Die Lady und der Highlander - Devereux-MacArthur-Reihe: Band 5 - Patricia Grasso - E-Book
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Die Lady und der Highlander - Devereux-MacArthur-Reihe: Band 5 E-Book

Patricia Grasso

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Beschreibung

Sein Lächeln verfolgt sie bis in ihre Träume … Das Romance-Highlight „Die Lady und der Highlander“ von Patricia Grasso jetzt als eBook bei venusbooks. Einst wandte er sich von ihr ab und ließ sie mit gebrochenem Herzen zurück … Schottland, 1576: Lady McArthur ist schön und zu temperamentvoll, um sich den Konventionen zu fügen. Doch als sie wegen eines Mals auf ihrer Hand als Hexe verfolgt wird, muss sie aus Schottland fliehen. Sie ist sich sicher, dass sie niemals in ihre Heimat zurückkehren kann. Doch Jahre später steht Gordon Campbell, der Lord von Inverary, vor ihr – der Mann, dem sie einst versprochen war. Nur zu gut kann sie sich noch an seine silbergrauen Augen erinnern, die tief in ihre Seele blicken. Nun verlangt er Unmögliches von ihr: Er will sie zurück in die Heimat bringen, die sie mehr fürchtet als alles andere. Aber kann sie dem Mann, zu dem sie sich so hingezogen fühlt, wirklich vertrauen? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der historische Liebesroman „Die Lady und der Highlander“ von Romantik-Queen Patricia Grasso. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 565

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Über dieses Buch:

Einst wandte er sich von ihr ab und ließ sie mit gebrochenem Herzen zurück …

Schottland, 1576: Lady McArthur ist wunderschön, temperamentvoll und unverstanden. Doch als sie wegen eines Mals auf ihrer Hand als Hexe verfolgt wird, muss sie aus Schottland fliehen. Sie ist sich sicher, dass sie niemals in ihre Heimat zurückkehren kann. Doch Jahre später steht Gordon Campbell, der Marquis von Inverary, vor ihr – der Mann, dem sie einst versprochen war. Nur zu gut kann sie sich noch an seine silbergrauen Augen erinnern, die tief in ihre Seele blicken. Aber er verlangt Unmögliches von ihr: Er will sie zurück in die Heimat bringen, die sie mehr fürchtet als alles andere. Kann sie dem Mann, zu dem sie sich so hingezogen fühlt, wirklich vertrauen?

Über die Autorin:

Als Schülerin las Patricia Grasso „Vom Winde verweht“ – und war enttäuscht von dem unglücklichen Ende. Schließlich glaubt sie an die große Liebe und das Happy End! Deswegen schreibt sie nun selbst Liebesromane mit glücklichem Ausgang. Zunächst war das Schreiben für sie nur ein Ausgleich zum alltäglichen Arbeitsstress, inzwischen ist sie eine erfolgreiche Bestsellerautorin: Ihre Romane sind preisgekrönt, wurden in fünfzehn Sprachen übersetzt und in zwanzig Ländern veröffentlicht. Patricia Grasso lebt in der Nähe von Boston, Massachusetts.

Eine Übersicht über die weiteren Romane von Patricia Grasso bei venusbooks finden Sie am Ende dieses eBooks.

Die Autorin im Internet: www.patriciagrasso.com

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eBook-Neuausgabe August 2017

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Buch erschien bereits 2000 unter dem Titel Engel der Leidenschaft bei Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1995 by Patricia Grasso

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1995 unter dem Titel Courting an Angel bei Dell Publishing a division of Bantam Doubleday, Dell Publishing Group, Inc., New York

Copyright © der deutschen Ausgabe 2000 Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2017 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Lizenzausgabe 2017 venusbooks GmbH, München

Copyright © der aktuellen eBook-Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Jeffrey B. Banke, kiuikson

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mh)

ISBN 978-3-95885-534-2

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags

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***

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Patricia Grasso

Die Lady und der Highlander

Roman

Aus dem Amerikanischen von Traudi Perlinger

venusbooks

Für meine geliebte Schwester Linda Grasso-Kaplan:

Rosen sind rot, und Veilchen sind blau. Ich bin jünger und hübscher als du – und Mamas Liebling dazu …

Ätsch!

Prolog

Dunridge Castle, Schottland 1576

Sie würde ihm Ärger machen.

Der fünfzehnjährige Gordon Campbell schritt durch den von Fackeln erleuchteten Rittersaal und musterte seine achtjährige Braut. Von wachsendem Unbehagen befallen, pochte sein Herz, und seine Hände wurden feucht. Dennoch trug er tapfer eine undurchdringliche Miene zur Schau.

Als Marquis von Inverary und Erbe des Herzogs von Argyll hatte Gordon gelernt, Haltung zu bewahren. Und von einer Achtjährigen würde er sich schon gar nicht einschüchtern lassen. Hätten die anwesenden MacArthurs und Campbells freilich geahnt, wie beklemmend ihm zumute war, wäre ihm das Gespött des gesamten schottischen Hochlands sein Leben lang sicher gewesen. Welch eine Schmach, wenn der Erbe des Herzogtums Argyll vor seiner zukünftigen Herzogin verlegen erröten würde – vor einem achtjährigen Kind.

Nie im Leben, schwor sich Gordon und fixierte sie mit seinen durchdringenden grauen Augen.

Ja, die Kleine würde ihm das Leben schwermachen, daran hatte Gordon keinen Zweifel.

Im strahlendweißen Kleid, einen Kranz aus Orangenblüten im ebenholzschwarzen Haar, sah das Mädchen aus wie ein Unschuldsengel; indes – aus den Tiefen ihrer smaragdgrünen Augen funkelte ihm Aufsässigkeit entgegen. Auch ihre hübsche Stupsnase und das energisch gereckte Kinn ließen auf ein widerspenstiges Wesen schließen. Die Kleine begegnete seinem Blick unverwandt und kühn. Ohne zu erröten.

Sie lächelte dünn. Die Hände sittsam verschränkt, wirkte sie so brav, als könne sie kein Wässerchen trüben. Doch ihre ebenholzschwarze, bis zur Taille wallende Lockenmähne und diese verwirrend smaragdgrünen Augen, umrahmt von seidig schwarzen Wimpern, gaben ihr eine verführerische Ausstrahlung, die nicht zu ihrem kindlichen Alter passen wollte.

Im Wissen, daß an die hundert neugierige Augenpaare jede seiner Bewegungen verfolgten, bemühte Gordon sich um ein besonders weltgewandtes Auftreten. Er schenkte der Kleinen sein charmantes Lächeln, mit dem er bei den Mägden auf Inverary Castle durchweg Erfolg hatte.

Als Antwort zog das Mädchen ihre schön geschwungenen, ebenholzfarbenen Augenbrauen in die Höhe. Konnte die kleine Hexe etwa seine Gedanken lesen?

»Ihr seht aus wie ein hübsches junges Kätzchen«, sagte Gordon und beugte sich vor, um auf einer Augenhöhe mit ihr zu sein.

»Ich bin aber ein Mädchen«, entgegnete sie ungerührt.

Gordon zwang sich zu einem Lächeln.

»Ein sehr hübsches Mädchen«, schmeichelte er, um ihre Sympathie mit einem Kompliment zu gewinnen. »Und ich bin Gordon Campbell, der Marquis von Inverary.«

»Ich weiß, wer Ihr seid«, antwortete sie, unbeeindruckt von seinem Titel.

»Und wie heißt Ihr?«

»Rob B. MacArthur.«

»Das ist ein Name für einen Knaben.«

»Ich bin ein Mädchen.«

»Wofür steht das ›B‹?« fragte Gordon.

»Bengel«, riefen ihre drei älteren Brüder im Chor.

Rob bedachte jeden einzelnen mit einem tadelnden Blick, schenkte ihrem Vater ein flüchtiges Lächeln und wandte sich wieder an Gordon. »Das B steht für Bruce. Mein Vater gab mir den Namen zu Ehren seines verehrten Helden Robert Bruce. Habt Ihr von ihm gehört?«

Gütiger Himmel, dachte Gordon gereizt. Wie sollte er sich an den Gedanken gewöhnen, ein Mädchen namens Rob Bruce zur Frau zu haben? Wie konnten Eltern nur so gefühllos sein?

»Und es interessiert mich keinen Pfifferling, ob Euch mein Name gefällt oder nicht«, fügte sie hinzu.

»Rob ist ein hübscher Name«, entgegnete Gordon und fragte sich, woher sie Gedanken lesen konnte. »Um die Wahrheit zu sagen, auch ich verehre unseren Nationalhelden Robert Bruce.«

Damit entlockte er ihr ein süßes Lächeln, das ihm das Herz weitete. Sie war wirklich ein entzückendes Kätzchen, das sich einst zu einer Schönheit zu entpuppen versprach.

»Wißt Ihr, daß wir heute vermählt werden?« fragte Gordon.

Rob nickte und fragte in lautem Flüsterton: »Findet Ihr Euch nicht ein bißchen zu alt für mich?«

Vereinzeltes Lachen wurde laut. Gordon warf in seiner Verlegenheit seinem Vater einen Blick zu.

»Schau mich nicht hilfesuchend an«, rief Magnus Campbell zu ihm herüber, den das Unbehagen seines Sohnes zu amüsieren schien. »Du mußt allein deinen Mann stehen.«

»Rede mit deiner Tochter, Brie«, wandte Iain MacArthur sich an seine Gemahlin. »Sie macht es dem Burschen jetzt schon schwer.«

Lady Brigette wollte zu ihrer Tochter eilen.

»Brie, laßt nur«, hielt Magnus sie zurück. »Gordon wird sein Leben mit ihr verbringen und mag sich getrost schon jetzt an sie gewöhnen.«

»Das ist mein Vater, der Herzog von Argyll«, sagte Gordon zu Rob. »Wenn Ihr mich heiratet, mache ich Euch eines Tages zur Herzogin.«

»Ich will keine Herzogin sein«, antwortete sie.

