und Gina, einige Skizzen der Innenräume angefertigt. Dabei hatten sie etliche Variationen möglicher Einrichtungsstile ausprobiert, die einen guten Eindruck davon vermittelten, wie das Restaurant später aussehen könnte.

Sehr lange und konzentriert hatte Käthe sich die Pläne und Zeichnungen angesehen und schließlich nach ihrer Tasse gegriffen. Sie trank einige Schlucke Tee, seufzte und beugte sich wieder über die Pläne. Noch einmal studierte sie die Zeichnungen gründlich, dann sah sie Lilli an, sagte aber nichts.

»Gefallen dir die Entwürfe?«

Eigentlich hatte Lilli sich diese Frage verkneifen wollen, aber es irritierte sie, dass Käthe keine Reaktion zeigte.

»Hm … ja, durchaus. Recht hübsch.« Käthe trank erneut etwas Tee, stellte bedächtig die Tasse ab und fuhr fort: »Habt ihr euch das auch wirklich gut überlegt? Du bist immer überaus forsch mit deinen Entschlüssen, Elisabeth.«

Recht hübsch? Lilli war sich nicht sicher, ob sich Käthes Urteil auf die Einrichtungsideen bezog oder vielleicht doch nur darauf, wie gut ihr Armin zeichnen konnte. Sie beschloss, nicht nachzufragen.

»Du wirst es nicht glauben«, erwiderte Lilli, »aber in unserer Runde war ich die große Zweiflerin. Ich habe sehr lange mit mir gehadert, ob das Projekt nicht vielleicht doch eine Nummer zu groß für mich ist. Ich bin also längst nicht so forsch, wie du denkst.«

»Findest du?« Käthe hob die Brauen. »Die Trennung von meinem Sohn, die Kündigung deiner sicheren und gutbezahlten Stelle im besten Restaurant der Stadt, die Gründung deines Unternehmens – das war doch alles ziemlich hopplahopp, wenn ich mich recht erinnere.«

Lilli seufzte innerlich.

Immer mal wieder gab es Momente wie diesen: Käthe, ihre Noch-Schwiegermutter, kam auf dieses leidige Thema zurück. Wahrscheinlich hoffte sie noch immer, dass ihr geliebter Armin und Lilli sich wieder versöhnen würden. Nur mühsam hatte sie akzeptieren können, dass es mit Mike Kowalski einen neuen Mann in Lillis Leben gab. Und im Leben ihrer beiden Enkeltöchter.

»Käthe, ich konnte unmöglich weiterhin dort arbeiten, nachdem mein Gatte mich seit Jahren mit meiner Chefin …« Sie winkte ab. »Du weißt schon. Und dann brauchte ich etwas, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich musste schnelle Entscheidungen treffen. Weißt du noch: Du hast mir sogar finanziell unter die Arme gegriffen und mir Geld geliehen, und für diese noble Geste bin ich dir immer noch sehr dankbar. Armin und ich … das ist Vergangenheit. Ich bin sehr froh, dass er und ich mittlerweile gut befreundet sind; der Weg dorthin war schwer genug.«

»Ich weiß.« Käthe seufzte. »Und dieser Mike Kowalski ist wirklich ein netter Mann, das muss ich zugeben. Aber für die Mädchen würde ich mir dennoch wünschen, dass Armin und du …«

Lilli hob die Hand. »Käthe, ich will nicht respektlos sein, aber ich bitte dich höflich darum, dieses Thema nicht weiter zu strapazieren. Armin ist mit Vanessa zusammen und ich mit Mike. Die Mädchen haben sich längst mit dieser Situation versöhnt, wie du weißt. Kati von Beginn an, und sogar Svenja hat damit aufgehört, Armin und mich gegeneinander auszuspielen oder mir die Schuld daran in die Schuhe zu schieben, dass ihr Papa jetzt woanders wohnt. Alles ist gut. Alle sind zufrieden.«

Bis auf dich, dachte Lilli.

