Das Killerphantom im Brockdorfer Forst - Heinz-Jürgen Schönhals - E-Book

Das Killerphantom im Brockdorfer Forst E-Book

Heinz-Jürgen Schönhals

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Beschreibung

Der Schriftsteller Joachim Helmers lebt mit Ehefrau Katrin in einem Haus am Rande eines Waldes, in dem ein geisteskranker Mörder sein Unwesen treibt. Joachim möchte am Abend eine Gesellschaft geben, zu der er zwei frühere Freunde einlädt. Einer, Günter Nitschmann, hatte Katrin einst heftig umworben. Jetzt bedrängt er sie wieder, mit ihm ein neues Leben zu beginnen. Joachim seinerseits hört von einem Schriftstellerfreund, seine frühere französische Freundin lasse ihn herzlich grüßen. Er fürchtet ihren Besuch. Am Abend findet die Party statt. Ein befreundeter Staatssekretär ist nur gekommen, um Joachim für den Wahlkampf seiner Partei zu gewinnen. Plötzlich ertönt die Alarmanlage. Von draußen wird ins Wohnzimmer geschossen. Als das Licht wieder angeht, ist keiner verletzt. Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf; alle raten Joachim, die Gegend zu verlassen, was dieser ablehnt. Die Polizei arbeitet inzwischen mit Hochdruck an dem Fall. Ob die französische Freundin bei Joachim erscheint und ob Katrin ihren Mann verlässt und welche Rolle das Phantom dabei spielt, wird am Schluss des Romans geklärt.

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Heinz-Jürgen Schönhals

Das Killerphantom im Brockdorfer Forst

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Das Killer-Phantom im Brockdorfer Forst

Kriminalroman

 

Autor: Heinz-Jürgen Schönhals

[email protected]

 

Erscheinungsjahr: 2022

 

Covergestaltung: Heinz-Jürgen Schönhals

 

 

Alle Rechte vorbehalten

Heinz-Jürgen Schönhals

[email protected]

 

 

Dieses E-Book, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Zustimmung des Autors nicht vervielfältigt, wieder verkauft oder weitergegeben werden.

 

 

Inhalt

Der Schriftsteller Joachim Helmers lebt mit Ehefrau Katrin in einem Haus am Rande eines Waldes, in dem ein geisteskranker Mörder sein Unwesen treibt. Joachim möchte am Abend eine Gesellschaft geben, zu der er zwei frühere Freunde einlädt. Einer, Günter Nitschmann, hatte Katrin einst heftig umworben. Jetzt bedrängt er sie wieder, mit ihm ein neues Leben zu beginnen. Joachim seinerseits hört von einem Schriftstellerfreund, seine frühere französische Freundin lasse ihn herzlich grüßen. Er fürchtet ihren Besuch. Am Abend findet die Party statt. Ein befreundeter Staatssekretär ist nur gekommen, um Joachim für den Wahlkampf seiner Partei zu gewinnen. Plötzlich ertönt die Alarmanlage. Von draußen wird ins Wohnzimmer geschossen. Als das Licht wieder angeht, ist keiner verletzt. Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf; alle raten Joachim, die Gegend zu verlassen, was dieser ablehnt. Die Polizei arbeitet inzwischen mit Hochdruck an dem Fall. Ob die französische Freundin bei Joachim erscheint und ob Katrin ihren Mann verlässt und welche Rolle das Phantom dabei spielt, wird am Schluss des Romans geklärt.

Inhaltsverzeichnis

 

Erster Teil: Das Haus am Waldrand

 

Zweiter Teil: Der Wald

 

Dritter Teil: Die Abendgesellschaft

 

Vierter Teil: Im Polizeirevier Neustadt

 

Fünfter Teil: Bei Joachim Helmers zu Hause

 

Sechster Teil: Bei Joachim Helmers, abends

 

Erster Teil: Das Haus am Waldrand

 

1

 

„Mein lieber Achim, ich bin überrascht, wie ihr wohnt, so einsam und am Rande eines dunklen Waldes! Fast hat man den Eindruck, ihr seid ein Teil des Waldes geworden.“

So sprach Rechtsanwalt Günter Nitschmann zu seinem Jugendfreund, dem Schriftsteller Joachim Helmers. Seine Stimme klang teils kritisch, teils ließ sie einen Hauch von Spott mitschwingen, was allerdings nur jemandem auffiel, der genauer auf die Art von  Nitschmanns Sprechen achtete.

Der gleichfalls im Hause Helmers anwesende Studienrat Stefan Weigand, auch ein Jugendfreund Joachims, ergänzte:

„... eigentlich ist das nicht ein Wohnen am Wald, sondern schon mehr ein Wohnen im Wald, Achim!“

Auch Weigands Stimme ließ Spott anklingen, jedoch noch mehr die Befürchtung, das Wohnen des Freundes, so in unmittelbarer Nähe eines dichten Waldes, könnte mit gewissen Gefahren verbunden sein.