»Zum Teufel mit Euch«, entfuhr es ihm, doch in seinen grauen Augen funkelte Interesse. »Was habt Ihr …?«

»Ihr seid hier in meinem Schloß«, fiel Rob ihm ins Wort. »Und ich wäre Euch sehr dankbar, wenn Ihr Euch eines höflichen Tons mir gegenüber bedientet.«

»Verzeiht«, entgegnete Gordon und verbiß sich das Lachen. Für ein achtjähriges Mädchen wußte die Kleine einen Ton anzuschlagen, der einer erwachsenen Herzogin wohl anstünde. »Wenn Ihr mir die Frage gestattet: Was möchtet Ihr denn gern sein?«

»Eine englische Dame wie meine Mutter.«

Heiliger Strohsack, dachte Gordon gereizt, behielt aber sein gewinnendes Lächeln bei. »Wenn Ihr mich heiratet, bin ich Euer Ritter«, schmeichelte er. »Und ich töte Drachen für Euch.«

Nun flackerte in ihren Augen Interesse auf. »Auch das Ungeheuer, das unter meinem Bett haust?« fragte sie.

»Unter Eurem Bett haust ein Ungeheuer?« wiederholte Gordon in gespieltem Entsetzen.

Rob nickte ernsthaft.

Um sich vor Gordon aufzuspielen, rief der dreizehnjährige Ross MacArthur dazwischen: »Das einzige Ungeheuer in ihrer Kammer ist das, was in ihrem Bett schläft.«

»Zeig dem Marquis deine Teufelshand«, fügte der zehnjährige Jamie MacArthur hinzu und machte geschwind einen Schritt zur Seite, um der strafenden Hand seines Vaters zu entgehen.

»Ihr zwei haltet jetzt den Mund, sonst könnt ihr was erleben«, drohte der fünfzehnjährige Dubh MacArthur.

Gordon bedachte die drei MacArthur-Brüder mit einem langen, abschätzenden Blick und wunderte sich über ihre Worte. Als er sich dem Mädchen wieder zuwandte, erschrak er über die Veränderung, die in ihr vorgegangen war. Das eben noch stolze Grafentöchterchen hatte sich in ein Häuflein Elend verwandelt, das mit bebender Unterlippe einen heftigen inneren Kampf ausfocht, um nicht in Tränen auszubrechen. Was sollte er nur tun, wenn sie zu heulen anfing?

»Warum habt Ihr Euren Vater nicht gebeten, den Drachen zu töten?« fragte er.

»Alte Leute können ihn nicht sehen«, antwortete sie, und alle schmunzelten – mit Ausnahme ihres Vaters. »Wie sieht er denn aus?«

»Vater oder der Drache?«

Gordon verkniff sich ein Lachen. Die Kleine war unterhaltsamer als eine Wagenladung fahrender Komödianten. »Ich meinte den Drachen«, antwortete er.

»Ich habe ihn nie gesehen, aber …« Rob stockte, senkte den Blick und nagte an ihrer Unterlippe.

»Erzählt es mir, mein Fräulein«, drängte Gordon sie einschmeichelnd.

»Einmal hat der Drache mich angefaßt«, flüsterte sie und hielt ihm die linke Hand hin. »Seht, was er mir angetan hat.«

Ihren linken Handrücken zierte ein dunkles, blütenförmiges Muttermal. Die sechsblättrige Blüte der Aphrodite war ein Zeichen der Sünde, so lehrten es zumindest die Kirchenväter ihren Gläubigen. Aus diesem Grund sahen die meisten Menschen in einem solchen Mal ein Zeichen des Teufels.

Gordon blickte in ihre tränenfeuchten Kinderaugen. Ohne lange zu überlegen, führte er ihre Hand an die Lippen und drückte einen Kuß auf das Muttermal.

»Ich töte das Ungeheuer, das gewagt hat, Euch zu berühren«, versprach er und lächelte über ihr erstauntes Gesicht. »Sobald Ihr den Ehevertrag unterzeichnet habt.«

Rob schüttelte den Kopf. »Ihr müßt das Ungeheuer vorher töten.«

»Denkt Ihr, ich stehe nicht zu meinem Wort?«

»Jeder im Hochland weiß, daß Campbell für ›Lügenmaul‹ steht.«

Gordon errötete, als er das unterdrückte Lachen des MacArthur-Clans hinter seinem Rücken vernahm. »Heiraten wir, wenn ich den Drachen vorher töte?« fragte er.

Rob nickte.

»Tut es nicht«, rief Ross MacArthur.

»Es ist Euer sicherer Tod«, warnte ihn auch Jamie MacArthur.

Dubh MacArthur hob die Hand und gab erst dem einen, dann dem zweiten Bruder eine schallende Ohrfeige. »Wenn ihr noch einmal den Mund aufmacht«, drohte er, »wird Ma für den Rest ihres Lebens Trauer tragen müssen.«

Ohne auf seine zukünftigen Schwäger zu achten, bot Gordon dem Mädchen den Arm und warf einen flüchtigen Blick zu seinem Vater hinüber, der anerkennend nickte. Gemeinsam verließen der fünfzehnjährige Marquis und seine achtjährige Braut den Rittersaal.

»Ihr wartet hier unten. Hier seid Ihr in Sicherheit«, raunte Gordon ihr an der Treppe zu. »Welches ist Eure Kammer?«

»Die letzte Tür links.«

Gordon stieg die Treppe hinauf.

»Gebt auf Euch acht«, rief sie ihm besorgt nach.

Gordon warf ihr über die Schulter ein Lächeln zu und schritt tapfer weiter. In ihrer Kammer lehnte er sich gegen die geschlossene Tür und wartete. Er schätzte, daß zehn Minuten eine ausreichend lange Zeit seien, um einen Drachen zu töten. Würde er schon nach fünf Minuten zurückkommen, würde sie Verdacht schöpfen, und wenn er länger blieb, würde sie sich womöglich auf die Suche nach ihrem Ritter begeben.

Er schaute sich in der karg möblierten Kammer um. Als einziges Kind seiner Eltern aufgewachsen, hatte er noch nie das Gemach eines jungen Mädchens betreten und nahm an, daß alle Jungmädchenkammern so aussahen.

Gordon fuhr sich mit der Hand durch das kastanienbraune Haar und schaute zum Bett hinüber. Dann stieß er sich von der Tür ab, schlenderte zum Bett, bückte sich, hob den Überwurf an und spähte unters Bett. Kein Ungeheuer.

Etwas später ging er den Korridor zur Treppe zurück. Beim Anblick seiner künftigen Braut lächelte er.

Rob stand am Fuß der Treppe, hielt die Augen geschlossen und bewegte mit andächtigem Gesicht die Lippen.

Gordon warf einen Blick zur Großen Halle hinüber, wo Lady Brigette im Türrahmen stand. Sie suchte seinen Blick, und ihre Lippen formten ein stummes Dankeschön, ehe sie sich wieder zurückzog.

»Es ist vollbracht«, verkündete Gordon. »Das schaurige Ungeheuer kann Euch nie wieder etwas antun.«

Rob öffnete die Augen und seufzte erleichtert. »Was habt Ihr mit seiner Leiche getan?« fragte sie bang.

»Er hat sich in Luft aufgelöst, als er starb.«

»Seid Ihr sicher, daß er sich nicht versteckt hat?«

»Ganz sicher«, beruhigte Gordon sie und setzte sich auf die unterste Stufe, griff in seine Westentasche und sagte: »Ich habe Euch ein Geschenk mitgebracht.«

»Wie schön. Ich bekomme gern Geschenke«, rief Rob, und ihre smaragdgrünen Augen leuchteten.

»Das kann ich mir denken«, antwortete Gordon trocken. Er nahm ihre linke Hand und streifte ihr einen ziselierten Goldreif über den Ringfinger. »Auf der Innenseite ist eine Geheimbotschaft eingraviert. Vous et Nul Autre. Das heißt ›Du und keine andere‹. Ihr seid meine Gemahlin, und ich werde Euch auf ewig treu sein.«

Rob beäugte den Ring an ihrem Finger, dann blickte sie zu ihm auf. »Meine Mutter hat mir gesagt, daß Ihr mir etwas Hübsches schenkt. Der Ring ist wirklich sehr hübsch.« Sie ließ die schwarzen seidigen Wimpern flattern, lächelte gewinnend und setzte hinzu: »Aber eine Puppe wäre mir lieber gewesen.«

Gordon lachte laut. »Ihr werdet eine fabelhafte Herzogin sein. Und ich verspreche Euch, eine Puppe zu schicken, sobald ich wieder in Inverary bin. Einverstanden?«

Rob nickte.

Kurz darauf fand die Vermählung zwischen dem einzigen Sohn des Herzogs von Argyll und der einzigen Tochter des Grafen von Dunridge statt. Rob MacArthur liebte ihren galanten Gemahl lange Zeit von ganzem Herzen. Gordon Campbell reiste am nächsten Tag von Dunridge Castle ab und vergaß seine kindliche Braut, als habe es sie nie gegeben – was von einem fünfzehnjährigen Knaben wohl nicht anders zu erwarten war.

Die versprochene Puppe schickte er nie.

KAPITEL 1

Devereux House, London 1586

Der Herbst zeigte sich von seiner heitersten Seite an jenem letzten Tag im Oktober. Kein Wölkchen trübte den strahlendblauen Himmel, eine sanfte Brise strich über das Land.

Die Laubbäume im Park des Grafen von Basildon leuchteten in satten Gold- und Rottönen. Ein ganzer Trupp von Gärtnern hatte die Beete in den makellos gepflegten Rasenflächen mit Blumen in der leuchtenden Farbpalette des Herbstes bepflanzt. Neben weißen und gelben Chrysanthemen blühten Astern in allen Gold-, Rosa- und Rottönen; dazwischen prangten späte Pompondahlien, und die letzten Rosen verbreiteten ihren betörenden Duft.

