Das Haus Zamis 6 - Ernst Vlcek - E-Book

Das Haus Zamis 6 E-Book

Ernst Vlcek

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Beschreibung

Nun war ich also auf der Insel Trinidad gelandet - weil mein Vater die Hoffnung nicht aufgeben mochte, dass aus mir eines Tages doch noch einmal eine "echte" Hexe würde.
Ob allerdings der schwächliche Sir Bendix alias Makemake mir dabei eine große Hilfe sein würde, wagte ich zu bezweifeln. Andererseits war ich inzwischen so tief in Makemakes Auseinandersetzung mit dem Roten Hahn verstrickt, das mir wohl oder übel nichts anderes übrigblieb, als Sir Bendix beizustehen.
Binnen weniger Stunden geriet ich in einen Dreikampf zwischen Makemake, dem Roten Hahn und jenem mysteriösen Exorzisten, der sich selbst als Rattenfänger bezeichnete.
Es wurde ein Kampf, aus dem nur einer von ihnen als Sieger hervorgehen sollte ...


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Seitenzahl: 126

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah

DER RATTENFÄNGER

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

mystery-press

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Mark Freier

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0868-5

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrunde liegt. Die Zamis sind Teil der sogenannten Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben und nur im Schutz der Dunkelheit und ausschließlich, wenn sie unter sich sind, ihren finsteren Gelüsten frönen.

Der Hexer Michael Zamis wanderte einst aus Russland nach Wien ein. Die Ehe mit Thekla Zamis, einer Tochter des Teufels, ist standesgemäß, auch wenn es um Theklas magische Fähigkeiten eher schlecht bestellt ist. Umso talentierter gerieten die Kinder, allen voran der älteste Bruder Georg und – Coco, die außerhalb der Sippe allerdings eher als unscheinbares Nesthäkchen wahrgenommen wird. Zudem kann sie dem Treiben und den »Werten«, für die ihre Sippe steht, wenig abgewinnen und fühlt sich stattdessen zu den Menschen hingezogen.

Während ihrer Hexenausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels lernt Coco ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Als ihr schließlich zu einem vollwertigen Mitglied der Schwarzen Familie nur noch die Hexenweihe fehlt, meldet sich zum Sabbat auch Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, an und erhebt Anspruch auf die erste Nacht mit Coco. Als sie sich weigert, wird Rupert Schwinger in den »Hüter des Hauses« verwandelt, ein untotes Geschöpf mit einem von Würmern zerfressenen Gesicht, das fortan ohne Erinnerung an sein früheres Leben über Coco wachen soll.

Cocos Verfehlung hat für die Zamis Konsequenzen. Ihre Stellung in Wien wird zunehmend angefochten. Nur Coco ist es zu verdanken, dass die Zamis über ihre Herausforderer aus der Sippe der Winkler-Forcas triumphieren. Auch Asmodi hat die Schmach, die Coco ihm zugefügt hat, nicht vergessen. Jedoch verzichtet er scheinbar großzügig auf weitere Maßnahmen, als ein unbekannter Dämon in London neben anderen Dämonen ausgerechnet Cocos Schwester Lydia entführt, um ihre Sippen in den Kampf gegen Asmodi zu zwingen. Tatsächlich gelingt es Coco, den Dämon zu enttarnen und zu vernichten – durch die Beschwörung des uralten Magiers Merlin, der sich auf Cocos Seite stellt.

Michael Zamis ist dennoch nicht davon überzeugt, dass seine Tochter »geläutert« ist. Er schickt Coco zur Vervollkommnung ihrer Fähigkeiten in die Lehre des angeblich so mächtigen Dämons Makemake auf Trinidad, der sich vor Ort jedoch als Schatten seiner selbst entpuppt und von einem konkurrierenden Dämon bedroht wird – und von einem Exorzisten, der sich selbst als Rattenfänger bezeichnet ...

