Das Haus Zamis 11 - Ernst Vlcek - E-Book

Das Haus Zamis 11 E-Book

Ernst Vlcek

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Beschreibung

Coco steht vor einem Dilemma. Kann sie Oirbsen wirklich vertrauen?
Aber selbst wenn der undurchsichtige Gnom es wirklich gut mit ihr meint, wäre es vielleicht ein großer Fehler, sich ihm innerhalb von Gorshats Burg zu offenbaren.
Schließlich ist da immer noch das Fledermauskostüm, über das der Ghoul Sascha Zamis sie kontrolliert - und auch die anderen anwesenden Dämonen lauern nur darauf, dass Coco sich endlich fügt und für ein neues Herz aus Zakums Archiv entscheidet ...


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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

MERLINS BOTE

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrunde liegt. Die Zamis sind Teil der sogenannten Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben und nur im Schutz der Dunkelheit und ausschließlich, wenn sie unter sich sind, ihren finsteren Gelüsten frönen.

Der Hexer Michael Zamis wanderte einst aus Russland nach Wien ein. Die Ehe mit Thekla Zamis, einer Tochter des Teufels, ist standesgemäß, auch wenn es um Theklas magische Fähigkeiten eher schlecht bestellt ist. Umso talentierter gerieten die Kinder, allen voran der älteste Bruder Georg und – Coco, die außerhalb der Sippe allerdings eher als unscheinbares Nesthäkchen wahrgenommen wird. Zudem kann sie dem Treiben und den »Werten«, für die ihre Sippe steht, wenig abgewinnen und fühlt sich stattdessen zu den Menschen hingezogen.

Während ihrer Hexenausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels lernt Coco ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Als ihr schließlich zu einem vollwertigen Mitglied der Schwarzen Familie nur noch die Hexenweihe fehlt, meldet sich zum Sabbat auch Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, an und erhebt Anspruch auf die erste Nacht mit Coco. Als sie sich weigert, wird Rupert Schwinger in den »Hüter des Hauses« verwandelt, ein untotes Geschöpf mit einem von Würmern zerfressenen Gesicht, das fortan ohne Erinnerung an sein früheres Leben über Coco wachen soll.

Cocos Verfehlung hat für die Zamis Konsequenzen. Ihre Stellung in Wien wird zunehmend angefochten. Nur Coco ist es zu verdanken, dass die Zamis über ihre Herausforderer aus der Sippe der Winkler-Forcas triumphieren. Auch Asmodi hat die Schmach, die Coco ihm zugefügt hat, nicht vergessen. Jedoch verzichtet er scheinbar großzügig auf weitere Maßnahmen, als ein unbekannter Dämon in London neben anderen Dämonen ausgerechnet Cocos Schwester Lydia entführt, um ihre Sippen in den Kampf gegen Asmodi zu zwingen. Tatsächlich gelingt es Coco, den Dämon zu enttarnen und zu vernichten – durch die Beschwörung des uralten Magiers Merlin, der sich auf Cocos Seite stellt.

Michael Zamis ist dennoch nicht davon überzeugt, dass seine Tochter »geläutert« ist, und schickt sie auf eine Lehrreise nach Amerika. Der Hilferuf ihres Bruders Georg führt Coco schließlich zurück nach Europa und auf die Burg des Dämons Gorshat in Montenegro. Zu spät erkennt sie, dass Asmodi und der dämonische Archivar Zakum ihr eine Falle gestellt haben. Zum Beweis ihrer Loyalität soll Coco dem Oberhaupt der Schwarzen Familie ein Pfand überlassen – ihr Herz, das Gorshat transplantieren soll. Cocos einzige Hoffnung ist ein Gnom, der auf der Burg erscheint und behauptet, ein Bote Merlins zu sein ...

MERLINS BOTE

von Ernst Vlcek & Neal Davenport

»Wer willst du angeblich sein?«, fragte ich ungläubig.

»Merlins Bote«, sagte der Gnom fest und deutete auf seine Brust. »Erkennst du mich nicht an der Spange?«

Ich biss mir auf die Lippen und überlegte. Wenn dieser Gnom ein Spion Zakums war, dann würde ich mich verraten, wenn ich sagte, dass Merlin mir nicht mehr mitteilen konnte, woran sein Bote zu erkennen war.