Im Hintergrund des Parks standen eine weißstämmige Birke, eine immergrüne Eibe und eine majestätische Eiche wie drei alte Freunde zusammen. Die fünf Töchter des Grafen, wie die Orgelpfeifen im Alter von drei bis zehn, bildeten mit ihrer Mutter einen Kreis um die Eibe. Die Köpfe in den Nacken gelegt, blickten alle sechs zu der jungen schwarzhaarigen Frau hoch, die es sich in einer Astgabel bequem gemacht hatte.

»Hörst du mir zu?« fragte die hochschwangere Gräfin Basildon.

Rob MacArthur zog den würzigen Herbstduft nach Blumen und welkem Lauf tief ein und blickte auf ihre Zuschauer herab. »Ich höre dich, Tante Keely.«

Die Gräfin wandte sich an ihre Töchter: »Hört ihr mir auch zu?«

Rob lächelte über die fünf Meinen Mädchen, die so heftig nickten, daß ihre schwarzen Zöpfe hin und her tanzten. Rob, die seit einem Jahr bei Onkel Richard und seiner Familie lebte, liebte ihre Cousinen wie Schwestern, nach denen sie sich vergeblich gesehnt hatte.

»Sämtliche Gäste beim Herbstfeuer heute abend bekommen ein Eibenzweiglein«, erklärte Lady Keely. »Samhuinn, wie Allerheiligen in alter Zeit hieß, ist das Fest zum Gedenken an unsere lieben Verstorbenen. Und die Eibe ist das Symbol für Tod und Wiedergeburt. Mit den Eibenzweigen bringen wir zum Ausdruck, daß wir unsere Lieben nicht vergessen haben, die vor uns die große Reise ins Jenseits antraten. Habt ihr das verstanden?«

»Ja«, flötete der Chor der fünf Kinderstimmen.

Die Gräfin hob den Kopf zu ihrer Nichte im Baum. »Hast du das auch verstanden?«

»Ich weiß, was du damit sagen willst, Tante Keely.« Rob warf eine Handvoll Eibenzweige zur Erde, die ihre Cousinen eifrig aufsammelten. Dann hob sie den Kopf, blickte zum Haus und sah ihren Onkel über den gepflegten Rasen heranschlendern.

»Da kommt euer Vater«, verkündete sie.

Hinter dem Grafen tauchte Henry Talbot auf. Als er die Familie im hinteren Teil des Gartens entdeckte, steuerte der Marquis von Ludlow federnden Schrittes in ihre Richtung.

Bei seinem Anblick seufzte Rob. »Ist er nicht der schönste Mann, den du je gesehen hast?«

»Das war einer der Gründe, warum ich ihn geheiratet habe«, antwortete die Gräfin.

»Ich meine doch nicht Onkel Richard«, kicherte Rob bei der absurden Vorstellung, ihr Onkel sei ein schöner Mann. »Ich spreche von deinem Bruder Henry.«

»Rob liebt Henry«, verkündete die achtjährige Bliss Devereux im Singsang. »Rob liebt Henry.«

»Still, du kleine Nervensäge«, tadelte Rob. »Er kann dich hören.«

»Ich bin keine Nervensäge«, antwortete Bliss gekränkt.

»Aber eine schreckliche Landplage«, meinte die zehnjährige Blythe Devereux.

»Es ist nicht nett, so etwas zu sagen«, schalt Lady Keely ihre Älteste.

»Cousine Blythe, eine kleine Lüge richtet manchmal weniger Schaden an als die Wahrheit«, rief Rob vom Baum herunter und lächelte über den tadelnden Blick ihrer Tante.

»Wie gehen die Vorbereitungen voran?« fragte der Graf, als er sich näherte.

»Ausgezeichnet«, lächelte die Gräfin und tätschelte ihren gewölbten Leib. »Wie befohlen habe ich darauf verzichtet, auf den Baum zu klettern.«

»Papi?«

Richard blickte auf die sechsjährige Aurora herab, ein stilles, in sich gekehrtes Kind, das einen Eibenzweig hochhielt. Der Graf ging lächelnd in die Hocke. »Danke, mein Schatz«, sagte er und nahm ihr den Zweig ab.

»Papi?« ertönten zwei helle Stimmchen.

Richard blickte erst nach links, dann nach rechts, von einem der dreijährigen Zwillinge zum anderen. Summer und Autumn.

»Welcher Vogel hat keine Federn?« fragte Summer. »Der Spaßvogel«, krähte die kleine Autumn begeistert.

Alle lachten, nur der Herzog nicht. »Wer hat euch das beigebracht?« verlangte er zu wissen.

»Onkel Henry«, antworteten Blythe, Bliss und Aurora im Chor.

Der Graf kam wieder hoch und wandte sich an seine Gemahlin: »Sag deinem Bruder, er soll unsere Töchter mit seinen Dummheiten verschonen.«

»Wie kannst du so etwas sagen?« rief Rob von ihrer Astgabel herunter. »Henry redet keine Dummheiten.«

»Danke, daß du mich verteidigst, mein schönes Kind«, ließ eine melodische Stimme sich hinter dem Grafen vernehmen.

Rob lächelte Henry Talbot zu, und in ihrem Lächeln spiegelte sich die zärtliche Zuneigung, die sie für ihn empfand. Um einer Tirade ihres Onkels zuvorzukommen, rief sie: »Henry, hilfst du mir herunter?«

»Nichts lieber als das.« Henry stellte sich unter die Eibe und fing Rob auf, die federnd vom Baum sprang. Sie standen einander so nah, daß ihre Körper sich berührten.

Seine männliche Kraft und der frische, herbe Duft, der ihn umgab, machten Rob ein wenig benommen, und der Blick seiner blauen Augen zog sie in seinen Bann.

Henry, der sie nicht loslassen wollte, näherte ihr sein Gesicht. Seine Lippen wollten die ihren schon berühren, als Rob im letzten Moment den Kopf zur Seite drehte. Dabei pochte ihr Herz schneller. Wie sehr wünschte sie, frei zu sein, um sich seinem Kuß hingeben zu können.

Henry lachte leise und hauchte ihr einen Kuß auf die Wange. »Diesmal hätte ich es beinahe geschafft«, scherzte er.

»Beinahe zählt aber nicht«, entgegnete Rob und errötete, als sie das finstere Gesicht ihres Onkels bemerkte. »Papi?«

Richard Devereux wandte sich von Nichte und Schwager, die immer noch aneinander klebten wie die Kletten, der kleinen Aurora zu.

»Gestern hab’ ich gesehen, wie Onkel Henry versucht hat, Cousine Rob zu küssen«, berichtete die Kleine eifrig. »Aber sie hat es nicht zugelassen.«

»Nehmt euch ein Beispiel an eurer Cousine, meine Mädchen«, antwortete Richard in die Runde und setzte zu einem Vortrag über sein Lieblingsthema an, das dem Manne innewohnende Böse. »Alle Männer – so auch euer Onkel Henry – haben schlechte Absichten. Laßt niemals einen Mann auch zu nahe kommen.«

»Papi?«

»Ja, Blythe?«

»Du bist auch ein Mann«, stellte die Zehnjährige fest. »Hast du auch schlechte Absichten?«

Henry und Rob prusteten vor Lachen, während die Gräfin ihr Lächeln hinter der Hand verbarg. Der Graf warf dem Paar einen vernichtenden Blick zu, worauf Rob nur noch mehr lachen mußte.

»Meine Töchter, was sagt ihr, wenn ein Mann versucht, euch zu küssen?«

»Pfui, pfui, pfui!« riefen die fünf Mädchen im Chor.

Der Graf bedachte die drei Erwachsenen mit einem triumphierenden Blick und fragte weiter: »Und was macht ihr, wenn ein Mann euch küßt?«

»Er bekommt eine Ohrfeige«, riefen die fünf.

»Papi, Onkel Odo hat uns gesagt …«, fing Blythe an.

»… wir sollen einem Mann einen Tritt in die Lenden versetzen«, beendete Bliss den Satz.

»Was sind Lenden?« fragte Aurora.

»Ach, nichts«, meinte der Graf.

»Kinder, wenn ihr heute abend mitfeiern wollt«, meldete Lady Keely sich zu Wort, »müßt ihr einen Nachmittagsschlaf halten. Mrs. Ashemolde wartet schon auf euch.«

Der Graf ging vor den Zwillingen in die Hocke und legte einen Arm um jedes. »Gebt Papi einen Abschiedskuß«, sagte er.

»Pfui, pfui, pfui!« krähten Summer und Autumn.

Die drei Erwachsenen brachen in schallendes Gelächter aus. Diesmal ließ auch der Graf sich zu einem Lächeln herab.

Henry wandte sich an Rob: »Reitest du heute nachmittag mit mir aus?«

»Liebend gern«, antwortete sie. »Aber ich erwarte Isabelle jede Minute. Sie besucht uns für ein paar Wochen.«

»Dann warte ich mit dir am Bootssteg auf sie«, meinte Henry.

Hand in Hand schlenderten die beiden zur Themse. Das Ehepaar blickte ihnen eine Weile nach, dann tauschten sie besorgte Blicke. Der Graf zog fragend eine Augenbraue hoch, die Gräfin zuckte seufzend die Achseln.

»Henry ist verliebt in sie«, meinte Lady Keely. »Rob will seinen Antrag annehmen, wenn ihre Eltern es schaffen, eine Annullierung ihrer Ehe durchzusetzen.«

»Weiß dein Bruder, daß sie bereits verheiratet ist?« fragte Richard.

Keely schüttelte den Kopf. »Es ist nicht meine Aufgabe, es ihm zu sagen, und ich bezweifle, daß Rob ihn darüber aufgeklärt hat. Sie hofft auf gute Nachrichten aus Schottland.«

Henry und Rob schlenderten wie ein verliebtes Paar zum Bootssteg. Einmal versuchte der Marquis, sie zu küssen, doch Rob wich ihm geschickt aus und kicherte über ihren Sieg.

