Das Glück saß auf der Hafenmauer - Sina Blackwood - E-Book

Das Glück saß auf der Hafenmauer E-Book

Sina Blackwood

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Beschreibung

Als Sebastiano, Eigner und Kapitän der italienischen Superjacht Stella Solitaria, am Hafen in Cannes einer völlig verzweifelten britischen Touristin Nachtasyl gewährt, merkt er schnell, dass sie der Baustein ist, der sein Leben erst komplett macht. Sein ritterliches Verhalten und einfühlsames Wesen beeindrucken Sue so tief, dass sie liebend gern die Herausforderung annimmt, den freien Platz in seinem Herzen und an seiner Seite zu besetzen. Und plötzlich stolpern beide über Geschehnisse, die sie noch fester zusammenschweißen. Sue ahnt nicht, welche fast märchenhafte Wendung ihr Schicksal an jenem Abend in Cannes genommen hat.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

XI.

XII.

XIII.

XIV.

XV.

I.

„Wann wolltest du mir sagen, dass du den Anker verloren hast?“, herrschte Nicola Barbero seinen Skipper an.

„Geht’s noch? Ich war gerade auf dem Weg zu Ihnen!“, erwiderte Sebastiano Venturi mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Hätten Sie auf mich gehört, wäre es nicht passiert. Zudem ist das Ganze keine 30 Sekunden her und fliegen kann ich nicht.“

„Dann wirst du es lernen müssen. Bist gefeuert!“, ätzte Nicola.

Sebastiano verengte für den Bruchteil eines Wimpernschlags die Augen zu Schlitzen, dann schob er Nicola wortlos aus dem Weg, wandte sich festen Schrittes seiner Kajüte zu und begann, den Seesack zu packen. Anschließend führte er ein Telefonat.

Draußen mühte sich die Mannschaft, welche den kurzen Wortwechsel vernommen hatte, den Reserveanker klarzumachen. Die finsteren Gesichter der Männer konnte der Boss nicht sehen.

Barbero war ein schwerreicher Nichtsnutz, der von Nautik so viel Ahnung hatte, wie eine Schildkröte vom Fliegen. Beruf Sohn, mit Hobby geldgeile Playgirls flach legen und mit Sex-Party-Touren auf seiner Jacht beeindrucken.

Aber die waren diesmal, kaum an Bord, sofort von Venturi begeistert, der sowohl optisch um Längen besser dastand als auch mit echtem Können punktete. Der muskelbepackte erfahrene Seebär, schien selbst im schlimmsten Unwetter immer eine sichere Route zu finden. Er hatte den aktuellen Auftrag in erster Linie angenommen, um herauszufinden, ob Barbero wirklich der ultimative Lackaffe war, als den man ihn verschrie.

Ja, der war einer. Das hatte schon in der ersten Stunde nach dem Ablegen festgestanden. Sebastiano amüsierte die Tatsache, dass Barbero nicht den Funken Ahnung hatte, um wen es sich bei ihm handelte. Es klopfte an der Kajütentür. Sebastiano öffnete.

„Herr Venturi, bitte gehen Sie nicht. Die Sache lässt sich doch bestimmt regeln“, bat Marcello aus der Crew.

„Lässt sie sich nicht. Tut mir leid für Sie alle“, erwiderte Sebastiano mit fester Stimme, wenn auch leise. „Machen Sie das Beste aus der vertrackten Situation.“

„Sie meinen verkackte Situation“, knirschte Marcello mit den Zähnen. „Sie waren unsere einzige Hoffnung.“

„Kontaktieren Sie die Küstenwache, wenn die Lage wirklich brenzlig wird. Einen anderen Rat kann ich Ihnen nicht geben. Leben Sie wohl und halten Sie die Ohren steif.“

Marcello schlug mit der rechten Faust in seine offene linke Hand, biss die Zähne in einer Grimasse aufeinander und wandte sich stumm um. Sebastiano schloss hinter ihm die Tür.