»Diese Spange sagt mir überhaupt nichts«, meinte ich ausweichend.

Er kramte in den Taschen seines Harlekinkostüms und förderte dann ein kristallines Gebilde zutage, das er mir in der flachen Hand hinhielt.

»Wenn dir die Spange nichts sagt, dann verrät dir vielleicht dieser Signatstern etwas über mich«, meinte er. »Das heißt, dies ist natürlich nicht das Original, sondern nur ein Duplikat.«

Ich schüttelte benommen den Kopf. Das Denken fiel mir immer schwerer, in meinem Kopf begann sich alles zu drehen.

1. Kapitel

Ich spürte, wie etwas Fremdes in meinen Geist eindrang und langsam und schleichend von mir Besitz ergriff.

»Meinst du nicht doch, dass wir uns miteinander unterhalten sollten?«, drang die Stimme des Gnoms wie aus weiter Ferne zu mir.

»Ich ...«, begann ich, aber die Stimme versagte mir.

Der Gnom erschien mir auf einmal wie ein groteskes Zerrbild. Sein Gesicht verformte sich, und er drehte sich herum und entfernte sich mit einigen mächtigen Sprüngen.

An seiner Stelle tauchte mein Vetter Sascha auf, und ich wusste sofort, dass er es gewesen war, der mich über das Fledermauskleid beeinflusst hatte.

»Ich habe mit deinem Bruder gesprochen, Coco«, eröffnete er mir. »Und er war meinen Wünschen gegenüber überaus aufgeschlossen. Es ist an der Zeit, dass wir uns näher miteinander befassen.«

»Hat das nicht bis später Zeit, Sascha?«, wandte ich ein, weil mir bewusst wurde, dass ich das Haarbüschel der Furie immer noch bei mir hatte. Dieser verräterische Fetisch brannte mir wie Feuer auf der Brust. »Verschieben wir die Unterredung auf später.«

»Nein!«, sagte er barsch. »Die Sache duldet keinen Aufschub.«

Mein Bruder Georg hatte gute Arbeit geleistet. An Saschas Verhalten erkannte ich, dass Georg sein Vertrauen gewonnen und ihm glaubhaft gemacht hatte, dass er ihm gewogen sei. So sehr das in meinem Sinn war und in meine Pläne passte – diese Entwicklung kam etwas zu früh für mich. Denn ausgerechnet jetzt, wo ich Georg den von ihm so dringend benötigten Fetisch seiner Zukünftigen bringen wollte, kam mir Sascha in die Quere.

»Du willst doch nicht widerspenstig sein?«, sagte der Ghoul lauernd. »Du wirst dich doch nicht gegen den Willen deines eigenen Bruders auflehnen?«

»Nein«, sagte ich und machte gute Miene zum bösen Spiel. »Ich sehe ein, dass ich mich fügen muss.«

Ich hatte auch gar keine andere Wahl, denn wenn ich mich Sascha jetzt widersetzte, dann würde ich alles nur noch schlimmer machen.

»Das ist gut«, meinte er kichernd und rieb sich die Hände. »Also komm, Coco. Wie wollen uns zu einem kleinen Plausch in meine gemütliche Unterkunft zurückziehen.«

Er wandte sich der einen Wand des Ganges zu und vollführte mit den Händen eine beschwörende Bewegung. Daraufhin bildete sich in der Steinmauer eine mannsgroße Öffnung, hinter der sich ein enger, spinnwebenverhangener Geheimgang auftat.

»Du gestattest«, meinte Sascha mit schiefem Grinsen und drang vor mir in den Geheimgang ein.

Ich folgte ihm.

Als ich durch die Öffnung getreten war und mich umblickte, sah ich, dass sich hinter mir wieder eine scheinbar undurchdringliche Wand gebildet hatte.