„Na, ihr übertreibt. Mitten im Wald kann man nun wirklich nicht sagen!“ erwiderte Joachim im ruhigen, selbstbewussten Ton, der völlig frei von Unsicherheit, geschweige von Beklommenheit war, „der Wald beginnt hinter unserem Haus, ungefähr 20 Meter entfernt. Zugegeben: seine Ausläufer dringen manchmal bis zu unserem Garten vor. Plötzlich steht da in irgendeiner Ecke ein finsterer Busch. Doch das macht nichts: ein paar kurze Schnitte mit der Gartenschere, schon ist der Angriff des Waldes abgeschlagen.“

Die drei Männer waren gerade von der Gartenterrasse, wo sie den Garten inspiziert hatten, ins Wohnzimmer getreten. Auch auf den angrenzenden Wald hatten sie einige Blicke geworfen, auf seine gewaltig und beunruhigend  in den Himmel sich hebenden Tannen und Fichten, welche das Sonnenlicht zumindest nachmittags daran hinderten, das Wohnzimmer gründlicher zu erhellen.

Günter Nitschmann und Stefan Weigand waren vor einigen Minuten völlig unangemeldet, von Neustadt kommend, wo Weigand wohnte, vor Helmers’ Bungalow vorgefahren, um ihn mit einem Überraschungsbesuch zu beglücken. Joachim, der gerade mitten in den Vorbereitungen einer Abendgesellschaft steckte, zu der er am nächsten Tag einige Freunde und Bekannte geladen hatte, fühlte sich allerdings durch den Besuch überhaupt nicht gestört, im Gegenteil: er empfand nicht geringe Freude, mit den ehemaligen Weggefährten früherer Tage wieder einmal über alte Zeiten plaudern zu können.

Die drei Männer hatten sich inzwischen im Wohnzimmer auf drei komfortablen Sesseln niedergelassen. Diese waren um einen Couchtisch aus Glas gruppiert und bildeten zusammen mit einem großen Sofa eine etwas abseits platzierte Sitzgruppe neben der Wohnzimmertür. Im Übrigen war das Zimmer einfach eingerichtet, mit den üblichen Interieurs: großer beigefarbener Velourteppich, eine voluminöse Standvitrine aus brauner Farbe, daneben eine ebenfalls braune Hängevitrine und schließlich, in einer Ecke, die zu einem winzigen Erker ausgebaut war, ein kleiner hellbrauner Schreibsekretär mit einem Polsterstuhl davor. Links von dem Erker führte eine zweite Tür zu den anderen Wohnräumen. Gegenüber den Vitrinen blickte man auf das riesige, breite Fenster, an dessen rechter Seite die Terrassentür in einigem Abstand den Ausgang zum Garten und zum angrenzenden Wald bildete. An dem breiten Fenster verwehrte eine halbtransparente, netzartige Gardine den Blick von außen, ließ aber das Tageslicht nahezu ungehindert ins Wohnzimmer strömen. Schwere, dunkelrote Vorhänge, dekorativ zur Seite gebunden, bildeten einen stilvollen Rahmen. Außerdem hingen noch an allen freien Wänden Bücherregale aus Mahagoniholz, voll von exakt nach Größe geordneten Büchern. Auf einem großen Standregal, das in unmittelbarer Nähe der Sitzgruppe aufgestellt war, fielen sofort zwei besonders kostbar gebundene Bände ins Auge: Henry David Thoreau „Walden – oder das Leben in den Wäldern“ las man auf dem Buchrücken des ersten, auf dem zweiten den Titel „Emile oder über die Erziehung“ von J.J. Rousseau. Neben dem Regal hing ein farbiger Druck des Gemäldes „Chasseur im Walde“ von C.D. Friedrich. Stefan Weigand hatte die Bände, bevor er sich an den Glastisch setzte, sogleich entdeckt und flüchtig über die schwungvollen Schriftzeichen auf den Buchrücken geblickt, dann hatte er sich sekundenlang in das Bild vertieft, auf dem man mit den Augen eines französischen Offiziers in einen finsteren Wald blickt. Der Chasseur wird da hineingehen, suggeriert uns das Bild, und er wird von dem Wald wie von einem Ungeheuer verschlungen!

Günter Nitschmann gab sich mit Joachims beschwichtigenden Erklärungen über die Lage des Hauses nicht zufrieden; er insistierte weiter:

„Aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, Achim“, sagte er, wobei er gewohnheitsmäßig die Lider halb über die Augen senkte, was seinem Gesichtsausdruck etwas Ungutes, fast könnte man sagen: Hinterhältiges verlieh, „euer Wohnen hier, so weit abgelegen, kommt mir doch etwas gefährlich vor, und dann auch noch so nahe am Wald!“

„Gefährlich? Du spielst wohl auf das Killer-Phantom an!?“

„Genau! Die Zeitungen sind voll von Berichten über dieses Monster.“

Und Weigand ergänzte: „Soviel ich weiß, gehen schon etliche Morde auf das Konto dieses Phantoms.“

Joachim wusste, er konnte die von seinen Freunden beschworenen Gefahren nicht einfach kleinreden; so hatte er sich einige Standarderklärungen zurechtgelegt, auf die er auch jetzt wieder behände zurückgriff:

„Natürlich geht auch uns der unheimliche Waldschratt etwas an die Nieren, aber wir vertrauen auf die Polizei. Bald wird der Kerl hinter Schloss und Riegel sitzen, und es wird wieder Ruhe in den Wäldern einkehren. Und was die Morde angeht: Die passierten weit weg von hier, am anderen Ende des Brockdorfer Forsts. Hier, bei uns, ist nicht das Revier des Unholds.“

„Na, solche Argumente würden mich aber nicht beruhigen“, meinte Günter Nitschmann, „so ein Revier lässt sich leicht ausdehnen...“

Joachims hellblaue Augen, die bislang freundlich, fast gutmütig lächelten, wechselten schlagartig den Ausdruck. Er blickte sein Gegenüber jetzt mit einem Anflug von Ungehaltenheit an; mit der Rechten fuhr er sich in seinen vollen Haarschopf, was immer bedeutete, dass er sich in einer angespannten Stimmung befand; darauf verschränkte er die Arme  -  ebenfalls eine gewohnheitsmäßige Geste, welche auch Gereiztheit und Ärger ausdrückte -  und er rechtfertigte sich dann so:

„Wir sind durchaus vorsichtig, Günter, da kannst du beruhigt sein. Wir stecken nicht den Kopf in den Sand und tun so, als lebten wir am Brockdorfer Forst in einer Idylle.“

„Hast du denn ein Gewehr oder eine Pistole?“, fragte Stefan.

„Ja, ein Gewehr. War kein Problem, einen Waffenschein zu kriegen.“

„Und wenn du im Wald spazieren gehst, hast du die Knarre immer bei dir?“

„Klar! Immer im Anschlag – und scharf spähe ich nach dem Phantom!“

Joachim führte das Spähen spielerisch vor, indem er den Kopf ruckartig nach allen Seiten wendete und dabei grimmig blickte.

„Also, mich brächte keiner dazu, hier überhaupt spazieren zu gehen!“, rief Nitschmann aus.

„Wieso das?“

Weigand blickte Nitschmann überrascht an, „wenn man bewaffnet ist und ein geübtes Auge hat, kann man im Brockdorfer Forst doch spazieren gehen! Guck mich an! Ich habe auch ein Gewehr und halte mich oft hier im Wald auf. Natürlich sollte einer, der keine Waffe hat, den Brockdorfer Wald meiden - jedenfalls vorübergehend.“

„Du hast ein Gewehr?“ Joachim und Günter Nitschmann fragten das beinah gleichzeitig.

„Ja, ein Jagdgewehr. Ich bin Mitglied im Jagdverein ‚Hubertus Neustadt und Umgebung‘.“

„Donnerwetter! Unser sensibler Lehrer ist Jäger! Der Liebhaber anspruchsvoller Lyrik, Kunstkenner, Freund klassisch-humanistischer Dichtung knallt in seiner Freizeit arglose Geweihträger und niedliche Füchslein ab.“

Der Spott Nitschmanns traf Joachim derart ins Zwerchfell, dass er laut loslachte. Auch Nitschmann selbst wieherte herzerfrischend, während Weigand pikiert zur Seite schaute.

„Was ist daran komisch? Die Jagd ist nun mal meine Leidenschaft; sie liegt allen Weigands im Blut.“

Joachim fand die Leidenschaft seines Freundes eigentlich nicht komisch, ihn hatte nur der trockene Humor Günter Nitschmanns erheitert. Auf arglose Waldtiere aus dem Hinterhalt zu schießen, hielt er von jeher für ekelhaft. Jedenfalls war ihm das Töten aus reiner Lust, nur um sich ein Geweih ins Zimmer zu hängen, der schiere Gräuel. Indem er Stefan Weigand starr anblickte, versank er in einem Wachtraum, worin das Treiben der Hubertus-Jagdgesellschaft schaurig auflebte: Der Wald gerät in Aufruhr, Eichelhäher, Buchfinken, Singdrosseln fliegen in Panik umher, stoßen Warnrufe aus, Jagdhunde bellen, Schüsse krachen, das flüchtende Wild trappelt über den Waldboden, mit vor Todesangst aufgerissenen Augen, Rehe, Hirsche klagen, wenn sie getroffen werden, Fangschüsse beenden ihre Qualen, blitzende Waidmesser fahren in die zuckenden Körper der sterbenden Tiere, und  mit geübten Handgriffen „brechen“ die Jagenden das tote Wild „auf“. Schließlich die Signale der Jagdhörner, die das Ende der Schießerei ankündigen, das Sich-Sammeln der Treiber und Jäger, das Besichtigen der massenhaft und wohlgeordnet im Kreis liegenden Beute; am Ende lassen die Waidmänner johlend die Schnapsflasche kreisen, gierig läuft der Schnaps die Kehlen hinunter, so feiert die Jagdgesellschaft das Gemetzel, und Stefan Weigand mit erhobenem Glas mitten unter ihnen; alles hat ihn berauscht, das Treiben, das Jagen, das Schießen, das Dröhnen der Jagdhörner, berauscht hat es ihn und zutiefst befriedigt! – Nein, Joachim empfand Abscheu nicht nur vor diesem Gemetzel, er empfand jetzt auch einen erheblichen Unmut gegenüber seinem Jugendfreund. Zwar wohnten beide nicht weit voneinander entfernt, trotzdem hatten sie so gut wie keinen Kontakt. Dass er zu Stefan bisher keinen Draht herstellen konnte, hatte er oft bedauert. Doch jetzt musste er sich eingestehen, die Distanz zwischen ihnen, das ausgebliebene Aufeinander-Zugehen der ehemaligen, nun nahe beieinander wohnenden Freunde hatte seine Berechtigung.