Eine halbe Stunde später erklang das flappende Geräusch eines Hubschrauberrotors und im fast spiegelglatten Wasser zum Greifen nah neben der ankernden Jacht wasserte das Fluggerät. Sebastiano erschien mit gepacktem Seesack an Deck, warf ihn geschickt in die offene Luke des Helis und sprang hinterher. Punktlandung auf der kurzen Leiter.

Nicola hastete völlig perplex herbei, wo er gerade noch sehen konnte, wie Sebastiano den Steuerknüppel übernahm. Dann schwebte der Zweisitzer auch schon der Küste entgegen. „Da... das gibt es doch nicht!“, entfuhr es ihm mit regelrecht dümmlicher Grimasse.

Offenbar hatte er erwartet, Sebastiano käme auf dem Bauch angekrochen, um den Job zu behalten. Dass er ohne Kapitän aufgeschmissen war, begriff er augenblicklich. Zudem ließ sich der finstere, wenn auch eindeutig schadenfrohe Blick der Crew nicht wegleugnen.

„Wir fahren weiter!“, befahl Nicola.

„Das heißt: Anker lichten. Du Pfeife!“, murmelte Marcello und scherte sich nicht darum. Er war schließlich nicht der Kapitän.

Nicola zog die Augenbrauen zusammen, ihn am Arm packend. „Wird’s bald?!“

„Was?“, staunte ihn Marcello gut geschauspielert an.

„Weiterfahren! Hopp hopp!“

Marcello schürzte die Lippen und rief den anderen zu: „Kann zufällig jemand die Seekarte lesen und den technischen Kram bedienen?!“

Kopfschütteln. Selbst wenn es einer gekonnt hätte, wäre die Reaktion dieselbe gewesen. Die vier Bunnys an Bord, wurden unruhig. Nicola schnaufte ungehalten, machte auf dem Absatz kehrt und setzte sich persönlich ans Steuerrad. Als die Maschinen zu arbeiten begannen, wies ihn Marcello darauf hin, dass der Anker noch nicht gelichtet sei.

„Dann holt ihn gefälligst hoch!“, befahl Nicola wütend.

Marcello gab die Order an die Mannschaft weiter, die augenblicklich in Aktion trat. Allerdings merkte er an: „Wir haben nur noch den einen und sollten den anderen suchen lassen.“

„Erzähle du mir nicht, was ich zu tun und zu lassen habe!“, raunzte ihn Nicola an.

„Sehr wohl, mein Herr“, flötete Marcello zuckersüß, sich mit einer angedeuteten Verbeugung breit grinsend trollend. „Arschloch!“, fügte er in Gedanken hinzu.

Marcello hatte seit Sebastianos Abflug jede halbe Stunde den Seewetterbericht gecheckt, weil es Sebastiano bereits in den Morgenstunden auch so gemacht hatte. Irgendetwas schien in der Luft zu liegen! Gegen Abend zog sich der Himmel zu, der Wind frischte auf. Marcello bat Passagiere und Mannschaft, Schwimmwesten anzulegen, da Barbero alles zuzutrauen war. Die Männer taten es sofort in ihrem eigenen Interesse. Dass die Westen weder vor Hai- noch Orca-Angriffen schützten, war ebenfalls allen klar. Die Damen reagierten mit schroffer Ablehnung. Es gab ja ein Rettungsboot. Marcello knirschte mit den Zähnen.

„Du hast es versucht. Wir können es alle bezeugen“, zuckten die übrigen Crewmitglieder mit den Schultern.

Marcellos Engagement hatte zur direkten Folge gehabt, dass er per Befehl das Steuer für die Nacht übernehmen musste, obwohl er keinerlei Erfahrung mit derartigen Widrigkeiten hatte. Die wollte er unter Sebastianos Kommando auf dieser Fahrt meistern lernen. Umberto blieb bei ihm, denn es wäre Wahnsinn gewesen, Marcello allein auf verlorenem Posten stehen zu lassen.

Ein paar Seemeilen ging es auch gut, dass irgendjemand den Kurs hielt – bis mitten in der Nacht Sturm aufkam, der die Wellen zu wahren Gebirgen auftürmte. Ein paar Mal bekam die Jacht heftige Schlagseite, obwohl sich die Männer bemühten, die Wellen im optimalen Winkel zu schneiden.

