Das Haus der Libellen - Emma Behrens - E-Book + Hörbuch

Das Haus der Libellen Hörbuch

Emma Behrens

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Beschreibung

Ein geheimnisvolles Anwesen, zwei rätselhafte Geschwister, eine große Liebe Hals über Kopf kehrt die 28-jährige Sophie an den magischen Ort ihrer Kindheit zurück, die alte Villa der Nachbarfamilie von Gutenbach. Hier verbrachte sie früher jede freie Minute mit den ätherisch-schönen Geschwistern Noah und Emilia. Mit siebzehn wurden Noah und sie ein Liebespaar, und Sophie erlebte ihre bislang glücklichste Zeit – bis Noah fünf Jahre später von einem Tag auf den anderen aus ihrem Leben verschwand. Nun führt ein Brief Sophie zurück in das geheimnisvolle Haus, in dem Emilia nach dem plötzlichen Tod der Eltern alleine wohnt: Noah ist erneut verschwunden, und seine Schwester bittet Sophie um Hilfe. Sophie zögert, der schmerzhafte Gedanke an ihre große Liebe lässt sie auch nach all den Jahren nicht los, doch dann ergreift sie die Chance: Sie muss Noah finden, vielleicht kann sie so endlich mit der Vergangenheit abschließen und ihr gebrochenes Herz erneut verschenken.

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Zeit:11 Std. 56 min

Sprecher:Katja Körber

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Nach Jahren kehrt die 28-jährige Sophie an den magischen Ort ihrer Kindheit zurück, die alte Villa der Nachbarsfamilie von Gutenbach. Hier verbrachte sie früher jede freie Minute mit den ätherisch-schönen Geschwistern Noah und Emilia. Mit siebzehn wurden Noah und sie ein Paar, und Sophie erlebte ihre glücklichste Zeit – bis Noah fünf Jahre später von einem Tag auf den anderen aus ihrem Leben verschwand. Nun führt ein Brief Sophie zurück in das geheimnisvolle Haus, in dem Emilia nach dem plötzlichen Tod der Eltern allein wohnt: Noah ist erneut verschwunden, und seine Schwester bittet Sophie um Unterstützung. Sophie zögert, zu sehr schmerzt Noahs Verrat; dann allerdings sagt sie zu, schließlich war Emilia einst wie eine Schwester für sie. Aber die rätselhafte Schöne verhält sich seltsam, gibt sich wortkarg und verbringt die meiste Zeit mit ihrer Libellenzucht im exotischen Dschungellabor, das sie im Keller der Villa eingerichtet hat. Sophie ahnt, dass Emilia ihr etwas verschweigt. Doch ob mit oder ohne deren Hilfe: Sophie muss Noah finden. Vielleicht kann sie so endlich mit der Vergangenheit abschließen.

Mitreißend, sinnlich und schillernd erzählt Emma Behrens eine Geschichte voller Spannung und großer Gefühle.

Emma Behrens, geboren 1989, wuchs in einem kleinen Dorf auf und studierte später Philosophie sowie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft in Berlin. Sie wohnte u.a. in Kanada, Australien und den USA und hat eine Schwäche für englischsprachige Literatur. Sie arbeitet mit Büchern, die genau wie das Reisen ihre Leidenschaft sind. ›Das Haus der Libellen‹ ist ihr erster Roman.

Emma Behrens

Das Haus der Libellen

Roman

eBook 2021

© 2021 DuMont Buchverlag, Köln

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Lübbeke Naumann Thoben, Köln

Umschlagabbildungen: © akg images / Getty Images / plantcurator.com

Satz: Fagott, Ffm

eBook-Konvertierung: CPI books GmbH, Leck

ISBN eBook 978-3-8321-7115-5

www.dumont-buchverlag.de

Prolog

Ich weiß noch genau, in welchem Moment ich mich in ihn verliebte, fünfzehn Jahre, bevor er mir das Herz brechen sollte.

Es war am Ende eines heißen Sommers, der von einem regnerischen Herbst abgelöst wurde. Den ganzen Tag schon hatte ich die Umzugswagen und die Männer beobachtet, die die Kisten und Möbel in das Haus nebenan getragen hatten. Der Himmel war grau, das Laub der Bäume bereits von feurigrot und sonnengelb zu braun verwelkt und auf dem weitläufigen Rasen des Nachbargrundstücks verteilt. Die großen dunkelgrünen Blätter der Rhododendren am Gartenzaun waren noch mit der Feuchtigkeit des letzten Regenschauers überzogen, sodass sie matt glänzten. Die Villa neben unserem kleinen Einfamilienhaus hatte lange leer gestanden. Die weiten Stufen, die zur von zwei weißen Säulen flankierten Haustür führten, waren mit Laub bedeckt gewesen. Bis vor einem Monat die Renovierungen begonnen hatten, die Männer in den Blaumännern kamen und hämmerten und sägten und klopften, bis tief in meine Träume hinein. Ich war gerade in die zweite Klasse gekommen, die ganzen Sommerferien über hatte ich im Garten gelegen, gelesen und den Arbeiten nebenan zugeschaut und gelauscht. Mein Vater war in dieser Zeit mit seiner braunen Aktentasche in der Hand besonders abgekämpft von der Arbeit gekommen, an den Abenden hörte ich ihn und meine Mutter in der Küche leise streiten.

An diesem Oktobernachmittag lag ich mit einem Buch aus der Bücherei unter unserem einzigen Baum auf einer Decke, obwohl es dafür eigentlich zu kühl war. Die neuen Nachbarn kamen in dem Moment, in dem der Wind auffrischte und zwei der Umzugshelfer gerade die Scheibe eines Glastisches über die lange Auffahrt unter den windgepeitschten Bäumen hindurch die Treppe hinauftrugen. Ein schwarzer Mercedes mit abgedunkelten Scheiben rollte über den Kiesweg die Einfahrt zum Haus hinauf. Der Wagen hielt, ich streckte mich, um durch ein Loch in der Hecke aus Buchsbäumen und Rhododendren unsere neuen Nachbarn ankommen zu sehen. Die Autotüren öffneten sich, auf der Beifahrerseite kam ein langes Bein im schwarzen Strumpf und mit einem sehr spitzen und hohen Schuh zum Vorschein. Dann folgte die zugehörige Person, eine Frau in einem schwarz-weißen Kostüm, die mit einer behandschuhten Hand ihren violetten Hut im Wind festhielt, während auf der Fahrerseite ein Mann im dunklen Anzug ausstieg. Die Arbeiter drehten sich zu den Ankommenden um. Plötzlich gab es einen Windstoß, einer der Männer verlor die Scheibe aus dem Griff. Er rief noch etwas, dann fiel das Glas zu Boden und zersprang mit einem gewaltigen Klirren auf den Eingangsstufen.

Die Frau, Natalia von Gutenbach, deren blondes, schulterlanges Haar vom Wind zerzaust wurde, und der Mann blieben einen Moment regungslos stehen. Ich starrte die beiden an, die Arbeiter starrten die beiden an, und die beiden schauten wortlos zurück. Mit durchgedrückten Rücken, die Kleidung makellos nach der langen Autofahrt, standen sie da, während ihnen die Reste ihres Couchtisches klirrend die Stufen hinab entgegensprangen. Es war ein Geräusch wie eine sich am Strand brechende Welle, als die zersprungenen Glasstücke die letzten Stufen herunterrieselten. Eine Scherbe sprang die Auffahrt hinunter und blieb direkt neben Natalia von Gutenbachs Zehn-Zentimeter-Absatzschuh liegen, ohne ihn zu berühren. Dann herrschte Stille, der Wind flaute ab, Natalia ließ die Hand von ihrem Hut sinken. Ich hielt den Atem an.

Schließlich drehte sie sich um, zertrat mit einem gezielten Schritt ihres Absatzes die Scherbe vor ihr und öffnete immer noch wortlos die hintere Autotür. Ein Junge und ein Mädchen, etwa in meinem Alter, stiegen nacheinander aus. Ich sah die beiden zuerst nur von hinten, das schlanke, hellblonde Mädchen mit den Zöpfen und den Jungen mit sandfarbenem Haar. Das Mädchen trug einen Rock und eine Jacke, genauso geschnitten wie die ihrer Mutter, als wäre sie eine kleinere Version von ihr. Der Junge trug Hose und Weste aus demselben Stoff wie seine Schwester, darunter ein weißes Hemd. Noch nie hatte ich, von der Konfirmation meiner Cousine einmal abgesehen, jemanden in meinem Alter so gekleidet gesehen. Es war, als wären die vier direkt aus einer anderen Zeit hier gelandet, das Auto eine verirrte Zeitmaschine und die Familie im falschen Jahrhundert ausgestiegen. Die Mutter streckte die Hand aus. Der Junge, sein Blondschopf leicht verwuschelt, als hätte er im Auto geschlafen, nahm ihre Hand und streckte seinerseits wortlos seine zweite Hand nach der seiner Schwester aus. Zu dritt gingen sie die Auffahrt hinauf und grußlos zwischen den Arbeitern hindurch die scherbenbedeckte Treppe nach oben, das Knirschen unter ihren Füßen war das einzige Geräusch, das zu hören war. Oben am Absatz der Treppe angekommen, schienen die Geschwister meinen Blick im Nacken zu spüren. Gleichzeitig drehten sich die beiden auf der Türschwelle zu mir um.