»Schick Henry für ein paar Wochen an den Königshof«, schlug Keely vor und hakte sich bei ihrem Gemahl unter. »Wenn er zurückkommt, wissen wir, ob eine Annullierung möglich ist.«

»Wie klug du bist, Liebste«, sagte Richard und begleitete sie zum Haus.

»Du hast mir einmal gesagt, ich könne nicht vernünftig denken«, erinnerte sie ihn.

Richard lächelte. »Ja, richtig. Doch mit deiner Entscheidung, mich zu heiraten, hast du mich eines Besseren belehrt.«

Unterdessen hatten Rob und Henry sich auf eine Steinbank am Flußufer gesetzt. Ihre Rechte war mit seiner Hand verschlungen, ihre Linke steckte in ihrer Rocktasche. Als sie sich dem Marquis zuwandte und bemerkte, wie er sie ansah, errötete Rob verlegen.

»Ich habe dich vor einer Moralpredigt meines Onkels bewahrt«, neckte sie. »Warum mußt du seinen Töchtern auch immer wieder alberne Scherze beibringen? Sie verstehen sie doch noch gar nicht.«

»Genau aus diesem Grund«, erklärte Henry. »Seit zehn Jahren ist Richard von dem Gedanken besessen, die Unschuld seiner Töchter zu hüten. Ich bringe ihn gern in Rage.«

»Das ist gemein«, entgegnete Rob.

Henry kicherte. »Bevor dein Onkel meine Schwester heiratete, war er ein verwegener und berüchtigter Frauenheld am Hofe der Tudors.«

»Onkel Richard?« rief Rob ungläubig. »Er wirkt so prüde.«

»Meine Schwester hat ihn gezähmt.«

»Wie hat sie das denn geschafft?«

»Indem sie ihm nie einen Kuß verweigerte«, log Henry. »Du tätest gut daran, dir an ihr ein Beispiel zu nehmen. Im übrigen kränkst du mich jedesmal, wenn du mir deine Lippen verweigerst.«

»Enttäuschung gehört zum Leben, Mylord«, entgegnete Rob mit einem schelmischen Seitenblick »Du wirst es überleben.«

»Hättest du kein schlechtes Gewissen, wenn ich meine Seele vor deinen Augen aushauche?« fragte er theatralisch.

»Du bist unverbesserlich«, antwortete sie lachend. »Ich küsse dich erst, wenn meine Verlobung gelöst ist. Denk daran, nur wer sich in Geduld übt, wird von Erfolg gekrönt.«

Henry legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich, so eng, daß sein Schenkel ihren Rock zerknautschte. Sehnsüchtig blickte er in die unergründlichen Tiefen ihrer smaragdgrünen Augen und flüsterte mit verführerisch rauher Stimme: »Liebste Rob, du erinnerst mich an ein Gewitter bei einem Picknick.«

Rob kicherte. »Und du erinnerst mich an einen verzogenen Bengel, der meint, daß ihm jeder Wunsch erfüllt wird.«

»Tut mir leid. Gib mir einen Kuß, und wir sind versöhnt.«

»Ich vergebe dir. Du darfst mir die Hand küssen.« Rob bot ihm die rechte Hand.

»Onkel Henry!«

Rob und Henry blickten über die Schulter. Blythe rannte über den Rasen heran.

»Onkel Henry«, rief sie atemlos. »Papa will mit dir sprechen. Jetzt gleich.«

Henry winkte seiner Nichte zu und wandte sich wieder an Rob. »Liebste, ich fürchte, du konntest die Moralpredigt lediglich aufschieben. Begleitest du mich zum Haus zurück?«

Rob blickte über die Themse und schüttelte den Kopf. In der Ferne kam eine Barkasse um die Flußbiegung gefahren. »Isabelle wird bald da sein.«

»Ich bin in wenigen Minuten zurück«, sagte Henry und stand auf. »Ich warne dich, schönes Kind. Heute abend beim Feuerschein raube ich dir einen Kuß.«

»Du kannst es gern versuchen«, entgegnete sie schnippisch.

Rob sah Henry und Blythe nach, die zum Haus schlenderten. Der Marquis von Ludlow mit seinem rabenschwarzen Haar und den himmelblauen Augen war der Traum jedes jungen Mädchens. Rob seufzte. Sie liebte ihn. Wieso nur begriff er nicht, daß sie ihm keine Freiheiten gestatten konnte, bevor die Annullierung ihrer Ehe beschlossen war?

Weil er nicht weiß, daß ich bereits verheiratet bin, beantwortete Rob ihre eigene Frage. Gewissensbisse nagten an ihr. Betrügerei und Heimlichkeiten lagen ihr nicht, doch sie konnte und wollte das Risiko nicht eingehen, auf Henrys zärtliche Blicke verzichten zu müssen, wenn sie ihm die Wahrheit gestand.

Gordon Campbell wird froh sein, unsere Ehe aufzulösen, dachte Rob. Falls er sich überhaupt daran erinnert, daß er eine Ehefrau hat. Der Marquis von Inverary hatte nie ein Lebenszeichen von sich gegeben, keinen Brief, kein Geschenk, nichts. Als er nach der Hochzeit von Dunridge Castle abgereist war, schien der Knabe sich in Luft aufgelöst zu haben.

Rob verdrängte die schmerzliche Erinnerung und lächelte innerlich. Sie hatte ihr Ziel erreicht und war eine echte englische Lady geworden wie ihre Mutter. Sie hatte ihr Glück in England gefunden und schwor sich, nie wieder ins schottische Hochland zurückzukehren.

Rob nahm die linke Hand aus der Tasche ihres Kleides, betrachtete das Muttermal in Form einer Teufelsblume und strich mit dem Finger darüber. Die Haut auf dem Mal fühlte sich nicht anders an als normale Haut, und dennoch hatte ihr das Zeichen ihr Leben lang Kummer bereitet. Wie seltsam, daß ein so harmlos aussehender Fleck so viel Herzeleid verursachen konnte.

»Rob?«

Beim Klang der Stimme hob Rob den Kopf und sprang mit einem Freudenschrei auf. »Isabelle!«

Der Bootsmann half der blonden Freundin an Land, und die beiden zierlichen jungen Frauen flogen einander in die Arme. Aus dem Nichts tauchten zwei Diener des Grafen auf und trugen Isabelles Gepäck zum Haus.

»Du hast mir gefehlt«, lachte Rob.

»Du hast mir noch mehr gefehlt«, lächelte Isabelle Debrett.

»Komm, es ist so angenehm warm. Laß uns ein wenig in den Garten setzen und plaudern«, schlug Rob vor und ließ ihre linke Hand in die Tasche gleiten. »Oder möchtest du dich etwas ausruhen?«

»Ich bin viel zu aufgeregt, um mich auszuruhen«, gestand Isabelle. »Nimm die Hand aus der Tasche!« setzte sie im Befehlston hinzu.

»Aber …«

»Tu, was ich dir sage!«

Rob tat zögernd, wie ihr befohlen, und Isabelle nahm die befleckte Hand in die ihre. Gemeinsam schlenderten sie zur Steinbank.

Rob fühlte sich unbehaglich, da die Freundin ihre Hand nicht freigab, und setzte sich steif neben sie. Sie hätte ihr gern die Hand entzogen, wollte sie jedoch nicht kränken.

Isabelle strich mit dem Finger über das sechsblättrige Blütenmal. »So zart und trotzdem so deutlich«, murmelte sie, sah hoch und lächelte.

Entsetzt über die Geste und verwundert über die Worte der Freundin, blickte Rob ihr in die Augen. Erkannte sie denn das Teufelszeichen nicht? Was wäre, wenn Isabelle sich plötzlich bekreuzigte, um Böses von sich abzuwenden? Könnte sie es erfragen, ihre einzige Freundin zu verlieren?

»Ich bin so glücklich, daß du meine Freundin bist«, sagte Isabelle.

Tränen stiegen Rob in die Augen. »Ich … ich hatte nie eine Freundin, bevor ich dich traf«, gestand sie.

»Mir geht es nicht anders«, nickte Isabelle. »Du bist die einzige Vertraute, die ich je hatte.«

»Du hast wenigstens zwei Schwestern.«

»Stiefschwestern«, verbesserte Isabelle sie. »Sie haben mich nie als echte Schwester anerkannt.«

»Aus purer Eifersucht«, antwortete Rob aufgebracht. »Du bist so hübsch und süß im Gegensatz zu Lobelia und Rue, die beide so häßlich sind, wie die Nacht finster ist.«

»Es ist nicht nett, so etwas zu sagen«, lächelte Isabelle. »Lobelia und Rue sind nur nicht besonders hübsch.«

»Belle, wie kannst du sie auch noch verteidigen?« fragte Rob entrüstet. »Die beiden behandeln dich wie ihre Zofe. Noch dazu eine unbezahlte Zofe. Und deine Stiefmutter ist auch nicht besser.«

Isabelle zuckte die Schultern. »Delphinia, Lobelia und Rue sind die einzigen Angehörigen, die ich noch habe, seit Papa von uns gegangen ist.«

»Was ist mit deinem Cousin Roger?«

»Ich spreche von nahen Verwandten. Im übrigen hat Roger alle Hände voll zu tun, einen Berg Gold anzuhäufen; ihm bleibt keine Zeit, sich um mich zu kümmern.« Isabelle entdeckte den gutaussehenden Mann, der sich ihnen näherte, und flüsterte: »Da kommt der Marquis von Ludlow.«

Rob entzog der Freundin hastig die Hand und steckte sie in die Tasche. Um ihre Geste zu vertuschen, meinte sie entschuldigend: »Es ist kühl geworden, findest du nicht?«

Isabelle schüttelte den Kopf und bedachte die Freundin mit einem fragenden Blick.

