Das Herz des Prinzen - Patricia Grasso - E-Book
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Das Herz des Prinzen E-Book

Patricia Grasso

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Beschreibung

Zwei Liebende kämpfen verzweifelt um ihr Glück: „Das Herz des Prinzen“ von Bestsellerautorin Patricia Grasso – jetzt als eBook bei dotbooks. Als Tochter eines verarmten Grafen darf Samantha nicht erwarten, einen standesgemäßen Ehemann zu finden. Trotzdem hofft sie insgeheim auf ihren Traumprinzen. Und tatsächlich trifft sie auf ihrem ersten Londoner Ball einen attraktiven Fremden: Vom ersten Moment an fühlt sie sich unbeschreiblich zu ihm hingezogen. Dann erfährt sie, wer der Unbekannte ist – der russische Prinz Kazanov! Samantha glaubt sich am Ziel ihrer Träume, als er ihre tiefen Gefühle erwidert. Doch der Prinz hat mächtige Feinde, die ihr gemeinsames Glück bedrohen … „Ein bezaubernder Prinz in einem märchenhaften Liebesroman … einfach ein Lesevergnügen!” Romantic Times Tauchen Sie ein in eine Zeit voller prachtvoller Bälle und großer Gefühle: „Das Herz des Prinzen“ von Regency- und Romance-Expertin Patricia Grasso. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 448

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Über dieses Buch:

Als Tochter eines verarmten Grafen darf Samantha nicht erwarten, einen standesgemäßen Ehemann zu finden. Trotzdem hofft sie insgeheim auf ihren Traumprinzen. Und tatsächlich trifft sie auf ihrem ersten Londoner Ball einen attraktiven Fremden: Vom ersten Moment an fühlt sie sich unbeschreiblich zu ihm hingezogen. Dann erfährt sie, wer der Unbekannte ist – der russische Prinz Kazanov! Samantha glaubt sich am Ziel ihrer Träume, als er ihre tiefen Gefühle erwidert. Doch der Prinz hat mächtige Feinde, die ihr gemeinsames Glück bedrohen …

»Ein bezaubernder Prinz in einem märchenhaften Liebesroman … einfach ein Lesevergnügen!« Romantic Times

Über die Autorin:

Als Schülerin las Patricia Grasso »Vom Winde verweht« – und war enttäuscht von dem unglücklichen Ende. Schließlich glaubt sie an die große Liebe und das Happy End! Deswegen schreibt sie nun selbst Liebesromane mit glücklichem Ausgang. Zunächst war das Schreiben für sie nur ein Ausgleich zum alltäglichen Arbeitsstress, inzwischen ist sie eine erfolgreiche Bestsellerautorin: Ihre Romane sind preisgekrönt, wurden in fünfzehn Sprachen übersetzt und in zwanzig Ländern veröffentlicht. Patricia Grasso lebt in der Nähe von Boston, Massachusetts.

Eine Übersicht über weitere Romane von Patricia Grasso bei dotbooks finden Sie am Ende dieses eBooks.

Die Autorin im Internet: www.patriciagrasso.com

***

eBook-Neuausgabe Juni 2016

Dieses Buch erschien bereits 2004 unter dem Titel »Das Venus-Amulett« bei Heyne.

Copyright © der Originalausgabe 2003 Patricia Grasso

Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel »To Charm a Prince« by Zebra.

Copyright © der deutschsprachigen Erstausgabe 2004 Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch Interpill Media GmbH, Hamburg. By arrangement with Books Crossing Borders, Inc. / Lachesis Publishing, Inc.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildabbildung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/manasestivan und NAS CRETIVES

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-654-6

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

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***

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Patricia Grasso

Das Herz des Prinzen

Roman

Aus dem Amerikanischen von Eva Stadler

dotbooks.

Erstes Kapitel

London, Juli 1812

Dieses vermaledeite Humpeln ruiniert mein gesamtes Auftreten.

Kritisch betrachtete sich die achtzehnjährige Samantha Douglas im Spiegel, während sie durch das Schlafzimmer ging, wobei sie ein Bein leicht nachzog. Ihr Seidenkleid hatte kurze spanische Ärmel, einen rechteckigen Ausschnitt und war so strahlend blau wie ihre Augen. Die Zofe ihrer Tante hatte ihr die ebenholzschwarzen Locken kunstvoll hochgesteckt und mit diamantenen Blüten geschmückt, die wie Sterne am Nachthimmel glitzerten.

Samantha blickte gebannt in den Spiegel und kam zu dem Schluss, dass sie noch nie so hübsch ausgesehen hatte. Niemand, der sie so sah, würde auf den Gedanken verfallen, dass sie bisher nicht das verzärtelte, sorgenfreie Leben einer Aristokratin geführt hatte. Sie fühlte sich wie eine Prinzessin … bis sie anfing zu gehen.

Weshalb wurde ich von der Kutsche überrollt?, fragte Samantha sich. Warum nicht…?

Nein, sie wollte nicht so grausam sein. Sie wünschte niemandem, was ihr zugestoßen war.

Um auf andere Gedanken zu kommen, wandte Samantha sich um und ließ ihren Blick über das Schlafzimmer gleiten. Das Himmelbett war riesengroß und schien mehr Platz zu bieten als die gesamte Schlafkammer, die sie sich in ihrem Elternhaus mit ihren beiden Schwestern hatte teilen müssen. Alles in ihrem jetzigen Schlafgemach – die Stoffe, der Teppich und die Wandbehänge – war in Rosé-, Gold- und Cremetönen gehalten.

Das Zimmer einer Lady, dachte Samantha. Sie wohnte erst seit zwei Wochen im Haus des Herzogs von Inverary und hatte sich noch nicht an die Fülle und den Reichtum gewöhnt. Dass ihre Tante und ihre Eltern beinahe ihr ganzes Leben lang von derartigem Luxus umgeben gewesen waren, konnte sie sich kaum vorstellen.

»Bist du bereit für deinen Eintritt in die Gesellschaft?«

Samantha drehte sich zu ihrer jüngeren Schwester um. »Ich werde nicht auf den Ball gehen«, verkündete sie.

»Ist dir unwohl?«, fragte Victoria und eilte durch das Zimmer.

»Es ist mein Humpeln. Ich kann einfach nicht graziös gehen, geschweige denn tanzen.«

Humpelstilzchen … Humpelstilzchen … Humpelstilzchen.

In Samanthas Gedächtnis hallten die grausamen Worte nach, die man ihr seit dem Unfall nachgerufen hatte. Immer war sie Außenseiterin gewesen, das kleine humpelnde Mädchen war bei den Kinderspielen regelmäßig als Letzte gewählt worden. Es gab keinen Grund anzunehmen, dass es bei der jungen hinkenden Frau anders sein würde; und sie hatte keine Lust, auf dem heutigen Ball das Mauerblümchen abzugeben.

»Kein Gentleman wird einen erbärmlichen Krüppel zum Tanzen auffordern«, meinte Samantha mit zitternder Stimme.

»Ein leichtes Hinken macht dich doch nicht zum Krüppel«, schalt Victoria. »Außerdem haben wir heute Abend ganz andere Sorgen als dein Humpeln. Wenn irgendjemand herausfindet, dass wir Hochstapler sind, finden wir nie einen Ehemann.«

»Wir sind keine Hochstapler!«, rief Angelica, die älteste der Douglas Schwestern, die in diesem Augenblick das Schlafzimmer betrat. »Vater war der Graf von Melrose, und seit seinem Tod bin ich die Gräfin von Melrose.«

»Vater hat das Familienvermögen verloren«, wandte Victoria ein.

»Er hat es nicht verloren«, verbesserte Angelica sie. »Charles Emerson hat ihn darum betrogen.«

»Abgesehen von unserem Charme und der Großzügigkeit des Herzogs von Inverary haben wir nichts vorzuweisen«, sagte Samantha. »Wir tun nur so, als wären wir wohlhabend.«

»Und wenn schon? Jeder tut so, als sei er reicher, als er in Wirklichkeit ist.« Angelica machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Tante Roxie hat gesagt, du würdest den Marquis heiraten und Herzogin werden, sobald der Herzog stirbt«, erklärte Victoria seufzend. »Ich frage mich, wen Samantha und ich wohl heiraten werden.«

Angelica wechselte das Thema. »Sind wir auch alle bereit, dem Londoner Adel heute Abend die Stirn zu bieten?«

»Ich komme nicht mit«, murmelte Samantha.

»Geh und hol Tante Roxie«, befahl Angelica ihrer jüngsten Schwester. Dann wandte sie sich Samantha zu: »Weshalb möchtest du nicht mitkommen? Du siehst wunderschön aus. Denk doch nur, wie viel Spaß wir auf unserem ersten Ball haben werden!«

Samantha schenkte ihrer Schwester einen skeptischen Blick. »Mein ganzes Leben lang musste ich mir anhören, wie die anderen Kinder mich Humpelstilzchen riefen«, erwiderte sie, wobei es ihr nicht gelang, den Schmerz in ihrer Stimme völlig zu unterdrücken. »Ich würde es nicht ertragen, wenn die Londoner Gesellschaft hinter vorgehaltener Hand über mich tuschelte. Welcher Gentleman wird schon einen Krüppel zum Tanzen auffordern?«

»Schwesterherz, lass dir nicht von solch einer Kleinigkeit dein ganzes Leben ruinieren«, meinte Angelica.

