Das kleine Haus in der Heide - Julia Reymers - E-Book + Hörbuch

Das kleine Haus in der Heide Hörbuch

Julia Reymers

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Beschreibung

Dieses kleine Dorf hat es in sich! Der turbulente Feelgood-Roman »Das kleine Haus in der Heide« von Julia Reymers jetzt als eBook bei dotbooks. Lene träumt schon lange von einem Häuschen auf dem Land – doch im idyllischen Bienenbeek in der Lüneburger Heide muss man als Neuankömmling erstmal seinen Beitrag zur Gemeinschaft leisten, bevor man sich dort sein Heim verdient hat. Nichts leichter als das, denkt sich die leidenschaftliche Hobbybäckerin, und tritt prompt dem geselligen Landfrauenverein bei, während ihr Mann Matthias versucht, bei der Freiwilligen Feuerwehr Heldentaten zu vollbringen. Anders als Lenes Exfreund Chris, der ihr ausgerechnet hier wieder über den Weg läuft, ist Matthias allerdings so gar kein kerniger Landbursche … Plötzlich stolpert Lene nicht nur mitten hinein ins Gefühlschaos, sondern auch von einem Fettnäpfchen ins nächste. Kann sie es trotzdem noch schaffen, die Herzen der Bienenbeeker zu gewinnen – und vielleicht sogar ihren Traum von einem kleinen Heidecafé wahr werden zu lassen? Erleben Sie einen traumhaften Sommer: Zwischen duftendem Heidehonig, Buchweizentorte und lila schimmernder Heideblüte – die Bienenbeeker wissen, wie man das Leben genießt! Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Das kleine Haus in der Heide« von Julia Reymers ist der Auftakt ihrer »Willkommen in Bienenbeek«-Reihe – kuschelige Small-Town-Romance für Fans von Manuela Inusa und Mina Teichert. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Zeit:7 Std. 22 min

Sprecher:Carolin-Therese Wolff

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Über dieses Buch:

Lene träumt schon lange von einem Häuschen auf dem Land – doch im idyllischen Bienenbeek in der Lüneburger Heide muss man als Neuankömmling erstmal seinen Beitrag zur Gemeinschaft leisten, bevor man sich dort sein Heim verdient hat. Nichts leichter als das, denkt sich die leidenschaftliche Hobbybäckerin, und tritt prompt dem geselligen Landfrauenverein bei, während ihr Mann Matthias versucht, bei der Freiwilligen Feuerwehr Heldentaten zu vollbringen. Anders als Lenes Exfreund Chris, der ihr ausgerechnet hier wieder über den Weg läuft, ist Matthias allerdings so gar kein kerniger Landbursche … Plötzlich stolpert Lene nicht nur mitten hinein ins Gefühlschaos, sondern auch von einem Fettnäpfchen ins nächste. Kann sie es trotzdem noch schaffen, die Herzen der Bienenbeeker zu gewinnen – und vielleicht sogar ihren Traum von einem kleinen Heidecafé wahr werden zu lassen?

Über die Autorin:

Julia Reymers, geboren 1989 in Hamburg, studierte Germanistik und Geschichte in ihrer Heimatstadt. Sie ist als Lehrerin tätig und vor Kurzem mit ihrem Mann und ihrer Tochter in die Lüneburger Heide gezogen. Wenn sie dort nicht gerade auf der Suche nach Ideen für romantische Liebesgeschichten ist, dann verbringt sie jede freie Minute in ihrem bienenfreundlichen Garten.

Die Autorin im Internet:

www.julia-reymers.de

www.instagram.com/juliareymers/

www.facebook.com/juliareymers

Weitere Romane ihrer »Willkommen in Bienenbeek«-Reihe sind in Planung.

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Originalausgabe Juni 2023

Copyright © der Originalausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Renate Kunstwadl

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98690-781-5

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Julia Reymers

Das kleine Haus in der Heide

Willkommen in Bienenbeek – Band 1

dotbooks.

Prolog

Bienenbeek, im Juli

Da stand ich nun auf dem sengend heißen Sportplatz und sah dabei zu, wie mein Mann es vermasselte.