»Lady Isabelle, willkommen in Devereux House«, begrüßte Henry die blonde junge Dame mit einem gewinnenden Lächeln und wandte sich an Rob. »Dein Onkel schickt mich an den Hof, und ich kann zum Fest heute abend leider nicht hier sein. Wie wär’s mit einem verfrühten Samhuinnkuß, mein schönes Kind?«

Sein unverblümtes Angebot vor der Freundin ließ Rob verlegen erröten. »Vielleicht gebe ich dir einen Begrüßungskuß bei deiner Rückkehr«, antwortete sie ausweichend.

Henry hob ihre rechte Hand an die Lippen, blickte ihr tief in die Augen und sagte schwärmerisch: »Liebste, du machst einen Narren aus mir.«

Isabelle lachte prustend.

Rob kicherte und parierte: »Mylord, Ihr wart schon ein Narr, ehe Ihr mich kennengelernt habt.«

Als sie dem Marquis nachsah, wie er zum Bootssteg ging, breitete sich so etwas wie Erleichterung in Rob aus. Sie liebte ihn von ganzem Herzen, sehnte sich aber nach Luft zum Atmen. Sie wollte jede Minute mit der Freundin auskosten, und Henrys Abreise kam ihr wie gerufen.

»Ludlow ist in dich verliebt«, stellte Isabelle fest.

»Ja, das behauptet er«, antwortete Rob, den Blick immer noch auf seine sich entfernende Gestalt geheftet. »Ich küsse ihn aber erst, wenn ich frei bin.«

»Denkst du, Campbell gibt seine Zustimmung?« fragte Isabelle.

»Ich weiß nicht.« Rob nahm die linke Hand aus der Tasche, zog den ziselierten Goldreif vom kleinen Finger und drehte ihn bedächtig.

Isabelle nahm ihr den Ring ab und beäugte ihn eingehend. »Innen ist ein Schriftzug eingraviert.«

»›Du und keine andere‹«, erklärte Rob.

»Wie romantisch«, schwärmte Isabelle und vergaß Henry Talbot. »Der Marquis von Inverary muß dich lieben. Was hat er gesagt, als er dir den Ring ansteckte?«

»Irgend etwas, daß ich seine Gemahlin sei und er mir auf ewig treu sein wird«, antwortete Rob und hoffte, die Freundin irre sich über die Gefühle des Marquis. »Alles nur dummes Geschwätz.«

»Campbell verehrt dich«, widersprach die Freundin. »Kein Mann würde solche Worte zu einer Frau sagen, wenn es ihm nicht ernst damit wäre.«

Rob schüttelte den Kopf. »Isabelle, du siehst immer nur das Gute in den Menschen. Campbell hat mir in all den Jahren nicht eine einzige Zeile geschrieben.«

»Vielleicht hatte er zuviel zu tun.«

»Zehn Jahre lang?« entgegnete Rob und zog eine dunkle, geschwungene Braue hoch.

»Möglicherweise«, meinte Isabelle unbeirrt, dann seufzte sie schwärmerisch. »›Du und keine andere‹. O ja, der Marquis von Inverary liebt dich. Ich wette, das ist genau der Grund, warum er sich Zurückhaltung auferlegt hat. Campbell wollte nicht in Versuchung kommen, während du zur Frau erblüht bist. Stell dir nur vor, Rob: All die langen, langen Jahre hat Gordon Campbell dir die Treue gehalten …«

Holyroodhouse Palace, Edinburgh

»Komm wieder ins Bett und wärme mich«, gurrte die Gräfin Galbraith.

Gordon Campbell schien die Einladung nicht zu hören. Nur mit schwarzen Reithosen und Reitstiefeln bekleidet, stand er am Fenster des Schlafgemachs und blickte auf Holyrood Park hinaus.

Der Morgen des ersten November war bedrückend grau und frostig. Bunte Herbstblätter bedeckten die vergilbten Rasenflächen. Kahle Äste reckten sich in den düsteren Himmel.

Gordon betrachtete das welke Laub und die kahlen Bäume. Kein Wind, registrierte er. Der bedeckte Himmel war eine ideale Voraussetzung für sein Golfspiel mit König James. Gegen den König zu verlieren, ohne die Absicht erkennen zu lassen, war an einem windstillen Tag einfacher.

»Gordy, hast du gehört?« fragte Lavinia Kerr schmollend. »Mir ist kalt.«

Gordon drehte sich um und lächelte die üppige Rothaarige träge an, die sich unter die Decke des Baldachinbettes kuschelte. Seine neue Geliebte besaß alle Eigenschaften, die er an Frauen schätzte: Sie war dumm, oberflächlich – und sie war verheiratet.

›Keine Verpflichtungen‹ war die Regel Nummer eins in Gordons Lebensphilosophie. Er brauchte keine zarten Fesseln, um sich in seinen ehrgeizigen Plänen behindern zu lassen, und war froh, den Rat seines Vaters befolgt und mit fünfzehn die Tochter MacArthurs geheiratet zu haben. Seine Vermählung hatte ihn davor bewahrt, eine hübsche raffgierige Person wie Lavinia zu heiraten. Wenn es ihm gefiel, würde Gordon seine Affäre mit der feuerroten Schönheit in der üblichen Weise beenden. Er würde ihr ein kostbares Geschenk überreichen und sie mit einem letzten Klaps auf ihren göttlichen Hintern zum Teufel schicken. Beziehungsweise zum nächsten Liebhaber … Daran hatte er keinen Zweifel.

»Was siehst du mich so an?« fragte sie mit einem koketten Lächeln ihres Erdbeermundes.

»Ich bewundere die schönste Frau Edinburghs«, antwortete Gordon, schlenderte durchs Zimmer und setzte sich an die Bettkante.

Lavinia richtete sich auf, die Bettdecke rutschte nach unten und entblößte ihre Brüste. »Du kannst wunderbar mit Worten umgehen«, raunte sie und ließ ihre Hand über seine nackte Brust gleiten. »Zieh dich aus. Ich brauche dich.«

»Als du heute morgen in mein Bett geschlüpft bist«, erinnerte Gordon sie, »habe ich dir gesagt, daß ich nicht viel Zeit habe. Ich spiele Golf mit James.«

»Der König spielt nicht Golf, wenn es regnet«, widersprach sie.

»Es regnet nicht«, entgegnete er. »Willst du nicht mitkommen?«

»Ich hasse Golf.«

»Schade.« Gordon blickte ihr tief in die Augen und fügte in gespielter Wehmut hinzu: »Du hättest die vollkommene Haltung für’s Golf spielen.«

»Ach wirklich?«

»Ja, du machst die Beine so schön breit.«

»Du bist vulgär.« Lavinia hob die Nase in die Luft. »Wann wirst du mich heiraten?«

Gordon beugte sich über sie und nagte an ihrer Halsbeuge. Schmunzelnd erinnerte er sie: »Hast du vergessen, Schatz? Du hast schon einen Ehemann.«

»Galbraith ist ein alter Mann und lebt nicht mehr lange«, entgegnete Lavinia ungerührt. »Fordere ihn zum Duell, und der Fall ist erledigt.«

»Wie kannst du nur!« rief Gordon mißbilligend. »Es wäre unehrenhaft, einen alten Mann zu fordern, der sich nicht wehren kann. Und vergiß nicht, meine Schöne, auch ich bin verheiratet.«

»Mit der kleinen MacArthur?« Lavinia lachte verächtlich. »Laß die Ehe annullieren.«

Gordon wollte zu einer Antwort ansetzen, als es an der Tür klopfte. Er warf Lavinia einen argwöhnischen Blick zu und hoffte, daß sie nicht einen ihrer üblen Tricks ausspielte und dafür sorgte, daß Galbraith das Pärchen in einer kompromittierenden Lage ertappte und gezwungen wäre, den Nebenbuhler zum Duell zu fordern. Einen Mann zu töten, der sein Großvater sein könnte, wäre Gordon ausgesprochen unangenehm. Vielleicht sollte er sich nach dem Golfspiel um ein Abschiedsgeschenk kümmern.

»Gordy? Bist du da drin?« Die Stimme gehörte seinem Freund Mungo MacKinnon.

»Dein Cousin. Deck dich zu!« sagte Gordon leise und rief dann: »Komm herein, Mungo.«

Die Tür flog auf, und Mungo MacKinnon betrat das Zimmer. Der schlanke junge Mann war einen Kopf kleiner als Gordon, hatte hellblondes Haar und tiefliegende blaue Augen. Er lehnte seine Golftasche an die Wand und feixte in Lavinias Richtung.

»Cousine, du siehst entzückend zerzaust aus«, neckte er sie. »Wie geht es dem Herrn Gemahl?«

»Sehr komisch.«

»Bist du noch nicht fertig?« fragte Mungo den Freund. »Wir sollten Seine Majestät nicht warten lassen.«

Gordon erhob sich, schlüpfte in die Ärmel eines weißen Hemdes und griff nach einer schwarzen Lederweste. »Ich wollte Lavinia überreden, uns zu begleiten«, meinte er, und seine grauen Augen funkelten schelmisch.

Lavinia warf das Kopfkissen nach ihm, dabei entglitt ihr die Bettdecke und entblößte ihre Brüste. Sie errötete verschämt und bedeckte sich.

Die beiden Männer wieherten vor Lachen über ihre Schamhaftigkeit. Es klopfte ein zweites Mal an der Tür, diesmal mehrmals und dringlich. Die beiden Herren verstummten erschrocken.

Mungo zog hastig die Bettvorhänge zu, Gordon durchquerte das Zimmer und öffnete die Tür einen Spalt. Auf dem Flur stand ein Mann im schwarzgrün karierten Campbell-Tartan.

Beim Anblick des Marquis von Inverary verbeugte der Bote sich und überreichte ihm ein versiegeltes Schriftstück. »Von Eurem Herrn Vater, Euer Gnaden.«

»Ich bin heute nachmittag wieder in unserem Haus«, sagte Gordon und nahm das Schriftstück entgegen. »Haltet Euch zu meiner Verfügung, falls die Nachricht einer Antwort bedarf.«

Der Bote verneigte sich und ging.

Gordon schloß die Tür, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und brach das Wachssiegel.