Aber würde Käthe jemals zu hundert Prozent zufrieden sein? Immerhin hatte Lilli sich Stück für Stück ihren Respekt erworben, nachdem Lillis Schlemmerei Fahrt aufgenommen hatte: Lillis und Ginas hervorragende Arbeit hatte zu guten Kritiken zufriedener Kunden geführt, die wiederum durch positive Mundpropaganda für weitere Aufträge gesorgt hatten. Oder Gäste, die zu einem Dinner oder einer Party ihrer Kunden eingeladen gewesen waren, hatten sie prompt für eigene Events angeheuert.

Natürlich hatte sie zu Beginn ihrer Selbständigkeit noch von dem guten Ruf profitiert, dass sie – und Pierre – Vanessas Restaurant, das Camelot, zu einem der besten der Stadt gekocht hatten. Aber mittlerweile sprachen die Erfolge ihres Unternehmens längst für sich, zumal auch Pierre die Seiten gewechselt hatte und nun für sie arbeitete.

»Du solltest wissen, dass ich dich für das, was du innerhalb eines Jahres erreicht hast, durchaus bewundere«, sagte Käthe zögernd, »aber …«

Hätte mich auch gewundert, wenn es kein ›aber‹ gäbe, dachte Lilli ergeben.

»… aber ich frage mich, warum du damit nicht zufrieden bist, Lilli.«

»Oh, das bin ich«, gab Lilli zurück, »sehr sogar.«

»Aber warum willst du nun alles riskieren und ein derart hohes Risiko eingehen? Eine Scheune umbauen und ein Restaurant eröffnen? Dass muss doch Unsummen kosten! Wie willst du das finanzieren, Lilli? Ich habe schon schlaflose Nächte deswegen.«

»Das musst du nicht.« Lilli nahm Käthes Hand. »Wir sind immerhin zu viert, das weißt du doch. Gina, Monsieur Pierre und Mike stehen mir zu Seite.«

Käthe zog ihre Hand zurück und seufzte. »Das macht es aus meiner Sicht nicht besser. Deine italienische Freundin ist ja recht patent, aber dieser verrückte Koch und dann noch dieser Gemüsehändler …« Sichtlich bekümmert schüttelte sie den Kopf. »Ich frage dich ernsthaft: Welche Bank sollte euch Geld leihen?«

»Allein Mikes Besitz würde als Sicherheit dafür reichen, um drei Restaurants zu finanzieren«, gab Lilli heftiger zurück, als sie gewollt hatte. Innerlich zählte sie bis zehn, dann fügte sie deutlich sanfter hinzu: »Alles ist sehr gut durchdacht, und wir haben einen hervorragenden Businessplan, bei dem wir uns natürlich haben beraten lassen. So etwas kritzelt man nicht mal eben auf einen Bierdeckel.«

Käthe hob die Brauen. »Beraten lassen? Von wem denn? War das ein Experte?«

»Eine Expertin, um genau zu sein. Um noch genauer zu sein: Wir waren bei Renate.«

Besagte Renate war eine sehr entfernte Cousine von Lilli, die allerdings die genauen Verwandtschaftsverhältnisse nicht im Detail durchblickte. Vor etwas mehr als einem Jahr – seinerzeit hatte Lilli noch im Camelot gearbeitet – war sie von Renate darum gebeten worden, deren Silberhochzeit auszurichten. Die Feier war, auch dank Ginas Beitrag, ein großer Erfolg gewesen. Außerdem praktisch Lillis erster Auftrag, obwohl sie zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal daran gedacht hatte, ein Unternehmen zu gründen. Abers Renates Begeisterung sowie zwei Folgeaufträge hatten sie, als es so weit war, darin bestärkt, sich als Köchin auf eigene Füße zu stellen.

»Und Renate hat euch geholfen?«, fragte Käthe.