„Ist das hier der Treibstoffstand?“, fragte Umberto entsetzt, mit dem Finger auf die digitale Anzeige tippend.

„Ist sie“, knirschte Marcello. „Sebastiano hat schon vor zwei Tagen Barbero aufgefordert, Nachschub anzufordern oder den nächsten Hafen anzulaufen. Wenn der Sturm nicht bald nachlässt, sieht es für uns besch...eiden aus. Ich werde etwas tun müssen, das Barbero gar nicht gefallen dürfte.“

„Was?“, staunte Umberto.

Marcello sah ihn fest an: „Die Küstenwache informieren. Barbero hat doch, außer dem Vögeln, nur Stroh imKopf.“

Umberto grinste. „Leider wahr. Theoretisch müsste der Kerl an der Oberfläche treiben, wenn er derart hohl im Kopf ist. Funktioniert aber nicht, weil er nicht ganz dicht ist.“

„Richtig“, bestätigte Marcello, um sofort zu schreien: „Halt dich fest! Es ...“

Da brach auch schon eine gigantische Welle über sie herein, die das ganze Schiff ächzen ließ. Scheiben splitterten, das Salzwasser flutete den gesamten Kommandostand, die Elektronik fiel aus. Dann ging gar nichts mehr.

Marcello rang mühsam nach Luft und sah sich um. In den Kabinen kreischten Barberos Betthäschen, die beiden anderen Crewmitglieder fanden sich totenbleich auf der Brücke ein. Umberto kniete, aus einer Platzwunde an der Stirn blutend, an der Wand. Aber er lebte.

Marcello zog das Handy aus der Hosentasche. Er trug es stets in einer Nässeschutzhülle, die mit einer Kordel an einer Gürtelschlaufe befestigt war, bei sich. Wenige Augenblicke später meldete sich die Küstenwache.

Zugleich torkelte Barbero in den Raum. Statt sich um den verletzten Umberto zu kümmern, begann er, wie ein Irrer zu toben und Marcello unflätig zu beschimpfen.

„Sie hören ja gerade live, was hier los ist“, fügte Marcello an seinen Kurzbericht der Vorgeschichte an.

Während sich die Crew Umberto zuwandte, packte Marcello Barbero am Oberarm, drückte einmal sehr fest zu, worauf das schwachsinnige Gezeter in Schmerzgewimmer überging. „Schade, dass Kielholen verboten ist“, zischte er, ihn unsanft von sich schiebend. „Kümmern Sie sich um Ihren kreischenden Hühnerstall! Da haben Sie genug zu tun! Wo Verbandszeug oder Rettungswesten zu finden sind, dürfte bekannt sein.“

„So ein Arschloch!“, brummte Vittorio. „Wie stehen unsere Chancen?“

„Sehr schlecht“, gab Marcello bekannt, sich an den Handlauf des Cockpits klammernd, weil sich die Jacht soeben wieder in beängstigende Schräglage begab. „Die Küstenwache ist informiert. Ich konnte ihnen aber nur die Daten per Handy GPS durchgeben. Wir sind komplett manövrierunfähig und haben kaum noch Treibstoff. Schieße zwei Leuchtraketen ab, vielleicht werden sie ja von einem anderen Schiff gesehen.“

„Verdammt! Schöne Sch...“ Vittorio fasste zu Pistole und Signalmunition.

„Ich geh mal nach den Mädels schauen. Barbero ist doch zu allem zu dämlich“, gab Antonio bekannt, machte auf dem Absatz kehrt, um den Worten Taten folgen zu lassen. Zehn Minuten später kam er wieder. „Ein paar blaue Flecke, Angst, bis zum Abwinken, aber sonst unversehrt.“

„Danke!“ Marcello schaute wieder aufs Handy. „Das Sturmtief zieht langsam ab.“

„Na hoffentlich weiß das der Sturm auch“, stöhnte Antonio.