»Du hast leicht reden«, antwortete Samantha. »Nie hast du auch nur ein grausames Wort gesagt bekommen. Du bist schön, talentiert und intelligent. Der Marquis von Argyll verehrt dich.«

»Auch du hast wunderbare Gaben.« Angelica berührte ihre Schwester sanft an der Schulter. »Mal ganz abgesehen von deinem Liebreiz bist du die gütigste und selbstloseste Frau, die ich kenne.«

»Gentlemen schätzen Güte und Selbstlosigkeit nicht«, erklärte Samantha. »Sie ziehen Schönheit, Talent und Intelligenz vor.« Als ihre Schwester amüsiert eine Augenbraue hob, verbesserte Samantha sich mit einem schiefen Lächeln: »Na gut, Intelligenz schätzen Gentlemen wahrscheinlich nicht bei einer Frau.«

In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen, und die füllige Gestalt ihrer Tante marschierte ins Zimmer. Sie schüttelte das Haupt mit dem vollen, kastanienbraunen Haar. »Was ist los?«

»Ich sagte es dir doch schon«, platzte Victoria heraus. »Samantha will nicht auf den Ball gehen. Sie …«

Tante Roxie warf ihrer jüngsten Nichte einen strengen Blick zu, der das Mädchen auf der Stelle verstummen ließ. »Nicht hinsetzen!«, fuhr sie im nächsten Moment Samantha an.

Samantha stand sofort kerzengerade. »Weshalb soll ich mich nicht hinsetzen?«

»Du wirst noch dein schönes Kleid zerknittern.«

»Ich werde nicht auf den Ball gehen«, erwiderte Samantha trotzig.

»Wieso hast du es dir auf einmal anders überlegt?«, fragte Tante Roxie in sanftem Tonfall.

»Charles Emerson hat mich mit seiner Kutsche überfahren«, entgegnete Samantha. »Sollen ich und mein entstelltes Bein nun auf einen Ball in seinem Haus gehen?«

»Erstens ist dein Bein keineswegs entstellt, sondern lediglich ein wenig kürzer als das andere. Zweitens liegt dieser unglückselige Unfall viele Jahre zurück«, meinte Tante Roxie. »Und drittens lag es nicht in seiner Absicht, dich zu verletzen.«

»Unfall oder nicht, Emerson wird für das bezahlen, was er der Familie Douglas angetan hat«, sagte Angelica.

»Darling, du musst endlich aufhören, dich minderwertig zu fühlen«, sagte Tante Roxie, indem sie den Einwurf ihrer ältesten Nichte geflissentlich überging. »Du hast ganz reizende Beine, meine Liebe, auch wenn du vielleicht ein wenig hinkst. Aber glaube mir, die anderen werden dich akzeptieren, sobald du selbst es tust. Möchtest du denn keinen geeigneten Gentleman kennen lernen, der dich heiraten wird?«

»Finde mir einen Mann, dem es nichts ausmacht, eine missgestaltete Braut zu haben«, verkündete Samantha, »und ich heirate ihn auf der Stelle.«

»Du bist nicht missgestaltet«, beharrte Tante Roxie beinahe wütend. »Ich habe das Erbe meiner verstorbenen drei Gatten darauf verwendet, euch Mädchen am Leben zu erhalten, und nun hat uns der Herzog von Inverary in seinem Haus aufgenommen. Seine Gnaden und ich haben vor, euch allen vorteilhafte Partien zu verschaffen. Musst du mich auf meine alten Tage derart mit deiner sturen Haltung quälen?«

»Du bist nicht alt, und ich schätze deine Opferbereitschaft und die Großzügigkeit Seiner Gnaden«, erklärte Samantha ihrer Tante. »Doch niemand von euch versteht, wie Furcht einflößend dieser Schritt in die Gesellschaft für mich ist. Ich habe weder Angelicas blonde Schönheit noch Victorias feuriges Temperament.«

»Du besitzt dafür andere Eigenschaften wie ein großes Herz und ein selbstloses Wesen.«

»Solche Dinge sind Männern nicht wichtig«, behauptete Samantha, die immer mehr von dem Gefühl beschlichen wurde, dass es ihr nicht gelingen würde, zu Hause zu bleiben. Sie hätte vorgeben sollen, krank zu sein.

»Darling, ich weiß mehr über Männer als ihr drei zusammen. Vertraue mir, Männer liebäugeln eine Weile mit schönen und temperamentvollen Frauen, aber am Ende heiraten sie doch die selbstlosen.«

»Danke schön, Tante Roxie«, sagte Victoria.

»Jetzt fühlen wir uns wirklich viel besser, was unseren Eintritt in die Gesellschaft betrifft«, fügte Angelica hinzu.

Tante Roxie ignorierte beide. »Erwähnte ich schon, dass dein zukünftiger Ehemann heute auf dem Ball sein wird?«

»Wovon sprichst du?«

»Ich hatte eine meiner Visionen«, erklärte Tante Roxie. »Du wirst einen Mann heiraten, der nicht ganz das ist, was er zu sein scheint, aber dennoch eine herausragende Erscheinung.«

Konnte es sein, dass Tante Roxie die Wahrheit sprach? Samantha wusste, dass ihre Tante übernatürliche Fähigkeiten besaß und Dinge oft ahnte, bevor sie geschahen. Gab es in London tatsächlich einen Gentleman, dem ihr Hinken nichts ausmachen würde?

»Wenn Angelica den Marquis heiratet und Samantha diese herausragende Erscheinung«, sagte Victoria, »wen hast du dann für mich gesehen?«

»Niemanden«, meinte ihre Tante schnippisch. »Du wirst als Ladenhüter im Regal liegen bleiben und als alte Jungfer sterben.«

Samantha musste über den entsetzten Gesichtsausdruck ihrer Schwester lachen, und Angelica fiel in ihre Heiterkeit ein.

Doch Tante Roxie zeigte Mitleid mit ihrer jüngsten Nichte und sagte: »Ich sah einen Grafen und einen Prinzen.«

»Ich werde zweimal heiraten?«

»Das habe ich nicht gesagt.«

»Du sprichst in Rätseln«, klagte Victoria vorwurfsvoll.

Tante Roxie schenkte ihr ein geheimnisvolles Lächeln und wandte sich dann wieder Samantha zu. Indem sie ihrer Nichte die Hand entgegenstreckte, meinte sie: »Wirst du mir in dieser Angelegenheit vertrauen?«

Einen Augenblick zögerte Samantha, bevor sie ihre Hand in die ihrer Tante legte. »Also schön, aber ich kann nicht versprechen, dass ich mich amüsieren werde.«

»Darling, dies wird der wunderbarste Abend deines ganzen jungen Lebens werden«, versicherte Tante Roxie ihr.

Kurze Zeit später saß Samantha neben Victoria in der herzoglichen Kutsche. Magnus Campbell, der Herzog von Inverary, und Tante Roxie saßen ihnen gegenüber. Der Marquis hatte Angelica überredet, in seiner Kutsche zu fahren.

»Und vergesst nicht, meine Lieben, dass ihr mit keinem Gentleman mehr als zweimal tanzen dürft«, ermahnte Tante Roxie ihre beiden Nichten, als die Kutsche vor Charles Emersons Villa am Grosvenor Square hielt.

»So strikt müssen wir uns an diese alte Regel nicht halten«, meinte der Herzog.

»Was die Zukunft meiner Nichten angeht, gehe ich kein Risiko ein«, erwiderte Tante Roxie.

Welche Zukunft?, dachte Samantha, deren Mut beim Anblick der vielen graziösen, modisch gekleideten Damen, die Emersons Villa betraten, gesunken war. Nicht eine von ihnen hinkte. Kein Gentleman wird mich zum Tanz auffordern, und sobald ich einmal als Mauerblümchen abgestempelt bin, wird niemand mehr in meine Richtung sehen.

Der Herzog von Inverary stieg als Erster aus der Kutsche und half dann nacheinander Tante Roxie, Victoria und Samantha. Angelica und der Marquis warteten an der Treppe, die zum Haupteingang führte.

»Schwestern, seht euch dieses Haus gut an«, meinte Angelica eindringlich. »Bis vor zehn Jahren haben wir hier gelebt.«

»Daran kann ich mich überhaupt nicht erinnern«, entgegnete Victoria.

Anstatt das herrschaftliche Haus anzusehen, wandte Samantha sich um und starrte auf die Straße. »Hat die Kutsche mich hier überfahren?«, fragte sie.

