Das Herz des Werwolfs - Jessica Andersen - E-Book

Das Herz des Werwolfs E-Book

Jessica Andersen

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Beschreibung

Seite an Seite lebten Gestaltwandler, Werwölfe und Vampire im magischen Elden. Bis der grausame Blutzauberer das Königspaar stürzte. Erst wenn jetzt eins der Königskinder das Erbe antritt, kann Elden wieder aufblühen. Die Stunde der Entscheidung naht...
Eben noch war Reda in ihrem Apartment, hat in dem faszinierenden alten Märchenbuch geblättert - jetzt ist sie in einem fernen Zauberland! Unter dem Blutmond begegnet sie Dayn, dem verbannten Prinzen von Elden. Er ist der furchteinflößende Herr über die Werwölfe, gleichzeitig aber weckt er Redas Verlangen wie kein anderer. Doch wenn Dayn sein Zeil erreicht und nach Elden zurückkehrt, muss er sie verlassen. Für immer?

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Seitenzahl: 358

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Alle Rechte, einschließlich das der vollständigen oder auszugsweisen Vervielfältigung, des Ab- oder Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten und bedürfen in jedem Fall der Zustimmung des Verlages.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Jessica Andersen, geboren und aufgewachsen in Neuengland, hat ihr Studium mit einem Doktor in Genetik abgeschlossen. Ihre Romane, in denen sie wissenschaftliche Erkenntnisse ebenso wie paranormales verarbeitet, landen regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten. Die Autorin lebt in Connecticut.

Jessica Andersen

Royal House of Shadows:

Das Herz des Werwolfs

Roman

Aus dem Amerikanischen von Justine Kapeller

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Lord of the Wolfyn

Copyright © 2011 by Dr. Jessica S. Andersen

erschienen bei: Harlequin Books, Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Daniela Peter

Titelabbildung: Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Autorenfoto: © by Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Satz: GGP Media GmbH, Pößneck

EPUB-ISBN 978-3-86278-557-5

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

PROLOG

Es war einmal, in einem magischen Land, ein dunkler Magier – der Blutmagier – und er begehrte die einzige Macht, die ihm verwehrt war: Er wollte das Land regieren. Also führte er seine Armee zu einem hinterhältigen Angriff auf die königliche Burg von Elden und schwor, die königliche Familie auszulöschen und den Thron für sich zu beanspruchen. Aber er hatte nicht mit der Liebe gerechnet, die König und Königin für ihre Kinder empfanden, besonders für den rebellischen und störrischen Prinzen Dayn …

Zweige schlugen Dayn ins Gesicht und hieben nach dem blutroten Hengst, auf dem er ritt, aber keiner von beiden zuckte zusammen. Sie waren dazu ausgebildet, waren dazu geboren: Dayn war der zweite Sohn des Königs, Hart ein königliches Streitross, Nachfahr mehrerer Generationen von Biestjägern. Zusammen bewachten sie die Burginsel und die Dörfer um den Blutsee und sorgten dafür, dass die widerlichen Monster der Zauberei im Toten Wald blieben.

Es war eine edle Rolle, eine gefährliche Bestimmung – und es machte unglaublich viel Spaß. Meistens jedenfalls. Heute Nacht allerdings ritt er voller Wut, die Zügel in einer fest geballten Faust, die geladene Armbrust in der anderen. Seine Gedanken waren nicht bei der Burg oder der Landbevölkerung, sie galten allein dem Töten.

Von der Laune seines Herrn angesteckt, schnaubte Hart, biss fest auf sein Zaumzeug und sprang über einen Dornenbusch, den sie normalerweise umrundet hätten. Dayn brüllte und packte die fließende Mähne des robusten Biestjägers. Gemeinsam landeten sie auf festem Boden und preschten weiter. Sie hatten jetzt freie Sicht auf das Monster, auf dessen Fährte sie waren.

Die zottelige graue Kreatur, etwa so groß wie ein Pony, hätte einer der riesigen Wölfe sein können, die im Hochland hinter Elden jagten, wäre nicht der Rückenfleck aus rotem Pelz in ihrem Nacken und der goldene Streifen, der ihre Wirbelsäule entlanglief, gewesen. Diese Merkmale zeichneten sie als etwas anderes aus: einen Wolfyn.

