Das Kind der anderen - Susanne Svanberg - E-Book

Das Kind der anderen E-Book

Susanne Svanberg

5,0

Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Buchstäblich ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese wirklich einzigartige Romanreihe ist generell der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. Die Maschine nach Frankfurt landete pünktlich. Die ersten Passagiere, die zur Paßkontrolle kamen, waren Geschäftsleute in grauen Anzügen, den schmalen Aktenkoffer in der Hand. Dazwischen waren einige dunkelhäutige Araber in ihren langen weißen Gewändern, die schwarzen Haare unter der Kafiya, einem weißen Tuch, das von einer dicken schwarzen Kordel gehalten wurde, verborgen. Jede ihrer Bewegungen drückte Stolz und Selbstbewußtsein aus. Touristen schlossen sich den vor den beiden Abfertigungsschaltern Wartenden an. Sie waren dem naßkalten Winterwetter in Deutschland entflohen, um am Arabischen Golf sommerliche Temperaturen zu genießen. Schon in der Halle des Flughafens war die angehende Wärme zu spüren. Unter all diesen Leuten fiel Martina sofort auf. Sie war eine entzückende junge Frau mit langen mittelblonden Haaren, keß zerzaust. Eine äußerst aufregende Figur zeichnete sich unter ihren Jeans und der lose darüber getragenen Karobluse ab. Suchend sah sie zur Glaswand, hinter der Freunde und Bekannte die Ankommenden erwarteten. Karl Steinhaus kannte die Frau seines jüngeren Kollegen nur von Fotos. Trotzdem wußte er sofort: das war sie. Er empfand bei ihrem Anblick ein leises Kribbeln in den Handflächen. Eine Empfindung, die er seit jener Zeit, in der er seine Frau kennenlernte, nie mehr verspürte. Zaghaft hob er die Hand und winkte. Es war ihm klar, daß dies unsinnig war, denn Martina Langer kannte ihn nicht. Sie erwartete, daß ihr Mann sie abholte. Die Beamten der Vereinigten Arabischen Emirate arbeiteten mit einer peniblen Genauigkeit. Es dauerte einige Minuten, bis sie jeden Paß durchgeblättert und geprüft hatten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 128

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
5,0 (1 Bewertung)
1
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Leseprobe: Der zweite Ring

Lars stürzte zur Fahrertür seines Wagens und riss sie auf. Bevor er sich ins Auto werfen konnte, hielt Arne ihn zurück.

»Ich fahre«, sagte der junge Bergquist so bestimmt, dass Lars gar nicht erst auf die Idee kam, ihm zu widersprechen. Außerdem wusste er selbst, dass er in seiner momentanen Gefühlslage alles andere als ein guter und vor allem sicherer Fahrer war. Wie sollte er auch? Seine Wenke war verschwunden! Entführt! Karl Aresson hatte sie ihm entrissen! Dieser verschrobene Einsiedler, bei dem Wenke nach ihrem Schiffbruch gestrandet war und vier endlos lange Tage aushalten musste. Er hatte sie wieder in seine Gewalt gebracht! Und irgendwo da draußen fuhr er jetzt mit ihr, auf der Flucht vor seinen Verfolgern…

»Du kennst den Weg zu dieser Landzunge?«, fragte Erik Hellström. Er wollte es sich nicht nehmen lassen, bei der Suche nach seiner Schwester mitzumachen, und hatte auf der Rückbank Platz genommen.

Lars nickte. »Ja, wir brauchen nur Richtung Norden zu fahren, immer der Küstenlinie entlang. In spätestens zwei Stunden müssten wir sie erreicht haben.«

Und dort, da war sich Lars ganz sicher, würde er Wenke aus Karls Händen befreien. Wie hatten sie sich nur so in ihm täuschen können? Obwohl – Lars hatte dieses ungute Gefühl, das bei dem Gedanken an Karl in ihm aufkam, nie verlassen. Deshalb hatte er sogar seinen Freund Magnus Freiberg gebeten, sich diesen Kauz noch einmal näher anzusehen. Doch Magnus hatte schnell Entwarnung gegeben. Als einen harmlosen Spinner hatte er Karl beschrieben, der zwar total vernarrt in Wenke sei, von dem aber keine Gefahr ausginge.

Lars schnaubte auf und schlug mit der Faust frustriert gegen die Beifahrertür. Die beunruhigten Blicke seiner Mitstreiter interessierten ihn nicht.