»Eine Nachricht aus Argyll?« fragte Lavinia neugierig und tauchte, in die Bettdecke gehüllt, hinter dem Vorhang auf.

Gordon warf dem Freund einen vielsagenden Blick zu, der die Augen über die Neugier seiner Cousine zum Himmel drehte.

Gordon begann zu lesen. Den darin enthaltenen Befehl hatte er irgendwann einmal erwartet, doch ihn nun schriftlich dargelegt zu sehen, erschreckte ihn. Die zehn Jahre schienen ihm mit einemmal wie ein Wimpernschlag vergangen zu sein.

Gordon schloß die Augen und versuchte sich vorzustellen, wie seine Braut als erwachsene Frau aussah. Doch er sah nur ein achtjähriges Mädchen mit einem Engelsgesicht vor sich, das sich vor einem Drachen unter seinem Bett fürchtete. Ob sie sich tatsächlich zu einer Schönheit entpuppt hatte?

»Die Nachricht scheint nicht gerade erfreulich zu sein«, stellte Lavinia fest.

Gordon sah sie lange an und hoffte, von einem ihrer Jähzornanfälle verschont zu bleiben. »Meine Braut ist reif«, sagte er düster. »Mein Vater erteilt mir Anweisung, sie zu holen.«

»Du kannst mich nicht verlassen«, kreischte Lavinia außer sich. »Cousin, sprich mit ihm.«

»Livy, er muß seinem Vater gehorchen«, entgegnete Mungo mit einem Schulterzucken.

»Wenn du die Ehe nicht vollziehst«, fuhr Lavinia fort, »kannst du sie für ungültig erklären lassen.«

»Ich werde mich hüten, so etwas Törichtes zu tun«, erklärte Gordon entschlossen. »Damit würde ich einen Zwist zwischen unseren Familien hervorrufen.«

»Dann hast du mich nie geliebt«, warf Lavinia ihm bitter vor.

Wie recht du hast, dachte Gordon. Liebe war etwas für Weiber und Dummköpfe.

Dann zog er sie an sich und tröstete sie mit einer Schmeichelei. »Livy, Liebe hat doch nichts mit Ehe zu tun. Das weißt du ebenso wie ich.«

»Du hast mir versprochen, mich morgen zum Maskenball des Königs zu begleiten«, schmollte sie.

»Denkst du, ich schwinge mich sofort aufs Pferd und reite los?« fragte Gordon. »Die kleine MacArthur hat zehn Jahre gewartet. Also kann sie noch ein paar Tage länger warten.«

Lavinia schlang lächelnd die Arme um seinen Hals, schmiegte sich an seinen sehnigen Körper und gurrte: »Dann brichst du mir also erst in ein paar Tagen das Herz?«

Ihr verführerischer Duft verwirrte ihm seine Sinne. Gordon stählte sich gegen die Versuchung und schob sie von sich.

»Gütiger Himmel, Livy. Drück dich nicht so an mich«, schalt er. »Du weißt, daß ich es nicht ertrage, erstickt zu werden.«

Mungo lachte. Gordon Campbell war bislang der einzige Mann, der die Willenskraft besaß, seiner schönen Cousine zu widerstehen.

Lavinia fuhr wütend zu Mungo MacKinnon herum. »Du wagst es, dich über mein gebrochenes Herz lustig zu machen?«

Der absurde Gedanke, Lavinia würde auch nur eine einzige Träne wegen eines Mannes vergießen, erheiterte Gordon, und er kicherte in sich hinein. Lavinia hob den Arm.

Gordon war schneller, packte ihr Handgelenk und zog sie an sich. Seine Lippen nahmen ihren Mund in Besitz, und sein atemberaubender Kuß entfachte ihr Verlangen nach ihm von neuem.

»Sei nicht dumm«, raunte er an ihrem Mund. »Ich bringe die Kleine nach Inverary Castle und komme nach Edinburgh zurück.«

Lavinias Züge hellten sich zu einem zufriedenen Lächeln auf.

»Sobald ich fort bin, huschst du ungesehen in dein Gemach«, befahl Gordon ihr. »Zieh dich zum Ausgehen an und sei fertig, bis ich zurückkomme.«

»Zum Ausgehen?« wiederholte Lavinia neugierig.

Gordon lächelte. »Ja, meine Schöne. Ich möchte dir etwas Hübsches schenken.« Mit diesen Worten ergriff er seine Golftasche und winkte dem Freund zu.

»Ich reite mit dir nach Argyll«, bot Mungo ihm an, als die Freunde das Schlafzimmer verließen.

»Ich dachte, du kannst die MacArthurs nicht leiden«, entgegnete Gordon.

»In Edinburgh kleben mir die Gläubiger an den Fersen«, erklärte Mungo. »In diesem Fall sind die MacArthurs das kleinere Übel.«

Gordons Lachen erstarb, als ein schwerer Gegenstand gegen die geschlossene Tür hinter ihnen krachte. Die beiden Männer verharrten und blickten sich sinnend um.

»Lavinia macht ihrem Ärger Luft«, meinte Mungo.

»Nun bekommt die kleine MacArthur den Titel, auf den sie so erpicht war.«

Gordon sah ihn an. »Sie wird es überleben. Soweit ich weiß, hat eine kleine Enttäuschung noch keiner Menschenseele das Leben gekostet.«

Die beiden Männer schulterten ihre Golftaschen und gingen den Korridor entlang.

»Ich breche morgen früh nach Argyll auf«, ließ Gordon den Freund wissen. »Wenn du mich begleiten willst, halte dich bei Tagesanbruch bereit.«

Mungo sah ihn erstaunt an. »Aber du hast Lavinia …«

»Livy wird erst davon erfahren, wenn ich fort bin.« Und mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu: »Das Geschenk, das ich ihr heute kaufe, wird sie beruhigen … Ah, sieh da! Das Unglück naht in doppelter Ausführung.«

Mungo blickte den Korridor entlang. Aus der Gegenrichtung näherten sich Lady Armstrong und Lady Elliott, die den beiden Herren ein kokettes Lächeln schenkten.

»Guten Morgen, meine Damen«, grüßte Gordon seine beiden verflossenen Geliebten.

»Kommt Ihr zum Maskenball des Königs morgen abend?« fragte Lady Elliot, an Mungo gerichtet.

»Wir reisen morgen früh nach Edinburgh«, antwortete Gordon für ihn.

»Da wird die arme Lavinia aber sehr enttäuscht sein«, bemerkte Lady Armstrong mit geheuchelter Anteilnahme.

»Zum Teufel mit Lavinia Kerr«, versetzte Lady Elliott schnippisch, den Blick immer noch auf Mungo gerichtet. »Ich bin weit mehr enttäuscht.«

»Wir sind mit Seiner Majestät verabredet und dürfen uns nicht verspäten«, meinte Gordon und zupfte den Freund am Ärmel. »Wenn die Damen uns entschuldigen wollen.«

»Wieso tust du das?« fragte Mungo, während die Freunde weiter den Korridor entlang eilten. »Lady Elliott scheint an mir interessiert zu sein.«

»Lady Elliott ist verheiratet«, erinnerte Gordon den Freund.

»Du hast sie gehabt«, versetzte Mungo. »Dich hat es nicht gestört, daß sie verheiratet ist.«

»Eine verheiratete Geliebte zu haben ist ein Luxus, den sich nur ein reicher Mann leistet«, belehrte Gordon den Freund. »Für dich wäre es Zeitverschwendung. Du mußt einer reichen Erbin den Hof machen.«

»Und wie soll mir das bei meinen Aussichten gelingen?«

»Das Wichtigste ist, einer Dame das zu sagen, was sie gern hört,« riet Gordon ihm. »Sag einer schönen Frau, daß sie klug ist, und einer klugen Frau, daß sie schön ist.«

»Und wenn besagte Dame schön und klug ist?«

»Dann lauf so schnell du kannst davon, mein Freund«, warnte Gordon. »Du mußt den Damen das geben, wonach sie sich insgeheim sehnen, dann tun sie alles für dich. Eigentlich ist es auch nicht anders, als dem König Honig um den Bart zu schmieren.«

Mungo warf dem Freund einen prüfenden Seitenblick zu. »Ich glaube, es stimmt, was die Leute sagen.«

»Was denn?«

»Unter den Campbells gibt es mehr Gauner als ehrliche Männer bei anderen Clans.«

Gordon feixte. »Danke für das Kompliment.« Er legte dem Freund den Arm um die Schultern und fuhr fort: »Kennst du die Geschichte von Reverend John Knox, der am Sonntag Golf spielte?«

Mungo schüttelte den Kopf.

»An einem herrlichen Sonntagmorgen stahl der rechtschaffene Reformator sich heimlich auf den Golfplatz und spielte eine Runde«, erzählte Gordon. »Gott sah, was der Heuchler machte, und strafte ihn mit einem ›Hole in One‹.«

»Aber das ist doch keine Strafe«, wunderte Mungo sich.

»Seltsam, daß du das sagst«, antwortete Gordon. »Petrus sagte nämlich genau dasselbe. Gott aber zog eine Augenbraue hoch und antwortete dem heiligen Petrus: ›Ach nein? Und wem kann er davon erzählen?‹«

Mungo kicherte. »Geschieht dem Kerl ganz recht. Mein Onkel sagte mir immer, früher sei der Sonntag der schönste Tag in der Woche gewesen, ehe John Knox mit seinen neuen Geboten daher kam.«

Gordon lachte. »Das sagte mein Vater auch immer … Komm, wir müssen uns beeilen. Wir wollen Jamie nicht warten lassen. Du weißt, was das bedeutet.«

»Ja, es würde uns eine Stange Geld kosten, mehr als ich mir leisten kann.«

Gordon und Mungo beschleunigten ihre Schritte, bogen in einen Seitenflur ein und stießen beinahe mit einem Herrn zusammen, der von der anderen Seite um die Ecke bog. Im schwach erleuchteten Flur wirkte der Fremde düster und bedrohlich.

