Das Herz der Eisprinzessin - Junia Swan - E-Book

Das Herz der Eisprinzessin E-Book

Junia Swan

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Beschreibung

Es gibt keine Zuflucht für Prinzessin Rosalinde, die aufgrund ihres rebellischen Wesens den härtesten Strafen ausgesetzt wird. Nicht einmal der mächtige Ritter, der sie vor ihren Peinigern gerettet hat, nimmt sie mit sich und bewahrt sie vor weiterem Unheil. Alleingelassen in ihrem Schmerz, verschließt Rosalinde ihr Herz und untersagt sich jegliche menschliche Regung. Bald gilt sie weithin als kalt und unberechenbar, weshalb man sie nur mehr "Eisprinzessin" nennt. Mit ihrem Ruf kann Rosalinde gut leben, und es vergeht kein Tag, an dem sie ihn nicht untermauern würde. Doch plötzlich hält der Burgherr von Wolfsberg um ihre Hand an, und ihr Vater stimmt bereitwillig einer Fernhochzeit zu. Rosalinde ist sicher, auch diesen Mann problemlos mit ihren Launen beherrschen zu können. Wie sehr sie sich geirrt hat, muss sie erkennen, als sie dem beeindruckenden Ritter das erste Mal in die Augen sieht. Er fordert ihren absoluten Gehorsam, und sie ahnt instinktiv, dass er vor keinem Mittel zurückschrecken wird, um ihn zu bekommen.

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Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
Epilog
Danksagung
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Das Herz der Eisprinzessin

Junia Swan

Roman

Über dieses Buch:

Es gibt keine Zuflucht für Prinzessin Rosalinde, die aufgrund ihres rebellischen Wesens den härtesten Strafen ausgesetzt wird. Nicht einmal der mächtige Ritter, der sie vor ihren Peinigern gerettet hat, nimmt sie mit sich und bewahrt sie vor weiterem Unheil. Alleingelassen in ihrem Schmerz, verschließt Rosalinde ihr Herz und untersagt sich jegliche menschliche Regung. Bald gilt sie weithin als kalt und unberechenbar, weshalb man sie nur mehr „Eisprinzessin“ nennt. Mit ihrem Ruf kann Rosalinde gut leben, und es vergeht kein Tag, an dem sie ihn nicht untermauern würde. Doch plötzlich hält der Burgherr von Wolfsberg um ihre Hand an, und ihr Vater stimmt bereitwillig einer Fernhochzeit zu. Rosalinde ist sicher, auch diesen Mann problemlos mit ihren Launen beherrschen zu können. Wie sehr sie sich geirrt hat, muss sie erkennen, als sie dem beeindruckenden Ritter das erste Mal in die Augen sieht. Er fordert ihren absoluten Gehorsam, und sie ahnt instinktiv, dass er vor keinem Mittel zurückschrecken wird, um ihn zu bekommen.

Über die Autorin:

Junia Swan schreibt seit ihrer Jugend leidenschaftlich gerne Romane. Besonders das Genre der Liebesgeschichten hat es ihr angetan. Allerdings bevorzugt sie Charaktere mit Ecken und Kanten und begleitet diese gerne auf ihrem oftmals sehr steinigen Weg. Mit ihren Romanen möchte sie den Lesern Mut machen, niemals aufzugeben und auch in schweren Zeiten durchzuhalten. Sie selbst ist mit der Liebe ihres Lebens verheiratet und lebt in Österreich.

E-Book-Ausgabe September 2019

Titelbild: NKH-Design

© 2019 Junia Swan, Salzburg

Das Herz der Eisprinzessin

Junia Swan

Für J.D. in Liebe

Prolog

„Hilfe! Hilfe!“

Die Schreie wurden mit jeder Minute leiser, und Freiherr Falk zügelte sein Pferd. Er machte eine Handbewegung, und die Reiter um ihn hielten ebenfalls an und lauschten.

„Wartet hier auf mich!“, befahl der Ritter und lenkte sein Schlachtross vom Weg in den Wald, der ihn von beiden Seiten säumte. Das Pferd brach durch das Dickicht, überwand Büsche, kleine Tannen, Gestrüpp, und er wich Bäumen mit tief hängenden Ästen aus.

„Hilfe!“

Die Stimme klang überaus verzweifelt und hoffnungslos, und er hielt erneut an, um herauszufinden, woher sie kam. Mit dem Helm auf dem Kopf war sein Blickfeld stark eingeschränkt. Die Rüstung minimierte seine Bewegungsfreiheit, und er fluchte über diese Behinderung. Mittlerweile war das Schreien verstummt, und er wartete einige Minuten. Angespannt, ob er noch irgendeinen Laut hörte, wendete er sein Pferd, damit er auch die restliche Umgebung in Augenschein nehmen konnte. Da sah er sie. Mit großen Augen starrte sie ihn an, und die Angst, die unübersehbar darin flackerte, ließ ihn eilig die letzte Distanz zwischen ihnen überwinden. Dann stieg er schwerfällig ab. Die Rüstung erschwerte ihm das Absitzen, und er atmete angestrengt ein, als er schwankend auf dem Boden stand. Während er näherkam, bemerkte er Tränenspuren auf ihren Wangen. Sie aber blieb wie versteinert an den Baum gelehnt sitzen, blickte ihm entgegen und zu ihm auf. Die Blässe ihres Gesichts bereitete ihm Sorge. Sie musste um die zwölf Jahre alt sein, und er fragte sich, was sie so allein im Wald machte. Die Gegend war zurzeit ziemlich unsicher, in den letzten Wochen hatten hier einige Überfälle von Raubrittern stattgefunden.

„Was ist passiert?“, fragte er, und seine Stimme hallte in seinem Helm.

„Bitte“, flüsterte sie, und er musste sich anstrengen, um sie zu verstehen, „bindet mich los!“

Erst jetzt bemerkte er die Fesseln an ihren Handgelenken, die sie am Baumstamm fixierten und ihr ein Davonlaufen unmöglich machten. Verflucht, wer machte so etwas? Sie schutzlos demjenigen auszuliefern, der sie fand. Widerlich! Mit der Rüstung war er unbeholfen wie ein Maulwurf, deswegen zog er sein Schwert und trat hinter sie. Die Klinge wurde jeden Tag von seinem Knappen geschliffen und war gefährlich scharf. Ohne Anstrengung schnitt sie das Seil entzwei.