»Die ganze Burg ist von solchen Geheimgängen durchsetzt«, meinte Sascha, während er vor mir durch den schmalen und niedrigen Tunnel huschte, der winkelig war und mal aufwärts und dann wieder treppab führte, weil er sich dem Grundriss der Burg anpassen musste. »Gorshat war so freundlich, mir Zugang zu gestatten. Auf diese Weise kann ich an dem Geschehen innerhalb der Burgmauern teilnehmen, ohne selbst gesehen zu werden. Es gibt unzählige Spione, Gucklöcher und magische Spiegel, durch die man in alle Räumlichkeiten sehen kann. Das gilt auch für dein Zimmer. Wenn du vor dem Frisierspiegel gesessen hast, habe ich auf der anderen Seite gehockt. Du warst für mich zum Greifen nahe ... Du bist schön, Coco, weißt du das?«

»Das haben mir schon attraktivere Männer gesagt«, erwiderte ich.

»Ich bin nicht irgendein Mann – ich bin ein Zamis!«

Ich ersparte mir die passende Antwort darauf, denn ich wollte ihn nicht vergraulen.

»Seit dein Bruder jedoch einige Maßnahmen getroffen hat, ist mir der Blick in dein Zimmer verwehrt«, fuhr Sascha fort. »Das muss sich ab sofort ändern. Ich bestehe darauf, dass ich wieder freien Ausblick in dein Zimmer bekomme.«

»Wenn wir uns einigen, ergibt sich das von selbst«, sagte ich.

Der Ghoul kicherte. »Wir werden uns einigen, keine Sorge. Seit dem Gespräch mit Georg, der sich sehr aufgeschlossen zeigte, bin ich voller Hoffnung für die Zukunft.«

Sascha blieb vor einem Bilderrahmen stehen, der ein Viereck aus absoluter Schwärze umschloss. Nur zwei ovale, murmelgroße Punkte glühten darin.

»Das ist die Rückseite von Siljas Bildnis«, erklärte Sascha dazu, »das im Festsaal hängt. Die beiden Punkte sind ihre Augen. Früher konnte ich durch sie den ganzen Saal überblicken. Aber jetzt sind die Augen tot. Es ist ein Jammer.«

»Erinnere mich nicht daran«, sagte ich zornig.

Sascha warf mir einen amüsierten Blick zu, dann eilte er wieder weiter. Der Geheimgang führte nun steil in die Tiefe. Wir kamen zu einem senkrechten Schacht, den wir über eine eherne Leiter hinabstiegen. Das Ende der Eisenleiter mündete in eine natürlich gewachsene Höhle, die sich tief unter den Grundmauern der Burg befinden musste. Durch Ritzen im Fels kam Sickerwasser. Es stank nach Moder und Verwesung.

Sascha merkte es, entschuldigte sich und wischte mit einer Armbewegung durch die Luft, worauf sich ein Vorhang aus Schwärze bildete und den hinteren Teil der Höhle meinen Blicken verbarg.

»Mir scheint, dir gefällt meine bescheidene Klause nicht sonderlich«, sagte Sascha. »Aber ich bin sicher, dass du dich mit der Zeit daran gewöhnen wirst. Wenn du mich erst näher kennengelernt hast, wirst du feststellen, dass Ghoule nicht solche Scheusale sind, für die man sie allgemein hält. Wir sind Diskriminierte, Unverstandene, die man unter ihrem Wert einstuft.«

Ich überwand meine Abscheu und sagte: »Das will ich gern glauben, Sascha. Ich kann mir gut vorstellen, wie ihr Ghoule unter der Diskriminierung leidet, denn ich besitze ein gutes Einfühlungsvermögen.«

»Wirklich?« Er betrachtete mich misstrauisch. »Oder sagst du das nur, weil dir Georg ins Gewissen geredet hat?«

»Mein Bruder hat mir erst die Augen geöffnet«, erwiderte ich und schenkte ihm einen langen, verschleierten Blick. Ich wollte so schnell wie möglich zur Sache kommen, um es hinter mich zu bringen. »Erst durch ihn habe ich dich schätzen gelernt, und ich glaube, ich könnte dich auch ...«

Ich ließ den Rest unausgesprochen und überließ es seiner Phantasie, ihn sich selbst zusammenzureimen. Er bekam einen ganz verklärten Gesichtsausdruck, was ihn nur noch abstoßender machte, und betrachtete mich lüstern.