Günter Nitschmann riss Joachim aus seinem Wachtraum, wieder mit kritischen Bemerkungen:

„Vor fünf Jahren wohntest du noch in der Stadt, Achim, und jetzt auf einmal das hier, diese Lage, weit weg von den Häusern der anderen, weit weg - würde ich fast sagen - von der Zivilisation! Eure Devise lautet wohl  'Zurück zur Natur'!?“

Joachim Helmers blieb gelassen. „Kann man so sagen, Günter, wir lieben halt die Natur, das heißt, vor allem ich liebe sie; Katrin weniger.“

„'Zurück zur Natur'!“ rief Stefan, der Deutschlehrer, aus, „das Wort lag mir die ganze Zeit auf der Zunge.“

Freund Nitschmann hatte ihn an seinen Unterricht erinnert: in der literarischen Epoche des Sturm und Drang spielte die unberührte Natur, das nostalgische Streben nach dem reinen, natürlichen Leben eine wichtige Rolle, „vor allem, als ich vorhin das Buch von Rousseau dort auf dem Regal sah“, Stefan deutete auf das Regal, auch Nitschmann warf jetzt einen Blick auf die zwei Bände an der Wand, „da kam mir der Gedanke; ja, genau so empfinde ich euer Wohnen hier, Achim, dieses wunderschöne Haus am Eingang des Waldes - es ist für mich ein einziger symbolhafter Ausdruck des Rousseauschen Gedankens: Gib zu, ihr hattet Sehnsucht nach dem unverbogenen, freien Leben, ihr wolltet weg von der naturfernen Zivilisation! Die unverbrauchte Natürlichkeit des Waldes, das Ursprünglich-Gute unseres Menschseins zog euch...“

„Oh bitte nicht, Herr Studienrat Weigand!“, fiel Nitschmann seinem Freunde ins Wort, ihn wieder mit diesem seltsam verkniffenen Blick musternd, was abermals unangenehm, dieses Mal wie ein Spähen und Lauern wirkte, „dein Drang zum Philosophieren in Ehren, aber so kurz vor dem Weihnachtsfest bitte keine Probleme, keinen Weltschmerz! Wir wollen uns heute doch freuen, wir wollen lachen, Witze reißen... und auch nicht weiter an das Phantom denken.“

„Du bist gut, mein Lieber!“, sprach Stefan mit erhobener Stimme, aus der man einige Empörung heraushören konnte, „du hast uns doch erst mit deinem Gerede von dem Killer-Phantom an die Fatalitäten dieser Welt erinnert! Und jetzt auf einmal sollen wir uns das Phantom aus dem Kopf schlagen und nur noch happy sein, ausgeglichen, sorgenfrei! Also, ich muss schon sagen...“

Weigands Ärger war nur zu verständlich, hatte er doch die Blicke von Joachim und Günter wahrgenommen, welche die beiden kurz zuvor wechselten, Blicke, die ihm herablassend, scheinbar mitleidig, auf jeden Fall spöttisch vorkamen. Sein Ärger zeigte sich auch an dem Hochziehen seiner dünnen Augenbrauen, was bei ihm jedenfalls dann eine Gewohnheit war, wenn sich seine Stimmung verschlechterte. Seine braunen Augen schienen dann stark vergrößert, das Weiße der Lederhaut trat hervor und erweckte bei seinem Gegenüber den unangenehmen Eindruck, es blitze etwas aus den Augen Weigands. Da sich in solchen Augenblicken auch seine ohnehin schmalen Lippen zu einem dünnen Strich verkleinerten, löste auch diese Eigenart bei seinem Gegenüber alles andere als angenehme, sympathische oder gar wohlwollende Gefühle aus.

Joachim indessen nahm an dem Wortwechsel der beiden, der sich fortsetzte, nicht teil, er war vorübergehend in die Betrachtung des übermannshohen, prunkvoll geschmückten Weihnachtsbaumes und des hinter dem Wohnzimmerfenster schemenhaft aufragenden Waldes versunken. Er dachte daran, wie sich alles am Nachmittag darstellte: da warfen die elektrischen Kerzen ihr Licht auf die Büsche und kleineren Bäume des Gartens und auf die daran anschließenden, in Reih‘ und Glied stehenden Waldbäume, und im nachlassenden Tageslicht, nur noch vom trüberen Kerzenschein beleuchtet, sahen diese dann unheimlich blass und wächsern aus, als bildeten sie die bleiche Hülle eines obskuren Reichs der Schatten. Aber rasch wollte er seine melancholischen Gedanken verscheuchen. Am heutigen Vormittag, wo die Wintersonne liebliche Strahlen durch das Fenster sandte, war die Atmosphäre im Wohnzimmer doch hell und freundlich. Er hatte auf dem Glastisch, um den herum die kleine Männergesellschaft saß, einen Pappteller voll von Weihnachtsgebäck platziert, damit seine Gäste, wenn sie wollten, bequem nach dem Spritzgebäck, den kleinen Schoko-Nikoläusen und anderen erlesenen Weihnachtsspezialitäten greifen konnten. Zudem erklangen aus der Küche gemütvolle Weihnachtslieder aus einem Radio; leise und  herzbewegend drangen die lieblichen Töne in die Ohren der drei Männer. So verspürte Joachim wie auch Nitschmann keine Lust, Streit und schlechte Laune aufkommen zu lassen, zumal in der Erwartung des morgigen lustigen Gesellschaftsabends. Rasch versuchte er also, Weigand und Nitschmann, die immer noch mit Worten duellierten, auf heitere Gedanken zu bringen.