„Hörst du das?!“ Vittorio eilte hinaus. „Ein Schnellboot!“

Da erfasste der Suchscheinwerfer auch schon die halb abgesoffene Jacht. Marcello riss das Megafon aus dem Schrank.

„Haben Sie Verletzte an Bord?“, wurde er gefragt.

„Ja. Ein Crewmitglied mit einer stark blutenden Platzwunde am Kopf“, rief er hinauf.

„Über welche Art Rettungsboot verfügen Sie?“

„Es ist eine Insel für acht Personen“, gab Marcello bekannt, sich wegen des nächsten schweren Wellenbrechers an die Reling klammernd.

„Wir werden den Verletzten und zwei Passagiere mitnehmen. Alle anderen sollten sich umgehend in die Rettungsinsel begeben.“

Nun zeigte Barbero, dass er wirklich das Allerletzte war, das man während eines Notfalls bei schwerer See haben musste. Mit Knien und Ellenbogen schob er seine Betthäschen aus dem Weg, um gleich nach Umberto das Schiff zu verlassen.

„Mieser Dreckskerl“, knirschte Vittorio.

Die Retter der Küstenwache scherten sich nicht um Barberos Gezeter. „Verletzte, Frauen und Kinder zuerst! Sie finden in der Insel Platz!“

Antonio öffnete diese soeben. Er musste Barbero mit Gewalt zurückhalten, der wieder versuchte, die Mädchen abzudrängen.

Die flüchteten sich folgerichtig, kaum in der Rettungsinsel, zu den drei Männern aus der Crew.

„Meine Damen, hier sind Sie erst mal besser aufgehoben, als in einer manövrierunfähigen, halb abgesoffenen Jacht“, wandte sich Marcello an die Passagiere, als sie endlich in freiem Wasser trieben. „Die Küstenwache hat unsere Position. Zudem ist ein Schiff unterwegs, um uns aufzunehmen. Wichtig ist, Ruhe zu bewahren.“

„Hätte Ihr Gastgeber gestern nicht aus geistigem Unvermögen einen der besten Kapitäne Italiens einfach hinausgeworfen, wäre es gar nicht erst so weit gekommen“, fügte Vittorio mit finsterer Miene hinzu.

Marcello erklärte: „Sebastiano war der Einzige, der genau gewusst hätte, wie man Schaden abwendet. Nur durch seine guten Ratschläge vor dem Abflug konnte ich uns Schlimmeres ersparen, als jetzt in einer Rettungsinsel zu hocken.“

Antonio erzählte: „Sebastiano Venturi ist der Chef des größten Herstellers für Schiffssicherheitstechnik. Er verdingt sich in jedem Jahr möglichst unerkannt für ein paar Wochen als Kapitän für fremde Jachten, um immer ausgefeiltere und sicherere Technik erfinden zu können.“

Barbero quollen fast die Augen aus dem Kopf, ihn hatte nicht einmal der Name stutzig gemacht. Ihm wurde flau im Magen, weil dem die Behörden in jedem Fall glauben würden, was am Vortag geschehen war.

Es dauerte fast zwei Stunden, ehe sie vom Rettungsschiff der Küstenwache aus dem aufgepeitschten Meer geborgen werden konnten. Wieder drängelte sich Barbero vor. Kopfschütteln bei den Damen, die ihn ab sofort keines Blickes mehr würdigten, sich bei Marcello hingegen für sein ritterliches Verhalten bedankten.

II.

Sebastiano erfuhr aus den Morgennachrichten, dass alle Passagiere und die Mannschaft der ‚Cervo In Calore‘ durch das umsichtige Handeln des Crew-Mitglieds Marcello Rosato aus Seenot gerettet werden konnten. „Ich möchte mich bei Sebastiano Venturi bedanken, dessen Rat mir sehr geholfen hat“, wurde als Original-Ton der Meldung angefügt.