»Heute Abend wird nicht über die Vergangenheit gegrübelt«, sagte ihre Tante energisch. »Lasst uns hineingehen.«

Samantha spürte Angelicas Hand auf ihrer Schulter. »Ja, hier ist es passiert«, flüsterte ihre Schwester.

»Jener Tag ist völlig aus meinem Gedächtnis verschwunden«, meinte Samantha.

»Emerson wird für seine Verbrechen dir und Vater gegenüber bezahlen«, versprach Angelica.

»Ich hasse das gemeine Wiesel!«, rief Victoria.

»Ich auch«, sagte Angelica.

»Niemand hasst ihn mehr als ich«, fügte Samantha hinzu.

»Ich bin so froh, dass wir das endlich einmal geklärt haben«, flötete Tante Roxie. »Können wir nun hineingehen?«

»Möchtet Ihr lieber wieder nach Hause fahren?«, erkundigte sich Robert Campbell, der Marquis von Argyll. »Mein Kutscher kann Euch zurückfahren, wenn Ihr wollt.«

»Für Samantha ist es zwingend erforderlich, dass sie den heutigen Ball besucht«, beharrte Tante Roxie.

»Es wird schon gehen, Mylord«, sagte Samantha und lächelte den Marquis tapfer an.

Als Samantha die Eingangshalle betrat, stiegen längst vergessene Erinnerungen in ihr hoch. Sie sah ihre Eltern in Abendgarderobe vor sich, wie sie ihr einen Gutenachtkuss gaben, bevor sie ausgingen. Der beruhigende Fliederduft ihrer Mutter schien förmlich in der Luft zu hängen.

»Kannst du dich an irgendetwas hier erinnern?«, wollte Victoria wissen.

»Nur ganz vage. Angelica erinnert sich natürlich am besten an alles«, erwiderte Samantha.

Die Gruppe erklomm die Treppenstufen zum Ballsaal im zweiten Stock. Am Eingang des Saals standen Charles Emerson, sein Sohn Alexander und seine Tochter, Venetia Emerson Campbell, und unterhielten sich mit Gästen. Am anderen Ende des Raums spielte ein Orchester, das aus einem Kornett, einem Klavier, einem Cello und zwei Geigen bestand.

Samantha beobachtete, wie Angelica und Robert die Tanzfläche betraten. Der Marquis und ihre Schwester schienen wie füreinander geschaffen zu sein. Vielleicht hatte Tante Roxie Recht, und Angelica würde Robert Campbell heiraten und eines Tages die Herzogin von Inverary werden.

Als Samantha sich zu ihrer Tante umdrehen wollte, befiel sie das unheimliche Gefühl, beobachtet zu werden. Sie ließ ihren Blick über die Anwesenden schweifen, konnte jedoch niemanden entdecken, der ihr besonders viel Aufmerksamkeit schenkte. Trotzdem ließ sie die unangenehme Empfindung nicht los, dass fremde Augen auf ihr ruhten.

Da kam Robert Campbell auf sie zu. »Darf ich um diesen Tanz bitten?«, fragte er.

Das hatte sie mit Sicherheit ihrer verflixten Schwester zu verdanken! Samantha errötete heftig, während in ihrer Brust Verlegenheit und Panik aufstiegen.

»Ich … ich …«, stammelte Samantha. »Darf ich Euch bitten, unseren Tanz auf später zu verschieben? Ich fühle mich ein wenig überwältigt von den ganzen Leuten hier.«

Der Marquis nickte verständnisvoll. »Wann immer Ihr möchtet …«

»Ich tanze gerne mit Euch«, ließ Victoria sich vernehmen.

»Tori, es ist nicht üblich, dass die Dame den Herren zum Tanz auffordert«, schalt Tante Roxie ihre Nichte pikiert.

»Ihr seid mir lediglich zuvorgekommen«, meinte Robert und hielt Victoria seine Hand entgegen.

Angelica trat neben Samantha und flüsterte: »Weshalb tanzt du nicht?«

»Ich hege nicht die Absicht, mich zum Gespött der Leute zu machen.«

»Ich versichere dir, du wirst dich nicht …«

Wieder war Samantha mulmig zumute und sie hatte das sichere Gefühl, beobachtet zu werden. Und dann sah sie ihn.

Der betreffende Gentleman lehnte mit vor der Brust verschränkten Armen an der Wand und ignorierte die Schar seiner weiblichen Bewunderer, die einen Halbkreis um ihn gebildet hatten. Ganz ohne Zweifel war er der bestaussehende Mann, den Samantha jemals in ihrem Leben gesehen hatte. Der Gentleman trug einen eleganten schwarzen Anzug und starrte mit einer schwelenden Intensität zu ihr herüber, die ihr die Knie weich werden ließ. Nachdem er ihr auf diese Weise lange in die Augen gesehen hatte, senkte er seinen Blick und ließ ihn langsam über ihren Körper gleiten, als wolle er jede einzelne Kurve auskosten. Schließlich fand sein Blick wieder den ihren, und der Fremde grüßte sie mit einem leichten Kopfnicken.

Unverschämter Kerl, dachte Samantha empört, während ihr Gesicht vor Verlegenheit und Zorn glühte. Sie blickte ihn kühl an und wandte sich dann ab. Kurz darauf konnte sie jedoch nicht den Impuls unterdrücken, erneut in seine Richtung zu spähen.

Er beobachtete sie noch immer, wieder suchte er ihren Blick, und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. Als er ihr erneut zunickte, neigte Samantha kurz den Kopf in seine Richtung. Beinahe gegen ihren Willen erwiderte sie sein Lächeln.

»Hast du mir überhaupt zugehört?«, wollte Angelica wissen.

»Wie bitte?«, fragte Samantha, indem sie ihre Schwester verwirrt anblickte.

»Nicht so wichtig.«

Der Tanz war zu Ende, und Robert und Victoria stießen wieder zu ihnen.

»Gleich gibt es Ärger«, wisperte Robert mit einem schelmischen Lächeln.

Samantha folgte seinem Blick und sah Venetia, die verwitwete Schwägerin des Marquis, auf sie zukommen. In ihrer Begleitung befand sich der Gentleman, der Samantha eben noch so unverschämt beobachtet hatte. Sie wandte ihren Blick von dem Fremden und betete darum, dass er sie nicht zum Tanz auffordern würde.

»Lady Angelica, hier ist Prinz Rudolf, der seine Bekanntschaft mit Euch auffrischen möchte«, sagte Venetia.

Samantha musste ein Lachen unterdrücken. Ihre Schwester hatte kürzlich furchtbar geflunkert und Venetia gegenüber damit geprahlt, der russische Prinz hätte einst um ihre Hand angehalten.

»Eure Hoheit, es ist ein außerordentliches Vergnügen, Euch wiederzusehen«, meinte Angelica, die fest entschlossen schien, sich aus der prekären Situation herauszumogeln. »Ihr erinnert Euch sicherlich an meine Schwestern, Samantha und Victoria.«

Samantha war einer Ohnmacht nahe, als der Prinz den Blick über sie schweifen ließ und erklärte: »Wie könnte ich solche Schönheit vergessen?«

»Du hast noch gar nicht mit mir getanzt, Robert«, beklagte Venetia sich schmollend.

»Ich habe mich die ganze Zeit über auf unseren Tanz gefreut«, erwiderte der Marquis und hielt ihr seine Hand entgegen. »Sollen wir?«

Nachdem die beiden gegangen waren, schenkte Angelica, der die Röte ins Gesicht gestiegen war, dem Prinzen ein Lächeln. »Ich bin Eurer Hoheit sehr dankbar, dass Ihr meinen Schwindel nicht habt auffliegen lassen.«

»Gehe ich recht in der Annahme, dass wir uns sehr nahe standen?«, fragte Prinz Rudolf.

»Sozusagen«, entgegnete Angelica unsicher.

Der Prinz lächelte. »Habt Ihr mich mit einem gebrochenen Herzen zurückgelassen?«

»Ihr wart am Boden zerstört.« Angelica lächelte verschmitzt.

Während ihre Schwester sich mit dem Prinzen unterhielt, musterte Samantha ihn genauer. Prinz Rudolf war genauso groß wie der Marquis, über ein Meter achtzig. Wie der Marquis hatte der Russe breite Schultern, schmale Hüften und machte in der formellen Abendkleidung eine glänzende Figur. In seinem schönen, ebenmäßigen Gesicht, das von vollem schwarzem Haar umrahmt wurde, leuchteten unergründliche, ebenfalls tiefschwarze Augen.

Auf einmal wandte Prinz Rudolf sich Samantha zu und fragte: »Möchtet Ihr tanzen?«

Seine Einladung überraschte sie. Wie um Himmels willen sollte sie einen Prinzen abweisen?

»Eure Hoheit, ich … ich leide an einer alten Verletzung«, erklärte Samantha, der das Blut in die Wangen gestiegen war.

