Das Immunbooster-Handbuch - Dr. Thomas Rampp - E-Book

Das Immunbooster-Handbuch E-Book

Dr. Thomas Rampp

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Beschreibung

Dr. Thomas Rampp zeigt in seinem umfassenden Gesundheitsratgeber die wirksamsten Methoden für die Stärkung des Immunsystems. Ein gut funktionierendes Immunsystem ist wesentlich für die Gesundheit und zur Heilung von Infekten und allen anderen Krankheiten. Lernen Sie Ihr Immunsystem kennen und erfahren Sie, wie Sie es mit einfachen Mitteln wirkungsvoll unterstützen können. Anhand aktueller Studien und auf der Basis seiner langjährigen Erfahrung in der Integrativen Medizin zeigt Ihnen Dr. med. Thomas Rampp, was wirklich hilft. - Immunpower aus Natur und Küche - Immunstark durch Bewegung - Immunfit mit Wasser          - immungesund durch Schlaf und Entspannung - Immunregulation mithilfe von Atmung und Meditation Jede und jeder kann auf dieser Basis sein Leben neu beginnen und nachhaltiger und einfach gesünder gestalten. Die richtigen "Immun-Hebel" zu bedienen ist wie ein Komplett-Booster für unser Abwehrsystem. Der erfahrene Arzt für Naturheilkunde erklärt u.a., wie man ein moderates Ausdauertraining aufbaut, welche Lebensmittel, Gewürze und Kräuter wirklich zu den Superfoods fürs Immunsystem gehören, warum Meditation, Entspannung und das richtige Atmen wichtig sind, die nicht zu überschätzende Wirkung eines guten Schlafs mit vielen Tipps zum Ein- und Durchschlafen und nicht zuletzt einige schöne Übungen zur Erzeugung eines positiven Lebensgefühls, das von Selbstliebe, Humor und Engagement für andere getragen ist. Auf diesen fundierten, ganzheitlichen Gesundheitsratgeber können wir jederzeit zurückgreifen, wenn wir mal wieder unser Immunsystem puschen wollen.

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Dr. Thomas Rampp

Das Immunbooster-Handbuch

Die besten Strategien für eine starke Immunabwehr

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Dr. Thomas Rampp zeigt in seinem umfassenden Gesundheitsratgeber die wirksamsten Methoden für die Stärkung des Immunsystems. Ohne eine starke Abwehr in unserem Körper sind wir Viren in weit stärkerem Maße ausgeliefert. Das »Immunbooster-Handbuch« erklärt erstmals alle wichtigen Vorgehensweisen kompakt und übersichtlich. Dazu gehören vor allem ausreichende Bewegung, richtige Ernährung, guter Schlaf, die Bedeutung eines positiven Lebensgefühls, sinnstiftende soziale Kontakte und Phasen der Ruhe und Meditation.

Jede und jeder kann auf dieser Basis sein Leben neu beginnen und nachhaltiger und einfach gesünder gestalten. Die richtigen »Immun-Hebel« zu bedienen ist wie ein Komplettbooster für unser Abwehrsystem. Der erfahrene Arzt für Naturheilkunde erklärt unter anderem, wie man ein moderates Ausdauertraining aufbaut, welche Lebensmittel, Gewürze und Kräuter wirklich zu den Superfoods fürs Immunsystem gehören, warum Meditation, Entspannung und das richtige Atmen wichtig sind, die nicht zu überschätzende Wirkung eines guten Schlafs mit vielen Tipps zum Ein- und Durchschlafen und nicht zuletzt einige schöne Übungen zur Erzeugung eines positiven Lebensgefühls, das von Selbstliebe, Humor und Engagement für andere getragen ist. Auf diesen fundierten, ganzheitlichen Gesundheitsratgeber können wir jederzeit zurückgreifen, wenn wir mal wieder unser Immunsystem puschen wollen.

Inhaltsübersicht

Vorwort

Das Immunsystem verstehen

Entwicklung und Aufbau des Immunsystems

Am Anfang war das Virus

Die Entstehung des Immunsystems

Angeborenes und erworbenes Immunsystem

Die Mutter prägt das kindliche Immunsystem

Immunsystem und Darm

Das Mikrobiom

Das Mikrobiom und virale Infekte

Sparring im Darm

Der sechste Sinn

Teamarbeit und Training

Psychoneuroimmunologie

Infekte – Training für das Immunsystem

Viren, Gene und Immunsystem

Teile ehemaliger Viren steuern das Immunsystem

Von Viren fremdgesteuert

Viren und das Genom des Menschen – eine alte Beziehung neu bewertet

Im Zeitalter der Pandemien

Pocken, Pest und Cholera

»Nach der Pandemie ist vor der Pandemie«

Coevolution von Mensch und Virus

Einfluss von Emotionen

Emotionale Ausnahmezustände

Einordnen und abwägen

Frauen, Männer und der Duft des Immunsystems

Immunsystem und Partnerwahl

Sich gut riechen können

Was ist dran am Männerschnupfen?

Autoimmunerkrankungen – der Preis für eine bessere Immunabwehr

Frauen und Männer – unterschiedliche Immunsysteme

Das Immunsystem stärken

Bewegung

Sport – Chancen und Risiken

Ausdauersport – maßvolle Belastung

Exkurs: »Sport ist Mord«

Ernährung

Das Problem mit unserer verarmten Darmflora

Auf der Suche nach der besten Ernährung

Powerfood für das Immunsystem

Zwei Powergewürze: Kurkuma und Ingwer

Fasten – eine Frischzellenkur für das Immunsystem

Atmung

Die Lunge und das Immunsystem

Unsere Atmung

Mund- versus Nasenatmung

Atemübungen

Naturerleben und Waldbaden

Mit allen Sinnen

Der Duft des Waldes

Orte zum Waldbaden

Aromatherapie

Unser Geruchssinn

Ätherische Öle und das Immunsystem

Wirksame Mittel gegen Keime

Ätherische Öle für zu Hause

Gesundheitliche Abhärtung

Stärkung des Immunsystems durch »Abhärtung«

Die Kneipp’sche Wassertherapie

Wasser – ein Schatz für das Immunsystem

Kalt oder warm – gewusst, wie

Die Nasenspülung und das Ölziehen

Heilpflanzen

Die passenden Heilpflanzen finden

Adaptogene Heilpflanzen

Immunstärkende Heilpflanzen

Vitalpilze

Lebensfreude und Dankbarkeit

Positives Denken stärkt das Immunsystem

Emotionen aktivieren gezielt bestimmte Körperzellen

Dankbarkeit

Lachen und Humor als Lebenskraft

Lach-Yoga und Gute-Laune-Atmen

Spiritualität, Beten und Achtsamkeit

Spiritualität – heilender Geist?