Als der starke Wind endgültig abflaute, begannen die Bergungsarbeiten der Jacht, die zwar nicht untergegangen war, aber in gefährlicher Schieflage auf den Wellen dümpelte. Sebastiano stand mit dem Fernglas auf den Klippen, als das ramponierte Schiff auf Reede vor Sanremo geschleppt wurde. Offenbar war Barbero zu geizig, es gleich in die Werft bringen zu lassen.

Beim Thema Geld kam Sebastiano ein genialer Gedanke, in dessen Folge er vier umfassende E-Mails verschickte. Dann hieß es: Warten. Dass sofort Antwort kommen werde – eher unwahrscheinlich. Es wunderte ihn aber auch nicht wirklich, dass sein Postfach nach wenigen Minuten eine eingehende Nachricht von einer der Adressen anzeigte. Er nahm das Smartphone zur Hand, um die mitgesandte Nummer zu kontaktieren. Nach dem zweiten Klingeln wurde das Gespräch bereits angenommen.

„Hallo, Herr Rosato, hier ist Sebastiano Venturi. Ich bin derzeit ebenfalls in Sanremo. Treffen wir uns am besten 13 Uhr im La Kambusa in der Via Al Mare 87. Prima, dass es klappt. Ich freue mich auf das Wiedersehen! Bis dahin!“

Marcello taxierte zu Mittag die Nobelkarossen vor dem Portal des Lokals. Welche davon mochte wohl Herrn Venturi gehören? Er öffnete die Tür, worauf sich an einem der Tische sofort Sebastiano erhob, um ihn mit festem Händedruck zu begrüßen. Marcello wählte ein alkoholfreies Bier.

„Ich habe aus den Nachrichten erfahren, welches Ende der Ausflug genommen hat“, begann Sebastiano das Gespräch.

Marcello winkte ab. „Umberto liegt verletzt im Krankenhaus. Er hat sich, als die Riesenwelle über uns hereinbrach, eine Platzwunde und eine Gehirnerschütterung zugezogen. Er und zwei Mädchen sind sofort vom Schnellboot der Küstenwache übernommen worden. Barbero hatte sich wieder als das Allerletzte gezeigt.“

„Das sieht ihm ähnlich. Erzählen Sie, wenn wir die Bestellung aufgegeben haben.“

„Am meisten missfällt mir, dass er seit Neuestem Personal wie Dreck behandelt“, schloss Marcello nach fast zwei Stunden seinen Bericht. „Umberto liegt übrigens hier im Ospedale Civile Sanremo.“

„Ich werde ihn besuchen“, versprach Sebastiano.

„Darüber wird er sich riesig freuen.“

„Wie stehen die Chancen, dass Sie bei mir in Festanstellung anheuern?“

„Bei glatten 100 Prozent“, erklärte Marcello mit fester Stimme und erfuhr im selben Moment, dass die anderen drei auch angeschrieben worden waren. „Das wäre der Hammer, wenn alle zusagten! Da weiß jeder, dass er sich auf jeden verlassen kann.“

„Genau so ist mein Plan“, schmunzelte Sebastiano. „Am Ersten des nächsten Monats hier im Hafen.“

„Fantasticissimo!“, jubelte Marcello. „Ich werde noch heute die vorläufigen Papiere unterzeichnen und Ihnen mailen.“

„Sehr gut. Die Originale lege ich Ihnen bei Dienstantritt zur Unterschrift vor.“

Marcello hätte sich bei keinem anderen auf solches eingelassen. Hier wusste er felsenfest, dass er nicht nachträglich über den Tisch gezogen werde. Sebastiano zahlte ganz selbstverständlich für beide die Zeche. Sie verließen auch gemeinsam das Lokal.

„Ich bin zu Fuß unterwegs“, verriet Sebastiano, worauf sie auch ein Stück zusammen des Weges gingen, bis er ein freies Taxi anhielt, um sich zum Krankenhaus bringen zu lassen. Marcello entschloss sich spontan, mitzufahren. Schnell fanden sie Station und Zimmernummer heraus.

Umbertos Augen hätten im Durchmesser mit einer Schiffsschraube mithalten können, als die zwei ins Zimmer spazierten. Er freute sich riesig. „Solange ich nicht den Kopf hebe, geht es einigermaßen“, seufzte er.