Bei ihr konnte man schon damals erahnen, dass sie einmal eine ätherische Schönheit besitzen würde, ihr Kindergesicht war mit einer leichten Verschiebung der Maße ausgestattet, die sich erst in der jungen Frau als das erweisen würde, was sie war: Perfektion. Er war ein Junge mit hohen Wangenknochen, die ihm etwas Trotziges gaben, mit unlesbaren Augen und einem verschmitzten Lächeln. Ich schaute von einem zum anderen, sie musterte mich mit einem Blick, den ich nicht so recht zu deuten wusste, er schaute ausdruckslos zurück.

Das war er nicht, der Moment, in dem er mein Herz stahl. Es war der danach, als er die Hand seiner Mutter losließ und einen Finger auf seine Lippen legte, als teilten wir in diesem Augenblick ein Geheimnis, das nur uns beide verband.

Das war der Augenblick, als mein törichtes Herz unwiederbringlich an Noah von Gutenbach verloren war. Unmöglich, es vor einem Jungen zu retten, der die verschlungenen Wege meiner heimlichen Gedanken zu kennen schien.

TEIL I

»Wo gehn wir denn hin?«

»Immer nach Hause.«

Novalis

KAPITEL 1

Libellen sind Jäger,die ihre Beutetiere im Flug fangen

Es war ein bisschen so, als würde ich nach Hause kommen oder zumindest dahin, wo ich die letzten Jahre in meinen Träumen zu Hause gewesen war. Es war ein weiterer regnerischer Herbst, zwanzig Jahre später als jener, in dem die von Gutenbachs in unsere Nachbarschaft gekommen waren und mein Leben durcheinandergebracht hatten. Nun öffnete ich mit meinen durch die Handschuhe ungeschickten Fingern das schwarze schmiedeeiserne Tor zur Auffahrt, das sich quietschend aufschieben ließ. Der Wind zog an meinem roten Mantel, die Sonne versteckte sich hinter grauen Wolkenbergen, und ich fröstelte in meiner Strumpfhose, die für wärmere Tage gedacht war. Vor mir ersteckten sich der Kiesweg und der ausgedehnte Vorgarten des Anwesens. Das Haus hatte bessere Tage gesehen. Als ich vor fünf Jahren von hier Abschied genommen hatte, waren die Fensterläden noch nicht so verwittert gewesen, die weißen Säulen am Eingang noch nicht von Grünspan überzogen, das Efeu hatte noch nicht die halbe Fassade bedeckt und auch noch keine Fenster zugewuchert. Ich schloss das Tor hinter mir und ließ meinen Blick über die Villa gleiten. Ich versuchte, sie so anzusehen, als sähe ich sie zum ersten Mal. Aber alles daran – die beiden Türmchen rechts und links mit ihren Erkerfenstern, der Balkon, die Marmortreppe und die Backsteinfassade – war mir so vertraut wie meine eigene Haut. Inzwischen, nach dem Kunst- und Architekturstudium, der Doktorarbeit und meiner Arbeit im Denkmalamt, konnte ich die Villa immerhin als das sehen, was sie war: der aus allen möglichen Stilen zusammengewürfelte Traum eines romantischen Geistes, der nichts von Architektur verstand.

Ich ging durch das gefallene Laub unter den Rotbuchen entlang auf das Gebäude zu. Aus der Nähe hatte es nichts von seiner geheimnisvollen Aura verloren, die mich als Kind dazu gebracht hatte, in einem seiner zahlreichen Zimmer einen magischen Wandschrank zu vermuten. Etwas an der Architektur des Gebäudes war verschoben oder inkongruent, sodass die Backsteinerker sich bedrohlich über den näher kommenden Besucher zu lehnen schienen. Auch im Inneren der Villa beschlich einen dieses Gefühl, als würde das Haus einen beobachten. Durch die seltsame Anordnung der Räume darin schien es, als würde das Gebäude es seinen Bewohnern extra schwer machen, von einem Ort zum anderen zu gelangen. Es gab einen Keller, einen ersten und zweiten Stock mit zahlreichen Zimmern, die nur durch einen anderen Raum und nicht durch den Korridor zu erreichen waren. Als Kindern war es uns verboten gewesen, manche dieser Räume zu betreten. Es gab drei verschiedene Treppen, die nicht miteinander verbunden waren, und einen Raum, der keine Fenster hatte. Außerdem war das Haus völlig eklektisch eingerichtet, kein Raum glich in der Gestaltung dem anderen. Trotzdem war das Haus gleichzeitig der heimeligste Ort, den ich kannte, mit seinen drei Bibliotheken voll alter und neuer Bücher in deckenhohen Eichenholzregalen, dem gemütlichen Kaminzimmer mit der geschnitzten Wandvertäfelung und dem schweren Teppich, auf dem Emilia, Noah und ich als Kinder gelegen und uns gegenseitig Ronja Räubertochter vorgelesen hatten. Mit der warmen, großen Küche voller Kräuter, Schalen mit rotwangigen Äpfeln und allerlei Gemüse und dem ständigen Duft nach frisch gebackenen Keksen (die natürlich die Haushälterin und nicht Natalia buk). Mit den vielen Zimmern im oberen Stockwerk, die teilweise eine so altmodische Einrichtung besaßen, dass wir Kinder uns wie in einer fernen Märchenwelt vorkamen, wenn wir dort Verstecken spielten. Mit den Schränken und Kommoden, üppig verziert mit Holzschnitzereien von Tieren und Blumen, den unzähligen Sofas, Fauteuils und Sesseln, auf die wir kletterten, um Piraten zu spielen (der Fußboden war das stürmische Meer, in das wir nicht fallen durften). Mit der großen alten Standuhr im Wohnzimmer, die die Planetenbewegungen, aber nie die richtige Uhrzeit anzeigte und zu seltsamen Momenten die Stunde schlug. Das alles machte dieses Haus besonders, aber vor allem waren es die Menschen, die hier lebten, die diesen Ort so bedeutsam für mich machten. Ich seufzte und verdrängte das unheilschwangere Gefühl, das beim Anblick der Villa in mir hochstieg. Vielleicht lag es auch einfach am Anlass, der mich hierherführte. Emilias Brief war ganz unten in meiner Handtasche verstaut, und sein Inhalt lastete mir schwer auf dem Herzen, seit ich ihn am Montag bekommen und nach einigem Zögern schließlich aufgerissen hatte. Die Worte darin hatten alte Wunden aufgerissen, von denen ich eigentlich nichts mehr wissen wollte. Sie hatten mich in einen Zustand der Unruhe versetzt und gleichzeitig eine leise Hoffnung in mir geweckt, die nicht nur unpassend war, sondern die ich auch sofort im Keim zu ersticken versucht hatte. Als ich jetzt, zwei Tage später, die Stufen zum Haus erklomm, kam es mir unwirklich vor, dass ich noch am selben Tag zu meiner Chefin gegangen war und um eine Auszeit gebeten hatte, dass ich wie scheintot an meinem Schreibtisch gesessen und die Uhr beobachtet hatte, bis meine Arbeitszeit zu Ende war. Obwohl Letzteres sich strenggenommen nicht von den meisten anderen Arbeitstagen im Denkmalamt unterschied, in dem meine Kollegen und ich darauf warteten, dass uns der Blitz eines gnädigen Gottes traf, um unser Leiden zu beenden oder uns wenigstens aus unserer Lethargie zu reißen. Aber die Tatsache, dass ich meine Zimmerpflanzen zu meinem Ex gebracht und meinen Freunden eine Nachricht geschrieben hatte, ich sei für ein paar Tage nicht in der Stadt, zeigte einen ungeahnten Aktionismus meinerseits. Dass ich in den Zug gestiegen und in meine alte Heimat gefahren war, ohne mit der Wimper zu zucken, mein Leben zurückgelassen hatte, weil Emilia nach mir gerufen hatte und weil Noah mich vielleicht brauchte. Weil ich vielleicht Antworten auf die vielen Fragen finden würde, denen ich mich zu stellen fünf Jahre lang nicht getraut hatte. Emilias Brief war wie ein Weckruf gewesen, eine zweite Chance, endlich etwas zu Ende zu bringen. Endlich Noah wiederzusehen. Mit seinem Namen stieg eine Sehnsucht in mir auf, und ich starrte die große braune Holztür mit den schmiedeeisernen Ornamenten vor mir an, als könne sie mir eine Antwort auf die Frage geben, wie es sein konnte, dass er mir immer noch fehlte. Ich wollte lieber gar nicht wissen, was das über mich aussagte.

Ich fuhr mit den Fingern über das schwarze Metallschild unter der Klingel, in dem der Name von Gutenbach eingraviert und inzwischen halb unter Spinnweben verborgen war. Die Gravur fühlte sich durch den Stoff meiner Handschuhe scharfkantig an. Ich fragte mich, was ich hier eigentlich tat und in welchem Zustand mir Emilia entgegentreten würde, wenn sie die Tür öffnete. Ich konnte mir ihr schönes, anmutiges Gesicht, das mit jeder Regung Überlegenheit ausstrahlte, nicht in Trauer vorstellen. Um ehrlich zu sein, konnte ich mir Emilia nicht einmal traurig vorstellen. Sie schien immer über den Dingen zu schweben, mit einer gelangweilten Eleganz, die Menschen wie sie als einzigen Anker mit der Realität zu verbinden schien.