Glaube und Beten

Achtsamkeit und Stressreduktion

Meditation

Entspannung und Schlaf

Entspannung

Schlaf

Nachwort

Danksagung

Zum Autor

Vorwort

Das Thema Immunsystem begegnet uns Ärzten in der Medizin jeden Tag in den unterschiedlichsten Facetten. Wir sehen Kinder mit den üblichen Infekten und Kinderkrankheiten, Allergiker mit einem überschießenden Immunsystem, Patienten mit Autoimmunerkrankungen oder onkologischen Erkrankungen – und bei allen steht das Immunsystem im Mittelpunkt. Ist es in der Lage, die Eindringlinge zu bekämpfen? Zeigt es eine überschießende Reaktion? Kann es bösartige Zellen im Körper in Schach halten?

Ein verlässlich funktionierendes Immunsystem ist einer der wichtigsten Faktoren für unsere Gesundheit. Hinzu kommt, dass ohne ein leistungsfähiges und gut geschultes Immunsystem die Entwicklung der Menschheit gar nicht möglich gewesen wäre. Unsere Vorfahren mussten sich immer wieder an eine sich verändernde Umwelt und damit auch an neue Mikroorganismen in einer belebten Umgebung anpassen und mit diesen zurechtkommen. Ohne die fantastischen Fähigkeiten unseres Immunsystems wären wir Menschen schon längst ausgestorben.

Ein bekanntes Beispiel aus der Geschichte sind die von Europäern nach Amerika eingeschleppten Seuchen. Innerhalb kürzester Zeit fiel ein Großteil der Ureinwohner Grippeviren, Masern und Pocken zum Opfer. Schließlich besaßen die Ureinwohner des Doppelkontinents aufgrund ihrer jahrtausendelangen Isolierung vom Rest der Welt keine natürliche Immunität gegen die auf sie eindringenden Krankheitserreger. Kolumbus und seine Seeleute brachten aber vermutlich im Gegenzug eine Seuche nach Europa, die damals unter anderem als Franzosenkrankheit (Morbus gallicus) bezeichnet wurde: die Syphilis, die wiederum die Europäer unvorbereitet traf.

Durch die Globalisierung, die fast grenzenlose Mobilität und dadurch bedingt die intensive weltweite Vernetzung der Menschen kommt es immer wieder zu Erkrankungswellen, wie wir sie von Grippeerregern kennen. Auch der enge Kontakt mit der Tierwelt ist ein wichtiger Faktor. Masern und Pocken sind vermutlich irgendwann von Rindern auf den Menschen übergegangen, die Grippe von den Schweinen, und die Vogelgrippe stammt aus asiatischen Geflügelfarmen. Das menschliche Immunsystem wird also immer wieder auf neue Herausforderungen treffen, deshalb sollten wir es möglichst fit halten.

Trotz des medizinischen Fortschritts und ungeachtet aller Schutz- und Präventionsmaßnahmen, ohne unser Immunsystem geht es nicht. Deshalb möchte ich die Erfahrungen aus meiner täglichen Arbeit mit Patienten und aus Forschungsprojekten in diesem Buch zur Verfügung stellen. Vor allem möchte ich Eigenkompetenz und Wissen im Zusammenhang mit dem Immunsystem vermitteln. Der »sechste Sinn« des Menschen, das Immunsystem, soll wieder geschärft werden.

Der Mensch kann der Natur helfen und sie genießen. Aber er muss sich der Natur anpassen. Er kann nicht erwarten, dass sich die Natur ihm anpasst.

Alfred Vogel

Das Immunsystem verstehen

Entwicklung und Aufbau des Immunsystems

In der Natur ist uns alles gegeben, was wir zum Schutz und zur Erhaltung der Gesundheit brauchen.

Alfred Vogel

Am Anfang war das Virus

Das Immunsystem ist unser biologisches Abwehrsystem. Es schützt den Körper vor Eindringlingen wie krank machenden Bakterien, Viren, Pilzen, Parasiten sowie potenziell bösartigen Zellen. Außerdem spielt es, wie wir noch sehen werden, eine entscheidende Rolle bei der Partnerwahl. Zum Immunsystem gehören neben den äußeren Barrieren, also der Haut und den Schleimhäuten, vor allem die Immunzellen selbst und ihre Botenstoffe. Unterschieden wird das Immunsystem in die angeborene oder unspezifische und die erworbene oder spezifische Abwehr.

Während der Coronapandemie wurde uns drastisch vor Augen geführt, wie belebt unsere Umgebung doch immer noch ist und dass sich unser Immunsystem mit den unterschiedlichsten Erregern beschäftigen muss, so wie es in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit schon immer der Fall war. Denn eines ist klar: Am Anfang war das Virus. Viren spielen seit jeher eine wichtige Rolle für die Evolution und hatten und haben auch eine gute Seite.

Letztlich stammen wir alle irgendwie von Viren ab. Bis zur Hälfte unseres Erbgutes besteht aus mehr oder weniger verstümmelten Virengenen, die man heute noch nachweisen kann. Einige davon sind 100 Millionen Jahre alt. Den »schlauen Viren« steht eine gigantische Menge an genetischer Information zur Verfügung. Manche Viren lassen sich sogar aus dem Erbgut wiederherstellen. In einem abenteuerlichen Experiment führte der französische Virologe Thierry Heidmann einen Versuch durch, in dem er 2006 aus Virusresten im menschlichen Erbgut, die etwa 50 Millionen Jahre alt waren, ein intaktes Virusgenom – das Erbgut eines Virus – erzeugte und damit vermehrungsfähige Viren, die er »Phoenix« nannte. Niemand konnte sicher vorhersagen, was für Eigenschaften das rekonstruierte Virus haben würde. Zum Glück ist alles gut gegangen. Heidmanns Versuch zeigte jedenfalls, dass die verstümmelten Viren in unserem Erbgut einst wirkliche Viren waren.

Aber warum haben wir Viren in unserem Erbgut und zu welchem Zweck? Es mag paradox klingen, aber die Viren in unserem Erbgut schützen uns vor Viren von außen. Viren in einer Zelle lassen andere Viren nicht hinein. Viren machen also nicht nur krank, wie die klassische Virologie lehrt, sie bieten neues Erbgut, also neue Information, und eben auch Schutz.

Vor 4,5 Milliarden Jahren entstand die Erde, und seit 3,8 Milliarden Jahren, der »Morgenstunde des Lebens«, gibt es die RNS-Welt, die Welt der Ribonukleinsäuren. Für die Entdeckung dieser vermehrungsfähigen RNS, der Ribozyme, gab es sogar einen Nobelpreis. Die Entdecker solcher RNS um 1950 nannten das Molekül ein Viroid.1

Um die Komplexität und Genialität dieses Systems, das sich über Jahrtausende entwickelt hat, zu verstehen, schaut man sich am besten die Entwicklung dieses Wunderwerks der Natur im Rahmen der Entstehung neuen Lebens vor, während und nach der Geburt an.