„Ich danke Euch, Herr!“, schluchzte sie, während sie sich gleichzeitig darum bemühte, wieder auf die Beine zu kommen.

Mit den Fäusten wischte sie sich die Tränen aus den Augen und betrachtete ihn.

„Wer bist du?“, wollte er wissen. „Und was machst du hier?“

„Rosalinde“, murmelte sie und deutete mit einer unbestimmten Geste in eine Richtung. „Prinzessin von Grauenstein.“

„Sehr erfreut, Prinzessin“, meinte er und machte eine flüchtige Verbeugung, wobei er aufpassen musste, das Gleichgewicht nicht zu verlieren.

Dann deutete er auf die Seilenden, die an ihren Handgelenken baumelten. Sie hob sie ein wenig an, und er bemerkte rote Abschürfungen auf ihrer Haut.

„Könnt Ihr mich mit Euch nehmen, edler Ritter?“, fragte sie anstelle einer Antwort.

„Sicherlich. Ich werde dich wohlbehalten nach Hause zu deinen Eltern bringen.“

Da schüttelte sie vehement den Kopf.

„Nein, das meinte ich nicht. Nehmt mich mit auf Eure Reise! Nehmt mich mit zu Eurer Burg!“

„Das ist unmöglich! Ich kann dich doch nicht deinen Eltern stehlen! Außerdem besitze ich keine Burg.“

Ihre Schultern sackten enttäuscht nach unten. Doch sie gab nicht auf. Sie ahnte, dass sich ihr nie wieder eine Chance wie diese bieten würde. Mithilfe dieses starken Ritters könnte sie es schaffen zu entkommen.

„Bitte, nehmt mich mit Euch“, flehte sie und sank vor ihm in die Knie. „Meinen Eltern macht das nichts aus. Im Gegenteil, sie wären Euch überaus dankbar.“

Freiherr Falk atmete tief ein und musterte sie argwöhnisch.

„Was stimmt mit dir nicht, Mädchen?“

Ihre Augen waren voller Furcht weit aufgerissen, als sie bittend zu ihm aufsah.

„Mit mir ist alles in Ordnung. Bitte! Helft mir! Ich gehöre einfach nicht hierher, nehmt mich mit!“

„Komm mit!“, befahl er, doch sie verharrte trotzig. „Ich frage noch einmal: Wer hat das getan?“

Sie schluckte und wich seinem Blick aus, während sie sich eine helle Haarsträhne hinter ein Ohr strich.

„Andere Kinder“, nuschelte sie und zerrte an einem der Seile.

Er wurde nicht schlau aus ihr.

„Wir haben deine Burg vor einiger Zeit passiert. Komm, wir bringen dich zurück!“

Nun packte sie ihn am Arm, was er jedoch kaum bemerkte, so schwach war sie. Mit beiden Händen musste sie zugreifen, um seinen Unterarm zu umschließen.

„Bitte, bringt mich nicht zurück! Ich flehe Euch an! Bitte!“

Natürlich rührte ihn ihr Flehen, aber ihm waren die Hände gebunden – was sollte er mit einem Kind anstellen? Also griff er nach ihrem Arm und zog sie vorsichtig mit sich. „Nein! Nicht!“

Verzweifelt versuchte sie sich ihm zu entwinden, doch er zerrte sie unbarmherzig mit sich. Seine Männer blickten ihm verwundert entgegen, als er sich mit seiner widerborstigen Begleiterin aus den Schatten des Waldes löste. Sein Pferd folgte auf den Fuß. Einige von ihnen begannen zu lachen.

„Da hast du aber einen Glücksgriff gemacht! Was ist mit dem Kind?“

„Ich vermochte nicht, es herauszufinden. Doch sie gehört zu Burg Grauenstein. Tut mir leid, wir müssen noch einmal umkehren.“

Er konnte das Murren einiger der Männer deutlich hören, während er Rosalinde vor den Sattel auf sein Pferd setzte. Sie hatten einen anstrengenden Ritt hinter sich und waren müde. Dieser Umweg passte ihnen überhaupt nicht.

„Roland“, sagte er, und sein Knappe eilte herbei und half ihm beim Aufsitzen.

Freiherr Falk legte behutsam einen Arm um des Mädchens Taille, damit es nicht vom Pferd rutschen konnte, und trieb sein Ross an.

Je näher sie der Burg kamen, desto verzweifelter klammerte sich Rosalinde an ihn. Er konnte sich nicht erklären, was sie so ängstigte. Wahrscheinlich erwartete sie eine Tracht Prügel dafür, dass sie sich mit ihren Spielgefährten in den Wäldern herumgetrieben hatte. Nun ja, sicherlich würde sie das überleben.

Die unüberwindbaren Mauern der Burg Grauenstein zeichneten sich scharf vom Blau des Himmels ab, als sie aus dem Wald und über weitläufige Wiesen darauf zuritten. Die Sonne stand bereits tief, und die Reiter tauchten nach kurzer Zeit in den Schatten der Burg ein. Die Hängebrücke, welche einen breiten Burggraben überspannte, war herabgelassen, doch das Tor war verschlossen.

„Wer ist’s?“, rief eine der Wachen von den Zinnen.

„Ritter Falk und seine Mannen. Wir haben Eure Prinzessin aufgelesen und bringen sie zurück.“

„Öffnen!“

Das laute Geräusch der Ketten setzte ein, und das Fallgitter hob sich in die Höhe. Nicht lange, und sie passierten die dicken Steinmauern, um im Hof anzuhalten. Der Burgvogt eilte ihnen entgegen, doch als er das Mädchen erblickte, verfinsterten sich seine Züge. Auffordernd streckte er seine Arme nach ihm aus, und Freiherr Falk übergab es dem Mann.

„Ich danke Euch, edler Ritter“, sagte der Vogt und stellte das Mädchen neben sich ab.

Mit strengem Blick musterte er Rosalinde.

„Du weißt, was dich erwartet.“

Schnell senkte sie den Kopf und starrte auf ihre Schuhspitzen. Dabei meinte Freiherr Falk beobachten zu können, wie sie vor seinen Augen schrumpfte.