DER RATTENFÄNGER

von Ernst Vlcek

Makemake ist auch der Herr der Winde. Die Karibik war nicht umsonst schon immer wegen der schnell umschlagenden Wetter gefürchtet: Es entsprach stets Makemakes Launen. Wenn er es will, kann er den Passat anhalten. Wenn er zürnt, erschafft er Hurrikane, die ganze Inseln zu entvölkern in der Lage sind. Ganze Heerscharen seiner Feinde vermag er mit seinen Stürmen hinwegzufegen. –––

»Wenn du so mächtig bist, wie mein Vater behauptet hat, warum vertreibst du die Amokläufer des Roten Hahns nicht einfach mit einem Hurrikan?«, wandte ich mich an Makemake und fügte mit spöttischer Miene hinzu: »Zeig dem Feind deine wahre Macht, schrecklicher Makemake!«

»Bitte, Coco«, antworte Sady anstelle des Dämons. »Es gibt keinen Grund, ihn zu allem Übel auch noch zu verspotten.«

Mit einer fahrigen Bewegung winkte Sir Bendix ab. »Lass sie nur, Sady. Es war nur eine Frage der Zeit, bis man mich durchschaut. Schließlich konnte ich nicht hoffen, bis ans Ende aller Tage so weitermachen zu können.«

1. Kapitel

Ich schaute den Mann, der als einer der gefährlichsten Dämonen dieser Hemisphäre galt, ungläubig an. Er war eine Trauergestalt und hatte tatsächlich mehr von einem kauzigen Ornithologen als von einem Mitglied der Schwarzen Familie an sich. »Alles hätte ich für möglich gehalten, nur das nicht«, sagte ich verständnislos. »Wie war es dir möglich, die gesamte Schwarze Familie so lange zu narren? Wie kann man sich den Ruf eines grausamen, skrupellosen Dämons verschaffen, den alle fürchten, wenn man in Wirklichkeit ein liebenswerter alter Mann ist?«

»Das war nicht immer so.« Makemake alias Sir Winslow Bendix ließ sich müde auf den Deckel eines Sarkophags sinken. Durch das Innere des Mausoleums schwirrten einige schwach strahlende Irrlichter. Der Innenraum war dreimal so groß wie die äußeren Abmessungen es eigentlich zuließen, doch das war nichts Ungewöhnliches. Es gab viele Dämonenburgen, die diese Eigenschaft besaßen. Hier aber handelte es sich nicht um das Spiegelbild der wirklichen Macht eines Schwarzblütigen, sondern nur um eine magische Spielerei.

»Als ich noch in der Südsee herrschte«, fuhr Makemake fort, »war ich mächtig. Es stimmt alles, was man mir über die Zeit von damals nachsagt. Ich war furchtlos und grausam, unbarmherzig und rücksichtslos gegen alle. Ein Wüterich, eine Bestie.

Doch dann kam ich nach Trinidad, und von da an ging es bergab. Wegen meiner herausragenden Stellung wurde ich von keinem Konkurrenten mehr gefordert. Die anderen Dämonen gingen mir aus dem Wege, weil keiner es wagte, sich mit mir anzulegen. Und so hatte ich mich schon bald an dieses träge Leben gewöhnt und vernachlässigte meine magischen Fähigkeiten immer mehr, bis ich eines Tages erkannte, dass ich so schwach war, dass ich mich mit kaum einem Schwarzblütigen mehr messen konnte. Ich war degeneriert und beherrschte gerade noch einige wenige Taschenspielertricks, wie sie praktisch jeder Sterbliche erlernen kann. Die letzten Jahre über zehrte ich allein vom Ruhm vergangener Tage.«