Die Entstehung des Immunsystems

Die Entwicklung des Immunsystems des Fetus beginnt bereits in den frühen Schwangerschaftswochen. Der erste Kontakt mit Krankheitserregern findet aber im Regelfall erst während und nach der Geburt statt. Fehlentwicklungen des Immunsystems in der vorgeburtlichen und frühen nachgeburtlichen Phase bringen lebenslange gesundheitliche Defizite mit sich. Das wichtigste und daher oberste Prinzip unseres Immunsystems ist die zweifelsfreie Unterscheidung zwischen fremden und damit potenziell gefährlichen (Alloantigene) und körpereigenen und damit ungefährlichen Stoffen (Autoantigene). Pathogene Mikroorganismen oder Allergene, also Auslöser von allergischen Reaktionen, werden mit einer Immunantwort bekämpft. Körpereigene Zellen lösen dagegen keine Immunreaktion aus, es besteht sogenannte Immuntoleranz.

Das Immunsystem hat vielfältige Schutzaufgaben zu erfüllen. Dafür stehen ihm verschiedene Zelllinien weißer Blutkörperchen (Leukozyten) mit unterschiedlichen Aufgaben zur Verfügung. Dazu zählen unter anderem »omnipotente« Fresszellen, die sogenannten Makrophagen, ebenso die Granulozyten, die Teil der angeborenen Abwehr sind, und die Lymphozyten, die unserer erworbenen Immunabwehr angehören.

Wichtige Zellen des Immunsystems

Leukozyten sind die weißen Blutkörperchen. Sie umfassen unter anderem:

Makrophagen – omnipotente Fresszellen

Granulozyten – Teil der angeborenen Abwehr

Lymphozyten – Teil der erworbenen Abwehr

Für die Immunabwehr wichtig sind drei Arten von Lymphozyten:

B-Zellen – produzieren Abwehrstoffe, die sogenannten Antikörper (erworbene, spezifische Abwehr)

T-Zellen – T-Zellen erkennen Antigene über einen spezifischen Rezeptor

NK-Zellen (natürliche Killerzellen) – zerstören infizierte Zellen oder Tumorzellen

Die Akteure in unserem Immunsystem werden entweder in direktem Kontakt mit den Zellen oder über lösliche Vermittlersubstanzen aktiv. Zu den Vermittlersubstanzen, den sogenannten Zytokinen, gehören Interleukine und Chemokine. Die Interleukine können bestimmte Immunzellpopulationen aktivieren oder auch inaktivieren, während die Chemokine die Immunzellen an den Ort der Infektion locken.2

Das lässt uns schon erahnen, wie fein verwoben und aufeinander abgestimmt dieses Netzwerk ist und was eine Störung des fein ausbalancierten Regelwerks bedeutet.

Die Entwicklung des Immunsystems des Fetus beginnt bei den Stammzellen. Als Stammzellen bezeichnet man Zellen, die keine oder nur geringe Differenzierung aufweisen und damit noch nicht auf ihre Funktion im späteren Organismus festgelegt sind. Aus den Stammzellen können durch Teilung weitere Stammzellen entstehen oder über mehrere Zwischenstufen durch Differenzierung spezialisierte Zellen hervorgehen, wie die verschiedenen Zellen des Immunsystems.

In unserem Zusammenhang ist es wichtig, zwischen B-Zellen und T-Zellen zu unterscheiden. Beide sind Lymphozyten, wirken aber auf unterschiedliche Weise. Lymphozyten sind die kleinsten Vertreter der weißen Blutkörperchen, der Leukozyten, und die wichtigsten Träger der gezielten Immunabwehr. Es gibt drei verschiedene Zelltypen. Die B- und die T-Lymphozyten haben ihre Namen aufgrund der unterschiedlichen Reifungssorte: das Knochenmark (englisch bone marrow) für die B-Lymphozyten und der Thymus (T) für die T-Lymphozyten. Die natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) heißen so aufgrund ihrer Aufgabe, infizierte Zellen oder Tumorzellen zu erkennen und direkt zu zerstören.

Die B-Zellen produzieren Abwehrstoffe, die sogenannten Antikörper. Diese richten sich jeweils spezifisch gegen ein als körperfremd erkanntes Antigen. Die T-Zellen erkennen Antigene, also körperfremde Strukturen, wenn sie von antigenpräsentierenden Zellen (u.a. Makrophagen) auf ihrer Oberfläche präsentiert werden. Sie sorgen dann dafür, dass die entsprechenden kranken oder veränderten Zellen entfernt werden. Ab der siebten Woche der Schwangerschaft wandern T-Vorläuferlymphozyten in den Thymus.

Der Thymus (Bries) ist ein primäres lymphatisches Organ und liegt im Brustkorb hinter dem Brustbein. Er spielt für das menschliche Immunsystem eine bedeutende Rolle. In diesem kleinen Organ lernt ein Teil der weißen Blutkörperchen (die T-Lymphozyten oder T-Zellen), fremde Zellen zu erkennen und anzugreifen. Dafür werden die Immunzellen hier so geprägt, dass sie körpereigene Oberflächenstrukturen von zum Beispiel Bakterien oder Viren von körperfremden Antigenen unterscheiden können. Dies ist wichtig, um zu verhindern, dass die Immunzellen den eigenen Körper angreifen und sogenannte Autoimmunkrankheiten entstehen.

Bis unser Immunsystem reibungslos funktioniert, muss es also eine harte Schule durchlaufen. Für das entsprechende Training der T-Zellen wird ein aus anderem Zusammenhang bekannter Mechanismus ausgeliehen, nämlich der der sogenannten Autophagie. Bei diesem Vorgang werden Zellbestandteile zerlegt und recycelt. Dieser Mechanismus findet in der schon erwähnten Thymusdrüse, in einer Art »T-Zell-Schule« statt. Das Ziel ist es, die dadurch entstehenden Zellbruchstücke für heranreifende T-Zellen wie an der Tafel in der Schule sichtbar zu machen. So wird den T-Zellen ein immunologisches Spiegelbild aller Proteine des Organismus präsentiert. T-Zellen, die auf diese Strukturen reagieren, werden vernichtet, bevor sie die Blutzirkulation erreichen, und somit wird ein Angriff auf körpereigene Proteine verhindert.3

Die B-Zellklone unterliegen einer vergleichbaren Selektion im Knochenmark. Nach etwa einem Drittel der Schwangerschaft sind B- und T-Lymphozyten im Blut und in der Milz des Fetus nachweisbar.4

Angeborenes und erworbenes Immunsystem

Prinzipiell unterscheidet man beim Immunsystem einen angeborenen und einen erworbenen Anteil. Als eine Art unspezifische »Allzweckwaffen« tragen die Granulozyten und Makrophagen des angeborenen – oder auch unspezifischen – Immunsystems Rezeptoren auf ihrer Zelloberfläche, und diese erkennen bestimmte molekulare Muster von Mikroorganismen. Bei Kontakt »fressen« die Immunzellen die Mikroorganismen entweder auf oder gehen mit chemischen Waffen, wie zum Beispiel mit Enzymen, gegen die Eindringlinge vor.