Er sah sie besorgt an. »Habt Ihr Schmerzen?«

»Nein, aber ich … ich hinke, wenn ich gehe.«

Prinz Rudolf sah sie mit seinen dunklen Augen an. Samanthas Knie fingen augenblicklich an zu zittern, und sie wusste, weshalb er von so vielen Frauen umringt gewesen war.

»Dann werdet Ihr mit mir tanzen«, befahl er und streckte die Hand aus.

Samantha ließ unentschlossen ihren Blick auf seine Hand sinken. Trotz ihrer Ängste wollte sie nichts lieber, als mit dem fremden Prinzen zu tanzen, und aus einem Impuls heraus legte sie ihre Hand in die seine. Er drückte sie aufmunternd, als wüsste er um ihre Furcht, und geleitete Samantha auf die Tanzfläche.

Sobald Prinz Rudolf Samantha in seinen Armen hielt, fiel jegliche Anspannung von ihr ab. Er bewegte sich mit der geübten Leichtigkeit eines Mannes, der schon unzählige Walzer getanzt hatte. Während Samantha in seinen Armen durch den kerzenbeleuchteten Ballsaal wirbelte, hatte sie das Gefühl zu schweben, und wurde trunken von der Musik und dem schönen Prinzen. In diesem Augenblick kam ihr, dass die Behauptung ihrer Tante, dies würde ein wunderbarer Abend werden, richtig gewesen war.

»Ich habe das Gefühl, dass alle mich anstarren«, sagte Samantha.

»Sie starren mich an, nicht Euch«, entgegnete Prinz Rudolf. »Die Leute sind immer neugierig, wenn es um königliche Hoheiten geht. Übrigens tanzt ihr himmlisch.«

»Ihr meint himmlisch für eine Frau, die hinkt«, verbesserte Samantha ihn und senkte ihren Blick auf seine Brust.

»Sprecht mit mir und nicht mit meinem Brustkorb«, forderte er. Als sie aufblickte, sagte er bestimmt, »Ich meinte, Ihr tanzt himmlisch.«

Samantha konnte fühlen, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. »Ihr tanzt auch himmlisch.«

Ihre Bemerkung entlockte ihm ein Lächeln. »Ich danke Euch im Namen der unzähligen Tanzlehrer, die mich unterrichteten«, erwiderte er trocken.

Samantha lächelte.

»Ihr besitzt ein wunderschönes Lächeln, von dem Ihr ruhig öfter Gebrauch machen könntet«, erklärte der Prinz.

»Leute, die grundlos lächeln, gelten als unausgeglichen, Eure Hoheit.«

»Leider ist das wahr«, stimmte Prinz Rudolf ihr zu. »Aber bitte nennt mich Rudolf.«

»Das kann ich nicht tun, Eure Hoheit. Es ziemt sich nicht, dass ich jemanden Eures Ranges derart vertraut anspreche.«

»Ich bin nicht nur ein Prinz, sondern auch ein Mann«, entgegnete er. »Außerdem möchte ich Euch Samantha nennen, was ich aber nur tun kann, wenn Ihr mich im Gegenzug Rudolf nennt.«

»Also gut, Rudolf, aber nur, solange uns niemand zuhört«, willigte Samantha ein.

»Ich mag es, meinen Namen von Euren Lippen zu hören«, sagte der Prinz und brachte sie erneut zum Erröten.

Die Musik hörte auf und Samantha wollte die Tanzfläche mit dem Prinzen verlassen, doch er hielt ihren Arm sanft, aber eisern fest und rührte sich nicht von der Stelle.

»Ihr werdet noch einmal mit mir tanzen.« Sein Ton duldete keine Widerrede.

Ihre Tante hatte zwar gesagt, dass sie nicht mehr als zweimal mit einem Gentleman tanzen dürfte, ohne jedoch zu erwähnen, ob die beiden Tänze gleich im Anschluss erfolgen durften. »Schickt sich das?«, fragte Samantha unsicher.

»Königlichen Hoheiten muss man ihren Willen lassen.«

Samantha neigte den Kopf und trat für den nächsten Walzer in seine Arme. Als sie in Richtung ihrer Tante blickte, sah sie, dass die ältere Frau ihr lächelnd zunickte.

Den Ballsaal in den Armen des Prinzen zu umkreisen fühlte sich wie ein Traum an. Mittlerweile kam Samantha sich dumm vor, derart große Angst vor dem Tanzen gehegt zu haben.

Der Prinz und die Taschendiebin, dachte sie. Vielleicht würde Jane Austen einmal eine Geschichte über sie schreiben.

»Es ist üblich, während des Tanzens Konversation zu betreiben, Samantha«, schalt der Prinz.

»Verzeihung, Rudolf.«

»Woran dachtet Ihr?«

»Ich dachte gerade, wie perfekt Euer Englisch ist«, log sie.

»Eure Gedanken galten nicht meiner akzentfreien Aussprache«, antwortete Prinz Rudolf. »Dennoch teile ich Euch gerne mit, dass meine Mutter Engländerin ist und mir die Sprache selbst beibrachte.«

Bevor Samantha etwas erwidern konnte, hörte das Orchester auf zu spielen, doch erneut weigerte der Prinz sich, sie gehen zu lassen. »Es tut mir Leid, Eure … Rudolf«, meinte Samantha. »Meine Tante hat darauf bestanden, dass ich auf keinen Fall öfter als zweimal mit demselben Gentleman tanze.«

»Eure Tante wollte sicher nicht, dass Ihr einen Prinzen beleidigt, indem Ihr Euch weigert, seine Tanzpartnerin zu sein«, entgegnete Rudolf. »Höchstens zweimal mit demselben Mann zu tanzen gilt nur für das gemeine Volk.«

»Ich bin lediglich die zweite Tochter eines Grafen«, erwiderte Samantha. »Also gehöre ich dem gemeinen Volk an.«

»Dann lasse ich mich auf einen Kompromiss ein.« Rudolf legte ihr eine Hand auf den Rücken und führte sie von der Tanzfläche. »Ihr werdet mich zum Büfett nebenan begleiten und ein Glas Champagner mit mir trinken.«

Samantha wusste nicht, was sie tun sollte. Schließlich hatte ihre Tante ihr keinerlei Anweisungen gegeben, was das Champagnertrinken mit einem Prinzen betraf. Ließ ihr das nicht im Grunde einen gewissen Entscheidungsspielraum?

»Gerne.« In Wirklichkeit konnte sie den Gedanken einfach nicht ertragen, den Prinz mit einer anderen tanzen zu sehen.

Gemeinsam verließen sie den Ballsaal, wobei Samantha es geflissentlich unterließ, sich nach ihrer Tante umzudrehen. Zu sehr fürchtete sie ein missbilligendes Stirnrunzeln der Verwandten.

»Seltsam, an den Ballsaal erinnere ich mich gar nicht, nur an die Eingangshalle«, murmelte Samantha vor sich hin.

Der Prinz warf ihr einen neugierigen Blick zu. »Was meint Ihr?«

»Ich lebte bis zu meinem siebten Lebensjahr in diesem Haus«, erklärte sie ihm.

»Eure Eltern haben die Villa an Emerson verkauft?«, erkundigte sich Rudolf.

»Der Schurke hat sie meinem Vater gestohlen«, erwiderte Samantha mit einem bitteren Unterton in der Stimme. Ich rede zu viel, ermahnte sie sich im nächsten Augenblick selbst.

Der Prinz war stehen geblieben und sah sie überrascht an.

»Ich hätte das nicht sagen sollen«, lenkte Samantha ein, wobei sie leicht seinen Arm berührte. »Bitte erwähnt es niemandem gegenüber.«

»Ich würde niemals das Vertrauen brechen, das man in mich setzt«, versicherte ihr der Prinz. »Unter diesen Umständen verstehe ich jedoch nicht, wie Eure Eltern Emersons Einladung annehmen konnten.«

»Meine Eltern sind verstorben«, entgegnete Samantha. »Der Gentleman, den Ihr vorhin bei mir saht, ist der Herzog von Inverary. Bei der Dame handelt es sich um meine Tante Roxie.«

»Der Herzog von Inverary?«, wiederholte der Prinz, dessen dunkle Augen interessiert aufleuchteten. »Das müsst Ihr mir genauer erklären.«

»Vielleicht ein anderes Mal«, sagte sie, indem sie sich umblickte. »Diese Geschichte ist nicht für jedermanns Ohren bestimmt.«

Anstatt zum Erfrischungszimmer mit dem Büfett führte Prinz Rudolf sie zur Treppe. »Wir verschieben unseren Champagner und gehen im Garten spazieren, wo Ihr mir Eure Geschichte ungestört erzählen könnt.«

Samantha hielt am Treppengeländer inne. »Gehört sich das auch?«

»Von mir habt Ihr nichts zu befürchten«, versicherte der Prinz. »Ich würde niemals Euren guten Ruf aufs Spiel setzen.«

Erleichtert schloss Samantha sich dem Prinzen an, hatte jedoch weiterhin mit Zweifeln zu kämpfen, als sie etlichen anderen Paaren nach unten folgten und auf den Garten zusteuerten. Sie war sich sicher, dass Tante Roxie ihr Verhalten nicht gutheißen würde, aber sobald sie den Prinzen ansah, war es ihr unmöglich, sich umzudrehen und ihn stehen zu lassen. Wenn sich schon ein einsames, klägliches Leben vor ihr erstreckte, sollte sie wenigstens einen glücklichen Abend haben, an den sie sich zurückerinnern konnte.