Makemake machte eine Pause. Nach einer Weile fuhr er fort: »Das Image des grausamen Dämons war mein einziger Schutz, ich musste die Legende meiner Unbesiegbarkeit aufrechterhalten. Wenn sich meine Schwäche herumsprach, dann würden sich bald machthungrige Dämonen einfinden, um mir meinen Herrschaftsbereich streitig zu machen. Ich wollte diesen Tag, wenn er schon unabwendbar war, wenigstens so lange wie möglich hinauszögern, um meinen Frieden genießen zu können. Nun aber ist die Stunde der Wahrheit da. Der Rote Hahn wird meine Schwäche aufdecken und mich zum Gespött der Schwarzen Familie machen. Das schmerzt mehr als der Tod.«

Plötzlich hatte ich Mitleid mit dem kraftlosen Alten. Dann aber fielen mir die Abscheulichkeiten aus jüngster Zeit ein, die man ihm nachsagte, und Zorn stieg in mir auf. Zu deutlich sah ich das Bild der drei Gehenkten vor mir, die ihr Mörder mit dem Zeichen des Kolibri gebrandmarkt hatte.

»Beinahe hättest du mich getäuscht«, sagte ich zornig. »Was aber ist mit den Menschen, die du auf bestialische Weise ermordet hast? Warum stehst du plötzlich nicht mehr zu deinen Schandtaten?«

Makemake sah mich mit seltsamem Blick an, aber er gab keine Antwort. Sady antwortete statt seiner: »Solange ich lebe, hat Sir Bendix noch keinem einzigen Menschen Schaden zugefügt. Er hat ihr Schicksal nur zum Guten beeinflusst, und zwar mit Rat und Tat, nicht aber mit Hilfe Schwarzer Magie. Das kann ich beschwören.«

»Was soll das?«, fragte ich ungehalten. »Ich habe die letzten drei aus der langen Liste seiner Opfer selbst gesehen.«

»Das war nicht mein Herr«, behauptete Sady ehrlich empört. »Diese Verbrechen und alle anderen, die in jüngster Zeit begangen wurden, hat der Rote Hahn zu verantworten.«

»Und weshalb sollte er so etwas tun?«, fragte ich skeptisch.

»Ich selbst kann mir das nur so erklären«, sagte Sady, »dass dieser hinterhältige Dämon den Rattenfänger auf meinen Herrn hetzen will. Er hat die Bevölkerung gegen Makemake aufgebracht, sie in solche Angst und Schrecken versetzt, dass sie einen Dämonenaustreiber zu Hilfe riefen.«

»Das wäre in der Tat eine Erklärung«, meinte ich zustimmend. »Demnach war es auch der Rote Hahn, der mich in Jenkins' Haus auszuräuchern versuchte. Und ich hätte Makemake in meiner Wut beinahe dem Rattenfänger ausgeliefert!«

»Ich stehe zwischen zwei Fronten«, sagte Sir Bendix. »Und für mich sind der Rattenfänger und der Rote Hahn gleichermaßen gefährlich. Jeder Sterbliche könnte mir den Garaus machen, wenn er wollte. Da ich mich vor meinen Feinden nicht mehr schützen kann, habe ich mich hinter der Maske von Sir Bendix versteckt. Zu allem Übel erreichte mich in dieser Situation noch die Nachricht deines Vaters, Coco, dass er dich zu mir in die Lehre schicken wolle. Er musste wohl annehmen, dass ich aus dir eine gute Hexe machen könnte, was zeigt, dass meine Tarnung gut ist. Aber nur in der Theorie. Den Anforderungen der Praxis bin ich nicht gewachsen. Du bist wahrscheinlich viel mächtiger als ich, Coco, und ich könnte noch von dir lernen. Jetzt, da du mein Geheimnis kennst, werde ich die Konsequenzen ziehen müssen. Ich möchte nicht, dass Asmodi über mich richtet. Ein Leben als Freak würde ich nicht ertragen.« Makemake erhob sich und wollte sich tiefer in sein Mausoleum zurückziehen, offenbar um auf eine längst beschlossene Art und Weise aus dem Leben zu scheiden.