Die älteren Jäger erzählten davon, dass die Wolfyn Menschengestalt annahmen und die schönsten Frauen verführten, die sie finden konnten – um sie dann zu töten und zu fressen. Aber das waren nur Geschichten. Und die Legende vom Formwandeln war ein Versuch, zu erklären, warum die blutrünstigen Kreaturen damals, als man sie zum ersten Mal hatte ausrotten wollen, zurückgeschlagen hatten, indem sie direkt den schwächsten Punkt des Dorfes angegriffen und die mächtigsten Krieger und die schönsten Frauen gerissen hatten, als wären sie im Krieg, nicht auf der Jagd.

Diese Tage waren lange vorbei und die Wolfyn in den Königreichen fast ausgerottet. Die wenigen, die noch blieben, waren allerdings tödlich und mussten zum Wohl der Allgemeinheit umgebracht werden.

Im Augenblick jedoch wollte Dayn nur schnell genug reiten, um alles hinter sich zu lassen – die Wut seines Vaters, die Enttäuschung seiner Mutter … und den Ausdruck auf Twillas Gesicht, als er sie hatte verlassen müssen, obwohl sie schon von Hochzeit gesprochen hatten.

Die Worte seines Vaters hallten in seinem Kopf. Du musst eine anständige Prinzessin heiraten. Du bist der Hüter des königlichen Waldes und die rechte Hand deines Bruders. Und die Götter wussten, dass der dunkle und verführerische Nicolai nicht vorhatte, sich in naher Zukunft zu binden, deswegen setzten König und Königin – und ihre Berater – ihre Hoffnungen für eine gewinnbringende Verbindung auf Dayn und seine Schwester, Breena. Der Gedanke daran und der Streit, den er deswegen mit seinen Eltern gehabt hatte, ließen Dayn, so schnell er konnte, von der Burg und ihrer Politik davonreiten. Er war sechsundzwanzig Jahre alt, und seine Art lebte Hunderte, manchmal Tausende von Jahren. Und doch wollten seine Eltern sein Leben an das meistbietende Königshaus verscherbeln. Bei allen Göttern und dem Abgrund, er wünschte, er wäre aus dem einfachen Volk.

Aber das war er nicht. Deswegen trieb er den Hengst weiter, bis ihm der Wind ins Gesicht peitschte und der Boden unter Harts Hufen dahinflog.

Sein Gefährte Malachai, der weit hinter ihm auf seinem stämmigen grauen Wallach zurückblieb, umrundete den Dornbusch, über den Dayn und Hart gerade gesegelt waren, und brüllte: „Wartet, verdammt!“

Dayns ehemaliger Tutor, der jetzt sein treuer Begleiter war, sagte noch mehr, aber Harts lautes Schnauben übertönte die Worte. Als die Bäume sich lichteten, konnten sie noch einen Blick auf den Wolfyn werfen. Der Hengst preschte hinter der Bestie her, die sich mit intelligenten bernsteinfarbenen Augen nach ihnen umsah. Dayn presste die Knie fest an die Flanken des Pferdes und hob die Armbrust, als sie langsam aufholten. Die Bäume lichteten sich um ihn herum, aber er konzentrierte sich auf den roten Fleck, der anzeigte, wo sein tödlicher Treffer landen musste.

Der Wolfyn setzte zu einem letzten Sprint an, und …

Plötzlich war Dayn von Gefühlen erfüllt, die nicht seine eigenen waren: Wut, Trotz, Angst, Verrat. Kaum war er überrascht hochgeschreckt, da erhob sich auch schon ein starker Wind um ihn, schloss ihn wie eine riesige Faust aus Zauberkraft ein, riss ihn aus dem Sattel und hinauf in einen Wirbelsturm, der sich mit einem Mal über ihm drehte.

„Hinterhalt!“, rief Malachai, seine Stimme verwehte im Wind und wurde immer schwächer, als der Tornado Dayn mit sich riss und die Luft an ihm vorbeipeitschte.

Er kämpfte gegen die Magie, die ihn festhielt, aber sie war zu stark, zu allumfassend. Wie eine spürbare Kraft, die aufbrauste und dann abflachte, hallte sie in seiner Seele wider, als er das Auge des Wirbelsturms erreichte. Dort hing er in der Luft, sah nichts als die wabernde Wand aus Grau und Braun, die ihn umschloss, fühlte nichts als Magie. Sein Puls hämmerte, und seine Muskeln brannten förmlich danach, zu kämpfen oder zu fliehen. Aber es gab nichts zu bekämpfen, und es gab keinen Fluchtweg. Bei allen Göttern, was ging hier vor? Gedankenübertragung bestand normalerweise aus wenigen Worten, die Blut trinkende Verwandte miteinander austauschten. Er und sein Vater waren am stärksten miteinander verbunden, aber auch zu Nicolai spürte er diese Bindung. Das hier hingegen war etwas vollkommen anderes.