 

 

2

 

Bevor er jedoch seine Absicht in die Tat umsetzen konnte, war das Hausmädchen Irma, das die ganze Zeit Teller und Tassen in die Vitrine gestellt hatte, erneut ins Zimmer gekommen und an Joachim Helmers herangetreten.

„Entschuldigen Sie bitte, wenn ich störe, Herr Helmers, aber ich bin fertig. Darf ich jetzt nach Hause? In zwei, drei Stunden komme ich dann wieder.“

„Sie alleine? Kommt nicht in Frage, Irma! Ich wollte gleich noch in die Stadt fahren, da könnte ich Sie mitnehmen.“  

„Danke, Herr Helmers, aber mein Freund holt mich ab.“

„Haben Sie meine Frau schon gefragt?“

„Ich habe sie überall gesucht, sie war aber nirgends zu finden.“

„Vielleicht ist sie gerade im Keller.“

Draußen schellte es.

Irma deutete Richtung Haustür und sagte: „Das wird mein Freund sein!“

„Also gut, Irma, Sie können gehen. Ich sage nachher meiner Frau Bescheid. Bis heute Nachmittag dann!“

„Danke, Herr Helmers, und... tschüss! - Auf Wiedersehen, meine Herren!“, rief sie den anderen zu.

„Auf Wiedersehen!“, antworteten die drei Herren.

Irma verließ das Wohnzimmer, draußen in der Diele hörte man noch Stimmen, Irma sagte etwas und eine Männerstimme antwortete; kurz darauf fiel die Haustür ins Schloss, und ein Wagen fuhr ab.

Nach einigem Schweigen sagte Joachim: „Irma wird jetzt täglich von ihrem Freund abgeholt…und auch wieder gebracht, mit dem Wagen, sogar morgens, in aller Frühe.“

„Na, da hat sie sich ja einen richtigen Chauffeur geangelt“, witzelte Nitschmann, „clever clever, das Mädchen!“

„Es ist wegen des Phantoms“, Joachims Miene war ernst geworden, „wir sind froh, dass ihr Freund sich so rührend um sie kümmert. Denn zu Fuß kann man sie ja nicht mehr gehen lassen!“

Als er bemerkte, wie bestürzt die beiden Freunde dreinblickten, versuchte er sie auf andere, heitere Gedanken zu bringen:

„Meine Herren, denken wir nicht weiter an das Phantom!" Und mit energischen Handbewegungen gestikulierend, fuhr er fort: "Lassen wir vor allem das Streiten! Du hattest Recht, Günter, als du vorhin mehr Freude, mehr gute Laune anmahntest. Immerhin sind wir ja in der Weihnachtszeit; erzählen wir uns also mal etwas Lustiges!“

„Ich weiß auch schon ’was“, stimmte Nitschmann in Joachims Vorschlag ein, „doch zunächst etwas anderes, Notwendiges: ein herzliches Dankeschön, dass du uns zu eurer Abendgesellschaft morgen eingeladen hast! Fast kommt es mir schon vor, wir hätten uns selbst zu diesem Fest eingeladen.“

„Auch von mir, Achim, ein herzliches Dankeschön für die Einladung!“ beeilte sich Stefan Weigand hinzuzufügen.

„Na, das dürfte sich doch von selbst verstehen! Wenn schon mal zwei Schulfreunde bei mir anrufen, die man lange nicht gesehen hat, und es trifft zufällig mit einem solchen Gesellschaftsabend zusammen - dann spreche ich selbstverständlich eine solche Einladung aus, ganz spontan!“

„Es trifft sich ja gut, dass ich bei Stefan wohnen kann; er hat gar nichts dagegen, wenn ich noch einen Tag dranhänge, nicht wahr, Stefan?“, wandte sich Nitschmann an den Freund.“

„Klar geht das!“

„Ich hoffe nur, wir beiden wirken unter deinen erlauchten Gästen nicht allzu deplatziert!?“

„Nö, überhaupt nicht! Meine Gäste sind lockere, spontane Leute. Auch Staatssekretär Steinkamp ist sehr umgänglich.“

„Was? Ein Staatssekretär kommt morgen Abend?“

Stefans Stimme war plötzlich klanglos geworden, womit er eine gewisse Unsicherheit, beinah schon Ängstlichkeit verriet. Der etwas introvertierte Gymnasiallehrer war nur bei seinen Jagdgenossen ein erprobter Gesellschaftsmensch; vermutlich verfolgte er mit seinem martialischen Hobby und den anschließenden alkoholisierten Verbrüderungen mit den Jagdgenossen die Absicht, sein geschwächtes Selbstbewusstsein aufzupäppeln; denn sonst hielt er sich von Grillfesten, Soireen und Party-Schnacks fern, lebte mit seiner Frau Ingrid eher zurückgezogen; am liebsten saß er in seinem einsamen Studierzimmer und grübelte über Stundenvorbereitungen und Klassenarbeitskorrekturen.