»Halt!«, rief ich ihm nach. »Tu nichts, was du später bereuen könntest. Noch hat der Rote Hahn nicht gesiegt. Vielleicht können wir ihn mit vereinten Kräften bezwingen.«

»Selbst wenn, kann es nichts ändern. Glaubst du, ich könnte mit der Schmach leben, dass eine Hexe mir das Leben gerettet hat, die in der Schwarzen Familie selbst nicht für voll genommen wird?«

»Niemand braucht das zu erfahren«, erwiderte ich. »Ich jedenfalls werde schweigen, wenn du meine persönlichen Schwächen nicht an die große Kristallkugel hängst. Wir sind einander sehr ähnlich, Makemake, und ich kann mir vorstellen, dass wir uns gut ergänzen würden.«

Der Dämon überlegte. »Ist es möglich, dass du dieses Angebot ernst meinst?«, sagte er wie zu sich selbst. »Aber angenommen, wir können den Roten Hahn gemeinsam bezwingen, so lauert im Hintergrund immer noch der Rattenfänger.«

»Ich habe einen Plan, der alle deine Probleme mit einem Schlag lösen wird«, sagte ich. »Ich werde mich mit dem Rattenfänger treffen und ihn glauben machen, dass der Rote Hahn der wahre Schuldige ist. Damit machen wir ihn zu unserem Verbündeten.«

»Das wäre die beste Lösung«, sagte Sady hoffnungsvoll. »Es könnte gelingen, Sir.«

Ich sah Makemake an, dass er neue Hoffnung schöpfte, doch der Hoffnungsschimmer in seinen Augen erlosch sofort wieder. »Damit ist aber das vordringlichste Problem noch nicht aus der Welt geschafft«, sagte er. »Die Horden des Roten Hahnes haben meinen Herrschaftsbereich besetzt und werden früher oder später auch den magischen Schutzschirm unseres Versteckes aufbrechen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich sehe keinen Ausweg aus unserer Lage.«

»Aber ich!«, rief ich. »Ich habe einen starken Verbündeten, der die Situation für uns bereinigen könnte.«

»Wenn du jemanden aus deiner Sippe zu Hilfe rufen willst, wäre das der Todesstoß für mich«, sagte Makemake.

»Meine Familie lasse ich besser aus dem Spiel. Ich denke an einen Außenstehenden, der unparteiisch ist und über den Dingen steht. Ich spreche von Merlin. Er hat mich schon einmal erhört.«

»Da war er selbst betroffen«, gab Makemake zu bedenken. »Ich bezweifle jedoch, dass er sich in eine Angelegenheit einmischt, die ihn nicht berührt.«

»Ich werde es dennoch versuchen«, beschloss ich.

Makemake widersprach nicht länger. Stattdessen überreichte er mir einige magische Hilfswerkzeuge. »Ich kann ohnehin nichts mehr damit anfangen. Du erzielst damit bestimmt eine größere Wirkung«, sagte er. Dann gab er mir die Formel für die magische Tür in der Wand des Mausoleums, und ich begab mich ins Freie. Ich war auf der Hut und bereit, mich beim geringsten Anzeichen von Gefahr in einen rascheren Zeitablauf zu versetzen, aber niemand befand sich in der Nähe des Mausoleums. In Richtung des Herrschaftshauses erblickte ich einen rötlichen Schein über dem Urwald, der von offenem Feuer herrührte. Wahrscheinlich hatte die Bande des Roten Hahnes das Haus in Brand gesteckt. Die Geräusche, die aus dem Wald kamen, wiesen darauf hin, dass die Amokläufer überallhin ausgeschwärmt waren. Ihr wüstes Geheul wurde nur von gelegentlichen Schreien von Tieren in Todesnot unterbrochen und vom Krachen umstürzender Götzenstandbilder.