Wenige Minuten später traten sie in die romantische Sommernacht. Nebel lag auf der Erde wie ein Liebhaber, der sich nicht von seiner Liebsten trennen wollte, doch der Himmel war klar, und über ihnen schien der Vollmond. Man hatte Fackeln angezündet, die den Weg für die lustwandelnden Paare erleuchteten. Die Luft war schwanger vom Duft unzähliger Blumen.

Rudolf ergriff ihre Hand und führte Samantha durch den Garten zu einer silbernen Birke. »Könnt Ihr Euch an den Garten erinnern?«, wollte er wissen.

»Nein, vielleicht bei Tageslicht …«

»Erzählt mir vom Herzog von Inverary«, sagte der Prinz.

Ohne auf ihr Kleid zu achten, lehnte Samantha sich Schutz suchend an den Birkenstamm. »Der Herzog war ein alter Freund meines Vaters. Er lud uns in sein Haus ein und bestand darauf, für meine Schwestern und mich zu sorgen.«

»Wie großzügig von ihm.«

»Eure Hoheit haben mit einer Bettlerin getanzt«, flüsterte Samantha. Sie sah den Prinzen schalkhaft aus ihren strahlend blauen Augen an, während ein feines Lächeln ihre Lippen umspielte. »Ich habe nicht das Geringste vorzuweisen.«

Der Prinz trat einen Schritt auf sie zu und hob ihr Kinn mit einem Finger an. »Ganz im Gegenteil, Ihr habt sehr viel vorzuweisen«, erwiderte er mit seiner verführerisch tiefen Stimme.

Gebannt blickte Samantha in seine geheimnisvollen dunklen Augen. Sein schönes Gesicht näherte sich dem ihren.

Du meine Güte, er wird mich küssen! Im nächsten Moment nahm sein exquisiter, aufregend maskuliner Sandelholzgeruch sie gefangen und machte jeden weiteren klaren Gedanken unmöglich.

Sein Gesicht verharrte für einen kurzen, peinigenden Augenblick über dem ihren, dann berührten sich ihre Lippen.

Seine Lippen sind warm, durchzuckte es sie, bevor sie sich der neuen Erfahrung hingab. Es fühlte sich ganz natürlich an, in seinen Armen gehalten zu werden und seine Lippen auf den ihren zu spüren. Dann war es vorbei.

»Ihr seid so zart wie eine bulgarische Rose und geheimnisvoller als asiatischer Jasmin«, flüsterte Rudolf, dessen Lippen nur wenige Millimeter von ihrem Mund entfernt waren. »Ihr berauscht meine Sinne.«

Noch ganz benommen von dem Kuss starrte Samantha ihn aus ihren großen blauen Augen an, ohne etwas zu sagen. Rudolf strich ihr mit einem Finger über die Wange. »Danke, dass Ihr mir Euren ersten Kuss geschenkt habt«, sagte er.

Erschrocken fuhr sie zusammen. Woher wusste er, dass sie noch nie zuvor einen Mann geküsst hatte? War ihre Unerfahrenheit so offensichtlich?

»Woher … woher wisst Ihr das?«, hauchte sie.

Prinz Rudolf legte seine Hand an ihre Wange. »Euer Gesicht glüht schier vor Verlegenheit – das sicherste Zeichen eines ersten Kusses.«

Erleichtert lächelte Samantha. Anscheinend hatte sie nichts falsch gemacht. »Erzählt mir etwas von Euch«, bat sie und warf ihm einen Blick aus ihren strahlenden Augen zu.

»Was möchtet Ihr wissen?«

»Erzählt mir von Russland.«

»Meine Heimat ist kalt.«

»Ihr sagtet, Eure Mutter sei Engländerin. Was ist mit den anderen Mitgliedern Eurer Familie?«

»Es sind Russen.«

Als sie merkte, dass er sie neckte, schenkte sie ihm, ohne es selbst zu wissen, ein kokettes Lächeln. »Wie verbringen Prinzen ihre Tage?«

»Wir erteilen unseren Untergebenen Befehle«, erklärte Rudolf lächelnd, »während wir unsere Krone auf dem Haupt tragen.«

»Ist es unabdinglich, eine Krone zu tragen, um Befehle zu erteilen?«, erkundigte sich Samantha, wobei sie ihren Kopf in den Nacken warf, um in seine dunklen Augen blicken zu können.

»Ein Prinz sollte nie allzu weit von seiner Krone entfernt sein«, bestätigte er, wobei der Anflug eines Lächelns seine sinnlich geschwungenen Lippen umspielte. »Manchmal retten wir Prinzen auch Jungfrauen wie Euch vor Drachen.«

»Macht Ihr das heute Abend?«, wollte Samantha nachdenklich wissen. »Ich meine, rettet Ihr mich vor den Drachen der Gesellschaft?«

»Müsst Ihr gerettet werden, Mylady?«, fragte Rudolf und sah ihr unverwandt in die Augen.

Samantha löste ihren Blick von seinem, als sie das erschreckende Gefühl beschlich, dass er in ihre Seele sehen und dort ihre tiefsten Geheimnisse, Ängste und Unsicherheiten entdecken konnte. Nur ihre Familie wusste von ihrem Schmerz. Sie hatte zu viel Douglas-Stolz in sich, um ihre Qualen vor aller Welt, ganz besonders vor diesem Mann, auszubreiten.

Der Prinz wechselte das Thema, als sie nichts mehr sagte. »Wie verbringen englische Damen ihre Tage?«

Bis vor zwei Wochen war ich eine Taschendiebin, schoss es Samantha durch den Kopf. Sie sah den Prinzen an und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich spiele Geige.«

»Würdet Ihr einmal für mich spielen?«, fragte er.

»Es wäre mir eine Ehre.«

»Und wie steht es nun mit dem Glas Champagner, meine bulgarische Rose?«, schlug Rudolf vor.

»Sehr gerne.«

Mit ihrer Hand in der seinen hinkte Samantha auf die Villa zu. An der Tür begegneten sie Angelica und dem Marquis, die auf dem Weg in den Garten waren. Ihre Schwester schien nicht sehr erbaut zu sein und warf ihr einen Blick zu, der deutlich machte, dass Tante Roxie ihr Verhalten ebenfalls missbilligen würde.

Samantha kümmerte sich nicht darum. Ihre Zukunft lag endlos und düster vor ihr, und obwohl der Prinz sich niemals ernsthaft für sie interessieren würde, hatte er ihr doch einen Abend geschenkt, an den sie sich eines Tages träumerisch zurückerinnern würde.

Vielleicht würden sich nun auch andere, passendere Herren dem Vorbild des Prinzen anschließen und ihre Bekanntschaft suchen.

»Rudolf, ich muss Euch etwas fragen«, sagte Samantha in der Eingangshalle. Als er sich zu ihr hinunterbeugte, senkte sie den Blick und starrte auf seine Brust. »Weshalb habt Ihr mich heute Abend ausgewählt?«

»Ich liebe es, wie Ihr meine Brust anseht«, erwiderte er mit rauer Stimme.

Samantha sah ihm ins Gesicht. Er lachte.

»Ihr seid eine begehrenswerte Frau«, erklärte Rudolf. »Weshalb sollte ich mich nicht von Euch angezogen fühlen?«

Seine Antwort überraschte sie. »Aber ich hinke …«

Draußen vor der Villa fiel ein Pistolenschuss, tumultartiger Lärm drang zu ihnen herein.

»Bleibt hier!«, befahl der Prinz, der die Tür bereits erreicht hatte.

»Ich komme mit Euch«, entgegnete Samantha und folgte ihm ins Freie.

Sie liefen auf die Straße, wo sich eine Menschenmenge versammelt hatte. In einiger Entfernung konnte Samantha ihre Schwester und den Marquis sehen.

»Oh«, stieß sie überrascht aus, als ein in schwarz gekleideter Hüne aus dem Schatten trat und ihnen den Weg versperrte.

»Guten Abend, Eure Hoheit«, begrüßte der Mann den Prinzen.

»Guten Abend, Igor«, erwiderte Rudolf. Seiner gereizten Stimme war zu entnehmen, dass er das Erscheinen des anderen missbilligte. »Wie geht es Vladimir?«

»Gebt die Venus ihrem rechtmäßigen Besitzer zurück, oder nehmt die Konsequenzen in Kauf.« Mit diesen Worten verschwand der Mann so plötzlich wie er gekommen war.

»Was sollte das?«, fragte Samantha ängstlich.