„Wirklich gut sehen Sie auch noch nicht aus, mein Lieber“, stellte Sebastiano besorgt fest, weil das ganze Gesicht verquollen und veilchenblau gefleckt prangte.

„Ach, das wird wieder“, wiegelte Umberto ab.

„Du wirst Herrn Venturis Mail sicher noch nicht gelesen haben“, mutmaßte Marcello.

Umberto fasste mit beiden Händen an seinen Verband. „Oha! Jetzt hätte ich beinahe den Kopf geschüttelt.“

„Keine Sorge, die hat Zeit!“, beruhigte ihn Sebastiano. „Die Gesundheit ist wichtiger.“

„Vielleicht beschleunigt der Inhalt ja die Heilung“, blinzelte Marcello. „Ich unterschreibe nämlich heute noch den Vorvertrag für einen festen Job auf seiner Jacht und für alles, was in seiner Firma damit zusammenhängt.“

„Wow!“ Umberto musterte Marcello beinahe ehrfürchtig.

Sebastiano musste schmunzeln. „Ich halte Ihnen ein Plätzchen frei, falls Sie nach Ihrer Genesung die gleichen Ambitionen hegen. Selbst wenn es wider Erwarten etwas länger dauern sollte. Wirklich alles schön in Ruhe. Ich mache keine Angebote, um dann grundlos den Schwanz einzukneifen.“

„Oh, danke! Jetzt schwirrt mir vor lauter Glück der Schädel“, stöhnte Umberto, erneut nach seinem Verband fassend.

„Wir werden jetzt auch gehen, um Sie nicht zusätzlich zu stressen. Kommen Sie schnell wieder auf die Beine! Auf Wiedersehen!“ Sebastiano drückte ihm zum Abschied fest die Hand.

„Ich weiß ziemlich sicher, was er jetzt gleich machen wird“, kicherte Marcello.

„Ich würde nicht dagegen wetten wollen“, lachte Sebastiano, Marcello mit dem Taxi bis zum Hafen mitnehmend, wo die schneeweiße ‚Stella Solitaria‘ in der Sonne funkelte. Dass sich der neue Mitarbeiter auf den Dienst dort freute, musste man nicht hinterfragen, das war offensichtlich.

48 Stunden später war es Gewissheit, dass alle vier Männer den Job annehmen werden. Der langjährige Steward Bruno erfuhr als Erster davon. Endlich nicht ständig an neue Leute mit ihren kleinen Macken gewöhnen. Da reichten schon die geschäftlich an Bord weilenden Gäste aus und die Matrosen, die je nach Art der Tour angeheuert wurden.

Sebastiano sah ihm die Gedanken überdeutlich an und blinzelte vergnügt. „Geht mir nicht anders.“

Bruno wurde feuerrot. Sebastiano trollte sich, die Hände reibend. Für einen zünftigen Urlaub reichte die nun feste Crew aus sechs Personen vollkommen aus.

Die vier Neuen standen am Ersten, des Folgemonats, bereits in den Morgenstunden mit ihren Seesäcken am Pier, wo eine halbe Stunde später die ‚Stella Solitaria‘ andockte. Sebastiano ließ die Gangway herab, um alle warmherzig an Bord willkommen zu heißen. Bruno teilte ihnen die Kabinen zu. Eine Stunde später war Dienstbesprechung und technische Führung durch das komplette Schiff.

„Beeindruckend“, flüsterte Marcello, als es die anderen dachten. „Dagegen war Barberos Schiff ein glatter Seelenverkäufer.“

Sebastiano lachte herzlich. „Es war recht amüsant, zuzuschauen, wie sie seinen Kahn in die Werft geschleppt haben. Offenbar wollte er auch dabei Geld sparen. Wenn jemand die Regel missachtet, dass die Trossen mindestens die vierfache Länge des havarierten Schiffes haben müssen, ist das schon bedenklich. Ehe sie es begriffen hatten, riss es sich zwei Mal los. Es war ein lehrreiches Schauspiel, wie man es nicht machen sollte. Zumindest hatten sie es vorher ausgepumpt und notdürftig abgedichtet.“

„Wir werden seinem schwimmenden Hasenstall also demnächst wieder begegnen“, stellte Antonio lakonisch fest, worauf die Männer geschlossen losprusteten.