»Sie hat uns beraten und wertvolle Tipps gegeben. Außerdem haben wir den Businessplan von ihrer Kanzlei aufstellen lassen, natürlich unter Beteiligung ihres Steuerberaters. Du siehst: Die Banken haben sehr professionelle Unterlagen von uns bekommen, an denen es nichts zu meckern gab. Dazu kam in meinem und Ginas Fall eine fachliche Bewertung unseres Unternehmens: Auftragslage, Umsätze, Prognose für die Zukunft. Dank Renates Coaching konnte ich jede Rückfrage mühelos beantworten.« Sie lächelte und fügte hinzu: »Überdies war ich bei dem Banktermin total seriös gekleidet: Kostüm, Seidenbluse und schicke Pumps. Ich war eine richtige Geschäftsfrau, die genau weiß, was sie will, und sich ihrer Sache absolut sicher ist.«

»Hm …« Sichtlich skeptisch wiegte Käthe den Kopf. »Das klingt alles sehr gut, das muss ich zugeben. Mir gefällt, dass ihr offenbar nichts dem Zufall überlassen habt. Immerhin bist du nicht in Jeans und schlabbrigem T-Shirt zur Bank gegangen. Aber was ist, wenn ihr keinen Erfolg habt?«

»Ach, Käthe.« Lilli tätschelte die Hand ihrer Schwiegermutter. »Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich mir darüber schon den Kopf zerbrochen habe. Aber was soll das bringen? Ich kann nicht in die Zukunft blicken, das kann niemand. Wir haben uns entschieden, und die Sache läuft. Armin hat sogar schon den Bauantrag bei den Behörden durchgepeitscht. Ich fürchte, der Zug steht auf den Schienen und hat bereits ordentlich Fahrt aufgenommen. Ich kann nicht mehr abspringen, und das ist gut so.«

Käthe presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Lange blickte sie aus dem Küchenfenster, dann wandte sie sich wieder Lilli zu. »Früher war es doch so viel einfacher, denkst du nicht auch, Elisabeth? Als Armin und du noch ein Paar wart, eine echte Familie mit den beiden Mädchen. Ich verstehe einfach noch immer nicht, warum du dich nicht mit ihm versöhnen willst. Er bereut zutiefst, was er dir angetan hat. Wenn du nur wüsstest, wie wunderbar und liebevoll er über dich …«

Lilli hob die Hand, um sie zu stoppen. »Nicht, Käthe. Wer weiß, vielleicht hätte ich sogar darüber nachgedacht, wenn er nicht immer noch mit Vanessa zusammen wäre, während er angeblich alles bereut. Und noch etwas: Mike ist kein Platzhalter für Armin, das musst du einfach allmählich akzeptieren. Und jetzt ist er sogar zusätzlich mein Geschäftspartner. Der Zug für Armin ist abgefahren, Käthe. Endgültig und unwiderruflich.«

Aber Lilli sah der Miene ihrer Schwiegermutter an, dass diese noch weit davon entfernt war, die neue Situation wirklich zu akzeptieren.

Kapitel 6

Der knatternde Motor eines Rollers wurde vor dem Haus abgestellt, dann drehte sich in der Haustür ein Schlüssel. Sekunden später kam Kati in die Küche geschlendert und umarmte ihre Großmutter zur Begrüßung.

»Ich sehe, Mum hat dir die Pläne gezeigt«, sagte sie. »Welche Einrichtung gefällt dir am besten? Ist das alles nicht wahnsinnig aufregend?« Sie holte eine Tasse aus dem Schrank, setzte sich zu ihnen an den Tisch und goss sich Tee ein.

»Ja, das ist es«, erwiderte Käthe. »Aufregend ist das richtige Wort dafür, mein Kind. Aber wie sieht es bei dir aus? Wie läuft das Abitur?«

»Die Klausuren sind geschrieben, die mündlichen Prüfungen sind erledigt. Jetzt kann ich nur noch abwarten. Aber ich bin guter Dinge. Bestanden habe ich auf jeden Fall.« Unbekümmert zuckte sie mit den Schultern und lachte. »Fragt sich nur, mit welchem Durchschnitt.«

»Das ist dir doch wohl nicht etwa egal?«, fragte Käthe entgeistert. »Was willst du denn studieren? Du willst doch studieren?«

»Mal sehen. Das habe ich noch nicht entschieden.« Wieder zuckte Kati mit den Schultern. »Ich denke, ich möchte entweder Design studieren oder eine Kochlehre machen. Dazwischen schwanke ich noch.«

»Design studieren? Was studiert man denn da? Wie eine Kaffeekanne aussieht? Oder ein Küchenstuhl?« Käthe beugte sich vor. »Kind, wenn du gute Noten hast, kannst du Medizinerin werden. Oder Juristin!«