Ich verdrängte den Gedanken und drückte den Klingelknopf. Im Inneren des Hauses erklang wie in weiter Ferne ein schepperndes Geräusch, das wenig mit dem einer Klingel gemein zu haben schien. Leicht fröstelnd wartete ich auf den Stufen vor der großen Tür und versuchte dann durch eines der Butzenfenster zu spähen. Ich beschattete das Fenster mit einer Hand, um hindurchzusehen, konnte drinnen jedoch nichts erkennen. Von einem Fuß auf den anderen tretend, klingelte ich erneut, hielt die Klingel diesmal länger gedrückt. Nichts.

Ich trat ein paar Schritte zurück, konnte aber hinter keinem der Fenster im ersten oder zweiten Stock eine Bewegung oder Licht ausmachen. Typisch Emilia, dass sie einen vom anderen Ende der Welt (also Freiburg) einbestellte und dann nicht zu Hause war. Sollte ich ums Haus gehen und nachsehen, ob die Terrassentür offen war? Ich entschied mich vorerst dagegen, da ich den Besuch des weitläufigen Gartens, der eigentlich ein Park war, noch etwas hinauszögern wollte. Seufzend griff ich in meine Handtasche und kramte darin herum, bis ich den Schlüssel fand, den ich heute Morgen aus meiner untersten Schreibtischschublade gekramt hatte. Dort hatte er in der hintersten Ecke gelegen, genau wie in der hintersten Ecke meiner Erinnerung, und darauf gewartet, dass ich die diffusen Schuldgefühle beiseitedrängte und ihn hervorholte. Ich stieg die Stufen zwischen den zwei Säulen wieder hinauf und steckte den Schlüssel ins Schloss. Er passte. In meinem Magen machte sich eine Mischung aus Aufregung, Vorahnung und Unwohlsein breit. Sie hatten das Schloss in all den Jahren nicht ausgetauscht, warum auch? Noah hatte sicher vergessen, dass er mir den Schlüssel einmal geschenkt hatte, als ich noch fast jeden Tag hier gewesen war, so wie er und seine Familie scheinbar vergessen hatten, dass es mich gab, obwohl ich einmal ein fester Bestandteil ihres Lebens gewesen war. Zögernd schob ich die schwere Tür auf.

Drinnen empfing mich die kühle Dunkelheit der Eingangshalle und ein Geruch, der mich sofort in meine Kindheit zurückversetzte. Zwar roch es jetzt nach Staub, aber darunter lag der Geruch des Hauses, eine Melange aus altem Holz, Polituren und etwas wie eine Gewürzmischung, die ich mir nie hatte erklären können. Die Nase kann man nicht austricksen, Gerüche, die man kennt, wecken Erinnerungen und Gefühle, ohne den Umweg über das Bewusstsein zu nehmen. Ich sah mich wieder hier stehen, als Kind an der Hand meiner Mutter, die den neuen Nachbarn einen Höflichkeitsbesuch abstatten und sich dafür entschuldigen wollte, dass ich durch die Rhododendren in ihren Garten geklettert war – wobei mich ihr Gärtner erwischt hatte. Es war das erste Mal, dass ich in einem so herrschaftlichen Gebäude stand, und ich war dementsprechend eingeschüchtert. Natalia von Gutenbach, in einem schwarz-roten Kleid, mit passendem Hut und Sonnenbrille, hatte mit einer Hand auf dem Geländer an der Treppe gestanden und uns unverhohlen gemustert. Dann hatte sie die Brille hochgeschoben und mich angelächelt. Das war vielleicht der bis dahin erschreckendste Moment in meinem jungen Leben gewesen, denn wenn Natalia lächelte, sah sie aus wie ein schönes, aber unheilvolles Wesen, bereit, einen in den Untergang zu stürzen. Dann hatte sie die Hand nach mir ausgestreckt und vorgeschlagen, mich ihren Kindern zum Spielen vorzustellen.

Nun stand ich also wieder hier, in der Eingangshalle. Es war ein Raum mit Marmorboden und einer imposanten zweiläufig doppelten Wendeltreppe aus dunklem Eichenholz mit wunderschönen, von zahlreichen darüberstreichenden Händen glänzenden Geländern, die nach oben in die Galerie führten. Eine Treppe wie aus einem Märchenfilm, auf der in jedem Moment Aschenputtel im Ballkleid erscheinen und sie hinunterschweben zu können schien – mit dem Unterschied, dass Aschenputtel dann in einem Roman der Brontë-Schwestern gelandet sein müsste. Wie hätte ich als hoffnungslose Romantikerin dieses Haus und seine nachtschillernden Bewohner nicht lieben können.

Ich schloss die Tür hinter mir, und ihr Klicken hatte etwas Endgültiges, das ich zu ignorieren versuchte. Meine Schuhe verursachten kaum ein Geräusch auf dem Marmorboden, als ich zur Treppe trat. Langsam gewöhnten sich meine Augen an die relative Dunkelheit, und ich erschrak, als ich mich noch einmal umdrehte und die zwei Figuren sah, die in den Ecken neben den seitlich aus dem Raum führenden Türen hockten. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich, dass es Sessel waren, mit weißen Stofflaken abgedeckt – was auch sonst. Es brauchte mehrere Atemzüge, um mein plötzlich schnell schlagendes Herz zu beruhigen. Kurz kam mir der Gedanke, Noah oder Emilia könnten mir wie früher immer einen Streich gespielt haben, aber natürlich hatten sie gerade ganz andere Sorgen, dachte ich mit einem Anflug schlechten Gewissens.

Ich zog meine Handschuhe aus und steckte sie in die kleine Reisetasche, die über meiner Schulter hing. Einen Moment blieb ich einfach stehen. Ich musste mich sammeln, bevor ich mich auf die Suche nach Emilia machte. Der Gedanke an das, was mir bevorstand, sorgte dafür, dass mein Herz seinen schnellen Schritt beibehielt. Ich legte meine Finger auf das kalte, dunkle Holz des Treppengeländers, etwas, das ich schon unzählige Male gemacht hatte. Es muss daran gelegen haben, dass ich so auf meine Begegnung mit Emilia konzentriert war, denn erst, als ich langsam die Treppe hochstieg, fielen mir die vielen kleinen Bilderrahmen auf, die die Wand entlang der Treppe fast komplett bedeckten. Nein, keine Bilderrahmen, es waren kleine quadratische Kästen mit hölzernen Rahmen und einer Glasscheibe, aber sie enthielten keine Bilder. Kreuz und quer hingen sie, unter- und übereinander, ohne erkennbares Muster an der Wand verteilt. Ich blieb stehen. Es waren Schaukästen, in denen etwas ausgestellt war. Das war neu, früher hatten hier schwere vergoldete Bilderrahmen mit den Porträts einer langen Reihe von Vorfahren der von Gutenbachs und Senftenbergs gehangen. Ich hörte meinen eigenen Atem stocken, als ich im Halbdunkel der Treppe näher herantrat und durch das Glas eines der Kästen spähte. Es war eine Libelle darin. Unter dem Glas konnte ich die zwei grazilen Flügelpaare erkennen und den schillernden blaugrünen Körper, die großen, dunklen Facettenaugen. Eine dünne Nadel pinnte das Insekt an die Rückseite des Schaukastens. Das Blut rauschte mir in den Ohren, das hier war eine Ausstellung unzähliger aufgespießter toter Insekten. Ich sah in den nächsten Kasten, der schräg über dem mit der blaugrünen Libelle hing. Auch hier war ein Insekt zu finden, diesmal eine viel kleinere rotgoldene Libelle mit zwei rot geäderten Flügelpaaren. Langsam ging ich die Treppe weiter nach oben und erspähte in jedem Schaukasten eine andere Libelle, große und kleine, rote, gelbe, grüne und blaue, auch braune, schwarze und gemusterte waren dabei. Jemand in diesem Haus hatte sich in einen Jäger und Sammler verwandelt.

Ich erreichte die Galerie und atmete auf. Die erste Tür hier oben führte in die blaue Bibliothek, einen Raum, den nie jemand außer mir genutzt hatte, weil es noch eine andere Bibliothek weiter innen im Gebäude gab, in der die Bücher standen, die man wirklich lesen wollte. Ich ging also an der Bibliothek vorbei zu der Tür, die links von der Galerie weiter ins Innere des Gebäudes führte. Das ganze Leben im Haus hier hatte sich immer nach eigenen Regeln und Ritualen abgespielt. Zum Beispiel verabscheuten die Bewohner alle Räume mit Fenstern zum Vorgarten hin, sie hielten sich eigentlich immer nur in den Zimmern zum hinteren Garten hin auf. Auch verweilten Robert von Gutenbach, seine Frau Natalia und seine zwei Kinder fast nie länger als einen kurzen Augenblick im selben Raum, soweit ich mich erinnern konnte. Noah und Emilia schon, sie waren immer in der Nähe des anderen, aber die beiden Eltern schienen durch das Haus zu geistern auf eine Weise, die sich ihre Wege selten überkreuzen ließ. Wenn Natalia in der Küche Cocktails mixte, saß Robert auf der Terrasse, wenn sie mit einem Glas in der Hand herauskam, nahm er gerade einen wichtigen Anruf entgegen und holte sein Getränk in der Küche ab. Während sie im Kaminzimmer einen alten Film anschaute und Noah und Emilia mit mir im nächtlichen Garten Verstecken spielten, trank er in der Bibliothek ein Glas Whiskey und las ein dickes ledergebundenes Buch, vielleicht Machiavelli – oder so stellte ich ihn mir zumindest vor, wenn ich zurückdachte an die Momente, in denen er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Als Kind hatte ich mir keine Gedanken darüber gemacht, zu neu und faszinierend war alles gewesen, als dass ich mir dazu noch etwas hätte ausdenken können. Eigentlich hatte ich die Familie in meiner ganzen Zeit hier nur zu den Mahlzeiten im selben Zimmer gesehen. Insofern war es ein Wunder, dass Natalia und Robert es irgendwann geschafft hatten, ihre zwei Kinder zu zeugen, immerhin waren ihre beiden Schlafzimmer auch auf den entferntesten Seiten des oberen Korridors gelegen. Das Leben in der Villa war mir vom ersten Moment an ein Rätsel gewesen, das ich nie hatte lösen können. Als Kind war ich zu schüchtern, um nach den Regeln des Spiels aus Formalitäten und Gewohnheiten zu fragen. Stattdessen beobachtete ich die Bewohner des Hauses, passte mich an, so gut es ging, nahm die darin geltende seltsame Normalität an und zog sie mir über wie ein neues, funkelndes Kleid.

