Das Hannibal-Syndrom - Stephan Harbort - E-Book
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Das Hannibal-Syndrom E-Book

Stephan Harbort

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Beschreibung

Dank Hollywood gilt Hannibal Lecter als Inbegriff des infernalischen Serienmörders. Doch wer sind diese Täter in der Wirklichkeit? Der Kriminalexperte Stephan Harbort hat zahlreiche von ihnen in ihren Hochsicherheitszellen besucht und interviewt, um Motivation, Tathergang und Täterprofil zu erforschen. Er befasste sich mit allen 75 deutschen Serienmördern seit 1945 – eine aufschlussreiche und schockierende Dokumentation, aus der man viel über die Psyche solcher Täter erfährt.

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www.piper.de

Dieses Buch ist Ilona Gantzek gewidmet. Für die Welt bist Du nur irgendjemand, aber für mich bist Du die Welt.

ISBN 978-3-492-95814-1

Mai 2015 © Piper Verlag GmbH, München 2003 © Militzke Verlag, Leipzig 2001 Covergestaltung: semper smile, München Covermotiv: Christian Schmidt/Corbis Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Vorwort

Serienmörder sind zum Stoff von Mythen und Legenden geworden. Sie sind die Stützen fiktiver Kriminalgeschichten und schaffen den Sprung auf die Titelseiten, wenn sie tatsächlich aktiv werden. Sie scheinen für die Quintessenz des Bösen zu stehen und symbolisieren die dunkelsten Winkel der menschlichen Seele. Dermaßen überfrachtet, nimmt es nicht wunder, daß die Vorstellungen über jene Menschen, die wieder und wieder töten, gleichsam verzerrt sind, und daß Phantasie und Erfindung häufig verdecken, wer diese gefährlichen Mörder wirklich sind.

Viele jener Erfindungen über Serienmörder, die anstelle von gesicherten Erkenntnissen kursieren, entspringen den vielzitierten, aber schlecht recherchierten Schriften der Verhaltenswissenschaftlichen Arbeitseinheit des Federal Bureau of Investigation (FBI). Die Faszination, die Hollywood für das FBI hegt, weist den Betrachtungen der FBI-Ermittler eine Bedeutsamkeit zu, die in einem krassen Mißverhältnis zu ihrer Gültigkeit steht. Schauspieler halten sich an Drehbücher, die konfuse und sachlich falsche Meinungen ausdrücken, und in der Konsequenz glauben Zuschauer von Alaska bis Sansibar, daß wahr sein muß, was mit so viel Überzeugung und angeblicher Autorität vorgetragen wird.

Aus diesem Hollywood-Effekt – subjektiven Eindrücken und deren dramatischer Ausgestaltung wird unangebracht Gültigkeit zugeschrieben– ist eine Vielzahl von Aussagen über Serienmörder hervorgegangen, von denen wenige näherer wissenschaftlicher Betrachtung standhalten. So sollen Serienmörder zum Beispiel deutlich überdurchschnittlich intelligent sein, und es soll sich bei ihnen niemals um Amerikaner afrikanischer Abstammung handeln. Serienmord wird als ein nahezu einzigartiges amerikanisches Phänomen dargestellt, das vor dem letzten Viertel des Zwanzigsten Jahrhunderts kaum existierte. Serienmörder greifen, so wird behauptet, nur solche Opfer an, die dieselbe ethnische Zugehörigkeit haben wie sie selbst, und in ihren Taten glaubt man stets das Vorhandensein einer starken sexuellen Komponente zu erkennen. Am seltsamsten ist jedoch, daß sich die komplexen Prozesse, die seriellen Tötungsdelikten zugrunde liegen, scheinbar auf die simple, wenngleich uneindeutige Formel von den organisierten (kontrollierten) und den nicht organisierten (unkontrollierten) Tätern reduzieren lassen sollen.

Alle diese Behauptungen können einer systematischen Überprüfung nicht standhalten. Schon die einfache Zeitungslektüre verdeutlicht, daß Serienmord auf der ganzen Welt in vielen verschiedenen Formen auftritt und von den verschiedensten Menschen begangen wird. Die Behauptungen, die sich aus der FBI-»Forschung« ergeben, sind genau deshalb nicht haltbar, weil diese Forschung mit Mängeln behaftet ist. In jedem anderen Kontext wären die Ergebnisse dermaßen schlecht durchgeführter Studien nicht veröffentlicht worden. Doch die Gier der Massenmedien und Hollywoods nach allem, was mit der Bösartigkeit des Serienmordes zu tun hat, haben dazu geführt, daß die oben dargestellten Aussagen und viele ähnliche Behauptungen ein so breites Publikum gefunden haben.

Genau das ist es, was Stephan Harborts Buch so wichtig macht. Er beginnt mit den Fakten. Darüber hinaus stellt seine Betrachtung von ausschließlich deutschen Serienmördern ein lehrreiches Gegengewicht zu der US-amerikanischen Vorherrschaft in der Debatte dar.