Der Unterschied zwischen dem Immunsystem eines Neugeborenen und dem eines Erwachsenen besteht nicht ausschließlich in der fehlenden »Erfahrung« des erworbenen – oder spezifischen – Immunsystems mit körperfremden Antigenen.

Auch das angeborene Immunsystem ist zum Zeitpunkt der Geburt nicht voll entwickelt. Daher ist die Bezeichnung »angeborenes Immunsystem« vielleicht etwas zu optimistisch formuliert.5 Die Unterschiede sind weniger quantitativer als qualitativer Natur. Im Vergleich zu Erwachsenen finden sich im Blut von Neugeborenen sogar mehr Granulozyten. Wissenschaftler vermuten, dass es sich dabei um einen Schutzmechanismus des angeborenen Immunsystems handelt, mit den plötzlichen Anforderungen einer belebten Umwelt möglichst erfolgreich klarzukommen.6 Diese Immunzellen haben aber – insbesondere bei Frühgeborenen – eine schlechtere Bindungsfähigkeit, eine eingeschränkte Reaktion auf »Lockstoffe« und reagieren insgesamt weniger ausgeprägt auf Entzündungsreize. Daher gelangen sie langsamer zum Ort der Infektion und können Bakterien schlechter bekämpfen. Auch andere Zellen wie die Makrophagen sind bei Neugeborenen zwar vorhanden, aber noch nicht in vollem Umfang einsatzfähig.7

Bei einer Erstinfektion mit einem unbekannten Krankheitserreger sind die Zellen des angeborenen Immunsystems sofort einsatzbereit. Sie halten die Krankheitserreger so lange in Schach, bis die Antigen-spezifischen Zellen des erworbenen Immunsystems in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen.

Die Zellen des erworbenen Immunsystems, die Lymphozyten, erkennen Krankheitserreger an ihren individuellen Strukturen, den Antigenen. Um im Bedarfsfall ein breites Spektrum an Eindringlingen bekämpfen zu können, hält der Körper zahlreiche Lymphozyten mit jeweils unterschiedlichen Rezeptoren für verschiedene Antigene bereit. Der jeweilige Lymphozyt vermehrt sich allerdings erst, wenn sich sein Rezeptor an das Antigen bindet. Nun braucht aber jede Zellteilung einige Stunden, und so dauert es mehrere Tage, bis eine ausreichende Anzahl Antigen-spezifischer Lymphozyten zur Bekämpfung des Erregers zur Verfügung steht. Dies ist der Grund dafür, dass unser Immunsystem bei einer Erstinfektion mit einem unbekannten Erreger erst verzögert antwortet.

Beim Neugeborenen ist dies aufgrund des fehlenden »Trainings« die Regel, denn für sie ist jede neue Infektion eine Erstinfektion. Mit der Geburt ändern sich die Anforderungen an das Immunsystem radikal. Ab sofort ist jedes fremde Antigen eine potenzielle Gefahr. Das Immunsystem muss sich an diese neuen Anforderungen anpassen, und dafür benötigt es Zeit.

Jeder kennt das Beispiel, dass Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, weniger Allergien entwickeln, vermutlich weil das Immunsystem gut beschäftigt und trainiert wird. Dieses Training fällt weg, wenn es keine Kontakte und damit keine Möglichkeiten gibt, sich mit anderen Erkrankungen anzustecken. Dem Immunsystem wird dann irgendwann langweilig, und es besteht die Gefahr, dass eine schlummernde Autoimmunerkrankung aktiviert wird. Vielleicht wird auf diese Weise sogar die Entstehung von Autoimmunkrankheiten wie Typ-1-Diabetes begünstigt.

Während der Coronapandemie veränderten sich für die meisten Menschen die Lebensumstände, Kontakte wurden radikal eingeschränkt. In dieser Zeit stieg die Zahl der an Typ-1-Diabetes Erkrankten deutlich an. So wurden in den ersten 18 Monaten der Pandemie in Deutschland 5162 Kinder und Jugendliche mit neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes registriert, was möglicherweise durch so ein autoimmunes Geschehen erklärt werden könnte. Die Forscher sind momentan noch etwas zurückhaltend mit der Interpretation, haben aber durchaus im Blick, dass die veränderten Umstände für Kinder, wie geschlossene Kitas, äußerst eingeschränkte Kontakte und kaum Infektionen, ursächlich für diese Diabetes-Welle bei Kindern sein könnten.

Die Mutter prägt das kindliche Immunsystem

Die Entwicklung des fetalen Immunsystems wird maßgeblich durch seine Umgebung bestimmt und damit durch die Lebensweise und das Verhalten der Mutter. Wichtige mütterliche Faktoren sind zum Beispiel Ernährung, Stress, Rauchen und Alkoholkonsum. Schon kleine »Kursänderungen« können langfristige Folgen haben und die Entwicklung chronischer (Autoimmun-)Erkrankungen wie Typ-1-Diabetes, Adipositas, Asthma und Allergien beeinflussen. So ist bekannt, dass eine Mangelernährung während der Schwangerschaft, beispielsweise ein Mangel an Zink und Vitamin A, das Infektionsrisiko des Kindes später auf lange Sicht hin erhöht. Oder Alkoholkonsum der werdenden Mutter kann umfangreiche Störungen im angeborenen wie erworbenen Immunsystem des Kindes hervorrufen. Daher sollten Schwangere unbedingt auf eine gesunde Lebensweise achten, um potenzielle Krankheiten und Langzeitfolgen für das Kind auszuschließen.

Auch der Geburtsmodus spielt für die Entwicklung des Immunsystems eine Rolle, denn während der Wehen werden im Fetus Stresshormone ausgeschüttet, die vor allem das angeborene Immunsystem prägen.8

Nach der Geburt

Zumindest in den ersten Lebensmonaten wird die Abwehr des Säuglings von mütterlichen Antikörpern unterstützt, die während der Schwangerschaft die Plazentaschranke überwunden haben. Doch mit diesem »Nestschutz« ist es aufgrund der begrenzten Halbwertszeit der Antikörper nach spätestens sechs Monaten vorbei. Ein weiterer Schutz für das kindliche Immunsystem ist die Muttermilch, die unter anderem keimabtötende Peptide und Antikörper enthält. In einer afrikanischen Studie sank die Sterblichkeit der Neugeborenen um 22%, wenn die Mütter direkt nach der Geburt mit dem Stillen begannen.9

Säuglinge und Kleinkinder erkranken aufgrund der noch »schwachen Konstitution« ihres Immunsystems deutlich häufiger an Infekten als ihre älteren Geschwister oder Eltern. Spitzenreiter sind die Atemwegsinfekte – durchschnittlich schnupfen und husten Kinder in den ersten vier Jahren achtmal jährlich. Den Kontakt des Säuglings mit Mikroorganismen durch übertriebene hygienische Maßnahmen zu minimieren, wäre aber immunologisch betrachtet geradezu eine Todsünde. Die Auseinandersetzung mit Krankheitserregern ist für die Entwicklung des Immunsystems unverzichtbar. Nur so können beispielsweise Gedächtniszellen gebildet werden, die bei einer Zweitinfektion die Bereitschaft und Effektivität des erworbenen Immunsystems erhöhen, und nur so kann auch eine adäquate Kolonisation des Darms mit Mikroorganismen gelingen.