„Ihr könnt sie ja nicht gebrauchen?“, fragte der Mann zu des Ritters Überraschung. „Wollt Ihr sie zur Frau nehmen?“

Dieses Kind? Freiherr Falk fuhr bei der Vorstellung ein wenig zusammen. Natürlich war es nicht unüblich, Kinder zu verheiraten, doch er hatte andere Erwartungen an seine Frau. Abgesehen davon wüsste er nicht, wo er sie unterbringen könnte.

„Nein, tut mir leid“, erwiderte der Ritter und sah, wie sich das Mädchen mit den Fingern über die Augen strich.

„Dann kommt, und esst mit uns!“, forderte der Vogt die Gruppe Männer nun auf.

„Vielen Dank für Eure Einladung, doch wir haben noch ein gutes Stück Weg vor uns. Wenn Ihr uns nun entschuldigen würdet?“

Der Vogt nickte, während Freiherr Falk sein Pferd wendete. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der ältere Mann das Mädchen unsanft in eine Richtung stieß.

„Mach’s gut, Kleine“, rief er ihr aufmunternd zu und ritt auf das schwere Tor zu.

Seine Männer schlossen sich ihm eilig an.

Fünf Jahre später, als Freiherr Falk wieder in der Nähe des Wiener Beckens war, hörte er durch Zufall Rosalindes Namen. Mittlerweile hatte sie allerdings einen Beinamen erhalten. Man nannte sie die Eisprinzessin, aufgrund der Kälte ihres Wesens.

Freiherr Falk sah sie an einem Abend während eines Festes auf Burg Grauenstein. Unbewegt und schön saß sie am Tisch ihrer Eltern und wies jeden Mann ab, der es noch wagte, sie zum Tanz aufzufordern, deren Zahl, aus gegebenem Anlass, nicht einmal aus einer Handvoll Galanen bestand. Man erzählte, dass selbst das Kloster sie nicht hatte aufnehmen wollen und ihr Vater die Hoffnung aufgegeben hatte, sie gut zu vermählen. Wenn überhaupt. Doch als Freiherr Falks Blick auf ihr ruhte, meinte er nur Angst und Einsamkeit in ihr zu erkennen. Mittlerweile war sie zu einer jungen Frau herangereift, und er selbst würde bald als Burgherr auf einer eigenen Festung eingesetzt werden. Die Verzweiflung, die sie damals ausgestrahlt hatte, stand noch deutlich vor seinem inneren Auge. Nun wusste sie diese gut zu verbergen. Sollte er sich dazu entschließen, sie zu ehelichen, käme erhebliche Arbeit auf ihn zu, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Das spürte er instinktiv. Er trank von dem Bier und starrte sie nachdenklich an.

„Willst du dich erkälten?“, fragte Thomas neben ihm und rempelte ihn neckend an. „Oder was willst du von diesem Eiszapfen?“

„Kannst du dich nicht an sie erinnern?“

„An die Prinzessin? Nein. Wüsste nicht, wo wir ihr hätten begegnen können.“

„Die Kleine im Wald. Das war sie.“

Mit hochgezogenen Augenbrauen pfiff Freiherr Thomas durch die Zähne. Er warf einen schnellen Blick in ihre Richtung, wandte sich aber sofort wieder seinem Gegenüber zu.

„Kaum zu glauben. Damals hatte sie mehr Temperament.“

„Das hat sie noch immer. Sie vermag es nur gut zu verstecken.“

Freiherr Falk nahm noch einen Schluck.

„Wenn sich die Dinge weiterhin zufriedenstellend entwickeln, werde ich um ihre Hand anhalten.“

„Du bist verrückt, mein Freund!“

Freiherr Falks Mund verzog sich zu einem harten Lächeln.

„Ich werde das Gefühl nicht los, sie damals im Stich gelassen zu haben.“

„Du kannst nicht jeden heiraten, dem du nicht helfen konntest.“

„Das ist richtig. Aber sie schon. Sieh sie dir nur an!“

Freiherr Thomas schauderte gespielt.

„Habe ich bereits, und ich meine, bei mir tritt gleich die Leichenstarre ein.“

Nun lächelte Freiherr Falk, und kleine Falten bildeten sich in seinen Augenwinkeln, während er seinen Becher hob.

„Sie wird schmelzen, das verspreche ich dir. Auf meine Braut!“

„Auf eisige Zeiten!“

1. Kapitel

Eineinhalb Jahre später

Burg Hohenwolfsberg ragte hoch und abweisend in den Himmel, majestätisch und mächtig, als könnte sie allein mit ihrer Präsenz ihr Umfeld beherrschen. Unwillkürlich umfasste Rosalinde die Zügel ihres Pferdes fester. Dies würde nun also ihre neue Heimat sein. Sie hasste den Ort schon jetzt: die hohen Berge, die sich in einiger Entfernung wie ein steinerner Ring rings um die Festung schlossen und jeden Eindringling allein durch ihre Anwesenheit einschüchterten und zu bedrohen schienen. Es trennte sie nur mehr eine kurze Zeitspanne von der Begegnung mit jenem Mann, der vor ihrer Unnahbarkeit nicht zurückgeschreckt war und sie mittels einer Fernhochzeit geehelicht hatte. Vor einer Woche hatte ihr Vater den Ehevertrag unterzeichnet, den Graf von Wolfsberg mit einem Boten zu ihr geschickt hatte. Ohne ihm jemals begegnet zu sein, war sie ihm nun angetraut. Was hatte er sich nur dabei gedacht, sie zu seiner Frau zu nehmen? Meinte er wirklich, sie bezwingen zu können? Ein dünnes Lächeln umspielte bei dem Gedanken ihren Mund. Bald würde er seinen Irrtum bemerken, spätestens dann, wenn er vor ihrer Unbeugsamkeit in die Knie ging, an ihrem Willen scheiterte, vor ihrer inneren Kraft kapitulierte. Es gab nichts auf dieser Welt, was er tun könnte, um sie zu bezwingen.