Ohne auf die Frage einzugehen, führte Rudolf ihre Hände an seine Lippen. »Ich muss fort. Erlaubt Ihr mir, Euch demnächst meine Aufwartung zu machen?«

Samanthas Lächeln brachte die Nacht zum Strahlen. Gegen ihren Willen regte sich kühne Hoffnung in ihrer Brust. »Ja, Rudolf.«

Der Prinz schenkte ihr ein hinreißendes Lächeln, bevor er sich umdrehte und die Straße entlangeilte. Samantha beobachtete, wie er in einer der Kutschen verschwand.

Auf seinen Besuch wartete sie vergeblich.

Zweites Kapitel

31. Dezember 1812

»Alexander Emerson ist entsetzlich langweilig«, verkündete Victoria. »Ich verstehe wirklich nicht, warum sie ihn heiraten will.«

»Wie furchtbar, so etwas zu sagen«, schalt Angelica ihre jüngste Schwester.

»Aber es ist wahr.«

Ohne auf ihre Schwestern zu achten, stand Samantha am Fenster ihres Zimmers im zweiten Stock des Landsitzes des Herzogs von Inverary. Abwesend starrte sie auf die geschwungene Auffahrt und den Springbrunnen im Hof.

Heute war ein besonderer Abend. Ihre Familie würde nicht nur das neue Jahr mit einem großen Ball begehen, sondern außerdem ihre Verlobung mit Alexander Emerson bekannt geben. Warum also war sie nicht glücklich?

Du liebst ihn nicht, ermahnte eine innere Stimme sie. Es kostete Samantha beinahe ihre gesamte Willenskraft, die beunruhigende Stimme zum Schweigen zu bringen und in den hintersten Winkel ihrer Gedanken zu verbannen. Sie drehte sich um und schenkte ihrer jüngeren Schwester ein geduldiges Lächeln. »Ich will Alexander Emerson heiraten, weil er langweilig ist«, erklärte sie.

Eine einsame Woche hatte sie im Haus ihrer Eltern verbracht, um in sich zu gehen und zu entscheiden, was zu tun sei. Der Entschluss war ihr relativ leicht gefallen, war sie doch davon überzeugt, dass sich bei einer Frau in ihrer Situation nicht allzu viele Verehrer einfinden würden.

»Du hättest die letzte Woche nicht im Haus am Primrose Hill, sondern auf Sweetheart Manor verbringen sollen«, meinte Angelica, als könnte sie ihre Gedanken lesen. »Robert hat ein Vermögen darauf verwendet, es instand setzen zu lassen. Jetzt ist es wieder restlos hergestellt, und das Personal wartet auf einen Besuch der Gräfin von Melrose und ihres Gatten.«

Samantha betrachtete ihre ältere Schwester, die eine Decke für das Baby strickte, das sie in vier Monaten erwartete. »Das Haus am Primrose Hill ist um einiges näher als Schottland.«

»Ein richtiger Tapetenwechsel hätte dir gut getan«, erwiderte Angelica.

»Vielleicht hättest du dich dann anders entschieden«, meinte Victoria. »Du liebst Alexander nicht.«

Die Bemerkung ihrer Schwester überraschte Samantha. War dieser Umstand derart offensichtlich?

»Mutter und Vater hätten niemals von dir erwartet, dass du einen Mann heiratest, den du nicht liebst, nur damit sie in Douglas-Boden ruhen können«, fügte Victoria hinzu.

»Kinder und Narren sprechen die Wahrheit.« Angelica lächelte.

»Mit fast siebzehn bin ich kein Kind mehr, und ein Narr bin ich schon gar nicht«, entrüstete sich Victoria. Mit einem Seitenblick auf Samantha fuhr sie fort. »Zu schade, dass Prinz Rudolf dir nie seine Aufwartung gemacht hat.«

Samanthas Miene blieb regungslos, obwohl sie innerlich bei der Erwähnung seines Namens zusammengezuckt war. »Tori, du wirst doch nicht ernsthaft geglaubt haben, dass mir ein Prinz seine Aufwartung machen würde.«

»Trotzdem musst du keinen Mann heiraten, den du nicht liebst, bloß weil du Angst hast, dass kein anderer dich fragen wird«, meinte Angelica.

»Ich habe vor nichts Angst, außer davor, als alte Jungfer zu sterben«, entgegnete Samantha erhobenen Hauptes.

»Hallo, meine Lieben«, erklang eine Stimme vom Gang.

Tante Roxie hatte das Zimmer betreten und ließ sich auf dem Sofa vor dem Kamin nieder. »Seid ihr schon alle aufgeregt wegen heute Abend?«

»Ich kann das Feuerwerk um Mitternacht kaum erwarten!«, rief Victoria. »Der Herzog weiß, wie man Silvester feiert.«

»Ja, er weiß wirklich, wie man sich am besten amüsiert«, erklärte Tante Roxie mit einem anzüglichen Lächeln.

Samantha und Angelica warfen einander verschmitzte Blicke zu. Ihre wunderbare Tante hatte kürzlich den Herzog zu ihrem vierten Ehemann gemacht, und die beiden schienen ungewöhnlich viel Zeit zusammen in ihrem Schlafgemach zu verbringen.

»Sei vorsichtig, sonst ist dein Bauch bald so dick wie meiner«, neckte Angelica sie und strich sich dabei über den von der Schwangerschaft runden Leib.

Ihre Tante lachte. »Du bist unmöglich, Kind.«

»Jung genug siehst du aus, um Mutter zu werden«, sagte Samantha, als sie sich neben ihrer Tante auf dem Sofa niederließ.

»Du bist ein Schatz.« Tante Roxie griff in ihre Tasche und zog eine Goldkette mit einem Rubinanhänger hervor. »Ich habe ein Geschenk für dich«, meinte sie und legte ihrer Nichte das Schmuckstück um.

Samantha betrachtete den Rubin. »Vielen Dank, aber womit habe ich mir eine solche Belohnung verdient?«

»Darling, du verdienst es, mit Juwelen überhäuft zu werden, einfach, weil du so wundervoll bist«, erwiderte ihre Tante sanft. Sie blickte in die blauen Augen ihrer Nichte und erklärte. »Diese Kette besitzt magische Eigenschaften.«

Samantha unterdrückte ein ungläubiges Lachen. »Welche denn?«

»Es heißt, der Stern in dem Rubin verdunkelt sich, bis er blutrot ist, sobald die Person, die ihn trägt, in Gefahr schwebt.«

»Dann werde ich immer darauf achten«, versprach Samantha, wobei ein skeptisches Lächeln ihre schön geschwungenen Lippen umspielte.

»Ich brauche etwas frische Luft«, verkündete Samantha und stand vom Sofa auf. Sie warf sich einen Umhang mit Kapuze und Pelzbesatz über das blaue Kleid, bevor sie sich den breiten Lederriemen ihres Geigenkastens über die Schulter hängte.

»Auf Wiedersehen, Liebes, amüsiere dich schön«, rief Tante Roxie ihr nach. »Und denk immer daran, der Rubin wird dich vor drohender Gefahr warnen.«

Samantha hielt an der Tür inne. Ihre Tante klang, als würde sie auf eine weite Reise gehen. Dabei wollte sie bloß der Gartenlaube einen Besuch abstatten, um dort ein wenig zu musizieren. Nachdem Samantha sich noch einmal umgeblickt hatte, ging sie nach unten.

Draußen begrüßte sie ein kalter Dezembernachmittag. Sie öffnete das Eisentor, das den Rasen vom Garten des Marquis trennte. Bevor sie durch den winterlich kahlen Garten huschte, sah sie zum Haus zurück, da sie das unheimliche Gefühl hatte, beobachtet zu werden.

Doch als Samantha ihren Umhang öffnete, sah sie, dass der Rubin sich nicht verdunkelt hatte. Sie ging am Irrgarten vorbei, überquerte eine große Rasenfläche und erreichte schließlich die Gartenlaube, die am Rand eines Wäldchens stand. Samantha stieß einen Seufzer aus, als sie sich in der Laube niederließ.

Weshalb war sie nicht glücklich und frohen Mutes? Alexander Emerson war intelligent und großherzig, außerdem sah der blonde Mann keineswegs schlecht aus. Er würde einen ausgezeichneten Ehemann abgeben, und sie hatte vor, ihm die beste Ehefrau der Welt zu sein.

Das Bild des russischen Prinzen trat aus dem Schatten ihrer Erinnerung hervor. Ihr Herz sehnte sich nach etwas, das niemals sein konnte. Weshalb hatte er gefragt, ob er ihr seine Aufwartung machen dürfte? Hätte er nichts gesagt, hätte sie niemals damit gerechnet, ihn wiederzusehen. Stattdessen hatte sie Woche um Woche gewartet.

Die junge Frau ermahnte sich, dankbar um jenen wunderbaren Abend auf dem Ball zu sein. Viele Frauen hatten nicht einmal das. Samantha öffnete den Geigenkasten und nahm das Instrument und den Bogen heraus. Dann begann sie eine schwermütige Melodie zu spielen, die der Welt ihre Melancholie und Einsamkeit kundtat.