„Vor Dr. Steinkamp braucht ihr keine Angst zu haben“, hörte Weigand den Hausherrn in beruhigendem Ton sprechen, dabei schlug dieser allerdings mit der Hand derart auf die Tischplatte, dass der Lehrer vor Schreck zusammenzuckte, „ich kenne Robert von früher; wir haben zusammen studiert. Er ist ein ganz liebenswerter, angenehmer Mensch, frei von Allüren.“

„Das beruhigt mich aber gewaltig!“

Weigands Bemerkung war ironisch gemeint, seine Stimme klang aber weiter beklommen und angespannt. Da die Herrenrunde nun dazu überging, sich heitere Anekdoten aus der Schulzeit zu erzählen, ließ Stefan Weigands innere Anspannung allmählich nach. Die Geschichten aus längst vergangenen Zeiten wirkten auf ihn wie ein belebendes Elixier, denn sie mussten ihm in der Erinnerung und wegen der zeitlichen Distanz harmlos und ungefährlich erscheinen; bald konnte man beobachten, wie er eifrig an den einstigen Drolerien im Klassenzimmer Anteil nahm, wie er lustige Beiträge zu dem einen oder anderen Lehrerverhalten lieferte, wie er mitlachte, wenn einer der Freunde das linkische Gehabe oder drollige Gucken oder verunglückte Augenrollen eines Lehrers noch weiter ins Lächerliche zog oder die näselnde, piepsige, bellende oder blaffende Stimme eines Paukers mehr oder weniger gekonnt nachahmte. Besonders ihren Klassenlehrer der Oberstufe nahmen sie aufs Korn, er hieß Karl Wolters, war von kleiner Gestalt und konnte sich wegen seiner leisen, belegten Stimme und seiner Gutmütigkeit bei den Schülern nicht durchsetzen, auch bei den Kollegen stand er nicht in hohem Ansehen, und in die Beförderungsstellen kam er auch nicht hinein, da sich sein wenig geordneter, oft chaotischer Unterricht sowie die immer wieder, selbst auf dem Schulgang zu vernehmenden Disziplinstörungen der Schüler bis zur Schulbehörde herumgesprochen hatten.

Günter Nitschmann erwähnte gerade eine lustige Szene während einer Englischarbeit. Karl Wolters, den sie Karlchen nannten, hätte sich, weil er so klein war, auf einen Stuhl gestellt, um ja alles, Täuschungen, Spicken, Abschreiben, mitzubekommen; dabei hätte er behauptet, ihm entginge nichts, während Joachim seelenruhig aus einem Vokabelheft abschrieb.

Alle drei lachten aus vollem Herzen.

„Mein Gott, hatte ich damals noch Nerven!“, rief Joachim lachend aus, „aber man wusste ja, das Karlchen war ein gutmütiger Lehrer, er hätte mir bestimmt nichts zuleide getan, wenn er mich erwischt hätte.“

„Nö, nur das Vokabelheft hätte er dir weggenommen und dich dabei streng angesehen...“, meinte Nitschmann.

„Aber die Strenge in seinem Blick wäre doch wieder von einem gutmütigen Glanz überlagert worden“, ergänzte Weigand, „und mit knarrender Stimme hätte Karlchen gesagt: 'Das machen Sie mir nicht noch einmal, Helmers, sonst setzt' s was auf die Birne!'

Wieder dröhnte frenetisches Gelächter durch das Zimmer.

„Ja, eine Seele von Mensch war Karlchen Wolters!“ Joachims eben noch vor brüllender Heiterkeit verzerrtes Gesicht zog sich zu einer ernsten Miene zusammen, „er war einfach zu gut für diese Welt.“

Diese Bemerkung Joachims war nun wieder Anlass für Weigand, in seine von Weltschmerz und Deprimiertheit überzogene Weltanschauung zurückzufallen. Karlchen Wolters wäre erst recht für die heutige Welt zu gut gewesen, meinte er. Denn bei den Lehrern sei es jetzt leider genauso wie bei den Freiberuflern: es herrsche Wettbewerb, gnadenloser Kampf um die Beförderungsstellen, und das wecke die Machtinstinkte.

„Die Ellenbogen-Menschen treten auf den Plan!“ rief er mit beinah weinerlicher Stimme aus, „und die menschliche Güte bleibt auf der Strecke - erst recht der gütige Mensch, mit Namen...“

„Ach ja, armes Karlchen!“, fiel ihm Günter Nitschmann ins Wort, „aber lassen wir doch die unerfreulichen Geschichten.“ Und sich an Weigand wendend, fuhr er fort: „Ich möchte dich noch einmal erinnern, Stefan, wir haben Weihnachtszeit, Friede und Freude sollen doch bitte herrschen...“

„....und Eierkuchen! Darf ich euch einige anbieten?“

Joachim reichte den Teller mit dem feinen Weihnachtsgebäck herum.