»Na, das nenne ich Glück«, rief der Fremde und lächelte den Marquis freundlich an. »Ich finde Euch, ohne suchen zu müssen.«

Gordon musterte das grünschwarze, mit gelben Nadelstreifen durchzogene Karo des Fremden. Einer aus dem MacArthur-Clan, stellte er fest. Der Mann kommt, um mir zu sagen, daß meine Braut reif ist. Erst als er dem Fremden in die dunklen Augen sah, erkannte Gordon seinen Schwager.

Hoch gewachsen und athletisch gebaut, hatte Dubh MacArthur Haare und Augen schwarz wie eine mondlose Nacht und ein verwegenes Lächeln, das selbst eine Nonne ihr Keuschheitsgelübde vergessen ließ. Der älteste Sohn der MacArthurs war mit fünfundzwanzig das Ebenbild seines Vaters als junger Mann.

»Ich grüße Euch, Vetter Dubh«, sagte Gordon freundlich. »Was führt Euch nach Holyrood House?«

»Ihr natürlich.«

Gordon zog die Augenbrauen hoch. Im Begriff, die beiden Herren einander vorzustellen, zögerte er bei dem kalten Haß, der aus den blauen Augen seines Freundes blitzte. Wieso hegte MacKinnon eine solche Abneigung gegen die MacArthurs? Kein gutes Vorzeichen für künftige freundschaftliche Beziehungen.

Gordon faßte sich schnell und setzte ein gewinnendes Lächeln auf. »Darf ich Euch Mungo MacKinnon vorstellen, einen meiner besten Freunde.«

»Seid Ihr mit meiner Cousine Glenda verwandt?« fragte Dubh den schlanken, blonden Mann.

»Ihre Mutter Antonia war eine Schwester meines verstorbenen Vaters«, antwortete Mungo.

Dubh streckte ihm freundschaftlich die Hand entgegen. »Dann freut es mich um so mehr, Eure Bekanntschaft zu machen.«

Mungo zögerte, senkte den Blick von MacArthurs dunklen Augen zu seiner ausgestreckten Hand. Schließlich schlug er ein, lächelte, doch seine blauen Augen blieben kalt.

»Wir verspäten uns zu einer Runde Golf mit dem König«, erklärte Gordon an Dubh gewandt. »Begleitet uns, und ich stelle Euch vor. Unterwegs können wir reden.«

Während die drei Herren ihren Weg fortsetzten, musterte Gordon seinen Schwager von der Seite. Als Dubh ihn anlächelte, hatte Gordon das unangenehme Gefühl, Zielscheibe eines Scherzes zu sein, den nur sein Schwager kannte.

»Seltsam, daß Ihr ausgerechnet heute in Edinburgh eintrefft«, stellte Gordon fest. »Mungo und ich brechen morgen früh nach Dunridge Castle auf. Es ist höchste Zeit, meine Gemahlin nach Inverary zu holen.«

»Den Weg könnt Ihr Euch sparen, Schwager.« Dubh sah ihn lange an. »Eure Frau trefft Ihr dort nicht an.«

Gordon blieb stehen. »Was soll das heißen?« fragte er verwirrt. »Ist sie tot?«

»Rob ist in England«, klärte Dubh ihn auf. »Seit einem Jahr hält sie sich zu Besuch bei Onkel Richard auf.«

»Dem Grafen von Basildon?« fragte Gordon.

»Dem Midas der englischen Königin?« hakte Mungo sichtlich beeindruckt nach.

»Ja, genau«, antwortete Dubh.

»Wann erwartet Ihr das Mädchen zurück?« fragte Gordon, insgeheim erleichtert, den Beginn seines langweiligen Ehelebens noch ein wenig hinauszuzögern.

Dubh warf dem blonden Mann einen flüchtigen Blick zu und sagte dann zu seinem Cousin: »Das würde ich Euch lieber unter vier Augen sagen.«

»Vor meinem Freund könnt Ihr offen sprechen«, entgegnete Gordon. »Aber bitte macht es kurz. Wir haben den König lange genug warten lassen.«

Dubh achtete nicht auf den barschen Ton seines Schwagers, neigte den Kopf zur Seite und lächelte. »Rob will in England bleiben und möchte die Ehe für ungültig erklären lassen.«

Mungo brach in wieherndes Gelächter aus. Doch beim tadelnden Blick des verblüfften Marquis blieb ihm das Lachen im Halse stecken.

»Sie will von mir die Auflösung der Ehe?« Gordon konnte nicht glauben, was er da hörte. Niemals hatte eine Frau ihn abgewiesen. Der Vorschlag der kleinen MacArthur, die Ehe annullieren zu lassen, war eine bodenlose Frechheit.

Dubh nickte feixend. »Ihr habt es erfaßt, Cousin.«

»Ich verweigere meine Zustimmung«, entgegnete Gordon und verbarg seine Verlegenheit hinter einem schroffen Ton. »Sagt Eurem Vater, er soll sie nach Hause beordern.«

»Bei allem Respekt, Herr Marquis, Rob ist Eure Gemahlin«, entgegnete Dubh. »Wenn Ihr sie haben wollt, so holt sie Euch.«

»Heißt das etwa, der Graf billigt ihre Aufsässigkeit?« fragte Gordon.

»Das habe ich nicht gesagt«, entgegnete Dubh. »Wir MacArthurs haben seit zehn Jahren kein Sterbenswörtchen von Euch gehört. Wie sollen wir ahnen, welche Absichten Ihr habt? Um das herauszufinden, bin ich hier.«

Gordon tat ihm den Gefallen zu erröten, ehe er sich verteidigte. »Ich habe mir Verdienste bei Hofe erworben – zum Besten meines Clans.« An den Freund gewandt, fuhr er fort: »Hast du Lust, mit mir nach England zu reiten?«

Mungo nickte. »Vielleicht hat der König einige Botschaften für seine Gesandten am englischen Hof.«

»Ich begleite Euch«, sagte Dubh. »Ich habe meine kleine Schwester bisher noch immer zur Vernunft gebracht.«

Gordon schmunzelte. »Das letzte Abenteuer meiner Junggesellentage. Wir drei geben uns ein Stelldichein mit den Sassenach-Teufeln.«

»Meine Mutter ist Engländerin«, erinnerte Dubh den Schwager. »Die Engländer sind keine Teufel, Gordon, nur Menschen wie Ihr und ich.«

»Nur ein Teufel kann einer unschuldigen Braut einreden, sich von ihrem Gemahl abzuwenden«, antwortete Gordon.

»Vielleicht hat der Gemahl die Achtung der Braut ohne Zutun anderer verloren«, konterte Dubh mit einem gleichmütigen Lächeln.

Mungo MacKinnon kicherte und erntete einen strafenden Blick des erzürnten Marquis.

»Was immer der Grund für die Launenhaftigkeit meiner Braut ist«, verkündete Gordon hochtrabend, »ich werde die Kleine zur Vernunft bringen.«

KAPITEL 2

»Was immer dabei herauskommt, ich bin entschlossen, Henry die Wahrheit zu gestehen«, verkündete Rob. Mit einem Blick in das zweifelnde Gesicht ihrer Freundin setzte sie hinzu: »Ich spreche mit ihm, sobald er vom Königshof zurückkehrt.«

»Hältst du das für klug?« fragte Isabelle. »Vielleicht erzürnst du ihn damit nur. Schließlich hast du ihm deine Ehe länger als ein Jahr lang verheimlicht.«

»Das Wagnis muß ich eingehen«, entgegnete Rob mit einem Schulterzucken. »Wenn er mich wirklich liebt, hält Henry zu mir, bis die Annullierung durchgefochten ist.«

»Ich helfe dir, das Schlimmste zu überstehen«, versprach Isabelle und drückte der Freundin die Hand. »Wie gut, daß es dich gibt. Ohne dich würde ich den Mut vielleicht nicht aufbringen«, lächelte Rob dankbar. »Wann erwartest du Henry?«

»Ich weiß nicht«, seufzte Rob. »Ich habe gehofft, er werde zum Fest heute abend zurück sein.«

Die Freundinnen schlenderten durch den Garten des gräflichen Anwesens und genossen die winterliche Sonne an diesem Dezembernachmittag. In ihrem unterschiedlichen Erscheinungsbild ergänzten die jungen Damen sich reizvoll. Beide waren von zierlich-schlanker Gestalt; Robs ebenholzschwarzes Haar und ihre smaragdgrünen Augen bildeten einen lebhaften Kontrast zu Isabelles goldblonden Locken und blauen Augen.

In der Nacht war der erste Schnee dieses Winters gefallen, und eine dünne Schneedecke dämpfte ihre Schritte. Auf den kahlen Zweigen einer Eberesche hatte sich eine Schar Stare niedergelassen, die laut zwitschernd die letzten roten Beeren pickten. Und in einer Birke konnte man sogar zwei sonst so scheue Zaunkönige bewundern, die man im Sommer während der Brutzeit nie zu Gesicht bekam.

Rauch aus den Kaminen der noblen Stadthäuser entlang der vornehmsten Prachtstraße Londons würzte die kristallklare, kalte Winterluft.

»Tante Keely sagt, es sei ein walisischer Brauch, sich zum Julfest unter einem Mistelzweig zu küssen«, erzählte Rob der Freundin. »Ich werde Henry einen Kuß gestatten.«

»Deine Tante ist ja beinahe eine Heidin, stimmt’s?« meinte Isabelle lächelnd. »Und dein Onkel ist erstaunlich guter Dinge für einen Mann, der soeben Vater einer sechsten Tochter geworden ist.«

»Tante Keely hat Onkel Richard hoch und heilig versprochen, ihm beim nächsten Mal einen Jungen zu schenken«, antwortete Rob. »Deshalb haben sie das Neugeborene Hope getauft.«

»Woher will sie wissen, daß es ein Junge wird?« Rob zuckte die Achseln. »Bisher hat sie immer recht behalten … Autsch!«

»Au!« rief auch Isabelle und zog die Schultern hoch.