„Hallo?“, rief er. „Vater? Bist du das?“ Vielleicht wollte sein Vater ihn dafür bestrafen, dass er sich weigerte …

Das Chaos einer Schlacht erklang plötzlich in seinen Ohren: furchtbare Schreie, ein Brüllen, das ihm das Blut in den Adern gerinnen ließ und das er doch nicht einordnen konnte, das Scheppern von Stahl auf Stahl, schwirrende Bogensehnen und gebellte Befehle zum Angriff. Ihm wurde eiskalt, als ihm aufging, dass es sich nicht um eine Strafe handelte. Es war eine Warnung.

„Alvina!“, hörte er seinen Vater nach seiner Mutter rufen. „Zurück, verdammt!“ Dann folgte ein reißender Sog der Magie, und Dayn war plötzlich im Kopf seines Vaters, sah, was er sah, fühlte, was er fühlte.

Entsetzen und grimmige Entschlossenheit hämmerten in Aelfrics Adern, als er mit seinem Schwert auf die Kreatur einschlug, die ihm auf der schmalen Freitreppe gegenüberstand. Er wusste nicht, wie der Blutmagier seine Armee ungesehen auf die Insel gebracht hatte, aber die Burg war überwältigt.

Monströse Kreaturen drängten sich in der großen Halle am Fuß der geschwungenen Treppe. Sie schlugen erfahrene Wachsoldaten mit ihren vergifteten Schwanzstacheln aus dem Weg und zerfetzten mit rasiermesserscharfen Klauen die Rüstungen der Wächter. Blut spritzte, Männer schrien und starben, und der König schleuderte einen magischen Blitz die Treppe hinab, der die Ettine zurücktrieb, die riesigen dreiköpfigen Oger, die versuchten, über die Treppe die obere Etage der Burg zu erreichen. Sie stolperten benommen zurück, aber nicht lange.

Aelfric wirbelte herum, um die Treppe hinaufzurennen, und sah seine Frau, die ebenfalls hinaufeilte. Er war nicht überrascht. Seine bezaubernde Alvina war eine Kriegerin, wild und leidenschaftlich in der Liebe und im Krieg. Was ihn überraschte war der panische Schmerz, den er spürte, als er sie vor sich sah, das innere Flüstern: Bitte, Götter, nein, ich bin noch nicht bereit.

Schlimmer noch, er sah die gleichen Gefühle in ihren Augen gespiegelt, als sie sich in eine Nische nahe ihren Gemächern duckte, ihn ansah und ihm die Hand entgegenstreckte. „Wir müssen schnell handeln“, flüsterte sie, während die Schlacht die Steine unter ihren Füßen zum Beben brachte. „Wir können die Kinder noch retten.“

Er wollte etwas einwenden, aber tief in seinem Herzen wusste er, es wäre nur verschwendete Zeit.

Er legte seine Hände um ihre, trat dicht zu ihr und legte seine Wange an ihre Stirn. „Ah, meine Königin. Meine Geliebte. Es tut mir leid.“ Leid, dass er zu lange damit gewartet hatte, dem Blutmagier nachzustellen. Leid, dass er ihr keine Hoffnung mehr bieten konnte. Leid, dass der Tag, an dem sie den fünften Geburtstag des kleinen Micah gefeiert hatten, so endete.

Ihr nächster Atemzug war ein Schluchzen, aber sie sagte nur: „Wir müssen uns beeilen.“

Er wich langsam zurück, behielt ihre zitternden Hände aber in seinen. „Sag mir, was ich tun muss.“

„Nein!“, brüllte Dayn. Schmerz brannte in seiner Brust, als die Vision schwand. „Bei allen Göttern, nein!“ Mehr noch. Als die Gedankensprache verklang, hörte er das eindeutige Rauschen, das eine Erinnerung auszeichnete. Was er gesehen hatte, war bereits geschehen. Er wehrte sich gegen die unsichtbare Kraft, die ihn im Zentrum des Wirbelsturms festhielt, schlug nach ihr, verfluchte sie. „Malachai!“, brüllte er. „Zur Burg!“ Aber es kam keine Antwort, und der Wald schien plötzlich unendlich weit entfernt.

Dayn. Das Wort wurde in seinem Kopf gesprochen, von einer vertrauten tiefen und grollenden Stimme.