„Richtig: die Eierkuchen!“ Günter nahm sich einen, desgleichen Weigand, „die gehören natürlich auch zur Weihnachtszeit! Danke!“

Da von der Küche immer noch trauliche Weihnachtsmusik in das Wohnzimmer schallte - das Hausmädchen hatte das Radio nicht ausgeschaltet und die Küchentür offen gelassen - sagte Nitschmann, mit dem Daumen zur Küche weisend:

„Dass es weihnachtet, ist ja nicht zu überhören. Euer Hausmädchen ist wohl ein Fan von Weihnachtsliedern!?“

„Kann man wohl sagen!“ Und sich erhebend, sagte Joachim: „Warte, ich stell‘ mal gleich das Radio ab.“

„Nein, nein, lass‘ nur, Joachim; ich finde diese Musik sehr stimmungsvoll, sehr romantisch. Lass‘ sie nur an!“

Joachim setzte sich wieder.

„Was macht Karlchen eigentlich? Lebt er überhaupt noch?“, fragte Joachim.

Stefan Weigand wusste einiges über den Studienrat:

„Ja, er lebt noch, aber er ist schon lange pensioniert. Vor einem Jahr traf ich ihn einmal. Er sagte zu mir: 'Hat unser pädagogisches Bemühen doch einen weithin sichtbaren Erfolg gehabt, denn immerhin ist aus eurem Abiturientenjahrgang ein bedeutender Schriftsteller hervorgegangen!'“

„Na ja, bedeutend...“ - Joachim Helmers versuchte den Bescheidenen zu mimen, „er hat übertrieben!“

„Nein, überhaupt nicht! Er hatte vollkommen Recht, Achim: Du bist bedeutend - und erfolgreich! Fast würde ich sagen: international renommiert!“

Dieses Lob nun, gesprochen von Günter Nitschmann, kam Joachim nicht nur übertrieben, sondern ganz und gar unecht vor.

„Halt, jetzt reicht' s!“ rief er aus.

„Dein Erdbeben-Roman war doch ein großer Wurf, ein Bestseller!“      

„Lang ist' s her!“

„Macht doch nichts!“, meinte Weigand, „dein Ruhm ist ungebrochen.“

„Findest du?“       

„Finden wir! Nicht wahr, Günter?“

Da dieser mit einem betonten Nicken zustimmte, fuhr Stefan Weigand mit seiner Lobeshymne fort:

„Ehrlich, Achim! Und das fand das Karlchen auch! Als er von deinem Roman in höchsten Tönen schwärmte, glühten seine Augen vor Begeisterung.“   

„Dabei hatte er von mir als Schüler überhaupt nichts gehalten: 'Helmers, Helmers', näselte es oft vom Lehrerpult zu mir herüber, 'Ihre Phantasie eilt Ihnen wie ein blitzendes Dampfross voraus, aber Ihr Stil..., Ihr Stil! Der keucht und scheppert hinterher, wie ein wackeliger Lumpensammler!“

Erneut lachten die drei aus vollem Halse.

Nitschmann fuhr fort: „Inzwischen hat aber dein Stil das Dampfross glänzend eingeholt und brilliert mit ihm donnernd die blitzende Strecke entlang!“

„Halt, meine Herren, jetzt fange ich gleich an, mir selbst auf die Schulter zu klopfen, anschließend hebe ich ab, Richtung Wolkenkuckucksheim!“

„Nein, abheben brauchst du gar nicht, Achim“, befand Stefan in ruhigem, sachlichem Ton, „schon gar nicht bist du irgendwann zu irgendeinem Wolkenkuckucksheim abgehoben. Dein Ruhm war völlig real, völlig in der Welt, und er war verdient!“

„O Je!“, rief Joachim aus, „ich weiß gar nicht mehr, wo ich hingucken soll.“

In diesem Augenblick wurde die Wohnzimmertür geöffnet und Katrin Helmers, Joachims Ehefrau, trat ein.

 

 

3

 

Es war, als würde sich durch Katrins Eintreten die freundliche Helle, welche die Wintersonne vorübergehend im Wohnzimmer verbreitete, um ein Vielfaches verstärken. Der Glanz ihrer Schönheit, der durch ihre anmutigen Bewegungen sich enthüllende Zauber ihrer ganzen Erscheinung lösten vor allem bei Günter Nitschmann sonderbare, lange verborgen gebliebene Empfindungen aus. Katrins ebenmäßiges Gesicht, ihre niedliche, mit einem reizenden kleinen Hubbel versehene Nase, ihr üppiger sinnlicher Mund, der jeden Mann in Aufregung versetzte; dann der offene Blick ihrer braunen Augen und ihr meist freundliches Lächeln, das Souveränität, Gelassenheit und ein wenig Spott signalisierte - alles ließ die Gespräche der drei Männer verstummen. Dass Katrins Gesicht von dunkelbraunen Locken, und zwar in vielen kleinen Kringeln, umrahmt war, fiel Nitschmann als erstes auf. Noch nie hatte er bei ihr eine derart gut zu ihr passende und reizvolle Wirkung ausübende Haartracht gesehen, sodass es nicht verwundert, dass er sich an dieser ungewöhnlichen Frisur erst einmal satt sehen musste. Doch er verspürte noch andere seltsame Anwandlungen beim Anblick von Katrin: er meinte, ein wunderbar aussehender Engel hätte ihm vorübergehend den Mund verschlossen, jedoch wäre es diesem nicht gelungen, seine Bewegungen zum Erliegen zu bringen, denn instinktiv fühlte er in sich den Drang, seine Hand auf diese zarten Lockenkringel der Frau zu legen und sie dort geraume Zeit ruhen zu lassen.