»Ich werde dich beim Wort nehmen, Coco«, sagte er krächzend. »Deine Gefügigkeit kommt für mich trotz allem überraschend, und ich kann diesen Gefühlsumschwung noch nicht richtig fassen. Aber ich werde dich auf die Probe stellen. Wenn deine Gefühle zu mir echt sind, dann wirst du mich in dein Vertrauen ziehen. Sage mir den Namen von Boris' Mörder!« Er packte mich plötzlich an den Oberarmen und zog mich an sich. »Sag mir, wer meinen Vetter umgebracht hat!«

»Nicht so ungestüm«, sagte ich schweratmend und ließ den Kopf filmgerecht in den Nacken sinken. Ich spürte, wie sich das Fledermauskleid dabei über meinen Brüsten spannte und wusste, dass das seine Wirkung auf Sascha nicht verfehlte.

»Ich will dich haben!«, röchelte der Ghoul abstoßend. »Und zwar lebend und unter Aufbietung deines ganzen jugendlichen Temperaments. Es ist nicht wahr, dass wir Ghoule so kalt sind.«

»Dann nimm mich«, sagte ich und unterdrückte die aufkommende Übelkeit. Mir grauste vor mir selbst, dass ich mich so weit erniedrigte und mich mit einem Ghoul abgab. Aber ich hatte keine andere Wahl.

Die Erregung hatte Sascha dermaßen übermannt, dass er kein verständliches Wort mehr über die Lippen brachte. Aus seinem halbgeöffneten Mund kamen unartikulierte Laute. Seine feinnervigen, vibrierenden Finger glitten über meinen Körper. Ich schloss die Augen und spürte, wie sich die Spannung löste, als er mir das Fledermauskleid abstreifte. Alles in mir drängte danach, die Zudringlichkeit des Ghouls abzuwehren und ihn in Stücke zu reißen. Aber ich unterdrückte solche Impulse und wartete ergeben darauf, bis er mich des Fledermauskleides entledigt hatte.

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis ich endlich frei war. Ich verdrängte die Tatsache, dass ich nun nackt vor ihm stand, und dachte nur an meinen Plan.

Endlich war ich frei. Weder Gorshat noch dieser schleimige Ghoul konnten mir ihren Willen aufzwingen. Ich war wieder mein eigener Herr. Und nur das zählte. Jetzt konnte ich Sascha seine Niederträchtigkeit heimzahlen, mich für seine Zudringlichkeiten rächen, seine Anmaßung bestrafen.

Ich machte die Probe aufs Exempel und versetzte mich in den schnelleren Zeitablauf.

Die Luft schien um mich zu erstarren, wirkte auf einmal wie gläsern. Auch Sascha war erstarrt, wurde scheinbar zu einem bewegungsunfähigen Monument abartiger Begierde.

Es war geschafft! Ich konnte wieder meine Hexenfähigkeiten einsetzen.

Ich beugte mich zu dem Fledermauskleid hinunter, das sich zuckend unter meinen Fingern wand. Ich holte aus dem Dekolleté Geddas Haarschopf heraus und hob das Fledermausgewebe dann auf. Ohne lange zu überlegen, streifte ich es Sascha über. Erst dann kehrte ich in den normalen Zeitablauf zurück.

Sascha wusste nicht, wie ihm geschehen war. Er musste im ersten Moment wohl noch annehmen, dass sich an der Situation nichts geändert hatte. Er wollte die gerade begonnene Bewegung beenden und nach mir greifen, da spürte er, dass etwas ihn behinderte. Er blickte an sich herunter, und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen.

»Coco, was hast du mit mir gemacht?«, rief er und zerrte verzweifelt an der ihn umspannenden Haut. »Coco, nimm mir dieses verdammte Ding sofort wieder ab!«

»Kannst du es denn nicht selbst?«, fragte ich spöttisch.