„Vater?“ Hoffnung keimte in ihm auf. „Den Göttern sei Dank. Hol mich hier raus. Ich rufe die Dorfbewohner zusammen und …“

Es ist zu spät. Die Burg ist gefallen und wir mit ihr.

„Sag das nicht.“ Seine Stimme wurde unsicher, sein Atem abgehackt. „Halt durch. Halt einfach durch. Ich hole Nicolai. Wenn wir zusammenarbeiten …“

Der Zauber ist gesprochen, unser Lebensblut vergossen. Ich weiß nicht einmal, wie lange ich dich noch erreichen kann, du musst also zuhören.

„Nein!“ Dayn schüttelte wild den Kopf. Er weigerte sich, das zu glauben, und hörte auch nicht auf die flüsternden Echos, die sagten, dass sein Vater schon auf der Schwelle zwischen Leben und Tod stand. „Vater … Mutter … bei allen Göttern …“ Er schämte sich nicht über das Schluchzen, das aus seiner Kehle kam, als schreckliche Schuldgefühle seine Wörter verzerrten. „Ich hätte meine Geduld nicht verlieren dürfen, ich hätte nie wegreiten dürfen. Wenn ich bei euch gewesen wäre …“

Schweig! fuhr Aelfric ihn an, so wie er es mit seinen Männern auf dem Schlachtfeld tat.

Dayn kam wieder zu sich, aber seine Stimme bebte, als er sagte: „Ich erwarte Euren Befehl.“ Er hatte die Worte schon so oft gesagt, wenn auch in letzter Zeit meistens voller Unmut. Jetzt bekamen sie eine neue tiefere Bedeutung, weil er nicht wusste, was als Nächstes zu tun war. Nicolai finden? Eine Armee aufstellen? Ein magischer Angriff? Rückzug? Nicht in seinen wildesten Träumen hätte er sich vorgestellt, dass die Burg erobert werden könnte und seine Eltern nicht mehr leben würden. Aber er durfte die wenige Zeit, die seinem Vater noch auf der Schwelle des Lebens blieb, nicht verschwenden, also flüsterte er: „Sprich, Vater. Ich werde tun, was immer du befiehlst.“

Gut, dann hör mir zu. Unsere Verletzungen und die Macht des Magiers haben den Zauber verändert, den deine Mutter und ich gesprochen haben. Die Magie hat dich und deine Brüder und deine Schwester weit fortgeschickt, wie wir geplant hatten, aber sie hat euch auch an die Burg gebunden und einen Countdown in Gang gesetzt. Vier Nächte, bevor diese Zeitspanne endet – und nicht vorher –, müsst ihr alle auf die Insel zurückkehren, die Burg zurückerobern und den Blutmagier umbringen. Wenn ihr es nicht tut, müsst ihr sterben, und Elden ist verloren. Aber ihr müsst warten, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist.

Dayns Atem rasselte in seinen Lungen, und seine Gedanken rasten. „Woher weiß ich, wann die Zeit gekommen ist?“ Bei den Göttern, passierte das alles wirklich?

Eine Frau wird kommen und dich nach Hause führen. Der Countdown beginnt, wenn sie ankommt, und endet mit der vierten Nacht. Du musst dich von ihr führen lassen, aber denk daran: Bleib dir selbst treu, und denk an deine Prioritäten. Versprich mir das.

Ein Schluchzen steckte in seiner Kehle fest. „Ich verspreche es. Bei allen Göttern, Vater …“ Er wurde unterbrochen, als der Tornado plötzlich mit einem Brüllen beschleunigte. Sekunden später wurde er aus dem ruhigen Auge des Sturms wieder in Richtung der wirbelnden Wand aus Wind geschleudert. „Nein!“, heulte er, als der Sturm ihn packte und mitriss. Sofort wurde er vom Wirbelsturm davongetragen, überschlug sich wieder und wieder, und er konnte nur noch in den Wind brüllen: „Es tut mir leid, dass ich euch nicht im Kampf beistehen konnte!“

Donner grollte, und in ihm explodierte eine Energie, die sein Fleisch versengte und ihm die Luft aus den Lungen trieb. Schmerz überwältigte ihn, er bäumte sich auf, sein Körper schien auf einmal von innen her zu zerreißen. Fleisch und Muskeln rissen, Sehnen schnappten von einer Stelle an eine andere, und seine Knochen verbogen sich. Ein weiterer Blitz, und wieder durchfuhr ihn Schmerz, so schrecklich, dass er schrie und für einige Augenblicke das Bewusstsein verlor.