Zur Vermeidung von Nahrungsmittelallergien wurde jahrzehntelang empfohlen, dass stillende Mütter auf Nahrungsmittel verzichten, die Allergien hervorrufen könnten, wie etwa Kuhmilch oder Erdnüsse. Auf diese Weise sollte eine Allergen-Exposition über die Muttermilch in den ersten Lebensmonaten umgangen werden. Neuere Untersuchungen lassen jedoch vermuten, dass eine frühe Exposition bei manchen Allergenen das Risiko sogar senken kann.10

Immunsystem und Darm

Nicht der Arzt heilt, sondern die Natur: Der Arzt kann nur ihr getreuer Diener und Helfer sein, er wird von ihr, niemals aber die Natur von ihm lernen.

Hippokrates von Kos

Das Mikrobiom

Die Mikrobiota bezeichnet die Gesamtheit aller Mikroorganismen, also Bakterien, Pilze, Viren & Co. Das Mikrobiom umfasst die Mikrobiota einschließlich ihrer Gene, Stoffwechselprodukte und Umweltbedingungen. Die beiden Begriffe werden fälschlicherweise oft synonym verwendet.

Auch wenn wir als Wirtsorganismus Mensch mit etwa 99 % den deutlich größten Teil der Biomasse, also des Gewichts dieser Gemeinschaft bilden, so ist die Anzahl der auf und im menschlichen Körper lebenden Bakterien sogar höher als die Anzahl der Zellen im menschlichen Körper. Zahlenmäßig umfasst das Mikrobiom nach heutigen Schätzungen etwa 39 Billionen Mikroorganismen, wohingegen die Zellzahl eines erwachsenen »Standardmenschen« etwa 30 Billionen beträgt. Die meisten dieser Bakterien besiedeln den Magen-Darm-Trakt, aber sie finden sich auch auf der Haut und auf den Schleimhäuten.

In vielen Fällen erfüllen die Bakterien für den Menschen wichtige Aufgaben, etwa bei der Herstellung von Vitaminen und der Verdrängung von Krankheitserregern. Sie beeinflussen das Immunsystem und werden leider oft durch Medikamente beeinträchtigt. Dass wir billionenfach besiedelt sind, ist keine wirklich neue Erkenntnis. Schon 1917 hatte der Arzt Alfred Nissle sich intensiv mit der Darmflora beschäftigt. Das Mikrobiom leistet einen wichtigen Beitrag zu unserer Gesundheit, allerdings sind die Zusammensetzung und die genaue Funktion immer noch nicht lückenlos erforscht.

Ähnlich wie ein tropischer Regenwald ist auch das Mikrobiom ein komplexes Ökosystem. Nur durch ein perfektes Zusammenspiel der verschiedenen Organismen funktioniert es. All die Alliierten in uns und auf uns sind mikroskopisch kleine Verbündete, die uns immer begleiten, uns unterstützen und oft auch gegen Feinde verteidigen. Daher werden harmlose Mitglieder des Mikrobioms häufig »Kommensale« genannt, abgeleitet vom lateinischen cum mensa, »den Tisch teilen«. Sie sind für uns unsichtbar, aber wir bilden dennoch eine symbiotische Gemeinschaft mit ihnen, und beide können nicht ohneeinander, denn nur gemeinsam sind wir stark.

Durch die dichte Besetzung der Lebensräume auf der Darmwand ist kein Platz für krank machende Erreger. Die »guten« Bakterien verteidigen uns sozusagen gegen die »bösen«. Außerdem trainieren sie unser Immunsystem. Dieser Effekt wird Kolonisationsresistenz genannt. Dabei konkurrieren die ansässigen Bakterien mit Krankheitserregern, den Pathogenen, um Nährstoffe und spezifische Nischen. Studien haben gezeigt, dass die sich entwickelnde Darmflora entscheidend zur Ausbildung unseres Immunsystems beiträgt. Mäuse, die komplett ohne Bakterienflora im Darm aufwachsen, also keimfrei sind, besitzen später beispielsweise nur ein stark unterentwickeltes Immunsystem.

Kommt es zu Störungen durch innere oder äußere Faktoren, können sich auch Krankheitserreger hinzugesellen. Pathogene siedeln sich vor allem dann an, wenn das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht gebracht ist. Eine Behandlung mit Antibiotika beispielsweise ist dazu gedacht, in erster Linie krank machende Bakterien abzutöten, richtet sich aber teilweise auch gegen die vorhandenen »guten« Bakterien. Auch bei vielen menschlichen Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes und entzündlichen Darmerkrankungen kann man häufig eine Dysbalance des Mikrobioms beobachten. Solche Erkrankungen können auf eine Störung des Mikrobioms folgen, sie können aber auch durch die damit zusammenhängende Lebensweise selbst der Auslöser für ein Ungleichgewicht im Mikrobiom sein.

Tatsächlich liefert heute die Untersuchung der Mikroflora eines Menschen wichtige Hinweise auf seinen Gesundheitszustand. Ausgebildete Ärzte und Therapeuten können zwischen einer gesunden und gestörten Gemeinschaft von Mikroorganismen im Mund, auf der Haut oder im Genitalbereich unterscheiden und aufgrund dessen wichtige Erkenntnisse über Krankheitszusammenhänge und -ursachen gewinnen.

Das Mikrobiom und virale Infekte

Auf der Suche nach einfachen, aber wirkungsvollen Behandlungen einer Coronainfektion war natürlich auch das Mikrobiom ein wichtiges Forschungsfeld. So wurde eine Untersuchung mit knapp 300 Patienten vorgenommen. Sie alle waren jung (im Mittel unter 40 Jahren), nur leicht an Corona erkrankt und überwiegend nicht vorerkrankt. Eine Gruppe bekam die Probiotika – Probiotika sind Zubereitungen, die lebensfähige Mikroorganismen enthalten, zum Beispiel Milchsäurebakterien und Hefen. Die andere Gruppe erhielt ein Placebo. Die Ergebnisse waren durchaus eindrucksvoll: In der Probiotika-Gruppe dauerten die klinischen Symptome weniger lange. Bei denjenigen, die zu Beginn Lungeninfiltrationen – also eine röntgenologisch sichtbare Verschattung bzw. Verdichtung eines Lungenareals – aufwiesen, bildeten diese sich rascher zurück, außerdem fiel die Viruslast rascher ab. Nicht zeigen konnte die Studie, ob schwere Verläufe mit Klinikaufenthalt oder sogar Todesfälle durch Probiotika hätten verhindert werden können. Denn keiner der Patienten kam in ein Krankenhaus, ebenso niemand aus der Placebo-Gruppe. Die Daten der Untersuchung können aber ein Hinweis darauf sein, dass die Gabe von Probiotika die Infektionsverläufe positiv beeinflusst.