***

Zwei Augenpaare ruhten auf Samantha, als sie den Rasen überquerte. Robert Campbell und Prinz Rudolf standen am Fenster des herzoglichen Arbeitszimmers und beobachteten, wie die schmale Frauengestalt mit den ebenholzschwarzen Haaren auf die Laube zuging.

»Samantha Douglas ist eine hinreißende Frau«, brach Prinz Rudolf das Schweigen.

»Ja, nur schade, dass sie hinkt«, antwortete Robert.

»Sie hinkt?«, wiederholte der Prinz und warf dem anderen einen missbilligenden Seitenblick zu. »Das war mir gar nicht aufgefallen.«

Robert schenkte dem Prinzen ein amüsiertes Lächeln, erwiderte jedoch nichts. Der Marquis trat vom Fenster zurück, um kurz darauf mit einem Glas Whisky zurückzukehren.

»Ich würde Wodka vorziehen, falls Ihr welchen im Hause habt«, erklärte Rudolf.

»Leider nicht«, entgegnete Robert schulterzuckend.

»Bei nächster Gelegenheit werde ich Euch eine Lieferung zukommen lassen.« Der Prinz trank das Glas in einem Zug leer und fügte hinzu, »Männer sollten Wodka trinken, hebt den Whisky für die Damen auf.« Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der jungen Frau in der Laube zu. Sie schien so einsam zu sein, wie er selbst sich fühlte.

»Heute Abend wird Samantha ihre Verlobung mit Alexander Emerson bekannt geben«, erzählte Robert.

»Gab es nicht böses Blut zwischen der Familie Douglas und den Emersons?«, fragte Rudolf, ohne seinen Blick von der Gestalt in der Laube abzuwenden.

»Alexander ist fest entschlossen, die Schandtaten seines Vaters wieder gutzumachen«, entgegnete der Marquis.

»Samantha verdient einen Mann, der sie liebt«, sagte Rudolf.

»Genau das sagte ich heute Morgen zu meiner Frau«, pflichtete Robert ihm bei. »Aber wenn dieser Mann nicht in den nächsten Stunden in Erscheinung tritt, werden sowohl Samantha als auch Alexander mit jemandem verheiratet sein, der sie nicht liebt.«

Rudolf wandte sich um und suchte den düsteren Blick des Marquis. »Samantha liebt ihn nicht?«

»Ich glaube nicht.«

Obwohl der Prinz seinen Blick nun über das prachtvoll eingerichtete Arbeitszimmer des Herzogs schweifen ließ, kreisten seine Gedanken weiterhin um die Frau in der Laube. Samantha Douglas verachtete ihn wahrscheinlich, weil er ihr nie seine Aufwartung gemacht hatte. Doch was hätte er tun sollen? Andere, wichtigere Verpflichtungen hatten ihn völlig in Anspruch genommen. Vielleicht wenn die Umstände anders gewesen wären …

In diesem Moment ging die Tür auf, und der Herzog von Inverary betrat den Raum. Magnus Campbell war eine ältere Version seines Sohnes – groß und von stattlicher Erscheinung, schwarze Augen und schwarze Haare, die an den Schläfen langsam silbern wurden.

»Sollen wir uns den Geschäften widmen?«, fragte der Herzog, indem er auf seinen großen Mahagonischreibtisch wies.

Prinz Rudolf neigte den Kopf und ließ sich in einem der Sessel vor dem Schreibtisch nieder. Der Marquis setzte sich in einen anderen Sessel, während der Herzog seinen Platz hinter dem Schreibtisch einnahm.

»Wir haben Euch schon seit Monaten nicht mehr in der Stadt gesehen«, bemerkte Herzog Magnus mit einem höflichen Lächeln.

»Ich habe viel Zeit auf meinem neuen Landsitz verbracht«, erklärte Rudolf.

»Wo befindet sich Euer Anwesen?«, erkundigte sich der Marquis.

»Auf Sark Island im Kanal«, erwiderte Rudolf. »Nachdem ich meine Mutter und meine Tochter dort untergebracht hatte, entschloss ich mich, selbst eine Weile auf der Insel zu verbringen.«

»Ihr habt eine Tochter?«

Dem Prinzen entging die Überraschung in der Stimme des anderen nicht. Wahrscheinlich dachte der Marquis an seine junge Schwägerin. »Ich habe meine Frau verloren«, sagte der Prinz.

»Das tut mir Leid.«

Herzog Magnus ließ ein Räuspern vernehmen. »Euer Englisch ist perfekt, keine Spur von einem Akzent.«

»Meine Mutter ist Engländerin«, erklärte Rudolf dem älteren Mann, wobei er ihn gebannt beobachtete. »Elizabeth Montague. Vielleicht erinnert Ihr Euch an sie?«

Rudolf bemerkte ein kurzes Flackern in den dunklen Augen des Herzogs, doch sofort hatte Herzog Magnus wieder seine undurchdringliche Miene aufgesetzt. »Ich hatte leider nie das Vergnügen, sie kennen zu lernen«, behauptete er und wandte seinen Blick ab.

Der Herzog log, so viel war Rudolf klar. Hatte seine Mutter die Wahrheit über ihn gesagt? Immerhin gab es bei ihr gelegentlich noch sehr klare Momente.

»Was können wir für Euch tun, Eure Hoheit?«, erkundigte sich Herzog Magnus.

»Ich bin gekommen, um etwas für Euch zu tun.« Rudolf ließ seinen Blick vom Herzog zum Marquis schweifen. Beide Männer sahen verwirrt aus. »Mein Bruder und ich haben uns überworfen. Letzten Sommer kaperten meine Männer ein Schiff, von dem sie annahmen, es gehöre Vladimir. Unglücklicherweise irrten sie sich jedoch, die Tempest befindet sich in Eurem Besitz.« Rudolf zog einen Umschlag aus seiner Jackentasche und legte ihn auf den Schreibtisch. »Ich bin ein ehrenhafter Mann mit mehr Geld, als ich jemals ausgeben könnte. Hier ist ein Bankwechsel über das Geld, das meine Leute raubten. Natürlich mit Zinsen. Ich hoffe, Ihr werdet davon absehen, Anzeige zu erstatten.«

Eine Weile schwiegen die beiden Männer verblüfft.

Schließlich sagte der Herzog: »Wir betrachten die Angelegenheit als ein unglückseliges Missverständnis, nichts weiter.«

»Das ist sehr großzügig von Euch«, erklärte Rudolf.

»Euer Bruder und Ihr scheint nicht gerade zimperlich miteinander umzugehen«, stellte der Marquis fest.

Rudolf erhob sich von seinem Stuhl und sah aus dem Fenster, um einen weiteren Blick auf die Frau in der Laube zu erhaschen. Ohne nachzudenken antwortete er: »Vladimir wünscht meinen Tod.«

Auf diese Eröffnung hin schlug ihm entsetztes Schweigen entgegen. Anscheinend hatte er die Campbells erneut schockiert. Diese Abkömmlinge von Highlandern hielten sich für weiß Gott wie stark und unerschütterlich, doch was es hieß, wirklich grausam zu sein, mussten sie erst noch von seinen Landsleuten lernen.

Herzog Magnus räusperte sich. »Ihr werdet natürlich an unserem heutigen Fest teilnehmen.«

Zuzusehen, wie Samantha Douglas sich mit Alexander Emerson verlobte, war das Letzte, was Rudolf wollte. »Ich habe keine Abendgarderobe dabei«, meinte er abwehrend. »Ja, ich bin extra alleine von London hierher geritten, um die Reise an einem Tag bewältigen zu können.«

»Euer Pferd muss sich ausruhen«, sagte Robert und stand nun ebenfalls auf. »Wir haben ungefähr die gleiche Statur. Ihr könnt etwas von mir anziehen.«

Rudolf warf noch einen Blick aus dem Fenster. Der süße Anblick der Geige spielenden Frau zog ihn wie Sirenengesang an. »In dem Fall nehme ich Eure Einladung gerne an. Gestattet Ihr mir, dass ich nach draußen gehe und Samantha meine Glückwünsche überbringe?«

»Ich bin mir sicher, dass sie sich darüber freuen wird«, erwiderte der Marquis, wobei seine besorgte Miene etwas anderes zu sagen schien.

Rudolf neigte den Kopf und schritt auf die Tür zu, wo ihn die Stimme des Herzogs innehalten ließ. »Eure Hoheit, darf ich fragen, wie alt Ihr seid?«, wollte Herzog Magnus wissen.

Die Frage überraschte Rudolf. Er warf dem Marquis einen Blick zu, der ebenfalls verblüfft zu sein schien.

»Am fünfzehnten Mai werde ich achtundzwanzig«, antwortete Rudolf, bevor er das Zimmer verließ.

***

Samantha hatte versucht, die beunruhigenden Gedanken Alexander betreffend zu verscheuchen, indem sie sich ganz auf die Musik konzentrierte. Beim Geigenspiel schloss sie die Augen und ließ all ihren Schmerz und ihre Sehnsucht in die Musik einfließen.