„Was ist das doch für eine fröhliche Runde hier!“, sprach Katrin mit einer dunklen, angenehm klingenden Stimme, „und wie eifrig die Herren miteinander plaudern!“

Günter Nitschmann, der wie auch Stefan Weigend der Ehefrau grüßend die Hand gab, hatte zuerst einige Mühe, sich von dem erwähnten Zauberbann zu befreien, jedoch stellte er zu seiner Beruhigung fest, dass sein Mund und sein Sprechen wieder seinen Anweisungen folgte; so antwortete er unter Aufbietung all seiner etwas bescheidenen Talente, humorvoll zu wirken:

„Es wäre noch um ein Vielfaches anregender, Katrin, wenn du uns bei unserer Plauderei Gesellschaft leistetest!“

„So, so“, erwiderte Katrin und ihr hübscher Mund lächelte verlegen.

„Ja, er hat Recht, Frau Helmers“, versuchte sich auch Weigand in Charme und Witz, „unsere Runde wäre garantiert fröhlicher, wenn wir mit Ihrer geschätzten Anwesenheit rechnen könnten!“

„O, wie fein geziert Sie das sagen, meine Herren!“, rief Katrin Helmers aus, und man hatte den Eindruck, sie könnte das Lachen nicht halten, „ich wusste allerdings nicht, dass ich so ein fröhliches Haus bin. Eigentlich bin ich eher... ernst.“

„Da siehst du, welch unbekannte Talente noch in dir ruhen, Katrin“, versetzte Nitschmann, und er meinte, er hätte das wieder äußerst charmant gesagt.

„...die nur noch geweckt werden wollen!“, spann Weigand den Faden gekonnt, wie er meinte, weiter, „wir beide täten nichts lieber, Frau Helmers, als das Gold Ihrer Fröhlichkeit ans Tageslicht zu befördern.“

„Na, meine Herren, übernehmen Sie sich mal nicht! Und Sie, Herr Weigand, sollten doch mit Ihrer charmanten Metaphorik etwas sparsamer umgehen!“

„Wie bist du überhaupt in diese Gegend gekommen?“, wandte sich Joachim an Günter, „du wohnst doch, soviel ich weiß, j-w-d, irgendwo im Süden.“

„Ich habe unseren lieben Freund Stefan in Neustadt besucht und wohne auch bei ihm, und da du dich nicht weit von ihm in Waldesnähe niedergelassen hattest, beschlossen wir, dich einmal ganz überraschend mit unserem Besuch zu beehren“, antwortete Nitschmann in launigem Ton.

„Es ist in der Tat eine Überraschung, dass man dich nach so langer Zeit wieder einmal leibhaftig begrüßen kann.“ Katrin sagte das mit einem ernsten, beinah unwilligen Ausdruck. Der Angesprochene, der das Missbilligende in Katrins Blick bemerkte, antwortete spontan:

„Ja, du hast recht, Katrin, es war eine lange Zeit, und wenn man sie irgendwo in Fernost verbracht hat, ist man vor Heimweh fast vergangen.“

Katrin reagierte überrascht, fast bestürzt: „Du warst... in Fernost?“

„Ja, in Fernost. Genauer gesagt: Fern-Südost: Sydney!“

“Was? Sydney?“, rief Joachim Helmers, er war ebenfalls überrascht, indessen seine Frau nur ein leises „Ach!“ hinhauchte.

Günter Nitschmann erklärte seine lange Reise nach Fernost näher: „Ein Freund hatte mir dort eine Stelle am deutschen Generalkonsulat vermittelt, als Mitarbeiter in der Pass- und Visa - Abteilung. Ich dachte..., du musst hier mal ’raus. Deutschland ist so eng und immer so kalt..., außerdem übervölkert. Die vielen Menschen ..., die ewig verstopften Straßen..; also... habe ich das Angebot angenommen, bin in einen Flieger der Australien-Air gestiegen, versehen mit dem Nötigsten, und ab ging es, ans andere Ende der Welt, hinein ins weite australische Land, wo es so sonnig und warm ist, wo die Eukalyptusbäume wachsen und das Meer noch an einsamen Stränden rauscht.“

„Davon wussten wir gar nichts“, erwiderte Joachim, „irgendjemand sagte mir einmal, du machst eine große Reise...“

„Es war in der Tat eine große Reise“, stellte Günter Nitschmann nüchtern fest, „fünf Jahre hat sie gedauert!“