Dann, von einer Sekunde zur nächsten, verstummte das Heulen, und der Tornado verschwand, als wäre er nie gewesen. Dayn hing einen Moment lang mit dem Gesicht nach unten in der Luft, etwa zwei Meter über einer grasbewachsenen Lichtung, umgeben von merkwürdigen Steinsäulen. Dann kehrte die Schwerkraft zurück, und er fiel.

„Verdammte …“ Er traf hart auf, der Aufprall ließ seine Augen tränen, seine Ohren klingeln und schüttelte sein Gehirn durch. Das erklärte vielleicht, warum die Welt um ihn herum, als er sich auf Hände und Knie aufrappelte, zu hell erschien, der Himmel zu blass, die Bäume zu groß. Aber keine Kopfverletzung erklärte die Kälte, die plötzlich durch seine Tunika drang, oder dass er seinen Atem in der Luft sehen konnte. Oder warum der Himmel diese seltsame Farbe hatte und der Steinkreis und die hohen dürren Bäume anders aussahen als alles, was er bisher gesehen hatte.

Wo war er? Hatte der Zauber ihn ins Hochgebirge gebracht? Noch weiter fort? Bei den Göttern, was, wenn er im Ödland gelandet war? Es würde Monate dauern, nach Hause zurückzukehren. Sein Vater hatte gesagt, er müsse auf eine Frau warten, die ihn nach Hause brachte, und dass an dem Tag eine Frist von vier Nächten begann, aber er wurde schon beim Gedanken daran ungeduldig.

Und wenn er nicht wartete? Wenn er von sich aus zurückkehrte? Er war ein Jäger, ein Forstwächter. Wenn es irgendjemandem gelang, die Königreiche allein zu durchqueren, dann ihm. Was, wenn …

Er schreckte auf, als sich am Rand seines Sichtfelds etwas bewegte, und sein Puls schlug laut in seinen Ohren, als er sich umdrehte. Er hoffte, die Frau zu sehen, die ihn nach Hause führen würde.

Stattdessen traten zwei Männer aus dem Wald. Der eine war ein schlaksiger Junge, noch keine zwanzig, während der andere mindestens wie Mitte dreißig aussah. Ihre langnasigen abweisenden Gesichtszüge ließen vermuten, dass sie miteinander verwandt waren, und sie trugen leuchtend bunte Kleidung, die aus einem Leder oder Stoff gemacht war, den Dayn nie zuvor gesehen hatte. Das seltsame Material knitterte wie Pergament, als sie auf ihn zukamen.

Dayn versuchte aufzustehen, und erst jetzt merkte er, dass die Magie ihm alles genommen hatte außer seiner Kleidung. Er war unbewaffnet und trug nur die grob gewebte Arbeitskluft, die er bevorzugte. Wenn er sich allerdings auf feindlichem Gebiet befand, war es wahrscheinlich besser so. Er musste sich unauffällig verhalten und seine wahre Identität verschweigen, bis er wusste, ob es für ihn ungefährlich war, sich als Prinz von Elden zu erkennen zu geben.

„Ho, da drüben“, rief der ältere Mann. „Keine Angst. Wir sind hier, um dir zu helfen.“ Er wendete sich an den jüngeren Mann. „Okay, Quizfrage. Was kannst du mir über ihn sagen?“

Dayn runzelte die Stirn. Er verstand den harten, kehlig klingenden Akzent des Mannes, aber was sollte eine „Quizfrage“ sein?

„Na ja, nach dem Outfit zu urteilen, kommt er aus der Welt der Königreiche.“ Der Junge ließ seine Zähne aufblitzen. „Oder von einem Mittelaltermarkt der Menschen. Aber ich schätze, eher Königreiche. Handgewebt, nichts Ausgefallenes, keine Waffen … Wahrscheinlich ein gewöhnlicher Typ, der in einen Vortex gestolpert ist, ohne einen Schimmer zu haben, was mit ihm passiert. Ich sage, wir betäuben ihn und schicken ihn nach Hause, als wäre nichts gewesen.“

„Ich bin mir da nicht so sicher. Da ist etwas in seinen Augen.“

„Du weißt doch, wie die meisten sind, wenn sie durchkommen. Die Hälfte von denen ist allein durch den Trip so daneben, dass sie gar nicht mehr betäubt werden müssen. Bei dem ist es so, jede Wette. Ich meine, die Königreicher glauben nicht einmal an Wissenschaft, schon gar nicht an verschiedene Welten oder daran, dass man dazwischen reisen kann, es ist also nicht so, als hätte er einen Anhaltspunkt.“

„Vielleicht.“ Der ältere Mann blieb am Rand des Steinkreises stehen. „Du da drüben. Wie heißt du, und wer ist dein König?“

„König …“ Dayn brach ab, weil seine Kehle sich zusammenzog. Ihm wurde klar, dass die Antwort nicht mehr „Aelfric“ war. Sein älterer Bruder war jetzt rechtmäßig König. Bei allen Göttern, Nicolai. Wo bist du? Was ist mit uns allen geschehen?