Alle Burgbewohner hatten sich im Burghof versammelt, um ihren festlichen Einzug zu verfolgen. Rosalinde blickte starr geradeaus, tat, als würde sie nicht bemerken, was um sie herum geschah. Einer ihrer Diener half ihr aus dem Sattel, und sie ging ein paar Schritte, wartete darauf, dass der Burgherr auf sie zukam, um sie zu begrüßen. Da löste sich auch schon ein älterer Mann von dem Pulk feiner Hofleute, die sie etwas erhöht vor dem Eingang der Halle erwarteten. Auf den ersten Blick erkannte Rosalinde, dass dieser Mann ihr nicht gewachsen war, und sie meinte, so etwas wie Enttäuschung zu empfinden. Ein kleines Kräftemessen hätte sie durchaus gereizt, doch mit ihm würde sie in wenigen Minuten fertiggeworden sein. Aber das machte nichts. Abschätzend ließ sie ihre Augen über die stattlichen Bauten wandern – dann würde eben sie die Herrscherin innerhalb dieser Mauern sein. Ihr Mann verbeugte sich vor ihr – er war nur ein kleines Stück größer als sie selbst, und sie neigte leicht den Kopf. Ihr Blick war eisig.

„Dame Rosalinde, es ist mir eine Freude, Euch im Namen meines Herren begrüßen zu dürfen.“

Überrascht hob die junge Frau die Augenbrauen.

„Er hat mich gebeten, Euch zur Kemenate zu geleiten, da er erst am Abend zurückkehren wird.“

Was sollte das heißen? Er war nicht hier, um seine Frau, wie es schicklich war, zu empfangen? Welch ein Affront! Zorn glomm in ihr auf, doch keine Regung in ihrem Gesicht verriet ihre Gefühle.

„Die Freude ist ganz auf meiner Seite“, sagte Rosalinde gleichgültig. „Ich nehme an, Ihr seid der Burgvogt?“

„So ist es, meine Dame. Burgvogt Karl, zu Euren Diensten. Wenn Ihr bitte mit mir kommen würdet?“

Er wandte sich um, und sie folgte ihm in einigen Ellen Entfernung mit stolz erhobenem Haupt, vorbei an den tuschelnden Höflingen, die sich vor ihr verneigten, während die Damen in einen tiefen Knicks sanken.

Nicht lange, und sie stand inmitten der Kemenate und beobachtete die Diener, welche ihre Truhen in den Nebenraum, ihre Schlafkammer, schleppten. Als sie allein war, trat sie an das kleine Fenster und blickte ins Freie. Der Wind fegte entlang der Mauern und strich ein wenig abgeschwächt über ihr Gesicht. Dafür, dass von Wolfsberg sie nicht mit dem nötigen Respekt empfangen hatte, würde er büßen. Das schwor sie sich. Schon morgen würde er bereuen, sie zur Frau genommen zu haben.

„Der Herr ist eingetroffen“, berichtete ihre Kammerdienerin und schloss die Tür hinter sich.

„Vermutlich wird er das Abendmahl an meiner Seite in der großen Halle einnehmen“, stellte Rosalinde fest und ließ sich in ein festliches Gewand helfen.

Kritisch beäugte sie sich in dem Spiegel, der auf einem Tisch vor ihr stand. Sie wollte ihn mit ihrer Schönheit einschüchtern, so wie all die anderen Männer am Hof ihres Vaters. Es sollte ihm angesichts ihrer Unnahbarkeit die Sprache verschlagen! Deswegen ließ sie sich Perlen in ihr Haar flechten, damit sie ihn blendeten und ihn davor zurückschrecken ließen, sie zu berühren.

Als sie zufrieden war, erhob sie sich und schluckte nervös. Natürlich hatte sie nichts zu befürchten, trotzdem glomm ein leises Unbehagen in ihrem Bauch, das sie ein wenig zittern ließ. Sie atmete tief durch und straffte ihre Schultern. Es wäre gelacht, wenn ausgerechnet Graf von Wolfsberg ihr Innerstes erschütterte.

Mit erhobenen Kinn folgte sie ihrer Dienerin in die Halle. Bei ihrem Eintreten verstummten die Gespräche, und die Aufmerksamkeit aller Anwesenden richtete sich auf sie. Unbeeindruckt blieb sie stehen und ließ ihre Augen suchend über den Hofstaat wandern. Jeder blickte in ihre Richtung, bis auf einen Mann. Er hatte ihr den Rücken zugewandt und sprach mit seinem Gegenüber (welches ebenfalls zu ihr sah), als kümmerte ihn nicht, was um ihn herum geschah. Das musste wohl ihr Gemahl sein. Angesichts seiner Arroganz begann es wieder in ihr zu kochen. Nicht nur, dass er sie bei ihrer Ankunft nicht gebührend empfangen hatte, behandelte er sie nun, als wäre sie eine einfache Dienstmagd, der es nicht zustand, dass man ihr seine Aufmerksamkeit schenkte. Rosalinde würde keinen einzigen Schritt auf ihn zu machen, schwor sie sich, und starrte auf seinen breiten Rücken. Er war groß und muskulös, das war ihr sofort aufgefallen. Sein Haar dunkelbraun, fast schwarz, soweit man das in dem schlechten Licht erkennen konnte. Doch seine Ausstrahlung war deutlich fühlbar und nahm sie bereits gefangen, noch bevor sie ein Wort mit ihm gewechselt hatte. Rosalinde ahnte, dass er zumindest ein würdiger Gegner im Kampf um die Herrschaft innerhalb ihrer Ehe sein würde.

Noch immer war es mucksmäuschenstill im Raum, was ihn nach wie vor in keiner Weise tangierte. Vielleicht erwartete er, dass sie zu ihm ging? Versauern sollte er! Den Gefallen würde sie ihm nicht tun. Stattdessen wandte sie sich ab und blickte zur Tafel. Da man ihr ihren Gemahl bis jetzt nicht vorgestellt hatte, konnte sie Unwissenheit vortäuschen und so tun, als wüsste sie nicht, dass er bereits in diesem Raum war. Ganz sicher konnte sie sich tatsächlich nicht sein. Vielleicht war jener Mann auch einfach einer der Ritter und hatte mit ihr demzufolge nichts zu schaffen? Entschlossen setzte sie sich in Bewegung und steuerte das Kopfende der Tafel an. Nun setzte Getuschel ein. Offensichtlich hatte niemand mit ihrer Kaltschnäuzigkeit gerechnet, den Burgherrn zu ignorieren. Sie machte einem Diener ein Zeichen, ihr den Stuhl am Vorsitz zurechtzurücken. Verwirrt starrte sie der junge Mann an.