In der Untersuchung wurde auch der Frage nachgegangen, ob es messbare Veränderungen im Mikrobiom gibt – die Probiotika häufig zugeschrieben werden. Dies war nicht der Fall. Dagegen wurde eine vermehrte Antikörperbildung gegen das Spikeprotein des Coronavirus gefunden. Auch wenn Probiotika das Mikrobiom nicht signifikant verändern, stimulieren sie aber vielleicht das Immunsystem. Der genaue Mechanismus ist noch völlig unklar. Wir wissen, dass das COVID-Virus nicht nur in die Lunge, sondern auch in den Darm wandert. Hier könnten Probiotika über eine Stimulierung des darmassoziierten Abwehrsystems die Bildung von Antikörpern beeinflussen, was aber bisher erst eine Theorie ist und noch weiterer Forschungsarbeiten bedarf.

Diese »Darm-Lungen-Achse« beschreibt die Interaktion zwischen dem Mikrobiom des Darms und der Lungenschleimhaut. Ob diese Achse für die Ergebnisse eine entscheidende Rolle spielt, müssen weitere Studien zeigen.

Unser Bronchialsystem zusammen mit der Lunge, aber auch unser Magen-Darm-System hat riesige Oberflächen, wie unsere Haut, nur ein Vielfaches davon. Hier findet der Kontakt zur Außenwelt statt. Deshalb verfügen diese Oberflächen über verschiedene Schutzmechanismen, etwa die Säureblockade im Magen durch den sauren pH, eine Schleimschicht, die Erreger daran hindert, in den Körper einzuwandern, sowie eine Epithelschicht, die den Darm abdichtet. Des Weiteren gibt es Studien zu dem nicht-pathogenen Darmkeim E. Coli Nissle, welcher dazu in der Lage ist, die Bildung von körpereigenen Antibiotika, den β-Defensine, im Darm zu stimulieren.11

Defensine sind ein Bestandteil des unspezifischen Immunsystems. Ihre hohe Konzentration in der Muttermilch spielt eine wichtige Rolle für den immunologischen Schutz nach der Geburt. Sie wirken antimikrobiell, das heißt, sie können Mikroben, wie Bakterien, Viren oder Pilze, vernichten. Darüber hinaus spielen sie eine Rolle bei Entzündungsprozessen, der Wundheilung und der Regulation der spezifischen Immunantwort sowie der Aufrechterhaltung der mikrobiellen Ausgewogenheit, der Homöostase, an den Grenzflächen Haut, Schleimhäute und Lunge. Der Sinn all dieser Schutzmaßnahmen ist, dass ein direkter Kontakt zum Immunsystem möglichst vermieden wird. Die Grenzflächen sollen schnell und unkompliziert von potenziell gefährlichen Eindringlingen befreit werden, ohne dass dazu ständig Entzündungsprozesse ablaufen müssen.12

Sparring im Darm

Obwohl nach der Geburt Eindringliche jeglicher Art allgegenwärtig sind, darf nicht jedes neue Fremdantigen vom Immunsystem des Säuglings angegriffen werden. Insbesondere muss es die Besiedlung des Darms mit fremden Mikroorganismen tolerieren, das heißt, dass in dieser Zeit die in der Darmschleimhaut vorkommenden Immunzellen gegenüber fremden Antigenen eine erhöhte Toleranz zeigen. In den ersten drei Lebensjahren ist die Zusammensetzung der Mikrobiota, auch Darmflora genannt, noch sehr variabel. Erst danach stabilisiert sich diese Lebensgemeinschaft und wird zum Mikrobiom, welches unter anderem das Immunsystem, den Stoffwechsel und das Hormonsystem beeinflusst.13

Die Zusammensetzung des gastrointestinalen Mikrobioms, also des Mikrobioms im Magen-Darm-Trakt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Es gilt: Wer zuerst kommt, siedelt zuerst. So wird bei einer vaginalen Geburt Haut des Säuglings zunächst von der Vaginalflora der Mutter bedeckt, bei durch Kaiserschnitt geborenen Säuglingen sind es (mütterliche) Hautkeime und Umgebungskeime. Diese Unterschiede beeinflussen auch die Besiedelung des Darms. Weiter beeinflusst die Ernährung des Säuglings – also das Stillen, die Formulamilch und der Zeitpunkt der Zufütterung – die Artenzusammensetzung seines späteren gastrointestinalen Mikrobioms.14

Seit Langem ist bekannt, dass das aus etwa 100 Trillionen (10 hoch 14) Organismen bestehende Mikrobiom uns beim Verdauen der Nahrung hilft, Vitamine bereitstellt und die Ansiedlung pathogener Keime verhindert. Neuere Forschungen belegen zusätzlich eine wichtige Funktion als »Trainer und Sparringspartner« des Immunsystems. Steril gehaltene Tiere, die keine Mikroorganismen beherbergen, weisen weitreichende Änderungen des angeborenen und erworbenen Immunsystems auf. Solche Tiere zeigen eine erhöhte Neigung zu entzündlichen Darmerkrankungen, Asthma und Nahrungsmittelallergien.15

Epidemiologische Studien am Menschen belegen, dass in einer ländlichen, bäuerlichen Umgebung aufgewachsene Kinder insgesamt ein geringeres Risiko für allergische Erkrankungen tragen, möglicherweise aufgrund einer größeren Vielfalt ihres gastrointestinalen Mikrobioms. Für einen solchen Zusammenhang spricht auch, dass eine Antibiotika-Therapie in den ersten Lebensmonaten die Empfindlichkeit für eine ganze Reihe chronischer Erkrankungen wie Allergien, Asthma, Adipositas und entzündliche Darmerkrankungen erhöht. Aufgrund ihrer veränderten Mikrobiom-Komposition haben auch Kinder, die per Kaiserschnitt geboren wurden, ein erhöhtes Risiko.

Eine Studie aus dem Jahr 2014 kommt zu der Erkenntnis, dass Familien ein stabiles und unverwechselbares Mikrobiom teilen, das bei Wohnungswechseln sogar mit umzieht. Nach cirka 24 Stunden war ein neu bezogener Wohnraum von der vorigen Wohnung bezüglich der mikrobiologischen Besiedlung nicht mehr zu unterscheiden. Pro Familie waren 2000 bis 20000 unterschiedliche Bakterienarten nachweisbar.16

Bis dato werden das gastrointestinale Mikrobiom und seine überragende Bedeutung für das Training des Immunsystems intensiv erforscht. Ebenso stellen sich Wissenschaftler die Frage, wie die Änderungen des frühkindlichen Immunsystems über Jahrzehnte erhalten bleiben und welche Rolle epigenetische Mechanismen dabei spielen könnten. Die Epigenetik befasst sich mit dem Einfluss der Umwelt auf Gene und untersucht, unter welchen Bedingungen die Aktivität ausgewählter Gene an- oder ausgeschaltet wird und welche Mechanismen dafür verantwortlich sind. Letztendlich ist es die Suche nach Möglichkeiten, das Immunsystem in der frühen Lebensphase so zu beeinflussen, dass das Langzeiterkrankungsrisiko sinkt.

