Die vollkommene Leere - Stanisław Lem - E-Book

Die vollkommene Leere E-Book

Stanislaw Lem

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Beschreibung

Die vollkommene Leere legt den Snobismus und den Glauben an einen alles erleichternden Fortschritt bloß. Die »vollkommene Leere« bezeichnet ein quälendes Gefühl der Schwerelosigkeit. Es ist dem Handeln und Schaffen im höchsten Maße feindlich, denn es tötet auch die Hoffnung.

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Seitenzahl: 345

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Die vollkommene Leere, eine Sammlung von Analysen, von kritischen Besprechungen nicht existierender Bücher, ist nicht nur ein witziger Einfall und ein Vergnügen für Denkende, sondern wie gewöhnlich bei Lem eine Warnung vor allzu leichtfertigem Optimismus, vor dem Vertrauen auf Entdeckungen im Bereich literarischer Form, die so oft als genial, wegweisend, einzig und allein nachahmenswert angepriesen werden.

Die vollkommene Leere legt den Snobismus und den Glauben an einen alles erleichternden Fortschritt bloß. Die »vollkommene Leere« bezeichnet ein quälendes Gefühl der Schwerelosigkeit. Es ist dem Handeln und Schaffen im höchsten Maße feindlich, denn es tötet auch die Hoffnung.

Stanisław Lem wurde am 12. September 1921 im polnischen Lwów (Lemberg) geboren, lebte zuletzt in Krakau, wo er am 27. März 2006 starb. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Übersetzer und freier Schriftsteller. Er wandte sich früh dem Genre Science-fiction zu, verfaßte aber auch gewichtige theoretische Abhandlungen und Essays zur Kybernetik, Literaturtheorie und Futurologie. Stanisław Lem zählt zu den bekanntesten und meistübersetzten Autoren Polens. Viele seiner Werke wurden verfilmt.

Stanisław Lem

Die vollkommene Leere

Autorisierte Übersetzung aus dem Polnischenvon Klaus Staemmler

»Die neue Kosmogonie« übersetzteI. Zimmermann-Göllheim

Suhrkamp

Titel der Originalausgabe:

Doskonała próżnia.

»Czytelnik«, Warszawa 1971

»Non serviam« wurde dem Band Bezsenność (Schlaflosigkeit), Wydawnictwo Literackie, Kraków 1971, entnommen.

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2013

Copyright © 1971 by Stanisław Lem

Alle Rechte an der deutschen Ausgabe

Insel Verlag Frankfurt am Main 1973

Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung des Insel Verlags, Frankfurt am Main

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag: Göllner, Michels, Zegarzewski

eISBN 978-3-518-74343-0

www.suhrkamp.de

Inhalt

Stanisław Lem: »Die volkommene Leere«(Doskonała próżnia)

Marcel Coscat: »Les Robinsonades«

Patrick Hannahan: »Gigamesh«

Simon Merril: »Sexplosion«

Alfred Zellermann: »Gruppenführer Louis XVI.«

Solange Marriot: »Rien du tout, ou la conséquence«

Joachim Fersengeld: »Perycalypsis«

Gian Carlo Spallanzani: »Der Idiot«(Idiota)

»Do yourself a book«

Kuno Mlatje: »Odysseus aus Ithaka«(Odys z Itaki)

Raymond Seurat: »Toi«

Alistar Waynewright: »Being Inc.«

Wilhelm Klopper: »Die Kultur als Fehler«

Cezar Kouska: »De Impossibilitate Vitae;De Impossibilitate Prognoscendi«

Arthur Dobb: »Non serviam«

Alfred Testa: »Die Neue Kosmogonie«(Nowa Kosmogonia)

Stanisław LemDie vollkommene Leere

(»Czytelnik« – Warschau)