Hier im hinteren Teil des Gebäudes war es noch dunkler als in der Eingangshalle und auf der Treppe. Aber der Weg war mir so vertraut, dass ich ihn auch hätte im Schlaf finden können. Ich ging durch den angrenzenden Gang, durch das Kaminzimmer und über die kleinere Treppe in den ersten Stock. Auch hier hingen die Schaukästen mit den Libellen, die Treppe entlang und im oberen Flur, alle etwa auf Augenhöhe. Ich brauchte nicht mehr richtig hineinzuschauen, um die schlanken, dunklen Körper darin zu erkennen. Im oberen Stockwerk gab es eine schwere ornamentverzierte Tapete, auf deren Muster die kleinen Kästen wie Fenster in eine fremde Welt wirkten. Im ersten Stock lagen die alten Kinderzimmer, wo ich zuerst nach Emilia suchen wollte. Keine Lampe brannte im Gang, sodass ich mühelos den einzigen Raum ausmachen konnte, unter dessen Tür ein Lichtschein hindurchfiel und auf die Anwesenheit einer Person schließen ließ. Es war das kleine hintere Bad neben Emilias Zimmer. Ich ging an den anderen Türen vorbei und blieb vor der Holztür stehen. Hier war ich mit meinem Latein am Ende.

Ich war von Freiburg hergekommen, hatte alles stehen und liegen gelassen, und jetzt wusste ich nicht weiter. Ich hatte nicht bis hierhin überlegt, hatte mir nicht vorgestellt, was ich machen würde, sobald ich angekommen war. Hatte nur instinktiv gewusst, dass ich herkommen musste. Nun stand ich vor einer verschlossenen Tür, hinter der ich Emilia wie ein verwundetes Tier vermutete, angeschossen, aber nicht tödlich getroffen. Ich legte meine Fingerspitzen auf das gemaserte Holz und holte tief Luft.

»Emilia? Ich bin da«, sagte ich.

Hinter der Tür war nichts zu hören. Ich kam mit dem Kopf ganz nah heran und versuchte etwas dahinter auszumachen. Stille. Dann ein leises Rascheln wie von Bewegung, da war jemand auf der anderen Seite.

»Emilia?«

Schweigen.

»Es tut mir sehr leid, dass deine Eltern gestorben sind«, sagte ich.

Ich lehnte mich mit meinem Körper gegen die Tür.

»Ich habe keine Worte, um zu sagen, wie unfassbar leid mir das tut. Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Was ist geschehen?«, fragte ich leise.

»Ein Autounfall«, sagte sie auf der anderen Seite. Ich hielt die Luft an. Die ganze Zeit über hatte ich geglaubt, nein gehofft, es wäre vielleicht ein makabrer Scherz Emilias gewesen, ihr kurzer Brief hatte keinerlei Schlüsse auf ihren Gemütszustand zugelassen. Nun war ihre Stimme der gewohnte weiche, samtene Singsang. Ich drückte meine flache Hand gegen das Holz und wünschte mir, ich könnte ihre schmalen Schultern umarmen. Durch den Raum und die Zeit so vieler Jahre getrennt, kam sie mir in diesem Moment vertrauter vor als jemals zuvor.

»Du hast meinen Brief also bekommen«, sagte Emilia.

»Ja. Woher hattest du eigentlich meine Adresse?«

Ein kurzes Auflachen hinter der Tür. »Du weißt, es gibt auch in diesem Spukschloss so etwas wie das Internet.«

Das brachte mich einen Moment zum Schweigen. Daran hatte ich tatsächlich nicht gedacht, mein Ex-Freund hatte uns vor zwei Jahren in den Gelben Seiten eingetragen, und ich hatte den Eintrag nie entfernen lassen, als ich allein in der gemeinsamen Wohnung zurückblieb. Automatisch hatte ich angenommen, Emilia wäre über irgendwelche verschlungenen, geheimen Wege an meine Adresse gekommen. Das schien besser zu ihr zu passen als das schlichte Benutzen eines Laptops.

»Sophie, hast du mitgebracht, worum ich dich gebeten habe?«

»Ja, soll ich dir jetzt …?«

»Nein, lass uns das später machen.«

Wir schwiegen wieder eine Weile. Meine Fragen und Sätze waren aufgebraucht. Seit fast fünf Jahren hatte ich nicht mit Emilia gesprochen, wusste nicht mehr, wer sie war und was ich ihr sagen könnte in dieser Situation. Ich hörte ein weiteres Rascheln, und der Spalt unter der Tür verdunkelte sich.

»Sophie, bist du noch da?«

»Ja«, sagte ich.

»Ich habe Angst, dass ich die Tür öffne und das Haus leer ist.«

»Emilia, ich bin da. Willst du mir nicht aufmachen?«

»Nein«, sagte sie.

Schweigen. Sie war nie gut darin gewesen, ihren Schmerz vor anderen zu zeigen.

Ich ließ mich langsam an der Tür nach unten gleiten und setzte mich auf den Boden, zog die Beine unter dem Körper zusammen.

»Ich bin da«, wiederholte ich.

»Das ist gut«, sagte sie, und dann schwiegen wir wieder. Ich stellte mir vor, wie sie auf der anderen Seite auf den kalten Fliesen im Türrahmen hockte, ihr Körper von meinem nur durch das Holz getrennt. Ich erinnerte mich nicht daran, ihr je so nah gewesen zu sein, ohne sie erreichen zu können.

Eine ganze Weile saßen wir so da, ich in der Dunkelheit auf dem Teppich des Flurs, sie im hellen Licht der Badlampen auf den Fliesen, und keine von uns sagte ein weiteres Wort. Irgendwann hörte ich sie aufstehen, hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte, und rappelte mich ebenfalls hoch.

Sie öffnete die Tür, und ich sah zuerst ihren schlanken Körper in einem weiten, kurzen Kleid, ihr blondes Haar von hinten erleuchtet wie ein Heiligenschein. Sie hatte ein Lächeln auf ihre Lippen und ihre so perfekten Züge gelegt, das ich kaum von einem echten Lächeln unterscheiden, ihr aber nicht glauben konnte.

Ich wusste nicht, ob ich sie umarmen sollte, ob das nach all den Jahren, in denen ich mich nicht gemeldet hatte, vielleicht komisch war.

»Komm, ich zeige dir dein Zimmer. Ich habe schon alles fertig gemacht.« Die Aufregung war ihrer Stimme anzuhören. Sie klang, als wäre ich zu einer Pyjamaparty hier. Sie griff nach meiner Hand und zog mich, die ich völlig überrumpelt war, den Flur entlang zum Gästezimmer neben ihrem Raum.

Im Vorbeigehen schaltete sie das Licht an, und ich blinzelte in die plötzliche Helligkeit. Die Schatten zogen sich zurück, und der dunkle Korridor verwandelte sich in den heimeligen Flur mit weichem Teppich, dunkelroter Tapete und Holzvertäfelung, den ich so gut kannte. Nur die Libellen in ihren Kästen stachen aus dem vertrauten Bild heraus.

»Ich habe neue Bettwäsche gekauft, sie wird dir gefallen«, sagte Emilia und zog mich in das Gästezimmer, in dem sie ebenfalls das Licht anmachte. Sie drehte sich einmal im Kreis mit ausgestreckten Armen, als würde sie mir ein Kunstwerk präsentieren. Erst jetzt hatte ich Gelegenheit, sie genauer zu mustern. Emilia war immer noch so schlank und elfenhaft, wie ich sie in Erinnerung hatte. Ihr langes blondes Haar fiel ihr gerade über die schmalen Schultern. Unter ihrem weißen Kleid zeichneten sich ihre Formen ab. Mein Blick rutschte an ihren perfekten Beinen hinunter auf ihre nackten Füße. Ich sah wieder auf, als sie sich zu mir zurückdrehte. Sie bewegte ihren Körper mit einer selbstverständlichen Anmut, die jedes Model vor Neid hätte erblassen lassen. Ihre helle Haut schien keinerlei Makel zu besitzen, und ihre großen Augen und die vollen Lippen gaben ihr etwas sehr Sinnliches. Emilia war so perfekt, dass jede andere Frau sich neben ihr vorkommen musste wie eine traurige, verrutschte Kopie dieser Perfektion. Sie bemerkte, wie ich sie musterte, und hob eine Augenbraue. Schnell wandte ich den Blick ab und betrachtete den Raum.