„Nun, da Graf von Wolfsberg von seiner Reise noch nicht zurückgekehrt ist, werde ich seinen Platz einnehmen“, sagte sie laut und deutlich, und ihre Stimme hallte in dem großen Raum. „Richte mir den Stuhl!“

„Aber er ist hier“, flüsterte der Diener mit großen Augen, woraufhin sich Rosalinde noch einmal von dem Tisch fort und den restlichen Anwesenden zuwandte.

Mittlerweile hatte sich der große Mann ebenfalls in ihre Richtung gedreht. Er war zu weit weg, um sein Gesicht erkennen zu können, demzufolge blieb ihr sein Gemütszustand verborgen.

„Werte Gemahlin“, hörte sie eine tiefe, eindrucksvolle Stimme die räumliche Distanz problemlos überwindend, „ich bin hier. So kommt und begrüßt mich, wie es mir gebührt!“

Seine Worte waren der nächste Affront. Trotzdem er nun also wusste, dass sie anwesend war, kam er ihr keinen Schritt entgegen. Nicht einen einzigen Schritt! Im Gegenteil, er erwartete, dass sie zu ihm ging! Sie setzte ein kühles Lächeln auf, verblieb jedoch an ihrem Platz.

„Willkommen, mein Herr“, sagte sie nur und wirkte überaus gleichgültig.

Da gab er einem seiner Männer ein Zeichen, und dieser setzte sich zu ihr in Bewegung. Ein stattlicher Ritter, zweifellos, mit stahlharten Muskeln an den richtigen Stellen. Rosalindes Herz begann schneller zu pochen. Als er sie erreichte, streckte er ihr höflich eine Hand entgegen.

„Kommt, ich werde Euch zu Eurem Mann geleiten.“

Rosalinde schenkte ihm einen eisigen Blick, der ihn wissen lassen sollte, was sie von diesem Vorschlag hielt. Ihr Gegenüber verengte die Augen, dann griff er nach ihrem Arm und zwang sie an seine Seite. Notgedrungen schritt sie neben ihm zu dem schrecklichen Mann am anderen Ende des Saales. Je näher sie ihm kam, desto kleiner und machtloser fühlte sie sich. Aber wer war sie, sich bereits nach wenigen Minuten zu ergeben? Sie hielt seinem Blick herausfordernd stand. Graf von Wolfsberg griff nach ihrer Hand, als sie ihn erreicht hatten, und zog sie näher zu sich. Bereits an der Art dieser Berührung erkannte sie die Kraft seines Körpers und die Unbeugsamkeit seines Willens. Seine undurchdringlich funkelnden Augen bohrten sich in ihre, und er senkte den Kopf, um nur eine Daumenbreite vor ihrem Gesicht innezuhalten.

„Holdes Weib“, sagte er leise, und Rosalinde hoffte, dass niemand sonst hören konnte, was er ihr nun unzweifelhaft mitteilen würde, „willkommen auf meiner Burg. Ich hoffe, Euer Ungehorsam mir gegenüber ist dem geschuldet, dass Ihr nicht sicher sein konntet, dass ich Euer Gemahl bin. Ich kann Euch versichern, dass Ihr nach der heutigen Nacht diesbezüglich keine Zweifel mehr hegen werdet.“

Die aufsteigende Angst unterdrücke Rosalinde mit eisernem Willen, genauso wie nichts an ihr verriet, wie unangenehm ihr seine Nähe war.

„Es genügt für den Anfang, wenn Ihr Folgendes beherzigt und wisst: Ich erwarte Euren absoluten Gehorsam und Respekt, denn ich werde nicht zögern, Euch zu bestrafen, solltet Ihr mir diese verweigern!“

Rosalinde blinzelte, doch sie hatte sich sofort wieder im Griff, obwohl seine Warnung ihr durch Mark und Bein fuhr.

„Man erzählt weithin von Eurer Kälte und Unnahbarkeit. Lasst Euch gesagt sein, dass Ihr beides um ein Vielfaches verstärkt in mir finden werdet. Seid also nicht so unklug, es darauf anzulegen, Euch mit mir zu messen! Denn Ihr werdet unterliegen.“

Plötzlich gab er sie frei und trat einen Schritt zurück, um ihre Reaktion auf seine Worte zu beobachten. Er wollte sie einschüchtern, erkannte Rosalinde, wie erbärmlich! Unbeeindruckt hielt sie seiner Betrachtung stand, hob nur in einer spöttischen Geste eine Augenbraue.

„Und nun kniet Euch vor mich hin!“

Überrascht weitete sie die Augen, doch sie hatte sich sofort wieder im Griff.

„Niemals, mein Herr“, sagte sie fest, und ihr war bewusst, dass sie ihn mit ihrer Weigerung vor seinem gesamten Hofstaat blamierte.

Sein rechtes Augenlid zuckte, dann wandte er sich ab.

„An den Pfahl mit ihr“, befahl er unbeteiligt und ließ sie einfach stehen.

In dieser Situation blieb ihm keine andere Wahl, als hart durchzugreifen. Erschrocken schnappte sie nach Luft. Das konnte nicht sein Ernst sein! Sie derart zu demütigen! Doch sie zwang sich zu einem unbeteiligten Gesichtsausdruck.

Der Ritter, der sie zuvor zu ihrem Gemahl geführt hatte, drehte sich zu ihr.

„Wollt Ihr freiwillig mit mir kommen, oder soll ich Euch vor den Augen aller ins Freie zerren?“

Sie reckte würdevoll ihr Kinn.

„Ich begleite Euch. Geht mir voraus!“

Der Ritter drehte sich um, und ohne zu zögern, verließ sie hinter ihm die Halle. Sie würde nicht klein beigeben. Nicht vor diesem eingebildeten Mann.

An einer Seite des großen Burghofes ragten drei Holzpfähle aus dem festgestampften Boden, und Rosalinde stellte sich vor einen und streckte ihre Arme nach hinten, damit der Mann sie fesseln konnte. Es war eine unangenehme Position, doch sie hatte schon weit Schlimmeres ertragen. Bisher hatten sie all diese Bestrafungen stärker gemacht, nicht schwächer.