Rezensionen über nicht existierende Bücher zu schreiben, ist nicht Lems Erfindung; nicht nur bei einem zeitgenössischen Schriftsteller – J. L. Borges – findet man derartige Versuche (z. B. als »Besprechung des Werks von Herbert Quaine« in dem Band »Labyrinthe«), die Konzeption reicht weiter zurück, und auch Rabelais war nicht der erste, der sie anwandte. Doch »Die vollkommene Leere« ist insofern einzigartig, als sie eine Anthologie ausschließlich solcher Kritiken sein will. Systematische Pedanterie oder systematischer Spaß? Man verdächtigt den Autor der spaßhaften Absicht, und dieser Eindruck wird auch durch die Einleitung nicht abgeschwächt, eine ellenlange, theoretische Einleitung, in der man liest: »Romane zu schreiben, ist eine Form des Verlusts schöpferischer Freiheiten ... Weiterhin ist das Rezensieren von Büchern eine noch weniger edle Zwangsarbeit. Über den Schriftsteller kann man wenigstens sagen, er habe sich selbst gefesselt – durch das gewählte Thema. Der Kritiker befindet sich in der schlechteren Lage; wie ein Zwangsarbeiter an seine Schubkarre, ist der Rezensent an das besprochene Werk geschmiedet. Der Schriftsteller verliert seine Freiheit im eigenen, der Kritiker im fremden Buch.«

Die Emphase dieser Vereinfachungen ist zu offensichtlich, um ernst genommen zu werden. In einem weiteren Absatz der Einleitung (»Autosoil«) heißt es: »Die Literatur hat uns bisher von fiktiven Gestalten erzählt. Wir gehen weiter, wir werden fiktive Bücher beschreiben. Das ist eine Chance, die schöpferischen Freiheiten wiederzugewinnen, und zugleich die Vermählung zweier kontradiktorischer Geister, des belletristischen Autors und des Kritikers.« Das »Autosoil«, führt Lem weiter aus, soll die freie Schöpfung »zum Quadrat« sein, denn der Kritiker des Textes werde, ist er erst in diesen Text eingeführt, mehr Manövrierfähigkeiten haben als der Erzähler der traditionellen oder nicht traditionellen Literatur. Dem kann man zustimmen, weil die Literatur heute tatsächlich um eine größere Distanz zu dem Geschaffenen ringt wie der Läufer um das richtige Atmen. Schlimm genug, daß diese gelehrte Einleitung irgendwie nicht zum Ende kommt. Lem erzählt darin von den positiven Seiten des Nichts, von idealen mathematischen Objekten und neuen Metaebenen der Sprache. Für einen Spaß ist das ein bißchen überzogen. Mehr noch – mit dieser Ouvertüre führt Lem den Leser (und vielleicht auch sich selbst?) in die Irre. Denn »Die vollkommene Leere« besteht aus Pseudorezensionen, die nicht nur eine Sammlung von Witzen sind. Ich möchte sie im Gegensatz zum Autor in drei Gruppen einteilen:

1. Parodie, Pastiche und Spott. Hierzu gehören die »Robinsonaden«, »Nichts oder die Konsequenz« (beide Texte verhöhnen auf verschiedene Weise den Nouveau Roman), eventuell noch »Du« und »Gigamesh«. Zwar ist die Position bei »Du« ziemlich risikoreich, denn sich ein schlechtes Buch auszudenken, das man verreißen kann, weil es schlecht ist, wirkt allzu billig. Formal am originellsten ist der Roman »Nichts oder die Konsequenz«, weil bestimmt niemand ihn schreiben könnte, der angewandte Trick der Pseudorezension erlaubt also ein akrobatisches Kunststück: die Kritik eines Buches, das es nicht nur nicht gibt, sondern auch nicht geben kann. »Gigamesh« hat mir am wenigsten gefallen. Es geht darum, daß die Sonne alles an den Tag bringt. Aber lohnt es sich wirklich, mit derartigen Witzen Meisterwerke abzutun? Vielleicht, wenn man selbst keine schreibt.