»Und? Wie gefällt es dir?«

Dieses Zimmer hatte ich früher selten betreten, daher konnte ich nicht ausmachen, ob sich darin etwas verändert hatte. Es sah eher so aus, als sei dieser Raum von jeher genau so gewesen. Mit seiner bronzeroten Tapete mit stilisierten Lilien, dem riesigen Bett mit Baldachin in der Mitte des Zimmers und den schweren, dunklen Eichenschränken mit ihren Holzschnitzereien schien er direkt aus einem Bestellkatalog für Burgfräulein entnommen.

»Sehr … äh … klassisch«, brachte ich hervor.

»Perfekt, nicht wahr?« Sie klatschte in die Hände, eine Geste, die bei jedem anderen aufgesetzt gewirkt hätte, bei ihr aber einfach nach kindlicher Begeisterung aussah. Der Raum wirkte auf mich wie eine Abstellkammer für alte Jungfern, die niemand mehr haben wollte. Ich nickte langsam.

»Kann ich nicht lieber in mein altes Zimmer hier?«, fragte ich.

»Das geht nicht, darin hat meine Mutter ihren Fitnessraum – oder hatte …«, fügte Emilia nach einer kleinen Pause hinzu, und ich fühlte mich sofort schlecht, sie darauf gebracht zu haben. Aber Emilia sprach auch schon weiter: »Das ist übrigens ein Bild meiner Ur-Ur-Großmama, das dir Gesellschaft leistet. Schön, oder?«

Emilia deutete auf ein Gemälde über dem Bett. Es zeigte eine finster dreinblickende, korpulente ältliche Dame mit einer Hakennase in einem Barockkleid mit Nackenkrause. Das Bild war fürchterlich.

»Welche ist es denn?«, fragte ich.

»Großmutter Victoria Wilhelmine von Senftenberg. Die dritte in einer langen Reihe von Vorfahrinnen, die in diesem Haus hier wahnsinnig geworden sind. Sie hat versucht, sich und diesen Raum hier anzuzünden, glaube ich.«

»Äh – muss sie hier hängen?«

»Natürlich, das ist ihr Platz. Ich lasse dich jetzt erst mal ankommen und auspacken, wir sehen uns ja später noch«, sagte sie.

Irritiert folgte ich ihr fast, als sie den Raum verließ. Die Türklinke in der Hand blieb sie noch einmal stehen und sah mich ernst an.

»Ich hoffe, du hast einen Schlafanzug dabei und musst diesmal nicht wieder splitterfasernackt durchs Haus laufen. Es ist inzwischen ganz schön kühl hier, weißt du.«

Ich spürte, wie ich sofort knallrot anlief, während Emilia die Tür hinter sich schloss. Vor über sechs Jahren hatte sie mich einmal dabei erwischt, wie ich nackt aus Noahs Zimmer ins Bad geschlichen war. Natürlich musste sie mich gleich bei unserem ersten Wiedersehen darauf hinweisen. Die Erinnerung weckte die alte Sehnsucht in mir, aber ich war so geübt darin, sie zu unterdrücken, dass es mir auch hier gelang, obwohl mich alles in diesem Haus an ihn denken ließ.

Ich drehte mich um zu dem Monstrum von Bett und musterte meine Umgebung erneut. Es gab zwei Fenster links und rechts davon in den inzwischen dunklen Garten hinaus, an denen schwere rote Vorhänge hingen. Auch ein Schreibtisch und ein Stuhl fanden ihren Platz an der rechten Wand, links standen ein Sessel und eine Leselampe. Victorias Augen schienen mir aus dem Porträt durch den Raum zu folgen, als ich den Schrank inspizierte. Ich seufzte und ließ meine kleine Reisetasche von meiner Schulter auf den Schreibtischstuhl gleiten, dann warf ich mich aufs Bett.

Ich musste Emilia auf Noah ansprechen. Gleich morgen. Aber dieser Frau Informationen zu entlocken war in etwa so einfach, wie einer Katze Kunststücke beizubringen. Selbst hartgesottene Geheimagenten hätten sich die Zähne an ihr ausgebissen, davon war ich überzeugt. Emilia verwendete die Wahrheit und die Lüge gleichermaßen als Bestandteile ihrer Geschichten, deren einziges Kriterium ihre Interessantheit war. Zu lügen war für sie keine unangenehme Notlösung oder eine schamvolle Angelegenheit, es war für sie nur eine weitere Option unter anderen. Daher musste ich es vorsichtig angehen, wenn ich etwas aus ihr herausbekommen wollte. Sobald man sie drängte, kam man zu nichts. Ich faltete die Hände hinter dem Kopf und starrte auf den Baldachin über mir.

Emilia war so schillernd und flatterhaft wie eine der Kreaturen in den Schaukästen. Ein Wesen, das mit seiner Schönheit über seine Raubtiernatur hinwegtrog. Die Ähnlichkeit war mir noch nie aufgefallen, jetzt aber schien sie offensichtlich. Die Frage war nur, wie ich dieses Wissen für mich nutzen konnte, um sie festzunageln. Denn davon hing ab, ob ich zu Noah zurückfinden würde oder nicht.

KAPITEL 2

Die Blaugrüne Mosaikjungfer

»Hey«, rief ich und lief barfuß über das taufrische Gras des Gartens. »Was machen Sie in den Büschen? Kommen Sie sofort da raus!«

Nachdem ich gestern Abend komplett angezogen auf dem Bett eingeschlafen und im Morgengrauen aus unruhigen Träumen erwacht war, konnte ich mich beim Anblick des Baldachins einen Moment lang nicht erinnern, wo ich mich befand. Ich tapste verschlafen ins Bad, wo mir neue dunkle Augenringe und meine unbezähmbaren Locken aus dem Spiegel entgegensprangen. Nach einer heißen Dusche zog ich unter dem indignierten Blick der Ur-Ur-Großmutter dann doch noch meinen Schlafanzug an und schlief weitere zwei Stunden. Als ich am Morgen erwachte, fühlte ich mich trotzdem gerädert. Ich machte mich auf die Suche nach Emilia, die nirgendwo im Haus zu finden war. Ihre Zimmertür war geschlossen, aber als sie nach mehrmaligem Klopfen nicht antwortete, spähte ich hinein. Es war das Turmzimmer, das viel moderner als meines, mit hellen Farben eingerichtet war. Es gab ein riesiges weißes Bett mit geschwungenem Kopfteil, vor dem eine Chaiselongue stand, mehrere Schaffelle lagen auf dem Parkettboden, Zeichnungen von Tieren und Pflanzen hingen an den Wänden. Überall waren Kleidungsstücke verteilt, die Schranktür ihres begehbaren Wandschranks stand offen, ein kurzes Paillettenkleid hing auf einem Kleiderbügel an der Tür. Von Emilia keine Spur. Im Pyjama ging ich durch das morgenstille Haus nach unten, aber weder im Kaminzimmer noch in der Bibliothek oder Küche war sie zu finden. Schließlich kochte ich mir einen Kaffee und versuchte meine Irritation über Emilias Abwesenheit zu unterdrücken. Ich setzte mich mit der dampfenden Tasse in der Hand auf die Terrasse in einen der Gartenstühle. Die Morgenluft war kühl und frisch und feucht, ich sog sie tief in meine Lungen. Das Licht lag noch ganz weich auf den Baumkronen, den dunkelgrünen, gelben und braunen Blättern und dem tiefgrünen Rasen. Der riesige Garten sah erstaunlich gepflegt aus, das Gras vor Kurzem geschnitten, die Bäume gestutzt, das gefallene Laub weggeharkt. Der Swimmingpool in der Mitte des Rasens war bereits für den Winter fertig gemacht und mit einer hellblauen Plastikplane bedeckt. Der Pfad aus großen flachen Steinen, der zum Pool führte, leuchtete hell und moosbefreit in der Morgensonne. Funkelnder Tau lag auf den Büschen und Gräsern, und weiter hinten konnte ich den glitzernden Fluss hinter den Trauerweiden ausmachen, der das Gelände auf dieser Seite begrenzte.

Gerade hatte ich die ersten paar Schlucke des starken, bitteren Kaffees getrunken, als ich eine Bewegung im Garten wahrnahm. Da machte sich jemand an den Rhododendren zu schaffen. War das Emilia? Nein, der Schemen war deutlich größer als ihre schlanke Form. Die Verunsicherung und Sorge, die meine Ankunft hier gestern Abend in mir hinterlassen hatten, bahnten sich in einem plötzlich aufkommenden Ärger ihren Weg. Was hatte diese Person hier zu suchen, musste das jetzt noch zu den unzähligen Baustellen und Problemen hinzukommen, die ich zu bearbeiten hatte?

Ich knallte meine Tasse auf den Tisch, stand auf und lief verärgert mit nackten Füßen in den Garten hinaus, auf der Suche nach dem Eindringling, der mein Morgenritual störte.

»Hallo, Sie! Hören Sie sofort auf, sich in den Büschen zu verstecken!«, sagte ich laut, während ich mit einer wirschen Handbewegung die Äste und Blätter des riesigen Rhododendrons beiseiteschob, wobei ein Schauer aus kleinen Tautropfen auf mich herabrieselte. Auf der anderen Seite des Strauchs, zwischen den Blaubeeren, dem Ginster und einer verblühten Hortensie, kam eine gebückte Person zum Vorschein, die sich nun aufrichtete. Es war ein hochgewachsener, gut gebauter Mann, der sich jetzt mit einer großen Gartenschere in der Hand zu mir umdrehte. Erschrocken machte ich einen Schritt zurück, die Äste schnellten mir ins Gesicht.