»Ich hätte besser auf sie aufpassen müssen«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich hätte sie nicht eine Sekunde aus den Augen lassen dürfen! Das ist alles meine Schuld!«

»Hör auf damit!«, blaffte ihn Erik an. »Du weißt, dass das Unsinn ist! Niemand konnte ahnen, dass das passieren würde. Sei lieber froh, dass Tante Greta das Nummernschild am Wagen ausmachen konnte und wir dadurch erfahren haben, dass es Karl war. Ansonsten wären wir und die Polizei noch völlig ahnungslos.«

Mami Classic – 14 –

Das Kind der anderen

Susanne Svanberg

Die Maschine nach Frankfurt landete pünktlich. Die ersten Passagiere, die zur Paßkontrolle kamen, waren Geschäftsleute in grauen Anzügen, den schmalen Aktenkoffer in der Hand. Dazwischen waren einige dunkelhäutige Araber in ihren langen weißen Gewändern, die schwarzen Haare unter der Kafiya, einem weißen Tuch, das von einer dicken schwarzen Kordel gehalten wurde, verborgen. Jede ihrer Bewegungen drückte Stolz und Selbstbewußtsein aus.

Touristen schlossen sich den vor den beiden Abfertigungsschaltern Wartenden an. Sie waren dem naßkalten Winterwetter in Deutschland entflohen, um am Arabischen Golf sommerliche Temperaturen zu genießen. Schon in der Halle des Flughafens war die angehende Wärme zu spüren.

Unter all diesen Leuten fiel Martina sofort auf. Sie war eine entzückende junge Frau mit langen mittelblonden Haaren, keß zerzaust. Eine äußerst aufregende Figur zeichnete sich unter ihren Jeans und der lose darüber getragenen Karobluse ab. Suchend sah sie zur Glaswand, hinter der Freunde und Bekannte die Ankommenden erwarteten.

Karl Steinhaus kannte die Frau seines jüngeren Kollegen nur von Fotos. Trotzdem wußte er sofort: das war sie. Er empfand bei ihrem Anblick ein leises Kribbeln in den Handflächen. Eine Empfindung, die er seit jener Zeit, in der er seine Frau kennenlernte, nie mehr verspürte. Zaghaft hob er die Hand und winkte. Es war ihm klar, daß dies unsinnig war, denn Martina Langer kannte ihn nicht. Sie erwartete, daß ihr Mann sie abholte.

Die Beamten der Vereinigten Arabischen Emirate arbeiteten mit einer peniblen Genauigkeit. Es dauerte einige Minuten, bis sie jeden Paß durchgeblättert und geprüft hatten. So verging ziemlich viel Zeit, bis Martina an die Reihe kam. Zeit, die Karl nutzte, um die hübsche Frau seines Freundes zu beobachten. Sie gefiel ihm sehr, aber es war ihm auch klar, daß sie für ihn tabu war. Er war kein Typ, der bei Frauen so gut ankam wie sein Freund Bernd. Weder besaß er seine imponierende Größe, noch sein markantes Äußeres. Karls Statur war eher zierlich, und daran änderte auch das allabendliche Muskeltraining im Fitneßcenter nichts. Sein Gesicht war sympathisch, aber wenig ausdrucksvoll, und um seine schmalen Lippen war stets ein unsicheres,verlegen wirkendes Lächeln.

Das zeigte er auch, als er Martina gegenübertrat.

»Frau Langer?« fragte er höflich. Es klang, als wolle er sich für seine Zudringlichkeit entschuldigen.

Martina nickte befremdet und musterte Karl skeptisch.

Er stellte sich hastig vor. »Ihr Mann hat mich gebeten, Sie am Flughafen abzuholen. Er ist leider verhindert. Scheich Maktoum Bin Rashid al Maktoum will ausgerechnet heute den kürzlich fertiggestellten Abschnitt der Meerentsalzungsanlagen besichtigen. Einen so wichtigen Termin kann Bernd nicht versäumen. Schließlich ist er Chefingenieur. Auf einen kleinen Techniker wie mich kann man dagegen verzichten.« Karl zuckte mit gespieltem Bedauern die Achseln und wußte nicht, wie ungeheuer sympathisch er in diesem Moment wirkte.