2. Skizzen und Kladden (denn letzten Endes sind das eigenartige Kladden) wie »Gruppenführer Louis XVI.«, »Der Idiot« und auch »Die Frage des Tempos«. Jede von ihnen könnte – wer weiß das schon – der Embryo eines guten Romans sein. Aber diese Romane müssen erst geschrieben werden. Eine Inhaltsangabe, ob kritisch oder nicht, ist schließlich doch nur eine Vorspeise, die uns Appetit auf das in der Küche nicht vorhandene Hauptgericht macht. Warum ist es nicht vorhanden? Eine Kritik mit Unterstellungen ist unfair, aber ich will sie mir einmal gestatten. Der Autor hatte Einfälle, die er nicht in vollem Umfang zu realisieren vermochte; er konnte sie nicht niederschreiben, und es tat ihm leid, sie nicht niederzuschreiben – das ist die ganze Genesis dieses Teils der »Vollkommenen Leere«. Intelligent genug, gerade diesen Vorwurf vorauszusehen, hat Lem beschlossen, sich durch die Einleitung zu tarnen. Deshalb spricht er in »Autosoil« von der Armseligkeit der Prosawerkstatt, von der Handwerkerarbeit des Schnitzens an den Beschreibungen, »um fünf Uhr verließ die Marquise ihr Haus«. Doch eine gute Werkstatt ist nicht armselig. Lem schrak zurück vor den Schwierigkeiten, die jeder der drei von mir nur als Beispiel genannten Titel in sich barg. Er zog es vor, nichts zu riskieren, er hat sich gedrückt, er ist ausgewichen. Indem er sagt, jedes Buch sei »ein Grab zahlloser anderer, die es vernichtet, verdrängt hat«, deutet er an, daß er über mehr Einfälle verfügt als über biologische Zeit (ars longa, vita brevis). Aber so viele bedeutsame, vielversprechende Einfälle hat er in der »Vollkommenen Leere« gar nicht. Es gibt dort Geschicklichkeitsbeweise, die ich erwähnt habe; dann aber weicht er in Späße aus. Ich vermute etwas Ernsthafteres, nämlich – eine nicht zu verwirklichende Sehnsucht.

3. Die Überzeugung, daß ich mich nicht irre, entnehme ich der letzten Gruppe von Werken in diesem Band, nämlich solchen wie »De Impossibilitate Vitae«, »Die Kultur als Fehler« und – besonders! – »Die Neue Kosmogonie«. »Die Kultur als Fehler« stellt Anschauungen auf den Kopf, die Lem mehr als einmal verkündet hat, sowohl in seinen belletristischen als auch in seinen diskursiven Büchern. Die Eruption der Technologie, dort als Liquidatrix der Kultur gebrandmarkt, wird hier zur Befreierin der Menschheit erhoben. Zum zweiten Mal erweist sich Lem in »De Impossibilitate Vitae« als Apostat. Die amüsante Absurdität der langen Ursachenketten dieser Familienchronik darf uns nicht täuschen – nicht um die Komik der Anekdote geht es, sondern um einen Angriff auf Lems Allerheiligstes, auf die Wahrscheinlichkeitstheorie, auf den Zufall also, auf die Kategorie also, die seinen verschiedenen Konzepten zugrunde liegt. Der Angriff findet in einer närrischen Situation statt, das soll seine Schärfe abstumpfen. War er also vielleicht einen Augenblick lang nicht grotesk gedacht? Diesen Zweifel zerstreut »Die Neue Kosmogonie«, eine wahre pièce de résistance des Buches, in ihm versteckt wie die Griechen im Trojanischen Pferd. Sie ist weder ein Spaß noch eine fiktive Rezension. Was also ist sie wirklich? Belastet mit einer so massiven wissenschaftlichen Argumentation, wäre sie ein reichlich schwerfälliger Spaß – man weiß ja, Lem hat die Enzyklopädien gefressen, man braucht ihn nur zu schütteln, schon wimmelt es von Logarithmen und Formeln. »Die Neue Kosmogonie« ist die fiktive Rede eines Nobelpreisträgers, sie umreißt ein revolutionäres Bild des Universums. Hätte ich kein anderes Buch von Lem gelesen, könnte ich am Ende annehmen, es sollte ein Witz für dreißig Eingeweihte sein, d. h. für die Physiker und die anderen Relativisten auf der ganzen Welt. Doch kommt mir das unwahrscheinlich vor. Also? Ich habe den Verdacht, es handle sich wieder um ein Konzept, das dem Autor aufleuchtete – und vor dem er zurückschrak. Selbstverständlich wird er das nie zugeben, und weder ich noch irgend jemand sonst wird ihm beweisen können, daß er den Kosmos als Spiel ernst genommen hat. Er kann sich stets auf die Spaßhaftigkeit des Kontextes berufen, auf den Titel des Buches (»Die vollkommene Leere« – als wird über nichts gesprochen); außerdem – das beste Asyl, die beste Ausrede ist die licentia poetica.