»Oh«, sagte ich wenig geistreich.

Er wand sich in einer geschickten Bewegung aus den Büschen heraus und kam neben mir hervor. Ein amüsiertes Lächeln lag auf seinem braungebrannten Gesicht, Lachfältchen kräuselten sich um die kastanienbraunen Augen. Einen Moment konnte ich mich nicht von ihnen lösen. Dann glitt sein Blick an mir herunter, und mir wurde plötzlich bewusst, dass ich in meinem ausgeleierten Schlafanzug mit rotbraunem Karomuster vor dem Fremden stand.

»Äh …«, stotterte ich. »Sind Sie ein Einbrecher? Darauf bin ich nämlich jetzt nicht vorbereitet.«

Er lachte und warf dabei den Kopf in den Nacken. Überrascht beobachtete ich, wie kleine Grübchen um seinen Mund entstanden und seine kurzen braunen Locken mit der Bewegung mitschwangen. Irgendwie kam mir diese Geste vertraut vor, ich konnte aber nicht den Finger darauf legen, woher.

»Keine Sorge, von mir hast du nichts zu befürchten, ich bin hier nur der Gärtner, Sophie«, sagte er. Seine dunkle Stimme hatte ein warmes Timbre, das wie Honig meinen Rücken herunterlief. Das Lächeln blieb auf seinem Gesicht, während er mir wieder in die Augen sah. Aber jetzt war es an mir, ihn zu mustern, und tatsächlich, auf den zweiten Blick sah er mit seinen Stiefeln, der Arbeitshose und den Handschuhen weniger wie ein Einbrecher als wie der Gärtner aus. Er trug trotz der Morgenkühle nur ein Hemd, unter dem sich seine breite Brust abzeichnete. Schnell sah ich wieder nach oben in sein Gesicht. Irgendetwas darin kam mir vertraut vor.

Moment. Hatte er mich gerade bei meinem Namen genannt?

»Äh, also …«

»Woher ich deinen Namen kenne?« Er lachte abermals, sein Adamsapfel sprang auf und ab, während mein Herz einen Hüpfer aussetzte. »Erinnerst du dich nicht? Ich war damals eine Klasse über dir.«

Aber natürlich! Jetzt setzte sich das Bild eines stillen, trotzigen Jungen mit wilden Locken, der sich von allen anderen fernhielt, mit dem dieses erwachsenen Mannes mit den breiten Schultern und der ruhigen Ausstrahlung zusammen. Auch wenn sie verschiedener nicht hätten sein können. Wenn ich mich recht erinnerte, war er kurz vor dem Abitur von der Schule abgegangen, aber ich wusste nicht, ob er eine Ausbildung oder an einem anderen Gymnasium das Abitur gemacht hatte. Nie hätte ich gedacht, dass aus dem aufsässigen Jugendlichen, der in den Pausen rauchte und lieber mit seiner Band in der Garage probte, als zur Schule zu gehen, dieser Mann hier werden würde. Seine eckigen Gesichtszüge, die an dem Jugendlichen noch etwas zu fragil und inkongruent gewirkt hatten, fügten sich nun in ein attraktives Gesicht mit ausdrucksstarken Zügen. Nur die Augen waren noch dieselben, ernst, und ein bisschen traurig sahen sie aus.

»Manuel?«, fragte ich erstaunt.

Das Strahlen in seinen Augen und das breite Lächeln waren Antwort genug.

»Du erinnerst dich also.« Etwas, das ich nicht deuten konnte, schwang in seiner Stimme mit.

»Sophie?«

»Ja?«

»Möchtest du dir nicht vielleicht Schuhe anziehen?«

Ich sah hinunter auf meine nackten Zehen, die vom Rasen und vom Tau feucht und kalt geworden waren. Ich biss mir auf die Unterlippe.

»Fünf Minuten, okay? Dann komme ich angezogen und mit einer zweiten Kaffeetasse auf die Terrasse, und wir fangen noch mal von vorne an?«

»Okay.«

Es dauerte eher zehn Minuten, bis ich mir hastig die Füße gewaschen, die Haare mit einem Zopfgummi gebändigt und Jeans und ein T-Shirt angezogen und eine Wolljacke übergeworfen hatte. Zuletzt schlüpfte ich in meine Sneakers, lief nach unten und griff die Kaffeekanne und eine weitere Tasse von der Anrichte. Als ich zurück auf die Terrasse kam, saß Manuel bereits in einem der zwei gusseisernen Stühle und sah in den Morgen hinaus, in dem die kräftiger werdende Sonne den Tau langsam in kleinen dampfenden Nebelstreifen aufsteigen ließ, die sich als Dunst über den Garten legten.

Als ich ihm Kaffee einschenkte und die Tasse reichte, lächelte er mich an, und ich musste wegschauen. Es irritierte mich, dass er so ein attraktiver Mann geworden war, dessen Ausstrahlung in jeder Hinsicht reif und erwachsen wirkte, wenn auch vielleicht ein bisschen melancholisch. Wir saßen eine Weile schweigend nebeneinander und tranken Kaffee, sahen in den Garten hinaus, er mit einer ruhigen Zufriedenheit, ich mit dem Gefühl, dass alles von früher sich scheinbar verändert hatte, alles außer mir selbst. Dieser Mann hier hatte in den letzten fünf, zehn Jahren sicher etwas aus seinem Leben gemacht, hatte eine hübsche Frau und zwei bezaubernde Kinder, ein schönes kleines Haus und konnte nun zufrieden auf die Arbeit seiner Hände hinabschauen. Nur ich war zwei Studienabschlüsse und eine Doktorarbeit, zwei verschlissene Ex-Freunde und ein halbes Jahr Arbeit im Denkmalamt später im Kern immer noch das Mädchen, das heimlich Noah vermisste. Ich war einfach nie gut in Angelegenheiten des Herzens gewesen.

Um mich von diesen Gedanken abzulenken, brachte ich ein Gespräch in Gang.

»Ich hätte nicht erwartet, dich hier anzutreffen«, sagte ich.

»Ich hätte dich auch nicht hier erwartet«, erwiderte er mit einem halben Lächeln in meine Richtung, und unsere Blicke kreuzten sich erneut, bis ich wegsah. Ich suchte nach einem unverfänglicheren Thema, denn meine Anwesenheit in der Villa wusste ich selbst nicht so recht zu erklären.

»Seit wann arbeitest du denn bei den von Gutenbachs?«, fragte ich.

Sein Gesicht verdüsterte sich. »Schon den ganzen Sommer lang, Robert von Gutenbach hat mich im Frühling eingestellt. Das war nur wenige Monate vor dem furchtbaren Unfall … Hast du davon gehört?«

»Ja, deshalb bin ich hier«, sagte ich, erleichtert, dass sich eine einfache Erklärung angeboten hatte.

»Weißt du genauer, was passiert ist?«, fragte ich vorsichtig.

Er musterte mich einen Moment lang, diesmal hielt ich seinem Blick stand, dann sah er wieder in den Garten hinunter, in dem nun Vogelgezwitscher und das Summen von Bienen zu hören waren.

»Nicht so richtig. Die beiden älteren von Gutenbachs waren den Sommer über kaum hier, ich weiß auch nicht genau, was sie vor einem Monat hierher zurückgeführt hat. Eigentlich waren in der Zeit, die ich hier arbeite, nur Noah und Emilia ab und an zu sehen, aber es ist nicht gerade so, als würden sie sich öfter mit dem Gärtner unterhalten.«

Ich horchte auf, als Noahs Name fiel.

»Herr und Frau von Gutenbach müssen eines der Autos genommen haben, die länger in der Garage standen. Die Bremsen sollen versagt haben, es hat sie aus der Kurve geschleudert. Beide waren sofort tot, hieß es in der Zeitung.«

Ich schluckte. Es war nicht so, dass ich eine wirklich enge Beziehung zu Robert oder Natalia von Gutenbach gehabt hatte, nicht so wie mit ihren Kindern, natürlich nicht so wie mit Noah. Aber vom plötzlichen Unfalltod dieser Menschen zu hören, die ich jahrelang gekannt hatte, machte mich so traurig, dass ich einen Moment lang nichts sagen konnte. Erst langsam setzte das endgültige Begreifen ein, dass ich sie wirklich nie wiedersehen würde, dass sie fort waren, für immer. Ich blinzelte ein paar Tränen weg, Manuel sah taktvoll zur Seite, bis ich mich gefasst hatte.

»Wie konnte das passieren?«, fragte ich heiser.

Manuel schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Jetzt, einen Monat nach dem Unfall, ist nur noch Emilia da, und sie hat sich in ihr Turmzimmer zurückgezogen oder geistert durchs Haus wie ein Schatten. Sie hat alle anderen Angestellten entlassen, nur ich bin noch da.«

»Weißt du, wo Noah ist?«

Manuel warf mir einen Seitenblick zu, bevor er den Kopf schüttelte. Mein Herz sank.

