Das Hospital der Verklärung - Stanisław Lem - E-Book

Das Hospital der Verklärung E-Book

Stanislaw Lem

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Beschreibung

Der junge Arzt Stefan tritt seine Stellung in einem Hospital für Geisteskranke an, und schon bald wird ihm die besondere Atmosphäre an diesem Ort bewußt. Er beobachtet diese seltsame Umwelt mit Verwirrung und hat mehr und mehr das Gefühl, Mitverantwortung zu tragen. Der Einbruch der Brutalität durch SS-Truppen, die das Krankenhaus besetzen und die Insassen liquidieren, läßt alle Fassaden der Konventionalität zwischen den Kollegen zusammenstürzen.

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Seitenzahl: 344

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Der erste Roman Stanisław Lems, 1948 entstanden, noch bevor Lem als Science-fiction-Autor debütierte, spielt Anfang der vierziger Jahre im besetzten Polen und erweist sich, wie Heinrich Vormweg in der Süddeutschen Zeitung schrieb, »als das verblüffend originelle, präzis komponierte, eine bedrängende Erfahrung exemplarisch ins Bild hebende Werk eines jungen Autors, der auf der Höhe der literarischen Möglichkeiten der Moderne seine eigene Diktion findet«.

Der junge Arzt Stefan tritt seine Stellung in einem Hospital für Geisteskranke an, und schon bald wird ihm die besondere Atmosphäre an diesem Ort bewußt. Er beobachtet diese seltsame Umwelt mit Verwirrung und hat mehr und mehr das Gefühl, Mitverantwortung zu tragen. Der Einbruch der Brutalität durch SS-Truppen, die das Krankenhaus besetzen und die Insassen liquidieren, läßt alle Fassaden der Konventionalität zwischen den Kollegen zusammenstürzen.

Stanisław Lem wurde am 12. September 1921 im polnischen Lwów (Lemberg) geboren, lebte zuletzt in Krakau, wo er am 27. März 2006 starb. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Übersetzer und freier Schriftsteller. Er wandte sich früh dem Genre Science-fiction zu, verfaßte aber auch gewichtige theoretische Abhandlungen und Essays zur Kybernetik, Literaturtheorie und Futurologie. Stanisław Lem zählt zu den bekanntesten und meistübersetzten Autoren Polens. Viele seiner Werke wurden verfilmt.

Stanisław Lem

Das Hospital der Verklärung

Roman

Aus dem Polnischenvon Caesar Rymarowicz

Suhrkamp

Titel der polnischen Originalausgabe:

Czas nieutracony,

Kraków: Wydawnictwo Literackie 1955

Übersetzung des Vorworts: Klaus Staemmler

Das Hospital der Verklärung erschien 1982 als suhrkamp taschenbuch 761

Umschlagfoto: Archiv für Kunst und Geschichte, Berlin

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2013

© by Stanisław Lem 1955

Alle deutschsprachigen Rechte beim Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig

Nutzung der deutschen Übersetzung von Caesar Rymarowicz mit freundlicher Genehmigung des Verlags Volk und Welt, Berlin

Lizenzausgabe des Insel Verlags

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile.

Umschlag nach Entwürfen von Willy Fleckhaus und Rolf Staudt

eISBN 978-3-518-74322-5

www.suhrkamp.de

VORWORT ZUM »HOSPITAL DER VERKLÄRUNG«

DAS HOSPITAL der Verklärung«, meinen ersten Roman, schrieb ich 1948. Das im folgenden Jahr dem Verlag Gebethner und Wolff eingereichte Manuskript übernahm nach Auflösung dieser Firma der Verlag »Książka i Wiedza« (Buch und Wissen). Seine Lektoren meinten, der Roman könne nicht herausgebracht werden, da er der damals entstandenen Rezeptur des sozialistischen Realismus nicht entspreche, und veranlaßten mich, ihm eine ›Fortsetzung‹ in Form von zwei weiteren Bänden zu geben, deren Niederschrift ich 1951 beendete; doch auch dann noch weckte der Roman so viele Bedenken, daß er erst Ende 1955 im Krakauer »Wydawnictwo Literackie« (Literarischer Verlag) erschien. So verzögerte sich mein Debüt um sieben Jahre und nahm eine völlig andere Gestalt an als die ursprünglich beabsichtigte. Nunmehr habe ich mich entschlossen, das Buch in seiner frühesten Form wieder herauszugeben, das heißt, ich mache aus dem ersten Band der Trilogie »Die nichtverlorene Zeit« (deutscher Titel der DDR-Ausgabe: Die Irrungen des Dr. Stefan T.) ein selbständiges Werk, wie es das nach meiner Überzeugung, der Überzeugung eines angehenden Autors, sein sollte. Heute fällt es mir schwer, die Motive der Lektoren zu verstehen, die bei der Beurteilung des Romans das Argument des ›Gegengewichts‹ und andere kompositorische Seltsamkeiten benutzten, und ebenso mich an die unzähligen Varianten der beiden weiteren Bände zu erinnern, die immer wieder neu geschrieben und geändert wurden, auch das unter dem Einfluß unzähliger Beratungen in den Verlagen. Ich möchte ganz einfach unter jenen Überlagerungen die entschwundene Form des Buches herausschälen, das ich vor sechsundzwanzig Jahren geschrieben habe, denn es enthielt meine Erfahrungen aus der Zeit des Krieges und der Okkupation, allerdings nicht autobiographische Elemente, sondern nur den Versuch, meinem damaligen Verhältnis zur erkannten Welt Ausdruck zu verleihen.