»Nein!«, kreischte er. »Ich hatte nur Einfluss darauf, solange du es trugst. Aber das Ding passt sich dem jeweiligen Träger an, und nur Gorshat kann das ändern.«

»Das tut mir leid«, sagte ich mit falschem Bedauern. »Kannst du nicht Gorshat anrufen und ihn bitten, dir zu helfen?«

»Ich könnte, aber ich schäme mich«, sagte der Ghoul. »Wenn er erfährt, welchen Streich du mir gespielt hast, dann ist mir seine Verachtung gewiss.«

»Ich hatte ja keine Ahnung von den Folgen«, sagte ich. »Wie kann ich dir denn nun helfen und dich aus dieser misslichen Lage befreien?«

»Es gibt nur eine Möglichkeit«, sagte der Ghoul, während er vergeblich versuchte, sich aus dem Fledermausgewebe zu befreien. »Du musst Gorshat anrufen und so tun, als ob du immer noch die Trägerin des Fledermauskleides seist. Sag ihm, es sei mein Wunsch, dass er dich davon befreit.«

»Ich kann es versuchen, aber wird er mir glauben?«, gab ich zu bedenken.

»Er wird dir glauben, wenn du dich auf eine Weise mit ihm in Verbindung setzt, die ich dir erklären werde«, versicherte der Ghoul. »Siehst du dort den Totenschädel mit den eingeschnitzten Ornamenten? Nimm ihn an dich, und wenn du eine bestimmte Formel sprichst, dann bekommst du Kontakt zu Gorshat. Da nur ich auf diese Weise Verbindung zu ihm aufnehme, wird er wissen, dass du mein Einverständnis hast.«

»Wie lautet die Formel?«

Sascha sagte sie mir. Ich ging zu dem Totenkopf und nahm ihn auf. Während ich ihn vor mich hielt, murmelte ich die Formel, die der Ghoul mir verraten hatte. Und dann fragte ich: »Gorshat, kannst du mich hören?«

Es dauerte eine Weile, bis Gorshat sich meldete. »Coco, du?«, wunderte er sich. »Wie kommst du dazu ...«

»Sascha hat mir dieses kleine Geheimnis noch vor seinem Ableben verraten«, sagte ich kalt. »Ich habe diesen hinterhältigen Ghoul gerade ins Jenseits geschickt. Und jetzt bist du an der Reihe, Gorshat. Ich wollte dich fairerweise nur warnen, bevor ich dich ins Reich der Toten befördere.«

»Das wird dir nicht gelingen«, kam Gorshats Stimme aus dem grinsenden Knochenmund des Totenschädels. »Über das Fledermauskleid habe ich Macht über dich. Ich kann dich jederzeit davon erdrücken lassen.«

»Dann versuch es ruhig«, sagte ich und schleuderte den Totenschädel von mir.

»Coco, was tust du? Bist du von Sinnen?«, heulte Sascha. »Was soll das bedeuten?«

»Du wirst das verdiente Schicksal bekommen, ohne dass ich Hand an dich lege«, erklärte ich ihm.

»Das kannst du nicht tun, ich bin dein Vetter.«

»Du bist nur ein mieser Aasfresser und gehörst zum Abschaum dieser Welt«, sagte ich und baute mich vor ihm auf. »Du wolltest erfahren, wer Boris zur Strecke gebracht hat. Ich will es dir sagen: Ich war es.«

»Du?«, fragte er ungläubig.

Ich nickte bestätigend.

»Du hast dein Ziel erreicht, Sascha, und kennst nun die Wahrheit. Aber sie wird dir nichts mehr nützen.«

Ich wandte mich ab und kletterte über die Leiter aus dieser Leichengrube. Saschas Fluchen und Gezeter begleitete mich noch lange durch die Geheimgänge, aber ich verschloss mich seiner Stimme. Ich durfte mit dieser Ausgeburt der Hölle kein Mitleid haben. Ich sagte mir, dass ich die Welt durch seinen Tod von einer Plage befreite, und das half. Dennoch war ich froh, als ich den Ghoul nicht mehr hören konnte.

Irgendwie gelang es mir, mich in dem Labyrinth von Geheimgängen zurechtzufinden und auf Höhe meines Zimmers zu gelangen. Ich hob die magische Sperre meines Bruders auf und drang durch die sich auftuende Öffnung in meinen Wohnbereich ein.

Dort erwartete mich bereits Georg.

»Du bist eine ganz durchtriebene Hexe«, sagte Georg anerkennend, nachdem ich mich angekleidet und ihm alles erzählt hatte. »Wie du dich des Irren bedient und unseres Vetters Sascha entledigt hast, das war bravourös. Meine Hochachtung vor dir steigt, Schwesterchen.«

Ich lächelte geschmeichelt.