»Seit dem Unfall habe ich ihn nicht mehr hier gesehen. Emilia hat mir nichts darüber gesagt, aber warum sollte sie auch? Am besten, du fragst sie selbst.«

Ich klammerte mich an meiner Kaffeetasse fest. Es wäre auch zu schön, wenn es so einfach gewesen wäre. In ihrem kurzen Brief hatte Emilia lediglich geschrieben, dass Noah verschwunden war und dass sie meine Hilfe brauchte, um ihn wiederzufinden. Wie genau meine Hilfe aussehen sollte, das hatte sie nicht gesagt, und ich vermutete, dass ich diese Informationen auch nicht so leicht aus ihr herausbekommen würde. Es war einfach nicht ihre Art, die Dinge offen auszusprechen, wenn ein Rätsel doch so viel interessanter war.

»Es ist gut, dass du jetzt hier bist, Sophie«, sagte Manuel, und ich schaute überrascht von meiner Kaffeetasse auf.

»Ist es?«, fragte ich.

Er lächelte wieder, diesmal schlich sich aber ein melancholischer Schatten in seine Züge. »Auch, wenn Emilia nicht gerade wirkt, als könne sie irgendetwas aus der Bahn werfen, hat sie gerade ihre Eltern verloren, ihr Bruder ist einfach abgehauen, und sie hat niemanden mehr, mit dem sie ihre Trauer teilen kann. Es ist gut, dass du als ihre Freundin gekommen bist, um dich um sie zu kümmern.«

Ich schluckte trocken. Freundinnen hatte man mich und Emilia streng genommen in den letzten fünf Jahren nicht mehr nennen können, auch wenn wir es mal gewesen waren. Mehr noch, fast Schwestern. Aber es gab immer schon Momente, in denen wir uns sehr nah waren und solche, in denen ich nicht wusste, ob sie nicht eher eine Feindin als eine Freundin war. Ich erinnerte mich an den ersten Tag nach den Herbstferien, in denen die von Gutenbachs hierhergezogen waren, als Emilia und Noah in meiner Schule aufgetaucht waren. Ich saß ganz vorne und beobachtete das blasse Geschwisterpaar, das in Kleidung steckte, die, im Nachhinein betrachtet, wohl wie die Imitation einer britischen Schuluniform wirken sollte. Emilia trug einen grün karierten Rock, hohe weiße Strümpfe, Lackschuhe und eine Bluse mit langen Ärmeln; ihre Haare waren zu zwei Zöpfen geflochten. Noah war in eine Art Anzughose und eine Weste aus grünem, dickem Stoff über einem ebenfalls weißen Hemd gekleidet. Beide trugen diese selbst in unserer Privatschule ungewöhnliche Kleidung mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass niemand lachte. Klein sahen sie aus neben der Lehrerin, mit durchgedrückten Rücken, den fein geschnittenen Gesichtern und hellen Haaren, die ihnen etwas Engelsgleiches gaben. Ich hatte die beiden ja schon am Tag ihres Einzugs in ähnlicher Kleidung gesehen, und auch in den gesamten Herbstferien, die ich mit ihnen verbrachte, hatten sie nie etwas anderes als teure, förmlich anmutende Kleidung getragen. Trotzdem wirkten sie in der Schule zwischen all den lauten und fröhlichen Kindern noch viel abgehobener und mehr aus der Zeit gefallen als in ihrem Backsteinanwesen mit dem parkähnlichen Garten drumherum. Die beiden standen an ihrem ersten Schultag vorne vor der Tafel, während unsere Lehrerin Frau Schumacher sie uns vorstellte. Emilia, die mich seit zwei Wochen kannte, ließ ihren Blick über unsere Klasse und mich hinwegschweifen, als würde sie mich nicht wiedererkennen. Frau Schuhmacher wies Emilia den noch freien Platz neben mir zu.

»Lieber nicht«, sagte diese mit einer Entschiedenheit, die keine Widerrede duldete. »Neben ihr möchte ich nicht sitzen. Noah und ich können die hintere Bank nehmen.« Emilia warf mir einen gelangweilten Blick zu, während sie das in einem Tonfall sagte, der klarmachte, dass ich eine Art Aussätzige sein musste, von der man sich eine schlimme Krankheit einfangen konnte. Ich versuchte, in meinen Heften zu verschwinden, als die anderen Schülerinnen und Schüler leise zu tuscheln begannen und Emilia, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, anmutig in die letzte Reihe schritt. Noah aber blieb vorne stehen, er sah mich an.

»Ich würde gern neben Sophie sitzen, Frau Schumacher«, sagte er, »also, wenn sie nichts dagegen hat?« Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, eines, das ich automatisch erwiderte, während das tiefe Grün seiner Augen mich auffing. Wenn er so lächelte, war alles gut. Emilia drehte sich um und musterte ihren Bruder, als habe er etwas sehr Dummes getan. Dann setzte sie sich allein nach hinten, während Noah für die Dauer der Stunde mein Sitznachbar wurde. Auch später war es in vielen Situationen ein Auf und Ab zwischen Emilia und mir. Emilia, Noah und ich waren wie Geschwister, wenn wir hier im Haus und im Garten spielten, sobald wir aber in der Schule waren, geriet ich mit ihr aneinander, manchmal ignorierte sie mich auch einfach. Ich gewöhnte mich daran, verbrachte trotzdem jede Pause mit den Geschwistern. Erst als Noah und ich später ein Paar wurden, schien Emilias Verhalten mir gegenüber seine Berechtigung zu haben, denn plötzlich waren Noah und ich uns näher als die beiden, und ich vermutete, dass sie eifersüchtig war. Ich war jedoch nie ganz schlau daraus geworden, wie sie mich wirklich sah. Freundinnen hätte man uns daher nur nennen können, wenn das Konzept von Freundschaft das eines Spagats zwischen Nähe und Feindschaft war. Ich seufzte.

»Eigentlich bin ich wegen Noah hier«, gestand ich.

Manuel nickte, und sein Blick verhärtete sich. Vielleicht mochte er Noah immer noch nicht, in der Schule hatten sie sich nicht besonders gut verstanden. Ich wusste nicht, wie es dazu gekommen war, dass er wieder für die von Gutenbachs arbeitete, so wie er es in den Schulferien früher manchmal gemacht hatte. Ich hatte bisher nicht daran gedacht, dass es ihm schwerfallen könnte, Geld von seinem früheren Mitschüler und Rivalen anzunehmen, dass er vielleicht froh sein könnte, Noah nicht jeden Tag sehen zu müssen. Andererseits waren diese Dinge nun schon so lange her – nur, wenn ich ehrlich war, waren sie auch für mich noch keineswegs vergangen und vergessen.

Manuel richtete sich auf und stellte seine Tasse auf dem Gartentisch ab.

»Ich muss jetzt wieder weitermachen. Danke für den Kaffee. Es ist schön, dich wiederzusehen, Sophie«, sagte er und ging zurück in Richtung der Rhododendren, wo er wohl die Gartenschere zurückgelassen hatte. Ich schaute ihm nach. Die Begegnung mit ihm hatte ich nicht erwartet. Ich hätte gern mehr über sein Leben erfahren, ihn gefragt, was ihm in den letzten Jahren widerfahren war, wo diese Ruhe und der traurige Zug in der Haltung seiner Schultern herkamen. Aber das waren einfach nicht die Fragen, die man einem ehemaligen Schulkameraden beim ersten Treffen nach so vielen Jahren stellen konnte.

~

Emilia sah ich nicht wieder bis zum späten Nachmittag. Inzwischen hatte ich die warme, mit braunen Fliesen und Holzschränken ausgestattete Küche nach etwas Essbarem abgesucht. Die große Eckküche mit den Holzarbeitsflächen und den zwei hellen Fenstern zur Seite des Gartens hin sah ein wenig vernachlässigt aus. Die Schränke enthielten nichts als Geschirr. Auch der große Kühlschrank war fast leer, bis auf eine Ketchup- und eine Tabascoflasche in der rechten unteren Ecke und eine verschrumpelte Zitrone. Die sauer gewordene Milch warf ich mit angewidert verzogenem Gesicht in den Müll, nachdem ich daran geschnuppert hatte. Die Kräuter auf der Fensterbank waren verwelkt, das Basilikum ließ seine wenigen Blätter traurig hängen, und der Rosmarin trug nur noch ein paar vertrocknete Zweige. Schließlich fand ich eine halb leere Cornflakespackung in einem der Holzschränke und setzte mich damit an die freistehende Arbeitsfläche und Durchreiche aus Holz, an der zwei Barhocker standen.

Ich aß zwei Handvoll Cornflakes direkt aus der Packung und dachte über meine nächsten Schritte nach. Ich musste ein paar E-Mails schreiben, meine Chefin hatte darauf bestanden, dass ich meinen letzten Auftrag noch zu Ende bearbeitete. Es ging, wie so oft, um das Zuordnen und Benennen von Fotodateien, die, wie so oft, völlig chaotisch bei mir angekommen waren. Mit diesen Bildern sollte ich einen Antrag auf Denkmalschutz für ein grauenhaft aussehendes kastenartiges Gebäude aus den 50er-Jahren stellen, dessen Nachbarn und wahrscheinlich auch Bewohner sicher eher für den Abriss wären. Als Objekt seiner Zeit und Epoche qualifizierte es sich aber ungerechtfertigterweise dafür, unter Schutz gestellt zu werden, sämtlichen ästhetischen Kriterien zum Trotz. Das war es, was meinen Job oft so langweilig und haarsträubend machte: Ich durfte die Gebäude nicht einmal selbst aufsuchen und begutachten, nein, ich musste nur auf Basis von Fotos und kryptischen Gutachten der Außendienstlerinnen sterbenslangweilige Formulare und Anträge ausfüllen. Dafür hatte ich nun wirklich keinen Doktor in Kunstgeschichte gemacht – aber in unserer Branche musste man heilfroh um jeden festen Job sein, den man finden konnte, und in diesem Sinne war das Denkmalamt der Jackpot, auch wenn ich den Eindruck hatte, dass es langsam, aber sicher alle meine Gehirnzellen abtötete.