In seiner höchst sorgfältigen Auswertung von Falldarstellungen, Gerichtsakten und Interviews mit Serienmördern kann sich Stephan Harbort sowohl auf seine Erfahrung als Kriminalist als auch auf seine Fähigkeiten als Verhaltenswissenschaftler verlassen. Er zeichnet in zuvor nicht dagewesener Weise ein einzigartiges Bild davon, wie Serienmörder wirklich sind. Dieses Bild zeigt, daß Serienmörder auf den ersten Blick keine wesentlichen Unterschiede gegenüber jenen Tätern aufweisen, die nur einmal töten. Was aus Harborts Darstellung ebenfalls deutlich wird, sind die zahlreichen Unterschiede, die zwischen den Tätern bestehen, die er befragt und deren Fälle er ausgewertet hat. Nicht ein oder selbst zwei Täterprofile werden jemals der Komplexität jener Menschen, die wieder und wieder töten, in ihrer Gänze gerecht werden können.

Dies ist kein Buch für zaghafte Gemüter. Darin finden sich brutale Rituale, geradezu an Menschenopfer erinnernde Schlachtungen und andere Handlungen, von denen man kaum sprechen kann, und die doch einem Menschen von einem anderen angetan wurden. Aber es ist wichtig, sich bewußt zu machen, daß es augenscheinlich normale Menschen waren, die diese Verbrechen verübt haben. Das zwanzigste Jahrhundert hat uns gelehrt, wie tief gerade gewöhnliche Menschen in einer scheinbar zivilisierten Gesellschaft sinken können. Serienmörder erinnern uns daran, daß solche Formen menschlicher Abscheulichkeit niemals allzu weit von der Oberfläche entfernt sind. Wenn wir ihr Hervortreten verhindern wollen, müssen wir ihre Ursachen verstehen. Dieses Verstehen ist unser bester Schutz gegen die durchdringenden Schwächen in der menschlichen Veranlagung.

Um jedoch ein wirkliches Verständnis der seelischen Untiefen solcher Täter zu erlangen, müssen wir uns gegen eine Faszination aus bloßer Neugier wappnen. Serienmörder fungieren als ein so klares Symbol für Bösartigkeit und Verkommenheit, daß es heutzutage schwierig ist, einen Romanhelden zu entwerfen, dessen Verstand und Aufrichtigkeit nicht erst im Kontrast zu einem Gegenspieler hervortreten, der immer wieder gefühllos und kaltblütig mordet. Jede authentische Darstellung von Serienmördern läuft daher Gefahr, das Thema zum Objekt der Sensationslust zu machen und dem Wunsch der Verfasser und Leser von Kriminalprosa nach einem einfachen Plot nachzugeben. Stephan Harbort vermeidet dieses Klischee und begibt sich hinter dem wohlfeilen Mythos vom Serienmörder auf die Suche. Er liefert eine eingehende und gut durchdachte Exploration der Menschen selbst, die diese Verbrechen begehen, sowie eine adäquate Darstellung der verschiedenen Erklärungsansätze für ihre sehr unterschiedlichen Taten.

Dieses Buch ist daher ein wichtiger Beitrag zum Verständnis einer hervorstechenden Herausforderung unserer Gesellschaft. Es bereitet den Weg für eine neue, hervorragend konzeptionierte Untersuchung der wohl schrecklichsten Erscheinungsform von Gewaltverbrechen, führt uns weg von Fiktion, Mythos und Legende und hin zu überaus fesselnden, wenngleich anspruchsvolleren Wirklichkeiten.

Prof.Dr.David Canter, Liverpool, im Dezember 2000

Direktor des Zentrums für Ermittlungspsychologie an der Universität Liverpool

[Das Vorwort wurde von Andreas Mokros, Schwerte, übersetzt. Die Namen der handelnden Personen sind zum Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte geändert worden. Auch die Begleitumstände der ungeklärten Tötungsdelikte wurden verfremdet, um einen Ermittlungserfolg nicht zu gefährden.]

»Im Grunde ist jeder Mensch zu allem fähig.« Johann Wolfgang von Goethe

»Jeder Mensch ist ein Mond und hat eine dunkle Seite, die er niemandem zeigt.« Mark Twain

KAPITEL 1

Der Mörder ist immer derselbe

Polizeipräsidium Frankfurt am Main, Vernehmungszimmer der Sonderkommission »Bold«, 28.Juni 1971, 10.45Uhr (Protokoll)

(…)

Frage: »Sie haben Frauen gewürgt. Warum haben Sie gerade diese Art gewählt und keine andere?«