»Dann sind Sie also der Freund, von dem mir Bernd schon so oft am Telefon erzählt hat.« Martina reichte Karl lachend die Hand. Sie hatte Respekt vor Steinhaus, denn Bernd hatte immer wieder erwähnt, daß er ein besonders tüchtiger Mann war. Wenn es technische Probleme zu lösen gab, war Karl Steinhaus unentbehrlich. »Danke, daß Sie Ihren freien Nachmittag für mich opfern. Ihre Frau wird nicht begeistert sein.« Martinas jugendliches Gesicht wirkte bekümmert. Sie besaß durch ihren Beruf als Journalistin ein gutes Gefühl für Menschen und wußte längst, daß Bernd seinen Freund so geschickt ausnutzte, daß dieser es nicht einmal bemerkte. Dem stets strahlenden Sonnyboy Bernd fiel so etwas leicht. Mit seinem unbeschwerten, fröhlichen Lachen erreichte er jedes Ziel.

Wenn Martina an ihren Mann dachte, fühlte sie ein schmerzhaftes Ziehen in der Herzgegend. Sie liebte ihn, litt sehr unter der Trennung. Dennoch konnte sie sich nicht entschließen, ihm nach Abu Dhabi zu folgen.

Karl begleitete Martina zur Gepäckausgabe und trug ihren Koffer zu seinem Wagen, der auf dem Parkplatz neben dem Flughafengebäude stand.

Erst als sie auf der breiten, mehrspurigen Straße in Richtung Stadt fuhren, kam Karl auf Martinas Äußerung zurück. »Ich habe hier niemand«, bekannte er offen. »Meine Ehe wurde schon vor zwei Jahren geschieden, weil meine Frau einen anderen besseren fand.«

Über dieses Kapital seines Lebens sprach Karl nicht gern, doch diesmal war es ihm geradezu ein Bedürfnis. Martina sollte wissen, daß sie jederzeit zu ihm kommen konnte. Vielleicht, sogar wahrscheinlich, war das in den nächsten Tagen sehr wichtig für sie. Karl sah besorgt hinüber. Von den Problemen, die sie hier erwarteten, ahnte Martina mit Sicherheit nichts. Selbstverständlich würde er nicht darüber reden. Das war Bernds Angelegenheit.

»Das tut mir leid«, murmelte Martina mitfühlend. »Sicher sind Sie deshalb hier.« Martina sah sich interessiert um. Zu beiden Seiten der Straße waren gepflegte Grünanlagen, die der hohen Temperaturen wegen wohl ständig bewässert werden mußten.

»Stimmt genau.« Karl nickte mehrmals. »Damals wurden in unserer Firma Leute gesucht, die sich für fünf Jahre nach hier verpflichten sollten.

Mich hielt nichts mehr zu Hause, und ich muß sagen, ich habe den Entschluß nie bereut. Die Arbeitsbedingungen sind gut, wir sind ein nettes Team. Zur Freizeitgestaltung gibt es alles, was man sich nur wünschen kann. Segeltörns, Angel- und Tauchsport, Golf, Pferde- und Kamelritte, Wüstentouren, Motorsegler. Die Liste ist endlos lang. Meistens liege ich mit einem Buch und einem Sonnenschirm am Meer.«

»Keine Freundin?« fragte Martina ohne echtes Interesse. Ihre Gedanken waren bei Bernd. Vier Monate lang hatten sie sich nicht gesehen, und sie wartete voll Ungeduld darauf, ihm endlich wieder nahe zu sein.

Karl schüttelte heftig den Kopf mit den streichholzlangen braunen Haaren. An den Schläfen wurden sie bereits grau, denn er hatte die Vierzig überschritten. »Europäische Frauen gibt es hier kaum, die Touristinnen natürlich ausgenommen. Die Araberinnen werden von ihren Familien strenger bewacht als die britischen Kronjuwelen.« Karl hielt es für nötig, das Thema rasch zu wechseln. »Bleiben Sie länger?« fragte er und bog von der schnurgeraden Straße in ein Gebiet ab, das einer riesigen Baustelle glich. Zu beiden Seiten der provisorisch angelegten Straße wurde gebaggert und gegraben. Abwasserrohre und Versorgungskabel wurden verlegt, Begrenzungen abgesteckt.

»Drei Wochen. Länger habe ich leider nicht Urlaub«, antwortete Martina zerstreut. Sie sehnte sich danach, ihren Bernd zu umarmen, konnte das Wiedersehen kaum erwarten. Zwar telefonierten sie häufig miteinander, doch was war das schon, wenn man sich liebte?