„Siehst du?“, sagte der Jüngling. „Er erinnert sich einen Scheiß.“

„Was sind denn das für Ausdrücke?“, rügte der Ältere. „Du hast schon wieder zu viel Zeit mit unseren menschlichen Gästen verbracht.“

„Lieber mit den Menschen als mit den Königreichern. Die sind doch zurückgeblieben, schleudern überall ihre Magie rum, und die Hälfte wird von blutsaugenden Parasiten regiert.“ Der Junge machte eine Geste über seinem Herzen, als wolle er das Böse abwehren.

Dayn war auf einmal sehr froh, den Namen seines Königs nicht genannt zu haben. Wo war er, wo Bluttrinker so verabscheut wurden?

Ehe er es herausfinden oder auch nur eine Frage stellen konnte, raste eine Gestalt aus den Wäldern auf die Männer zu: eine schlaksige Kreatur, die wie ein Welpe mit sandsteinfarbenem Fell aussah. Erst als sie zum Stehen kam und zur Begrüßung wild mit dem Schwanz wedelte, sah Dayn den hellroten Fleck auf dem Rücken und den goldenen Streifen. Er konnte nicht verhindern, dass er zusammenzuckte. Und er keuchte auf, als der junge Wolfyn sich auf die Hinterbeine stellte, die länger wurden, während seine ganze Statur sich gerade und groß aufrichtete, und sein Fell am ganzen Leib zu schimmern begann … und dann zu seltsam glänzendem Stoff wurde, zu polierten schwarzen Stiefeln und Handschuhen und zu einem blassen Jungengesicht.

Dayn starrte ihn fassungslos an. Bei allen Göttern, es stimmte. Die Wolfyn waren wirklich Formwandler. Hieß das etwa, dass auch die anderen Geschichten wahr waren? War er in ihrer Heimat?

Die Augen des Kindes leuchteten von Neugier. Seine Gesichtszüge waren eine jüngere Version der Gesichter der beiden anderen. „Ach, schade, habe ich einen Vortex verpasst? So ein Mist. Wo ist er her? Bleibt er bei uns?“

Der jüngere Mann zauste dem Jungen die rotblonden Haare. „Wir arbeiten daran. Wobei, nach seiner Reaktion gerade eben können wir jetzt wohl eindeutig sagen, dass er aus den Königreichen kommt.“

Der ältere Mann kniff die Augen zusammen. „Die Frage ist, ob er einer dieser mordlüsternen blutsaugenden Bastarde ist oder nicht.“ Er und die andern betraten den Kreis, den die hohen Steine beschrieben.

Dayns Herz klopfte wild, aber er blieb ruhig und zwang sich, seine Fangzähne gut zu verbergen, sodass die Männer nicht die geringste Beule spüren konnten, als sie sein Zahnfleisch untersuchten. Denn wenn sie je herausfanden, was und wer er wirklich war, würde er nicht lange genug leben, um nach Hause zurückzukehren.

1. KAPITEL

Zwanzig Jahre später

Welt der Menschen

Reda Weston stand zögernd auf dem Gehsteig vor dem Cat-Black-Kuriositätenladen, eine Hand auf dem Türgriff und den Magen voller Schmetterlinge. Das Spiegelbild mit den großen Augen, das ihr von der getönten Glasscheibe in der Tür entgegenstarrte, kam ihr nicht bekannt vor. Ja, die Fremde hatte einen lockigen roten Pferdeschwanz, genau wie sie selbst, und sie trug die zerfetzte Jeans und die abgewetzte Lederjacke, die Reda am Morgen aus ihrem Schrank gezogen hatte, weil es keinen Grund mehr gab, sich wie ein Cop anzuziehen. Und ja, das waren ihre blauen Augen in den tiefen Höhlen, die sich in ihrem Gesicht gebildet hatten. Aber wenn sie das war, was tat sie dann hier?

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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