Zum Glück waren die Horden noch nicht bis zum Mausoleum vorgedrungen. Ich schloss daraus, dass Makemakes irreführende magische Symbole, die er in diesem Gebiet gesetzt hatte, ihre Wirkung nicht verfehlten und die Feinde von seinem Versteck fernhielten. Hoffentlich blieb das so, denn ich wollte nicht gestört werden und mich auf die Beschwörung Merlins konzentrieren. Mir kamen bereits leise Zweifel, ob es richtig war, den großen Magier anzurufen. Vielleicht würde er zornig reagieren, wenn ich seine Ruhe wegen einer solchen Bagatelle störte. Für uns allerdings ging es ums Überleben. Wenn dem Roten Hahn nicht bald das Handwerk gelegt wurde, dann würde das Böse auf Trinidad immer mehr eskalieren und nur noch mehr Dämonen anlocken.

Ich straffte mich und breitete die von Makemake erhaltenen Utensilien vor mir aus. Es handelte sich um einige einfache Fetische für meinen persönlichen Schutz, mit denen man Amokläufer und Besessene blenden konnte, einen dicken Pinsel aus Vogelflaum und magische Rottinte. Ich tauchte den Pinsel in die Tinte und zog damit einen scharlachroten Kreis um mich. Er wurde unsichtbar, kaum dass ich ihn vollendet hatte, aber ich spürte seine Ausstrahlung, deshalb fiel es mir leicht, die vier Runenzeichen innerhalb des Kreises niederzumalen. Die Man-Rune, die Odal-Rune, die Hag-al-Rune und die Tyr-Rune. Auch diese Schriftzeichen verblassten innerhalb von Sekunden, und als sie nicht mehr zu sehen waren, malte ich mir das Zeichen des Silbers auf die Stirn. Dann legte ich die Rechte in Höhe meines Herzens auf die Brust und sprach die Beschwörungsformel: »Soiritus dei ferebatur super aquas ...«

Die fernen Calypsoklänge brachten mich etwas aus dem Konzept, aber ich verschloss mich ihnen und fuhr mit fester Stimme fort: »Fiat verbum halitus meus ...« Ich stockte kein einziges Mal, bis ich die komplette Formel in einem Zug heruntergesagt hatte. Nun waren nur noch die Schlussworte nötig, die Merlin auf den Plan rufen würden, sofern er mir gewogen war und mir nicht wegen dieser Störung grollte. »Merlin, ich rufe dich!«

Ein fernes Donnergrollen erklang. Es kam immer näher, schwoll so laut an, dass man meinte, es würde einem das Trommelfell zerreißen. Als es nahezu unerträglich wurde, kam es zu einer explosionsartigen Entladung. Eine Druckwelle erfasste mich und riss mich fast von den Beinen. Es folgte eine unheimliche Stille, in der die Welt den Atem anzuhalten schien, und dann fragte eine mir wohlbekannte Stimme: »Schon wieder du, mein Kind? Was liegt vor, dass du mich erneut aus der Ewigkeit rufst?«

Der schmächtige Mann mit dem weißen Haar und dem hüftlangen Bart stand auf einmal vor mir. Er war so klein, dass er mir gerade bis zur Schulter reichte. Wieder trug er die fast bodenlange Kutte, unter der seine Füße mit den Riemensandalen hervorsahen. Er war nicht imposant durch Kleidung oder Aussehen, aber seine Haltung hatte etwas Majestätisches, die Schlichtheit seines Äußeren vermittelte die Würde eines Herrschers. Der Blick seiner Augen verriet Stärke und Unbeugsamkeit. Das war Merlin.

»Ich bin in Not und brauche deine Hilfe«, sagte ich und hielt dem durchdringenden Blick seiner Augen stand.

»Immer und überall ist irgendjemand in Not«, erwiderte er. »Es ist weder meine Aufgabe noch meine Passion, den Bedrängten und Leidenden zu helfen. Ich bin auch nicht dein Schutzpatron, kleine Hexe. Wie kommst du darauf, mich um Hilfe zu bitten?«