»Es ist das erste Mal, daß Sie hierher kommen, nicht wahr? Vielleicht bleiben Sie auch.« Karl bremste sein Fahrzeug vor zwei absichtlich angebrachten Bodenwellen, die hier überall zur Geschwindigkeitsbegrenzung dienten, ab.

Martina blinzelte in die Sonne, die von einem wolkenlosen Himmel schien. Draußen war es sehr heiß, doch im klimatisierten Fahrzeug spürte man nichts davon. »Bernd wollte von Anfang an, daß ich mitkomme. Er hatte bereits ein hübsches Haus für uns gefunden. Aber ich möchte meinen Beruf nicht aufgeben. Wozu hätte ich sonst sechs Jahre lang studiert und danach noch die Ausbildung in der Reaktion auf mich genommen. Das waren keine leichten Jahre. Und nun, da ich erreicht habe, was ich immer wollte, soll ich aufhören? Ich habe Freude an meinem Beruf. Leider akzeptiert Bernd das nicht. Wir hatten schon manchen Streit deshalb.« Martina seufzte. Obwohl sie Karl Steinhaus erst seit einer halben Stunde kannte, wußte sie, daß sie ihm solch private Dinge anvertrauen konnte. Er würde nicht darüber reden.

»Wenn Sie nun ein Baby hätten, müßten Sie doch auch…« Karl strich sich mit der linken Hand nachdenklich ums Kinn.

Martina verdrehte die Augen. »Gehören Sie zu den Männern, die es als natürliche Bestimmung der Frau ansehen, hinterm Herd zu stehen?«

Zerknirscht zuckte Karl die Schultern.

»Ich habe mir immer eine Familie gewünscht und Bernd…«

»Man sieht Ihnen Ihre romantischen Vorstellungen gar nicht an«, scherzte Martina. »Was Bernd betrifft, sind wir uns einig, damit noch etwas zu warten.« So ganz stimmte diese Aussage nicht. Martina wußte nur zu gut, daß ihr Mann Kinder wollte. Ihr zuliebe verdrängte er diesen Wunsch allerdings.

Wieder mußte Karl abbremsen, denn sie erreichten eben das Hotel, das etwas außerhalb der Stadt lag. Prächtige Palmen und üppig gedeihende Sträucher verdeckten die zum größten Teil nur einstöckigen Gebäude, die wie zu einem kleinen Dorf angeordnet waren.

Karl hielt vor einer Reihe aneinander gebauter Chalets, die sehr gepflegt wirkten. Rosen rankten an den weißen Hauswänden empor, exakt geschnittener englischer Rasen verstärkte den europäisch anmutenden Charakter.

Karl öffnete für Martina galant die Tür.

»Ihr Heim, Madame«, meinte er mit einladender Geste. »Zwei Häuser weiter ist meine Unterkunft. Eingerichtet sind sie alle gleich. Es gibt eine kleine Küche, doch Strohwitwer wie Bernd und ich essen lieber drüben im Hotel.« Steinhaus wies auf ein größeres Gebäude mit breiter Glasfront.

Etwas zaghaft trat Martina ein. Hier waren die Räume, in denen ihr Mann lebte. Er hatte sie ihr beschrieben, aber so hübsch hatte sie es sich doch nicht vorgestellt. Ein großer Wohnraum war da mit einer Terrasse, der Blick ging aufs Meer. »Ist das schön«, murmelte Martina überrascht.

»Soll ich Ihnen etwas zu trinken holen? Vermutlich ist der Kühlschrank gut gefüllt«, erbot sich Karl eifrig.

»Danke, ich finde das allein.« Martina hatte Herzklopfen. Nach vier Monaten Einsamkeit würde sie hier endlich wieder mit Bernd zusammensein. Sie freute sich darauf. Es würden Tage und Wochen voller Glück werden.

»Ist Ihnen kühl genug, oder soll ich die Klimaanlage höher stellen?« Unruhig glitt Karls Blick über Schränke und Sessel. Hatte Bernd alles weggeräumt, was verdächtig war?

Martina hatte die Anwesenheit des Freundes fast vergessen. Sie dachte nur an das bevorstehende Zusammentreffen mit ihrem Mann. »Es ist alles okay, ich komme klar. Bis Bernd kommt, werde ich mich ein bißchen ausruhen.« Martina wußte genau, daß sie keinen Moment Ruhe finden würde. Aber sie wollte allein sein.

»Gut, dann sehen wir uns beim Abendessen.« Karl ging rückwärts zur Tür. Eine Frau wie diese hat Bernd gar nicht verdient, dachte er dabei, und ein heimlicher Groll stieg in ihm hoch.