Dennoch bin ich der Meinung, daß sich hinter all diesen Texten der Ernst verbirgt. Der Kosmos als Spiel? Intentionale Physik? Als Verehrer der Wissenschaft, der vor ihrer heiligen Methodologie auf dem Bauch liegt, konnte Lem sich nicht zu ihrem ersten Häresiarchen und Abtrünnigen erheben. Er konnte deshalb diesen Gedanken in keine diskursive Aussage einfügen. Andererseits, die Idee des »Kosmos als Spiel« zur Achse eines Handlungsfadens zu machen, hätte bedeutet, ein weiteres, soundsovieltes Buch der »normalen Science Fiction« zu schreiben.

Was blieb übrig? Für den gesunden Menschenverstand nichts anderes, als zu schweigen. Bücher, die ein Schriftsteller nicht schreibt, die er bestimmt nicht in Angriff nimmt, was auch geschehen mag, denen man fiktive Autoren zuschreiben kann – sind solche Bücher nicht dadurch, daß sie nicht existieren, dem feierlichen Schweigen seltsam ähnlich? Kann man sich noch mehr von heterodoxen Gedanken distanzieren? Redet man von diesen Büchern, von diesen Auftritten als von fremden Äußerungen, dann ist das fast, als spräche man – schweigend. Besonders wenn sich das in einer Szenerie des Spaßes abspielt.

Also – aus jahrelang unter dem Herzen getragenem Hunger nach einem nahrhaften Realismus, aus Gedanken, die den eigenen Anschauungen kraß entgegenstehen und deshalb nicht direkt ausgesprochen werden können, aus allem, wovon man vergeblich träumt, ist »Die vollkommene Leere« entstanden. Die theoretische Einleitung, die scheinbar die »neue literarische Gattung« begründet, ist ein Manöver, um die Aufmerksamkeit abzulenken, eine absichtlich exponierte Bewegung, mit der der Zauberkünstler unseren Blick von dem ablenkt, was er wirklich tut. Wir sollen glauben, daß Geschicklichkeitsbeweise stattfinden werden, obwohl dem nicht so ist. Nicht der Trick der »Pseudorezension« hat diese Werke geboren, sie selbst haben sich, vergeblich nach Ausdruck verlangend, dieses Tricks als Exkusation und Vorwand bedient. Ohne diesen Trick wäre das alles in der Sphäre des Verschweigens geblieben. Es handelt sich nämlich um einen Verrat an der Phantasie zugunsten eines gut geerdeten Realismus, um eine Verleugnung in der Empirie, um eine Häresie in der Wissenschaft. Sollte Lem geglaubt haben, seine Manipulation werde nicht durchschaut werden? Dabei ist sie sehr einfach: lachend das hinausschreien, was man ernsthaft nicht zu flüstern wagte. Trotz allem, was die Einleitung sagt, muß der Kritiker nicht an das Buch geschmiedet sein wie der Zwangsarbeiter an die Schubkarre; nicht darin besteht seine Freiheit, daß er ein Buch in den Himmel heben oder herabsetzen kann, sondern darin, daß er durch das Buch wie durch ein Mikroskop den Autor betrachten kann. Dann aber erweist sich die »Die vollkommene Leere« als Geschichte von dem, was man haben möchte, aber nicht hat Sie ist ein Buch voll unerfüllter Träume. Und die einzige Finte, die der hakenschlagende Lem noch anwenden könnte, wäre der Gegenangriff in Gestalt der Behauptung, nicht ich, der Kritiker, sondern er selbst, der Autor, hätte die vorliegende Rezension geschrieben und sie zu einem weiteren Teil der »Vollkommenen Leere« gemacht.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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