Nach einer Weile lehnte sie sich an den Pfahl zurück und schloss die Augen. In wenigen Minuten würde die Sonne hinter den hohen Gipfeln des weitläufigen Bergmassives untergehen. Es fröstelte sie ein wenig, als eine kühle Brise die letzten Sonnenstrahlen von ihrem Körper fegte. Dunkle Schatten lösten sich aus den Ecken und krochen über den Boden, umspielten ihre Knöchel und kletterten an ihrem Leib empor. Es mussten Stunden vergangen sein, als ihr jemand einen Becher Wein anbot, doch sie wandte den Kopf ab. Der Schmerz in ihren Schultern nahm zu, trotzdem bewegte sie sich nicht.

„Seid Ihr nun bereit, vor mir zu knien?“, fragte plötzlich eine Stimme neben ihr und riss sie aus ihrer Versunkenheit.

Sie brauchte nur Sekunden, um sich wieder völlig im Griff zu haben.

„Nein“, erklärte sie mit ruhiger Stimme und einem ironischen Lächeln, das von Wolfsberg nicht entgehen konnte. „Ich werde niemals vor Euch knien. Da müsstet Ihr schon meinen Leichnam von diesem Pfahl schneiden.“

„Wir werden sehen“, meinte er lapidar, wandte sich um und ging davon.

Irgendwann im Laufe der Nacht ließ sie sich zu Boden gleiten. Ihr ganzer Körper krampfte ob dieser zermürbenden Stellung. Aber Rosalinde wusste, dass sie nur eine gewisse Zeit durchhalten musste, bis sie den Schmerz nicht mehr fühlen würde und in eine Art Delirium hinüberglitte. Spätestens der Flüssigkeitsverlust würde ihr den Rest geben. Am nächsten Morgen stemmte sie sich unter aller Anstrengung in die Höhe. Niemand sollte sie derart schwach zu Gesicht bekommen. Stimmen drangen an ihre Ohren, und sie öffnete die Augen. Allerdings blickte sie nicht in ihre Richtung, sondern suchte sich einen Punkt weit oben, den sie nun fixierte. Nein, sie würde die Augen nicht schließen, als schämte sie sich, hier zu sein, stattdessen würde sie alle ignorieren, deren Weg sie an ihr vorbeiführte.

„Herrin, trinkt etwas“, bat jemand neben ihr.

Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper.

„Ich habe auch etwas zu essen für Euch.“

Rosalinde stellte sich vor, sie wäre der Vogel, der neben ihrem Punkt auf der Burgmauer saß und über das Land hinwegsah. Bald würde er sich frei in die Lüfte schwingen. Gedankenreisen hatten ihr in solchen Situationen immer geholfen, den Zustand der Pein zu ertragen. Sie bemerkte nicht einmal, dass sich der Diener entfernte.

„Wie macht sie sich?“, fragte Falk von Wolfsberg den Ritter, dem er sein Leben anvertrauen würde.

„Sie ist nach wie vor ein Eiszapfen, mein Freund, und verweigert es zu essen oder zu trinken.“

Überrascht schossen des Burgherren Augenbrauen in die Höhe.

„Sie weigert sich zu trinken?“

„Ja, Falk. Sie ist eine harte Nuss.“

Von Wolfsberg fuhr sich mit gespreizten Fingern nachdenklich durchs Haar.

„Warten wir es ab. Lange wird sie nicht mehr durchhalten.“

Freiherr Thomas zuckte mit den Schultern.

„Du hättest es anders haben können“, stellte er mitleidlos fest. „Ein sanftes Weib in deinem Bett. Aber du wolltest sie.“

Des Burgherrn Mundwinkel zuckten.

„Ganz recht, ich wollte sie und werde sie bekommen, du wirst sehen!“ „Ich hoffe, sie nimmt es sich zu Herzen.“

Da lachte von Wolfsberg siegessicher und griff nach seinem Schwert.

„An die Waffen!“, forderte er und ging seinem Ritter voraus in den Hof.

Er gestattete sich nur einen kurzen Seitenblick in ihre Richtung. Die Perlen in ihren Haaren glitzerten in der Sonne, und sie wirkte schön wie eine Jungfrau, der man Unrecht angetan hatte. Alles an ihr verkörperte aus seiner Sicht eine Anklage, als enttarnte ihre Anwesenheit an diesem Pfahl ihn als ein Monster, eine Bestie, gefühllos und kalt. Er wandte sich seinem Gegner zu und konzentrierte sich auf die Übungen, die ihn mit jedem Tag mehr zu einem unbesiegbaren Meister im Kampf machten.

Rosalindes Zunge schwoll an, und es schmerzte sie zu schlucken. Die Sonne hatte während des ganzen Tages auf sie herabgebrannt, ihre Haut gerötet und ihr die letzte Kraft aus den Gliedern geschmolzen, in denen der Schmerz stechend pochte. Trotzdem hatte sie sich nicht auf den Boden sinken lassen, sondern hing ein wenig nach vorne gebeugt. Sie hatte sich einen neuen Punkt für ihre Aufmerksamkeit suchen müssen.

Von Wolfsberg stand ungefähr zwanzig Meter von ihr entfernt und musterte sie besorgt.

„Lange kann ich sie nicht mehr dort lassen“, stellte er beunruhigt fest. „Wenn sie diese Nacht nicht aufgibt, holst du sie morgen in der Früh und bringst sie in ihre Kammer. Ihre Dienerin soll sich um sie kümmern. Postiere eine Wache vor ihrer Tür, sie darf ihr Zimmer nicht verlassen. Vermutlich wird sie ohnehin zu schwach sein, um aufzustehen.“

Freiherr Thomas nickte.

„Ich werde mit ihr sprechen. Vielleicht ist sie nun bereit, mir den Respekt zu schenken, den sie mir schuldet.“

Mit diesen Worten setzte er sich in Bewegung und ging auf sie zu. Mit einer Hand griff er nach ihrem Kinn und zwang ihren Kopf zu sich empor. Ihr Blick war verschleiert, und sie sah durch ihn hindurch.

„Wirst du vor mir knien?“, fragte er angespannt. „Ich binde dich sofort los.“

Rosalinde schwieg.