Kraków, im August 1974

Stanisław Lem

DAS BEGRÄBNIS

DER ZUG hielt nur ganz kurz in Nieczawy. Stefan hatte kaum Zeit, sich durch die Tür zu zwängen und abzuspringen, da zog die Lokomotive auch schon schnaufend an, und hinter ihm begannen die Räder zu rattern. Seit mehr als einer Stunde wurde er das beklemmende Gefühl nicht los, das Aussteigen zu versäumen, und dieses Problem überschattete alles, selbst den Zweck seiner Reise. Nun, da er, der stickigen Wärme des Abteils entronnen, gierig die frische, fast schneidend kalte Luft einatmete, befreit und ratlos zugleich, kam er sich vor wie aus einem schweren Traum erwacht.

Es war einer der letzten Februartage. Lichte Wolken mit weißglühenden Rändern bedeckten den Himmel. Vom Schmelzwasser unterspült, sackte der Schnee in den Schluchten und Mulden zusammen, gab Stoppelfelder und Gebüsch frei, morastige Wege und lehmige Hänge. Das Chaos – der Herold allen Wandels – war in das eintönige Weiß der Landschaft getreten.

Die Überlegung mußte Stefan büßen; er trat fehl, Wasser lief ihm in den Schuh. Er schauderte. Das immer schwächere Schnaufen der Lokomotive verschwand schließlich hinter der Hügelkette von Bierzyniec, und nun ließ sich ein zirpendes Geräusch vernehmen, jenes allgegenwärtige, unlokalisierbare, eintönige Raunen der Schmelze. Vor der langgestreckten Anhöhe wirkte Stefan in seinem haarigen Raglanmantel, seinem weichen Filzhut und den Halbschuhen gänzlich fehl am Platze, und er war sich dessen auch bewußt. Gleißende Rinnsale stürzten emsig den Weg herab, der zum Dorf emporklomm. Von Stein zu Stein hüpfend, erreichte Stefan die Kreuzung und warf einen Blick auf die Uhr. Es war kurz vor eins. Die Stunde der Beerdigung stand zwar nicht genau fest, aber Stefan wollte auf keinen Fall zu spät kommen. Der Leichnam war bereits am Vortag von Kielce übergeführt worden. Der Sarg müßte also schon in Onkel Ksawerys Haus sein. Vielleicht hatte man ihn auch in der Kirche aufgestellt, denn das Telegramm enthielt den unklaren Hinweis auf eine Messe. Oder hieß es Exequien? Stefan vermochte sich nicht zu erinnern, überdies ärgerte es ihn, daß er seine Gedanken an liturgische Fragen verschwendete. Zum Haus des Onkels waren es zehn Minuten Weg, zum Friedhof ebensoviel; wenn der Trauerzug aber zur Kirche abbog ... Stefans Unschlüssigkeit wuchs. Er näherte sich der Landstraße, blieb in der Kurve stehen, ging ein Stück zurück und hielt von neuem an. Da sah er in einiger Entfernung einen alten Bauern den Feldrain entlangschreiten, ein Kreuz auf den Schultern, wie es gewöhnlich dem Begräbniszug vorangetragen wird. Stefan wollte den Bauern anrufen, wagte es aber nicht. Mit zusammengebissenen Zähnen wandte er sich eilig dem Friedhof zu. Der Bauer langte unterdessen an der Friedhofsmauer an und verschwand. Es blieb verborgen, ob er weiter zum Dorf ging. Stefan schlug also verzweifelt die Mantelschöße hoch, hielt sie wie einen Weiberrock und setzte mit immer halsbrecherischerer Geschwindigkeit über die Pfützen. Die Straße zum Friedhof führte im Bogen an einem kleinen Hügel vorbei, der dicht mit Haselnußsträuchern bewachsen war. Stefan lief querfeldein, ohne auf den nachgiebigen Schneematsch und die Weidenruten, die sein Gesicht peitschten, zu achten. Am Saum des Gehölzes sprang er auf die Straße hinunter und sah sich neben dem Friedhof. Still war es hier und menschenleer; von dem Bauern keine Spur. Stefans Eile war mit einemmal verflogen. Finster musterte er seine bis an die Knöchel kotbespritzten Füße; erhitzt, nach Atem ringend, warf er einen Blick über die Pforte. Keine Menschenseele. Er stieß die Pforte auf. Sie knarrte entsetzlich und verstummte mit einem kläglichen Ächzen. Schmutziger, verharschter Schnee bedeckte in erstarrten Wellen die Gräber, trichterförmig geöffnet um das Fußgestell der Kreuze, deren hölzerne Reihen bis an ein Holundergebüsch reichten; dahinter standen die Grabsteine der Seelenhirten von Nieczawy, ein wenig abseits lag die Gruft der Familie Trzyniecki, alle anderen Gräber überragend, schwarz, in goldenen Lettern die Namen und Daten, drei Birken am granitenen Kopfende. In dem Zwischenraum, der wie ein Niemandsland die Gruft vom Friedhof trennte, klaffte eine frisch ausgehobene Grube. Der gelbe Lehm wirkte in dem Weiß ringsum wie ein Schandfleck. Stefan blieb verdutzt stehen. Offenbar war kein Platz mehr frei in der Gruft, und da die Zeit oder auch die Mittel zu ihrer Erweiterung fehlten, mußte ein Trzyniecki wie der erste beste im Lehm verscharrt werden; Stefan malte sich aus, mit welchen Gefühlen Onkel Anzelm die Überführung der sterblichen Hülle angeordnet haben mochte. Einen anderen Weg aber gab es nicht: Alle Trzynieckis wurden hier beigesetzt, war Nieczawy doch einst Familienbesitz gewesen; und obwohl nur Onkel Ksawerys Haus übriggeblieben war, hielt sich dieser Brauch. Bei jedem Todesfall sandte die Familie ihre Vertreter aus ganz Polen zur Beerdigung.

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