„Vermutlich, denn ich habe in den kommenden sechs Wochen vor, bis hoch nach Cannes zu kreuzen. Will sagen: Ich habe Urlaub, bis auf einen Ausnahmetag, und wir werden uns vorwiegend mit Angeln, Tauchen und Naturbeobachtung beschäftigen“, gab Sebastiano bekannt. „Solange keine Gäste an Bord sind, siezen wir uns einfach beim Vornamen.“

„Geht klar, Boss!“, riefen die vier.

Das Mittagessen servierte ihnen Bruno in der gemütlichen Sitzecke auf dem Sonnen-Deck. Antonio fasste sogleich mit zu. Bei einem Chef, der die Worte bitte und danke nicht nur kannte, sondern auch benutzte, war das glattweg Ehrensache für ihn. Besonders, weil er eine Stelle als seefahrerisches Faktotum, also ohne Spezifikation, angetreten hatte, was sich besser anhörte als ‚Mädchen für alles‘.

Nach einer ausgiebigen Siesta brachen sie Richtung Nizza auf. Umberto überwachte das Anker Lichten, Marcello beobachtete die Instrumente, als Kapitän Sebastiano mit einsetzender Flut weit hinaus auf das Meer zog. Der Seewetterbericht versprach für die nächsten drei Tage strahlenden Sonnenschein, eine leichte Brise und kaum nennenswerten Seegang. Als sie für zwei Stunden in Küstennähe vor Anker gingen, entdeckten sie drei Delfine, was sofort als gutes Omen gewertet wurde.

„Das sind Große Tümmler“, stellte Marcello nach einem Blick durch das Fernrohr fest. „Die leben dauerhaft hier. Ich habe aber auch schon mal Streifendelfine beobachtet.“

Sebastiano ließ die Kamera sinken. „Ich hoffe, in den nächsten Tagen Rundkopfdelfine zu sehen. In den ruhigeren Abendstunden könnte es auf unserer Route durchaus vorkommen.“

Bevor sie ihren Liegeplatz vor Nizza erreichten, zog ein kurzes Wärmegewitter mit spektakulären Blitzen durch.

„Wir schauen uns dann die Aufzeichnungen der Außenkameras an“, versprach Sebastiano, auf der Suche nach einem geeigneten Ankerplatz.

Der Hafenmeister teilte ihm schließlich ein Areal zu, das der Eigner einer anderen Super-Jacht abgelehnt hatte. Mit einem Schulterzucken ließen sie den Anker zu Wasser. Bei ihnen war niemand an Bord, den die unmittelbare Nähe weiterer Schiffe gestört hätte. Es ging in der Hauptsaison nun mal nicht anders zu, als auf einem Supermarktparkplatz.

Die Männer waren es gewohnt, sich mit einem Schlauchboot zum Pier vorzukämpfen, um Besorgungen an Land machen zu können. Die illustre Nachbarschaft bestand in der Hauptsache aus Monegassen, Franzosen und Italienern.

„In Cannes sind die Filmfestspiele, da wird es morgen richtig lustig werden“, prophezeite Sebastiano. „Ganz freiwillig wäre ich jetzt bestimmt nicht in der Region. Da müssen wir durch. Auch wenn Ebbe im Portmonee wird.“

„Dreitausend pro Tag?“, fragte Marcello behutsam.

„Gottlob nicht ganz. Mein Stern gilt zwar als Super-Jacht, ist aber keine Supernova. Ich packe etwas über zweitausend pro Tag für einen Reede-Platz hin“, gab Sebastiano bereitwillig Auskunft. „Ohne die Festspiele wären es knapp unter zweitausend in der Saison.“

„Heiliger Strohsack!“, entsetzte sich Marcello.