„Sei doch nicht so störrisch, Weib“, bat er mit weicher Stimme, deren Klang sie sicherlich überrascht hätte, wenn das Blut in ihren Ohren nicht so laut rauschen würde.

Da sie nach wie vor nichts erwiderte, zog er seine Hand fort, und ihr Kopf sank wieder tiefer. Kurz musterte er sie und verbot es sich, Mitleid mit ihr zu haben, dann wandte er sich um und schritt davon.

In der bald danach einbrechenden Nacht war sie in sich zusammengefallen, und sie bemerkte kaum, als jemand früh am nächsten Morgen ihre Fesseln löste und sie emporhob. Mittlerweile hatte sie den Zustand erreicht, in dem es sie nicht mehr berührte, was mit ihr und um sie herum geschah. Sie fühlte Wasser an ihren Lippen und hörte das bekümmerte Murmeln ihrer Zofe. Immer wieder flößte die ihr Wasser und Hühnerbrühe ein, kühlte ihre Haut mit einer lindernden Creme, bis Rosalinde am Abend wieder so weit zu Kräften gekommen war, dass sie die Augen öffnen konnte.

„Meine Herrin“, flehte Theresa unter Tränen, als sie erkannte, dass die Geschundene bei Bewusstsein war, „er ist unbeugsam. Hört auf, gegen ihn zu kämpfen!“

Ein zitterndes Lächeln teilte Rosalindes Lippen.

„Aber meine liebe Theresa, ich habe doch gerade erst begonnen!“, krächzte sie.

Das Dienstmädchen schlug sich eine Hand vor den Mund und schüttelte verzweifelt den Kopf.

„Das kann nicht gut enden, meine Dame! Ich bitte Euch!“

„Immerhin wird es enden. Wenigstens für einen von uns“, blieb Rosalinde hart, und ein kalter Glanz trat in ihre Augen.

„Ist mein sanftmütiges Weib wieder bei Kräften?“, wollte von Wolfsberg auf dem Weg in seine Gemächer wissen.

„Wie es aussieht, ja. Ihre Zofe hat sie in den letzten beiden Tagen wieder aufgepäppelt.“

„Ausgezeichnet! Dann werde ich heute die zweite Runde des Turniers ausrufen. Lass ihr ausrichten, dass ich sie nach dem Abendessen, welches sie noch in ihrem Zimmer einnehmen wird, sehen möchte.“

Freiherr Thomas lächelte spöttisch.

„Ich nehme nicht an, dass ihr das gefallen wird.“

„Vermutlich nicht.“

Er legte eine Hand auf die Türschnalle zu seiner Kammer und hielt noch einmal inne. Kurz dachte er nach, und seine Augen funkelten hintergründig, als er noch hinzufügte: „Ach, und teile ihr mit, dass sie ihr schönstes Kleid tragen soll.“

Im nächsten Moment stieß er die Tür auf und ließ seinen überraschten Ritter einfach zurück.

Ihr schönstes Kleid? Die Forderung ihres Gatten brannte wie Galle in ihrer Kehle. Das würde er bekommen! Dieses Gewand würde zweifellos ihr schlichtes Nachthemd, das aus schwerem, weißem Stoff genäht war, sein, einem Sack nicht unähnlich. Entschlossen zog sie es aus ihrer Truhe und breitete es auf dem Bett aus.

„Aber Herrin“, wagte Theresa einzuwenden, doch Rosalinde hob eine Hand, und sie verstummte.

„Ein schlichter Zopf für meine Haare wird meinen festlichen Auftritt noch unterstreichen, meinst du nicht?“

„Nein, meine Herrin, es ist nicht gut, wenn Ihr Euren Gemahl reizt.“

„Reizen? Ich? Ihn?“ Rosalinde lachte hart auf. „Er versucht mich zu demütigen, seit ich einen Fuß auf diese Burg gesetzt habe.“

„Trotzdem sitzt er auf dem längeren Ast.“

„Das werden wir erst sehen!“

Rosalinde unterdrückte ihr inneres Zittern, als sie durch eine Tür, die direkt von der Kemenate in sein Schlafzimmer führte, trat. Überrascht stellte sie fest, dass der Raum leer war. Sie schloss die Tür hinter sich und lugte angespannt zu einer anderen Tür, die zweifellos in ein weiteres seiner privaten Gemächer führte. Sollte sie einfach weitergehen oder hier auf ihn warten? Sie entschied sich, stehen zu bleiben. Jede Minute, die sie nicht in seiner Gegenwart verbringen musste, war ihr willkommen.

Als sich nach einer Weile die Tür öffnete, konnte sie ihr Zusammenzucken gerade noch unterdrücken. Er trat ein, groß und überwältigend, sein dunkler Blick glitt über ihre Erscheinung. Überrascht bemerkte sie, dass seine Mundwinkel zuckten. Rosalinde hatte erwartet, ihn mit ihrem offensichtlichen Ungehorsam zu erzürnen.

„Wie ich sehe, hast du aus deinem Fehler gelernt und dich gekleidet, wie ich es befohlen habe.“

Wenn sie sich nicht so gut im Griff gehabt hätte, wäre sie erblasst. So setzte sie ein gezwungenes Lächeln auf.

„Ich meine mich zu erinnern, dass Eure Anordnung eine andere war.“

„Ach, das waren nur Worte. Worauf es ankommt, ist das Ergebnis. Ihr seid berechenbar, meine Liebe.“

Diese Offenbarung traf sie mehr als die Tage am Pfahl. Sie fühlte sich, als hätte er einen Pfeil direkt in ihr Herz geschossen. Es durfte nicht sein, dass er sie durchschaute!

„Wie dem auch sei“, meinte er leichthin, ohne sie aus den Augen zu lassen, „ich bin hier, um mir zu nehmen, was mir zusteht.“

Sie musterte ihn herablassend. Nichts an ihrer Haltung deutete darauf hin, dass sie Angst vor ihm hatte.

„Öffne dein Haar“, befahl er ruhig.

Rosalinde blickte ihn reglos an.

„Oder hast du Angst?“

„Vor Euch?“, höhnte sie.