*

Bernd Langer breitete voll Verlangen die Arme aus. »Endlich!« flüsterte er wie ein Ertrinkender. »Martina!«

Er hatte die junge Frau, die ihm mit etwas verzerrtem Lächeln entgegenkam, erreicht und umfaßte sie stürmisch. »Du ahnst nicht, wie lange ich auf diesen Augenblick gewartet habe. Für mich waren das keine vier Monate, das waren vier Jahre, eine Ewigkeit.«

Martina konnte die Tränen, die ihr bei diesem Wiedersehen in die Augen stiegen, nicht länger zurückhalten. Erst bei Bernds Anblick war ihr bewußt geworden, auf was sie verzichtet hatte. Er war ein Mann wie ihn sich jede Frau wünschte. Eins neunzig groß mit einer Figur wie ein Baskettballspieler und dem Charme eines Leinwandhelden. »Bernd.« Mehr vermochte Martina nicht hervorzubringen, und auch dieses eine Wort klang weinerlich. Schnupfend sah sie zu ihm auf und fühlte sich im nächsten Augenblick umarmt und heiß geküßt.

Sie hatte das Gefühl, daß Bernds warme Lippen nichts mit der Hitze draußen zu tun hatten, sondern nur mit Leidenschaft. Ihr Blut floß schneller, ihr Herz klopfte heftig. Sie fühlte Schwindel, Taumel, Seligkeit, alles miteinander. Überwältigt schloß Martina die Augen, überließ ihren Mund diesem nicht endend wollenden Kuß, der alles in ihr aufwühlte, der sie vergessen ließ, wo sie sich befand. Die Müdigkeit, ausgelöst durch die Strapazen des langen Flugs, fiel von ihr ab. Sie schien zu schweben, losgelöst von aller Schwere. Was sie eben noch belastet hatte, war vergessen, es gab nur noch Bernd, den Mann, den sie liebte.

Wie lange hatte sie das Streicheln seiner feinfühligen Hände vermißt, wie lange seine Zärtlichkeit, die sie so glücklich machte. Bernd bedeckte das frische Gesicht seiner Frau mit vielen Küssen. Immer wieder streiften seine Lippen ihren Mund, mal behutsam, mal innig. Seine Hände gruben sich in Martinas dichtes Haar, strichen liebevoll über ihren Nacken, die Schultern und den Rücken.

»Martina, ich bin so froh, dich wiederzuhaben. Tag und Nacht habe ich mich nach dir gesehnt. Ich war so einsam ohne dich.« Was Bernd da sagte, war die Wahrheit. In diesem Moment war für ihn alles andere vergessen, so, als habe es nie existiert. Ein Doppelleben? Bernd dachte nie an diese Möglichkeit. Gewisse Begebenheiten strich er konsequent aus seinem Gedächtnis, ohne sich darüber klar zu sein, daß ihn die Vergangenheit immer wieder einholen würde.

»Ich auch«, flüsterte Martina mit leiser Stimme wie ein kleines Mädchen. Dabei war sie sonst eine selbstbewußte junge Frau, die sich durchsetzen konnte. Mit ihrer Intelligenz und ihrem Ehrgeiz hatte Martina im Beruf schon manchen Mann überrundet.

»Martina, ich liebe dich. Dich ganz allein.« Bernd meinte es ehrlich. Was auch war, er hatte diesen Satz zu keiner anderen gesagt. Das flaue Gefühl in seinem Magen konnte er gut überspielen.

Welche Frau hörte so etwas nicht gern! Martina kuschelte sich noch enger an ihren Mann. Sie fand es schön, daß er wesentlich größer war als sie. In seinen starken Armen fühlte sie sich geborgen, seine breite Brust war der ideale Ort zum Anlehnen. »Hast du dir in all den Monaten keine andere angelacht?« fragte Martina, nur um nochmals die Bestätigung zu erhalten, daß sie seine einzige Liebe war.

Für den Bruchteil einer Sekunde hielt Bernd den Atem an. Wußte Martina etwas? Hatte Karl vielleicht etwas verraten? Ein gewaltiger Schreck fuhr durch Bernds Glieder. Im nächsten Moment verwarf er die unerfreulichen Gedanken wieder. Nein, auf Karl konnte er sich verlassen. Karl war ein echter Kumpel, aufrichtig und verschwiegen.