Wenn man nun weiß, wie komplex und vielschichtig dieses Wunderwerk Immunsystem sich über die Jahrtausende entwickelt hat und wie es sich heute noch in jeder Schwangerschaft, bei jedem Neugeborenen, Kleinkind, jedem Jugendlichen entwickelt, dann entsteht vielleicht etwas mehr Demut und Ehrfurcht vor diesem kostbaren Geschenk der Natur.

Der sechste Sinn

Aufgrund der vielfältigen Aufgaben, der Leistungsfähigkeit und Komplexität des Immunsystems spricht man in Wissenschaftskreisen häufig vom »sechsten Sinn« oder sogar »siebten Sinn« des Menschen. Diese beziehen sich auf intuitive Fähigkeiten, wobei der sechste Sinn die Wahrnehmung im Jetzt und der siebte Sinn eine Vorahnung beschreibt. Gemeint ist unter anderem das (ungute) Bauchgefühl, das vor Menschen oder Situationen zu warnen scheint und durchaus eine sinnvolle und manchmal sogar lebensverlängernde Ergänzung ist zum Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten, den klassischen fünf Sinnen des Menschen, mit denen wir sonst Eindrücke und Reize aus der Umwelt wahrnehmen.17 Wie aber hängen Immunsystem, Mikrobiom und Bauchgefühl zusammen?

Die simple Vorstellung, der Darm sei ein reines Verdauungsorgan, ist heutzutage obsolet. Schließlich weiß man zum Beispiel, dass ein großer Teil unseres Immunsystems im Darm lokalisiert ist und der Darm darüber hinaus über ein eigenes Nervensystem verfügt.18

Das sogenannte enterische Nervensystem (ENS) durchzieht den gesamten Verdauungstrakt. Es handelt sich um ein komplexes Geflecht aus 100 bis 150 Millionen Nervenzellen. Da das ENS strukturell wie funktionell dem Gehirn ähnlich ist und vergleichbar komplexe Leistungen erbringt, wird es auch häufig als little brain of the gut oder im Deutschen als Bauchgehirn bezeichnet.19

Eine intensive Kommunikation zwischen enterischem Nerven- und enterischem Immunsystem ist auch die Voraussetzung für lokale Neuro-Immun-Interaktionen, die beim Eindringen von Antigenen verschiedene Prozesse zur Abwehr von Noxen – im weiten Sinne sind dies schädigende Einflüsse – initiieren. Sogar eine eigene Forschungsdisziplin ist deswegen entstanden, die Neurogastroenterologie. Sie untersucht die Interaktionen und Störungen zwischen Gehirn, Rückenmark und dem »Bauchhirn«. Mit dem Begriff Darm-Hirn-Achse wird die Verbindung beschrieben, die zwischen dem Verdauungstrakt und dem Gehirn, genauer gesagt, dem zentralen Nervensystem (ZNS) besteht. Zwischen »Kopfhirn« und »Darmhirn« besteht ein reger Austausch, und die beiden Nervensysteme können sich gegenseitig beeinflussen. Allgemein bekannt ist, dass psychische Faktoren wie Stress und Ärger im wahrsten Sinne des Wortes auf den Magen schlagen und zu Verdauungsbeschwerden führen können. So können akute Stress- und Angstsituationen zu Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Übelkeit oder gar Durchfall führen. Dauerstress kann hingegen Verstopfung und Magengeschwüre hervorrufen. Das »Kopfhirn« schickt also ganz offensichtlich Signale in den Bauch, die dort zu verschiedenen Veränderungen führen.

Neu ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass der Darm in dieser Kommunikation alles andere als ein reiner »Befehlsempfänger« ist, sondern auch Signale in Richtung Hirn verschickt. Eine zentrale Rolle spielt dabei der sogenannte Vagusnerv, der die Funktion fast aller inneren Organe reguliert. Er ist quasi die »Datenautobahn« zwischen Kopf und Bauch. Die Nervenverbindungen zwischen Darm und Hirn bestehen zu 90% aus aufsteigenden Nervenfasern, die folglich Signale aus dem Bauch zum Gehirn leiten. Nur 10% der Nervenfasern geben Informationen in die andere Richtung weiter. An der Kommunikation zwischen Darm und Kopfhirn wirken neben den Nervenverbindungen auch Botenstoffe wie zum Beispiel Neurotransmitter oder Hormone sowie kurzkettige Fettsäuren mit. Auf diese Weise kann der Zustand des Darms auch das seelische Wohlbefinden beeinflussen. Die Darmflora ist entscheidend in die Kommunikation zwischen Bauch und Kopf eingebunden. Laktobazillen und Bifidobakterien, die zu den darmfreundlichen Bakterien zählen, produzieren Substanzen, mit denen sie »mitreden« können. Beispiele hierfür sind der Botenstoff GABA (Gamma-Amino-Buttersäure) und das Serotonin, das gerne als das »Glückshormon« bezeichnet wird. Serotonin wird nicht nur im Gehirn, sondern zu etwa 90% im Darm gebildet. Damit der Körper das »Glückshormon« mit appetitzügelnder Wirkung herstellen kann, braucht er die Aminosäure Tryptophan, und diese wird von den darmfreundlichen Bidifobakterien produziert. Auf diese Weise kann offenbar der Serotoninspiegel im Darm beeinflusst werden. Denn ohne diese fleißigen Helfer im Darm ist der menschliche Organismus nicht in der Lage, Tryptophan zu synthetisieren, und muss die essenzielle Aminosäure über die Nahrung aufnehmen. Die Zusammensetzung der Darmflora wirkt sich folglich auf unsere Psyche und unsere Emotionen aus. In Forscherkreisen wird hierfür der Begriff »Mikrobiom-Darm-Hirn-Achse« benutzt, auch bezeichnet man die Darmbakterien, die mit dem Gehirn »sprechen«, als »Psychobiom«.

Die Tatsache, dass die Verbindung zwischen Hirn und Darm in beide Richtungen funktioniert, ist für viele westliche Mediziner relativ neu. In den Ländern Asiens hingegen wird der Darm schon seit jeher als Sitz der Seele und als Zentrum psychischer Kraft gesehen. Seit den 1990er-Jahren wird außerdem der Einfluss von Stress auf Erkrankungen des Verdauungssystems intensiv untersucht. 20

Als schädlich hat sich insbesondere Dauerstress, von dem sich Körper und Geist nicht erholen können, erwiesen. Dauerstress schädigt auch die Darmflora, indem sich schlechte Keime ungehindert ausbreiten können. Diese wiederum können unsere Psyche negativ beeinflussen.