„Ganz richtig, vor mir. Du weißt genau, dass ich der Mann sein werde, vor dem du dich früher oder später beugen wirst. Ich kann verstehen, dass du dich davor fürchtest.“

„Ihr bildet Euch viel ein, wenn Ihr denkt, mich bezwingen zu können.“

Er schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln, das seine Augen nicht erreichte, und deutete auf ihren Zopf. Langsam hob sie ihre Hände und löste die Schleife. Sie würde vor dem Unvermeidlichen nicht davonlaufen. Nein, er sollte an ihrer Kälte erfrieren!

„Und nun das Kleid. Lege es ab!“

Trotz blitzte in ihren Augen auf, doch sie gehorchte zögernd. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben und ihm nicht zu zeigen, wie schwer es ihr fiel, ja, sie sogar ängstigte, derart entblößt vor ihm stehen zu müssen. Als sich der Stoff um ihre Knöchel bauschte, blickte sie ihn noch immer an und hoffte, dass ihre Wangen nicht vor Scham brannten. Langsam nahm er ihren Anblick in sich auf, als machte es ihm Freude, diese Macht über sie zu haben, dann streckte er einen Arm nach ihr aus. Sie starrte darauf. Wieder sollte sie auf ihn zugehen. Wieder wollte er, dass sie ihren Stolz aufgab, indem er auf sie wartete. Überrascht beobachtete sie, wie er einen Schritt in ihre Richtung machte. Er ging als erster auf sie zu, kam ihr entgegen, machte es ihr möglich, ihm zu gehorchen. Deswegen straffte sie die Schultern und ging zu ihm, legte ihre Hand in seine und ließ sich von ihm näher ziehen. Seine Körperwärme schien ihre Haut zu versengen. Er hob eine Hand zu ihrem Rücken und drückte sie eng an sich. Mit der anderen Hand zwang er ihr Kinn in die Höhe, und sie befürchtete bei dem Blick in seine Augen, dass ihre Knie unter ihr nachgeben würden. Alles an ihm war überwältigend, seine Dominanz füllte den Raum aus – es blieb kaum Platz für sie.

„Der Akt ist zu heilig, um ihn im Zorn zu begehen“, sagte er eindringlich, und Rosalinde fragte sich, was er meinte. „Du kannst mit mir streiten, dich mir widersetzen, so viel du willst, wenn du es außerhalb dieses Raumes machst. Doch hier wünsche ich, dass du deinen Groll ablegst.“

„Niemals“, murmelte sie und wand sich unter seinem eindringlichen Blick.

Seine Augen spielten über ihr Antlitz, als würden sie es streicheln.

„Niemals?“, wiederholte er, und diesmal erstreckte sich sein Lächeln bis zu seinen Augenwinkeln, an denen sich kleine Falten bildeten.

Dann senkte er den Kopf und strich mit den Lippen über ihre. Sie hatte erwartet, dass sein Mund hart und brutal sein würde. Niemals hätte sie gedacht, dass er sich derart warm an ihren schmiegen könnte. Verwirrt ließ sie seine Liebkosung über sich ergehen, die Sanftheit seiner Geste verunsicherte sie.

Wenig später trat er zurück. Sie benötigte einen Augenblick, um sich zu fassen. Als sie aufsah, bemerkte sie, dass er sich seines Hemdes entledigt hatte. Die Breite seiner Brust, deren Muskeln gut strukturiert hervortraten und jene an Schultern und Oberarmen passend ergänzten, faszinierte und erschütterte sie gleichermaßen, und ihr wurde klar, dass sie keine Chance gegen ihn haben würde. Wenn sie ehrlich zu sich war, hatte ihr dies ihr Gefühl bereits seit jenem Moment gesagt, als er ihr in der Halle gegenübergetreten war. Doch sie würde mit aller Kraft darum kämpfen, von ihm nicht verschlungen zu werden.

„Mein Körper gehört Euch“, stieß sie voller Verachtung aus, „doch mein Herz werdet Ihr niemals bekommen!“

Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und öffnete seine Hose.

„Oh, du hast ein Herz? Gut zu wissen.“

Ohne sich an ihrer Gegenwart zu stören, stieg er nun aus seinen Beinkleidern. Als er nackt vor ihr stand und ihr Blick auf seinen Unterleib fiel, erbleichte sie. Das hatte sie noch nie bei einem Mann gesehen.

„Du musst keine Angst haben“, versuchte er sie zu beruhigen, trat zu ihr und hob sie auf.

„Ich habe keine Angst“, keuchte sie, und er konnte die Furcht an ihrem Gesicht deutlich ablesen.

„Dann ist es ja gut“, meinte er leichthin und legte sie aufs Bett.

Sofort richtete sie sich auf. Jetzt, da die Furcht sich in ihr festgesetzt hatte, fiel es ihr schwer, ihre Fassung zurückzugewinnen. Sie atmete mehrmals durch, um Selbstbeherrschung bemüht. In der Zwischenzeit hatte er sich neben sie gelegt und musterte sie mit unergründlichem Blick. Auch auf einem Ellbogen abgestützt, in entspannter Haltung, wirkte er wie ein Krieger, dessen ruhende Kraft sich in Sekundenschnelle bündeln konnte.

„Ich habe keine Angst“, wiederholte sie fest und hoffte, ihm würde das leichte Zittern in ihrer Stimme entgehen.

Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, während der er sie aufmerksam und schweigend betrachtete. Es war kaum zu ertragen, und Rosalinde wand sich innerlich.

„Komm zu mir“, bat er schließlich sanft, doch sie reagierte nicht.

Da rückte er näher und zog sie zu sich heran. Dabei fiel ihr Kopf auf das Kissen zurück. Als sie neben ihm lag, beugte er sich über sie und stützte sich zu beiden Seiten ihrer Schulter ab, sodass sie sich wie eine Gefangene fühlte. Doch um nichts in der Welt würde sie ihm das zeigen.

„Hier in diesem Raum“, sagte er und blickte ihr in die weit aufgerissenen Augen, „wirst du dich mir hingeben.“

Seine Worte bewirkten in ihr ein Erstarken ihrer Kräfte.

„Niemals!“, erwiderte sie und presste ihre Kiefer aufeinander, was ihn nicht sonderlich zu beeindrucken schien. „In diesem Raum werde ich Euch auf das Heftigste bekämpfen!“

„Nun, dann kämpfe“, forderte er sie amüsiert auf und ließ sich auf seine Seite zurückfallen.