Von meiner übrig gebliebenen Arbeit einmal abgesehen, musste ich mir überlegen, wie ich bei meiner Suche nach Noah vorgehen sollte. Mein Herz machte beim Gedanken an ihn einen ungeduldigen Hüpfer, und ich wusste, dass ich mich nicht auf meine Arbeit für das Amt würde konzentrieren können, wenn er mir im Kopf herumspukte. Ein Grund mehr, ihn so schnell wie möglich zu finden und diese Sache ad acta zu legen. Es gab so vieles, was ich mit ihm besprechen wollte, und es machte mein Herz so schwer zu denken, dass er irgendwo einsam und allein um seine Eltern trauerte. Wenn selbst Emilia nicht wusste, wo er zu finden war, dann musste es wirklich schlimm um ihn stehen. Emilia und Noah waren auf gewisse Weise immer symbiotisch gewesen, der eine wusste, was die andere machte und dachte, die andere konnte jederzeit das Gefühl benennen, das der eine empfand. Es waren immer Noah und Emilia gegen ihre Eltern und alle anderen gewesen, bis es dann schließlich Noah und ich gegen den Rest der Welt geworden waren – aber daran wollte ich jetzt nicht denken, denn diese Zeit war unwiederbringlich zu Ende gegangen, und die Erinnerung daran erfüllte mich mit derartig widersprüchlichen Gefühlen, dass es überwältigend war.

So vertrödelte ich den Nachmittag auf dem dunkelgrünen Sofa mit den wuchtigen Löwenfüßen aus Holz im großen Wohnzimmer, von wo aus ich durch die Schiebetüren auf Terrasse und Garten blicken konnte. Eigentlich sollte ich die Zeit nutzen, in der Emilia nicht da war, um in Noahs Zimmer nach Hinweisen zu stöbern, aber ich konnte mich nicht dazu bringen, alleine hineinzugehen. In dem gemütlichen Zimmer, in dem ich stattdessen saß, mit den dunklen Holzschränken voller Bücher und dem weichen orientalischen Teppich auf dem Parkett, gab es einen Kamin, der so aussah, als hätte ihn schon lange niemand mehr benutzt. Ich balancierte meinen Laptop auf den Knien, versuchte ein bisschen zu arbeiten, während ich zwischendurch meinen Freunden Nachrichten schrieb, um ihnen zu versichern, dass alles in Ordnung und ich nicht entführt worden war. Ich hatte ihnen nie von Noah erzählt. Noch nicht einmal Laura, meine beste Freundin, wusste von ihm und von dem Durcheinander, das er in meinem Leben hinterlassen hatte. Das lag daran, dass ich mir sicher war, Laura würde mich auf ihre pragmatisch-feministische Weise darauf hinweisen, dass ich diesem Typen keine Träne nachweinen sollte, nach allem, was passiert war. So einfach war es jedoch nicht. Aber wie sollte man das jemandem erklären, der Noah von Gutenbach und seine seltsam komplizierte Familie nicht kannte?

Langsam machte es mich wirklich unruhig, dass Emilia nicht auftauchte. Sie hatte mir bisher noch gar nicht erklärt, was eigentlich genau geschehen war nach dem Autounfall ihrer Eltern und wann Noah eigentlich verschwunden war. Es war mal wieder typisch für sie, dass sie mich zu sich rief und dann einfach warten ließ, weil sie irgendetwas Wichtigeres zu erledigen hatte.

Ich schreckte schließlich aus meinen Überlegungen hoch, als ich die schwere Haustür ins Schloss fallen hörte. Einen winzigen Moment lang hoffte ich, Noah würde gleich ins Wohnzimmer treten, aber dann trat Emilia in einer engen schwarzen Hose, hohen Stiefeln, einer fast durchsichtigen Bluse und einer großen Sonnenbrille in den angrenzenden Raum, den gelben Salon, den ich von meinem Platz auf dem Sofa aus einsehen konnte. Sie war mit zahlreichen Einkaufstüten bepackt, die sie jetzt auf eine Kommode hievte. Ihre Handtasche warf sie achtlos auf einen Louis-XIV-Sessel, als sie zu mir ins Wohnzimmer trat. Sie schob ihre Sonnenbrille hoch und musterte mich mit ihren unergründlichen grünen Augen.

»Bist du hungrig, Sophie?«, fragte sie, ohne Begrüßung und ohne ihre vorige Abwesenheit irgendwie zu begründen. »Ich habe für Risotto ai Funghi Porcini eingekauft.«

Das erklärte natürlich nicht die zwei Tüten der namhaften Modeläden und die unscheinbare Papiertüte, die ganz zuoberst lag, aber ich wollte mich nicht beschweren. Etwas zu essen war keine schlechte Idee.

Emilia drehte sich um, ohne meine Antwort abzuwarten.

»Ich mache einen Weißwein auf, du kannst schon mal die Steinpilze schneiden«, fügte sie hinzu.

Sie verschwand mit ein paar der Tüten nach oben, während ich ihre weiteren Einkäufe in die Küche trug, auspackte und einräumte. Zum Glück hatte sie nicht nur fürs Abendessen, sondern auch fürs Frühstück und ein paar weitere Mahlzeiten eingekauft. Im Kühlschrank fand ich einen Weißwein, der schon kalt gestellt worden war. Ich suchte nach einem Korkenzieher, als ich in einer der Schubladen einen alten Weinverschluss mit einem kleinen blauen Glaselefanten entdeckte. Ich hielt den Atem an, während ich den Gegenstand in die Hand nahm. Das eine Ohr des Elefanten war abgeschlagen, aber ansonsten war er intakt. Es war ein Souvenir gewesen, das ich Noah in der elften Klasse aus Venedig mitgebracht hatte, von einer Reise, bei der er nicht dabei gewesen war. Mein Herz führte einen merkwürdigen Tanz auf. Er war noch hier, als wären nicht all die Jahre vergangen.

»Hast du den Wein schon offen?«, fragte Emilia plötzlich hinter mir, und ich ließ den kleinen Glaselefanten erschrocken in die Schublade zurückfallen. Als ich mich zu ihr umdrehte, stand ein Ausdruck in ihrem Gesicht, den ich nicht deuten konnte.

»Äh … Nein …«, stotterte ich. »Ich habe den Korkenzieher nicht gefunden.«

Der Rest des Kochens und Essens verlief ohne weitere Zwischenfälle. Emilia und ich schafften es sogar, eine etwas stockende Unterhaltung am Laufen zu halten, in der wir alle relevanten oder schmerzhaften Themen weiträumig umgingen.

Nach dem Essen saßen wir am großen ovalen Eichentisch vor unseren leeren Tellern. Ganz selbstverständlich hatte ich den Tisch in der Küche gedeckt und nicht den im gelben Salon, in dem die Familie nur aß, wenn Robert und Natalia da waren. Aber nun würden die beiden nie wiederkommen und Geschichten von ihrer Löwenjagd in Simbabwe oder vom Eisfischen in Moskau zum Besten geben, alles Dinge, die sie mit ihren Geschäftspartnern machten. Der Gedanke versetzte mir einen Stich.

Emilia schenkte uns schließlich den letzten Rest des Weißweins in die bauchigen Gläser ein.

»Emilia, was ist eigentlich nach dem Unfall geschehen? Das konnte ich aus deinem Brief nicht herauslesen«, fragte ich.

Sie schwieg einen Moment, drehte den Stil ihres Weinglases zwischen ihren Fingern. Ich war mir nicht sicher, ob sie überhaupt antworten würde, aber dann sagte sie, ihren Blick auf das Glas gerichtet: »Wusstest du, dass Libellen Kannibalen sind?« Sie sah auf und fixierte mich mit ihren hellen Augen. »Hauptsächlich ernähren sie sich von anderen Insekten, aber vor allem zur Paarungszeit greifen sie auch Vertreter ihrer eigenen Art an, um sie zu fressen. Ist das nicht erstaunlich?«

Das war selbst für Emilia ein seltsamer Sprung in der Gesprächsfolge. »Was soll das heißen?«

Sie zuckte mit den schlanken Schultern und schaute wieder auf das Glas in ihren Händen. »Nichts. Ich habe mich in den letzten Jahren viel mit Libellen beschäftigt. Ich habe sogar meine eigene Larven-Aufzucht im Keller. Soll ich sie dir zeigen?«

Mir schauderte beim Gedanken daran. »Nein. Nein, danke.«

»Schade.«

Wir schwiegen wieder einen Moment, langsam wurden mir diese ganzen Gesprächspausen zu viel.

»Weißt du, es ist nicht besonders höflich, dass du mich mehr als 750Kilometer hierher beorderst und dann nichts zu deinen Gründen sagst.«

Emilia sah mich wieder an, echtes Erstaunen lag auf ihren Zügen.

»Dich hierher beordert? So etwas würde ich nie tun.«

Ich stöhnte frustriert auf und beschloss, die Taktik zu ändern. »Emilia, wo ist Noah?«