Von Schneebällen in den Rücken getroffen, duckten die Freundinnen sich, als ein zweites Bombardement, begleitet von glucksendem Kinderlachen, auf sie herniederprasselte.

»Getroffen! Wir haben euch getroffen!« rief Blythe triumphierend und lugte hinter der Hecke hervor.

Dann tauchte Bliss, gefolgt von den Zwillingen, hinter der Hecke auf. »Spielt ihr mit uns?«

»Bitte, bitte!« zwitscherten Summer und Autumn im Chor.

»Ein großes Bitteschön mit Zuckerguß«, fügte Aurora hinzu.

»Ich meinte doch, lauernde Blicke im Rücken zu spüren«, antwortete Rob und streckte die Hände aus. »Na, dann kommt mal mit.«

Isabelle kicherte, als ihnen die fünf Devereux-Töchter entgegenstürmten.

»Ja, mir war auch so, als beobachte uns jemand heimlich«, sagte sie.

»Mir ist immer noch so.« Rob ließ den Blick durch den Garten schweifen, ohne etwas Verdächtiges zu entdecken. Doch das unbehagliche Gefühl wollte nicht weichen.

»Heute abend feiern wir Großmutter Talbots Geburtstag«, verkündete Aurora.

»Mama sagt, wir dürfen aufbleiben«, fügte Blythe hinzu, »wenn wir einen Nachmittagsschlaf halten.«

»Und wir dürfen soviel Pudding essen, wie wir wollen«, rief Bliss begeistert.

»Und Äpfel und Nüsse«, riefen Summer und Autumn mit leuchtenden Augen.

»Denkst du, mich fordert jemand zum Tanz auf?« fragte Blythe, in deren hübschem Gesicht sich Hoffnung und Unsicherheit spiegelten.

»Möchtest du denn tanzen?« fragte Rob.

Blythe nickte und gestand errötend: »Ja, mit Roger Debrett.«

»Der ist doch ein alter Mann«, meinte Bliss verächtlich.

»Ist er nicht«, entgegnete Blythe.

»Ist er doch …«

»Ist er nicht!«

»Roger Debrett ist zweiundzwanzig und kaum als alter Mann zu bezeichnen«, meinte Rob an Bliss gewandt. Und zu Blythe fügte sie augenzwinkernd hinzu: »Ich bin ganz sicher, daß Roger dich zum Tanz auffordert.«

»Wollen wir einen Schneemann bauen?« fragte Isabelle schmunzelnd.

»Dafür gibt es nicht genügend Schnee«, meinte Bliss.

»Kommt, ich zeig euch was!« Rob stapfte ans hintere Ende des Gartens, wo die Schneedecke noch unberührt war.

Dort schlang sie ihren Umhang eng um sich und legte sich auf den Rücken, hob die Arme über den Kopf und beschrieb damit einen Bogen im Schnee, bis die Arme an ihrer Seite lagen. Dann stand sie auf, trat zurück und rief die Mädchen zu sich.

»Was ist das?« fragte Aurora und musterte den Abdruck im Schnee.

Rob öffnete den Mund, um zu antworten, und wurde erneut von dem unbehaglichen Gefühl befallen, heimlich beobachtet zu werden.

»Sagst du es uns nun oder nicht?« drängte Bliss.

»Was glaubt ihr, was es sein könnte?« entgegnete Rob und unterdrückte den Wunsch, einen Blick über die Schulter zu werfen, um den heimlichen Beobachter zu ertappen.

»Das ist ein Engel«, antwortete Blythe.

Rob schmunzelte. »Genau.«

»Auch Engel machen«, verlangte Summer.

»Ich auch Engel machen«, meldete Autumn sich.

»Isabelle und ich zeigen euch, wie man das macht.« Rob nahm die Zwillinge bei der Hand. »Kommt mit zu einer Stelle, wo der Schnee noch unberührt ist und wickelt euch fest in eure Mäntel ein …«

An der Mauer von Devereux House nickte ein Strauch Salomonsiegel mit seinen schwarzen Beerentrauben, daneben wiegten sich die leuchtend roten Beeren eines Aronstabs im Wind. Aus einem der hohen Bogenfenster des gräflichen Studierzimmers spähten zwei graue, durchdringende Augen zu den beiden jungen Damen in den Garten, die mit den fünf kleinen Mädchen herumtollten.

Gordon Campbells Blick fixierte die zierliche junge Gestalt mit dem ebenholzschwarzen Haar – seine Gemahlin. Auf die Entfernung vermochte er ihre Gesichtszüge nicht deutlich zu erkennen, erinnerte sich aber zweier smaragdgrüner Augen, die aus dem hübschen Gesicht einer engelsgleichen Achtjährigen zu ihm aufgeblickt hatten. War sie tatsächlich zu einer Schönheit erblüht?

Mungo machte Graf Basildon Komplimente. »Es ist mir eine große Ehre, Eure Bekanntschaft zu machen, Mylord. Euer Ruhm ist bis in die Highlands von Schottland gedrungen.«

Gordon, der mit dem Rücken zu den beiden Herren stand, schmunzelte. Mungo sah immer nur den Reichtum eines Mannes, nie seine inneren Werte. Ein Fehler armer Leute – und ein ausgesprochen törichter dazu.

Gordon spürte, daß jemand neben ihn getreten war, und wandte den Kopf. Dubh MacArthur reichte ihm schweigend ein Glas Whisky. Gordon nahm es mit einem Kopfnicken entgegen, trank einen kräftigen Schluck und mußte husten, als die schwere Flüssigkeit ihm feurig durch die Kehle rann.

»Ein guter Tropfen«, brachte er schließlich hervor.

»Ein Geschenk von Dubhs Vater«, meinte Graf Richard lächelnd. »Ich habe nie verstanden, wie Iain Gefallen an diesem Gift finden konnte, bis ich meine unlogische Frau kennenlernte.«

Die drei jüngeren Herren lächelten. Allem Anschein nach konnten Engländerinnen ebenso anstrengend sein wie ihre Geschlechtsgenossinnen im Norden.

»Wer ist die Blonde?« fragte Dubh mit einem Blick aus dem Fenster.

»Isabelle Debrett, die Cousine eines Geschäftsfreundes«, gab der Graf Auskunft und stellte sich rechts neben Gordon ans Fenster. »Rob und Isabelle haben sich rasch angefreundet.«

»Seltsam«, murmelte Dubh.

Gordon sah seinen Schwager von der Seite an. »Was ist daran seltsam?«

»Ich kann mich nicht erinnern, daß Rob je eine Freundin hatte«, antwortete Dubh sinnend, den Blick auf die blonde Schönheit gerichtet, die neben seiner Schwester durch den Garten schlenderte. »Immer wenn ich mir ihr Bild ins Gedächtnis rufe, sehe ich sie mit unserer Mutter durch den Garten spazieren.«

»Jeder Mensch hat Freunde«, entgegnete Gordon und blickte wieder aus dem Fenster. »Wer sind die kleinen Mädchen?«

»Meine Töchter«, antwortete der Graf.

Gordon sah ihn entgeistert an. »Ihr habt fünf Töchter?«

»Sechs«, verbesserte ihn Graf Richard schmunzelnd. »Hope ist erst zehn Tage alt und noch zu klein, um mit ihren Schwestern im Garten herumzutollen.«

»Wenn Ihr einen Sohn haben wollt, laßt die Stiefel dabei an«, riet Gordon und bedachte den Grafen mit einem mitleidvollen Blick.

Dubh und Mungo nickten zustimmend. Graf Richard wurde einer Antwort enthoben, da die Tür aufging und Jennings, der Majordomus des Grafen, erschien.

»Mylord, das Boot liegt am Steg«, meldete er förmlich.

»Danke, Jennings.« Und an Mungo gerichtet, fuhr der Graf fort: »Meine Barke bringt Euch flußaufwärts nach Hampton Court. Das ist der schnellste Weg. Mein Bootsmann steht Euch selbstverständlich auch bei Hof zur Verfügung.«

»Vielen Dank, Euer Gnaden.« Mungo wandte sich an Dubh: »Begleitet Ihr mich in die Stadt?«

Mit einem Blick aus dem Fenster schüttelte Dubh den Kopf. »Die englische Rose dort unten im Garten hat mein Interesse geweckt. Ich denke, ich bleibe noch ein paar Tage.«

»Wieso wollt Ihr Euch mit einer einzigen Blume begnügen?« wandte Mungo ein. »Bei Hof gibt es Dutzende schöner Rosen, die nur darauf warten, gepflückt zu werden.«

Gordon warf dem Freund einen fragenden Blick zu. Auf der Reise nach England hätte er das gesamte Campbellsche Vermögen darauf gesetzt, daß Mungo eine tiefe Abneigung gegen Dubh hegte. Und nun schien der Freund sich nur schwer von MacArthur trennen zu können.

»Ich will mein Glück versuchen«, erwiderte Dubh lächelnd.

»Sollte ich enttäuscht werden, so kann ich Euch in ein paar Tagen bei Hof treffen.«

»Wie Ihr wünscht.« Mungo verneigte sich und folgte Jennings aus dem Studierzimmer.

»Soll ich nach Rob schicken?« fragte Graf Richard seinen schottischen Gast.

»Es wirkt so erfrischend, wie die Mädchen im Schnee spielen«, antwortete Gordon abwehrend und blickte wieder aus dem Fenster. »Sie wird mit Sicherheit nicht erbaut sein, ihre Koffer packen zu müssen.«

»Es ist genügend Zeit, sie zu überreden«, beschwichtigte Dubh ihn. Mit einem Blick zu seinem Onkel fügte er hinzu: »Wir wohnen nebenan im Witwensitz meiner Großmutter.«

»Die Gräfin und ich geben heute ein Geburtstagsfest zu Ehren meiner Schwiegermutter«, sagte der Graf. »Ihr seid selbstverständlich herzlich eingeladen. Eine gute Gelegenheit für Gordon, Rob heute abend den Hof zu machen.«