»Meine bulgarische Rose.«

Schlagartig öffnete Samantha die Augen und starrte den Prinzen an. Ihr Herz blieb beim Anblick seines schönen Gesichts einen Moment lang stehen. Ihre Stimme schien sie verloren zu haben.

Stand er wirklich vor ihr, oder bildete sie sich das nur ein? Weshalb war er just an dem Tag gekommen, an dem sie ihr Verlöbnis bekannt geben würde? Fand er das am Ende witzig?

»Ich versprach, Euch meine Aufwartung zu machen«, meinte Rudolf mit rauer Stimme. »Doch Ihr scheint nicht sehr erfreut zu sein.«

»Ihr seid reichlich spät, Eure Hoheit«, erwiderte Samantha so kühl wie möglich.

»Rudolf«, verbesserte er sie.

Nachdem Samantha Geige und Bogen im Geigenkasten verstaut hatte, hängte sie sich den Kasten über die Schulter und stand auf. »Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen wollt, Eure Hoheit.«

»Setzt Euch«, befahl Rudolf.

»Ich bin nicht eine Eurer …«

»Hinsetzen habe ich gesagt.«

Als Samantha sich wieder setzte, öffnete sich ihr Umhang, doch sie spürte die Kälte nicht. Ihre himmelblauen Augen blickten den Prinzen zornig an.

»Ich möchte erklären, weshalb ich Euch nicht schon vorher einen Besuch abgestattet habe«, meinte Rudolf.

»Das ist nicht notwendig«, erwiderte Samantha und zwang sich zu einem künstlichen Lächeln.

»Ja, ich weiß«, stimmte Rudolf ihr zu. Das arrogante Lächeln, das er ihr schenkte, brachte sie zur Weißglut. »Es gab einen Notfall.«

»Sechs Monate lang?«

»Ich musste meine Mutter und meine Tochter auf …«

»Ihr habt eine Tochter?«, unterbrach Samantha ihn überrascht.

»Es ist unhöflich, jemanden zu unterbrechen«, schalt Rudolf sie.

Zarte Röte überzog Samanthas Wangen, und sie senkte ihren Blick auf den Boden der Laube. In diesem Augenblick merkte sie, dass der Rubinstern sich blutrot verfärbt hatte.

Drohte ihr Gefahr vom Prinzen? Das konnte sie nicht glauben, eher ging wohl die Gefahr von ihrem eigenen Herzen aus …

»Wie ich bereits sagte«, fuhr Rudolf fort, wobei er sich unwillig mit einer Hand durch das schwarze Haar fuhr, »musste ich meine Mutter und meine Tochter auf ein Anwesen bringen, das ich erstanden habe, und wo noch eine Reihe weiterer Probleme auftauchten.«

»Ich verstehe«, meinte Samantha und machte Anstalten, sich zu erheben.

»Ich habe Euch noch nicht erlaubt zu gehen«, erklärte Rudolf bestimmt.

Wer glaubte er, dass er sei? Der verflixte König von England vielleicht? Auf einmal verstand Samantha, dass ihm, dem Prinzen, bisher niemand etwas verweigert hatte. Offensichtlich hatte er ein sehr abgeschottetes, engstirniges Leben geführt. Nur zu gerne hätte sie seiner Arroganz eine Lektion erteilt, doch sie stand kurz davor, sich zu verloben, und hatte keine Zeit für Spielchen.

»Ihr werdet die Bekanntmachung Eures Verlöbnisses verschieben«, verkündete der Prinz.

»Das werde ich nicht tun!«, rief sie.

»Ihr liebt diesen Alexander Emerson nicht«, sagte Rudolf.

»Ihr wisst nicht das Geringste über mich«, gab Samantha zornig zurück.

»Ich weiß, dass Ihr eine zarte bulgarische Rose seid und so geheimnisvoll wie asiatischer Jasmin«, meinte Rudolf mit dem Anflug eines Lächelns.

»Macht Ihr mir einen Heiratsantrag?«, forderte sie ihn heraus.

»Das kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht«, entgegnete er. »Ich möchte Euch besser kennen lernen, was jedoch unmöglich ist, wenn Ihr mit einem anderen Mann verlobt seid.«

»Ihr möchtet, dass ich meine Verlobung absage, damit Ihr mich besser kennen lernen könnt?«, wiederholte Samantha und hob fragend eine dunkle Braue.

Rudolf nickte. »Genau.«

»Eure Hoheit, habt Ihr getrunken?« Samantha brach in Gelächter aus.

»Hilfe …«

Samantha wirbelte herum und starrte zu dem Wäldchen hinter der Laube.

»Hilfe…«

Ohne zu zögern schob Samantha sich an dem Prinzen vorbei und rannte, so schnell es ihr Humpeln gestattete, auf den Weg zu, der durch das Gehölz führte. Prinz Rudolf war zwei Schritte hinter ihr.

»Ihr wartet hier«, befahl er und packte sie am Oberarm.

Samantha riss sich los und lief weiter. In dem dichten Wäldchen war es bereits düster, und sie sah kaum, wohin sie trat.

»Hilfe …« Das Rufen schien nun von hinter ihnen zu kommen.

Als Samantha sich umdrehte, sah sie mit Schrecken, dass ein hünenhafter Mann mit einer Pistole auf Prinz Rudolf zielte. »Nein!«, schrie sie und lief auf die beiden zu. Jemand packte sie von hinten, doch sie trat ihrem Angreifer mit dem Stiefelabsatz gegen den Fuß.

»Au! Sie hat mir die Zehen gebrochen!«, rief ein Mann.

»Herrgott noch mal, die Kleine wiegt doch nichts, erklang die Stimme eines weiteren Mannes.

»Igor«, flüsterte Samantha, als ihr Blick wieder auf den Riesen mit der Waffe fiel.

Der Hüne warf ihr einen kurzen Blick zu und meinte dann an den Prinzen gewandt, »Euer Liebchen erinnert sich an mich.«

»Dich vergisst man nicht so schnell«, sagte Prinz Rudolf. »Lass die Lady gehen, bevor du mich erschießt. Sie hat nichts mit meinen Streitigkeiten mit Vladimir zu tun.«

Einen Augenblick lang schwieg Igor. »Das kann ich nicht, sie hat mich wiedererkannt, aber ich habe nicht vor, einen Prinzen zu ermorden. Wenn Vladimir Euren Tod wünscht, wird er das schon selbst erledigen müssen.« Er deutete auf den Weg und befahl. »Dort entlang.«

»Ich werde nirgendwohin gehen«, rief Samantha in panischer Angst. »Ich werde heute Abend meine Verlobung bekannt geben.«

»Es tut mir Leid«, meinte Prinz Rudolf, »aber da Ihr keine Prinzessin seid, wird Igor nicht zögern, Euch zu erschießen.«

Als wollte Igor die Worte des Prinzen unterstreichen, richtete er die Pistole auf Samantha.

Der Prinz, Samantha und ihre drei Häscher marschierten eine Viertelstunde lang durch den Wald, bis sie am anderen Ende eine Kutsche erreichten. Nachdem Samantha und der Prinz eingestiegen waren, warf Igor die Tür zu. Einen Moment später setzte das Gefährt sich in Bewegung.

»Es tut mir Leid, dass ich Euch in diese Angelegenheit verwickelt habe«, sagte Rudolf und legte tröstend einen Arm um Samantha. »Ich werde nicht zulassen, dass Euch etwas zustößt.«

Samantha blickte zu ihm auf. Im Dunkel der Kutsche waren seine ebenmäßigen Gesichtszüge kaum zu erkennen. »Ich werde mich verloben«, erklärte sie.

»Nicht heute Abend«, entgegnete der Prinz und schenkte ihr ein zufriedenes Lächeln, das ihr die Zornesröte in die Wangen trieb.

»Poliert Eure Krone und lasst mich in Frieden«, zischte Samantha ärgerlich.

»Aus Euch spricht die Angst«, meinte Prinz Rudolf. »Ich weiß genau, dass Ihr ansonsten niemals derart respektlos mit mir sprechen würdet.«

»Und ob ich das würde!«, entgegnete Samantha, die kaum ihren Ohren traute.

Als die Kutsche beschleunigte, fiel Samantha gegen den Prinzen. Sie spürte, wie er die Arme um sie legte, und setzte sich sofort wieder kerzengerade hin. Nachdem sie ihm einen warnenden Blick zugeworfen hatte, wandte sie sich ab, und hielt sich krampfhaft an der Kante des Sitzes fest, um in der nächsten Kurve weder auf den Boden noch auf den königlichen Schoß des Prinzen geschleudert zu werden.

Wutentbrannt zog sie ihren pelzbesetzten Umhang enger um sich. Wie hatte sie es nur geschafft, sich in eine derart unmögliche Position zu manövrieren? Und, was noch viel wichtiger war, wie sollte sie hier wieder herauskommen?