Teamarbeit und Training

Das Geheimnis des Erfolgs besteht darin, anzufangen.

Mark Twain

Psychoneuroimmunologie

Für das Verständnis des Immunsystems wegweisend waren die Versuche des amerikanischen Psychologen Robert Ader im Jahr 1974. Diese gelten auch als die Geburtsstunde der Psychoneuroimmunologie (PNI).

Zu viele Süßigkeiten sind bekanntermaßen ungesund. Dass aber schon kleinste Mengen Süßstoff tödlich sein können – wie Robert Ader herausfand –, war dann doch ungewöhnlich. Allein durch den Geschmack von Süßstoff (Saccharin) lässt sich das Immunsystem von Ratten so sehr schwächen, dass die Tiere beim kleinsten Infekt sterben. Die verheerende Wirkung des eigentlich harmlosen Süßungsmittels entstand aufgrund einer vorangegangenen klassischen Konditionierung: Durch die gleichzeitige Injektion des Immunsupressivums Cyclophosphamid hatten die Ratten »gelernt«, das Trinken einer Süßstofflösung mit einer Schwächung des Immunsystems zu assoziieren. Es muss also eine Verbindung zwischen dem Gehirn und dem Immunsystem existieren, schlussfolgerte der Wissenschaftler und widersprach somit komplett der bis dahin herrschenden Lehrmeinung.21

Das interdisziplinäre Forschungsgebiet der PNI beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Psyche, Nervensystem und Immunsystem. Noch vor gut 40 Jahren war die gängige Lehrmeinung, dass unser Immunsystem autonom, das heißt völlig unabhängig arbeitet. Mittlerweile hat sich die Erkenntnis unter Wissenschaftlern weitgehend durchgesetzt, dass das Immunsystem kein Einzelgänger ist, sondern sozusagen im Team arbeitet und eben wie ein sechster oder siebter Sinn vor Krankheit und Fehlentscheidungen warnt oder diese ausbügelt.22

Nerven- und Immunzellen sind funktional vernetzt. Sie besitzen eine gemeinsame Sprache zur Verständigung und können auch auf nicht stoffliche Einflussfaktoren, beispielsweise psychische, reagieren. Oft sind an diesem Zusammenspiel Hormone beteiligt. Der Übergang zum verwandten Gebiet der Psychoneuroendokrinologie ist deshalb fließend.23

Um das Immunsystem bestmöglich zu unterstützen, sollte insbesondere auf eine gesunde, vitamin- und vitalstoffreiche Ernährung, eine ausgewogene Darmflora und Bewegung an der frischen Luft geachtet werden. Auch ein guter Umgang mit Stress ist im Sinne der Psychoneuroimmunologie für ein gesundes Immunsystem dringend erforderlich. Im Rahmen der Coronapandemie und der damit verbundenen langfristigen Kontaktbeschränkungen durch Abstand, Mund-Nasen-Schutz, Lockdowns, Ausgangssperren, forcierte Hygienemaßnahmen, reduziertes Freizeit- und Sportangebot usw. hatte unser Immunsystem wenig Gelegenheit, seine Fähigkeiten im Alltag zu trainieren. Man sah das auch bei den Kindern, bei denen an sich banale Infekte zu schweren Verläufen zum Teil mit Krankenhauseinweisungen führten.

Infekte – Training für das Immunsystem

Sie sind lästig und kommen immer zur Unzeit, aber ihre gute Seite ist, dass sie dem Immunsystem nützen.

Das körpereigene Abwehrsystem muss regelmäßig mit Krankheitserregern in Kontakt kommen, damit der Mensch nicht seine Immunkompetenz verliert. Das lässt sich mit dem Betriebssystem unseres Computers vergleichen, welches auch immer wieder upgedatet werden muss, damit eine optimale Arbeitsleistung gewährleistet ist. Übermäßige Angst vor einer Ansteckung mit Erkältungserregern ist nach Angaben des Berufsverbandes Deutscher Internisten daher unbegründet und kann sogar mehr schaden als nutzen. Leichte Infektionen können dem Immunsystem helfen, auf dem »neuesten Stand« zu bleiben. Dies gilt besonders für Infektionen, gegen die der Körper nach einer Erkrankung immer nur kurzzeitig immun ist.

Erreger, die sich häufig und schnell verändern, werden nämlich nach einiger Zeit vom Immunsystem schlechter oder gar nicht mehr erkannt. Dies konnte man ja beim Coronavirus eindrücklich beobachten. Um dessen rasante Weiterentwicklung durch immer neue Mutationen zu beschreiben, wurde in kürzester Zeit fast das vollständige griechische Alphabet zur Namensgebung der einzelnen Virusmutationen herangezogen. Bei fehlendem Kontakt mit banalen Erkältungsviren kann sich das Infektionsrisiko um das Sechsfache erhöhen, wie in mehreren Studien gezeigt werden konnte.

Eine gelegentliche Erkältung hat also auch ihr Gutes. Wenn der Körper auf ihm unbekannte Keime trifft, dauert es länger, bis eine effektive Immunabwehr aufgebaut ist. Eine Erkältung kann dann schwerer verlaufen und länger dauern. Auch in der Erkältungszeit besteht also für gesunde Menschen kein Grund, andere Menschen zu meiden. Ausgenommen sind natürlich pandemische Infektionsgeschehen mit potenziell gefährlichen Erregern oder tatsächliche Seuchen wie Ebola oder Westnilfieber mit einer Infektionssterblichkeit von 70–80 %, die in Westeuropa aber zum Glück nicht verbreitet sind.

Durch die tägliche Berichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Medien wurden wir während der Coronapandemie mit einem Crashkurs in Virologie, Epidemiologie, Infektiologie und Immunologie zwangsweitergebildet. Was leider wenig bis gar keine Erwähnung in den einschlägigen Medien fand, war die Tatsache, dass wir Menschen ein hervorragend funktionierendes Immunsystem haben, das uns seit Jahrtausenden das Überleben auf der Erde gesichert hat. Diese wunderbare Gabe können wir pflegen und stärken, ja sogar lebenslang trainieren.

Viren, Gene und Immunsystem

Reichtum ist viel. Zufriedenheit ist mehr. Gesundheit ist alles!

Asiatische Weisheit

Teile ehemaliger Viren steuern das Immunsystem

Viren sind Piraten. Sie kapern Zellen und nutzen sie für ihre Vermehrung. Einige, die Retroviren, bauen sich sogar in das Erbmaterial ihrer Wirtszellen ein. Manche bleiben dann in den Zellen stecken, und wenn es sich zufällig um Eizellen oder Samenzellen handelt, dann werden sie von Generation zu Generation weitervererbt. Nach Millionen Jahren sind auf diese Weise schätzungsweise 100000 Retroviren zu einem Teil des Menschen geworden.24