Antwort: »Soweit mir bekannt, gibt es vier Schlagadern am Hals. Auf beiden Seiten des Halses eine, die anderen zwei kommen von hinten hoch. Durch die beiden vorderen Schlagadern wird das Blut dem Gehirn zugeführt; dies sind die wichtigsten. Die anderen zwei gehen ins Kleinhirn. Ich wußte, daß das Würgen äußerst qualvoll ist. Beim Würgen liegt die Hauptkraft in den Daumen und Zeigefingern. Wenn ich zudrückte, lag meine Hauptkraft im seitlichen Zudrücken und nicht auf dem Kehlkopf. Mir ist bekannt, daß der normale Würgegriff von hinten angelegt wird, und zwar die Daumen im Genick, während die Finger den Hals umfassen. Diesen Griff habe ich jedoch nicht angewandt. Ich habe immer nur von vorne gewürgt, weil ich ein Interesse daran hatte, die Qualen im Gesicht des Opfers zu sehen. Die Opfer werden erst im Gesicht blau, lila, und die Augen treten hervor. Sie zucken dann am ganzen Körper, als ob sie mit elektrischem Strom in Berührung kommen. Sie strampeln noch mit den Füßen, dann sacken sie zusammen. Ich habe mir meine Opfer nicht ausgesucht. Meistens ging ich durch die Stadt und suchte nach einer Gelegenheit. Mir war es völlig egal, wo ich sie umgebracht habe. Nach der ersten Tat merkte ich, jetzt ist es aus. Mir wurde klar, daß dies nicht das letzte Mal gewesen war, daß ich gegen diesen Drang nicht aufkommen konnte. Wenn man mich rausläßt, bin ich sicher, daß ich wieder eine Frau töten würde.«

Gerhard Bold wußte nur zu genau, wovon er sprach. Der 24jährige Gelegenheitsarbeiter hatte kurz zuvor binnen neun Wochen vier Frauen zu Tode gewürgt: Am 19.Februar eine 15jährige Schülerin in Offenbach am Main, am 25.März eine 52jährige Mitreisende in einem Abteil des »Italien-Express« kurz vor Darmstadt. Dann eine 24jährige Prostituierte auf einem Parkplatz in unmittelbarer Umgebung der Messehallen in Frankfurt, schließlich nur drei Tage später eine 48jährige Hotelangestellte in Bergen-Enkheim. Wenige Stunden nach seinem letzten Mord war er festgenommen worden.

Landgericht Frankfurt am Main, Sitzungssaal des Schwurgerichts, 16.Februar 1973

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Verurteilung wegen vierfachen Mordes gefordert. Das Motiv: »Frauenhaß und sadistische Freude am Töten«. Doch wollte sich das Schwurgericht dieser Auffassung nicht anschließen. Die Begründung: »Gerhard Bold hat nicht schuldhaft gehandelt. Seine Persönlichkeit ist infolge des frühkindlichen Hirnschadens und der fehlgeleiteten Sozialisation hochgradig gestört. Seine charakterliche Abnormität hat in den Belastungssituationen, die jeweils unmittelbar vor den Taten aufgetreten waren, bei ihm zu Zuständen geführt, die einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit gleichzusetzen sind. (…) Die aus dem Angeklagten herausbrechende Aggressivität, der Sturm des Vernichtungswillens überrannten gleichsam sein nur rudimentär vorhandenes Gewissen. Er war nicht mehr in der Lage, diese eruptiven Ausbrüche zu kontrollieren. (…) Er mußte deshalb wegen fehlender Schuld freigesprochen werden. (…) Die Unterbringung des Angeklagten in einer Heil- und Pflegeanstalt wird angeordnet.«

Westfälisches Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt-Eickelborn, April 1988

Gerhard Bold hatte es geschafft, jedenfalls teilweise. Er hatte 15Jahre in psychiatrischen Einrichtungen verbracht, 17Therapeuten hatten mit ihm, an ihm gearbeitet– mit Erfolg. Das jedenfalls nahmen diejenigen an, die sich jahrelang mit ihm befaßt hatten. Der vierfache Frauenmörder galt als »höflich, diszipliniert, kontaktfähig, intelligent«. Mehr noch: »Es hat eine erfolgreiche Therapie stattgefunden mit Stärkung des Selbstwertgefühls, Verbesserung der Impulskontrolle, Fortschritten im Wahrnehmen und Äußern von Gefühlen, Abbau aggressiver Tendenzen gegenüber Frauen, realitätsadäquater Einstellung gegenüber seiner Person und seiner Situation. (…) Weitere Tötungsdelikte durch Herrn Bold können mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. (…) Herr Bold könnte in die Freiheit entlassen werden.« Zu dieser Auffassung war unter anderem eine Psychologie-Professorin gelangt, die ihn im November 1986 begutachtet hatte.

Doch es war anders gekommen. Die Vollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn hatte im August 1987 seinen Antrag auf Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung – gestützt auf ein weiteres Gutachten– abgeschmettert: »Dem Untergebrachten ist es im Laufe der Zeit gelungen, eine perfekte normative Fassade aufzubauen. Zu dieser Fassade gehört insbesondere seine Fähigkeit zu geradezu lehrbuchhaften Formulierungen seelischer Sachverhalte. Dieser Umstand verstellt psychologischen Untersuchungen weitgehend den Zugang zu der Persönlichkeit des Untergebrachten. Dessen Beteuerungen, Werte zu beachten, sind Lippenbekenntnisse, die an dem eigentlichen Problem seiner Persönlichkeitsstruktur vorbeigehen.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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