Los, komm schon, feuerte ich ihn im Geiste an. Doch selbst ein Stoßgebet gen Himmel hätte wohl nicht ausgereicht. Sein Gesicht glühte hochrot, und der Schweiß lief ihm in Strömen hinab. Der Helm saß auf seinem Kopf wie eine zu eng geratene Eierschale, und die Hose seiner viel zu kleinen Feuerwehruniform stand auf Hochwasser.

»Brandobjekt voraus!«, hallte es über den Platz.

Die Feuerwehrkameraden liefen wie von der Tarantel gestochen los, Matthias in einigem Abstand hinterher. Geschickt griffen sie nach den einzelnen Schlauchteilen und steckten sie zusammen, wie eine perfekt aufeinander abgestimmte Staffel.

Nun war Matthias an der Reihe. Ich wagte es kaum, hinzusehen. Er nahm den Schlauch und versuchte, ihn an das nächste Stück anzuschließen. Hektisch drehte er das Ding hin und her, ließ es fallen, hob es wieder auf und blickte hilflos zu seinem Team. Es dauerte eine Ewigkeit.

Als er es endlich geschafft hatte, atmete das Publikum hörbar auf.

»Und Angriff!«, tönte es über den Platz.

Der Schlauch füllte sich mit Wasser und richtete sich auf wie eine wild gewordene Schlange. Matthias hielt das Ungetüm tapfer in den Händen, und ich hatte zumindest für einen kurzen Moment die Hoffnung, dass das hier doch noch gut ausgehen würde.

»Guten Tag!«

Ich zuckte vor Schreck zusammen, als plötzlich ein feister älterer Herr neben mir auftauchte.

»Oh, hallo«, erwiderte ich überrascht und wollte am liebsten im Erdboden versinken, als ich erkannte, um wen es sich handelte.

»Bürgermeister Clausen«, stellte er sich überflüssigerweise vor und reichte mir die Hand.

»Ähm, sehr erfreut, Herr … Herr Clausen«, erwiderte ich stockend und lief rot an. »Ich bin Lene Marx.« Zu meinem unwahrscheinlichen Glück schien er mich nicht wiederzuerkennen. Vielleicht litt er mittlerweile an Demenz?

Herr Clausen hatte ein schwitzig feuchtes, aufdringliches Altherren-Händegeschüttel, das den Punkt, an dem man die Hände loslassen sollte, auf unangenehme Weise überschritt. Instinktiv wischte ich meine Hand, nachdem er sie endlich in die Freiheit entlassen hatte, unauffällig an meinem Oberschenkel ab.

»Kennen wir uns nicht irgendwoher?«, fragte Herr Clausen und ließ seinen Blick prüfend über mein Gesicht wandern.

»Äh, vielleicht, wir sind neu hergezogen. Also ich und mein Mann«, meinte ich, unsicher, wie ich mich verhalten sollte.

Ich durfte es nicht schon wieder vermasseln, denn: Diese hochrangige Person war nicht nur ein wichtiges Puzzleteil in unserer Mission, sondern das zentrale Element, die Schlüsselstelle, vielleicht sogar die SCHALTZENTRALE des Schicksals!

»Na, dann herzlich willkommen in Bienenbeek!« Herr Clausen klopfte mir gönnerhaft auf die Schulter, und anstatt laut um Hilfe zu rufen, setzte ich mein charmantestes Lächeln auf.

»Danke schön. Wir freuen uns sehr, ein Teil der Bienenbeeker Gemeinde zu sein.«

»Haben Sie sich denn schon gut eingelebt?«

»Ja, mein Mann ist sehr engagiert bei der Freiwilligen Feuerwehr. Matthias hat sich wochenlang auf den Wettbewerb vorbereitet!« Ich deutete auf meinen Mann, auf dessen Gesicht sich mittlerweile ein Sonnenbrand dritten Grades abzeichnete.

Während ich Herrn Clausen Honig um den Mund schmierte und erzählte, wie toll doch das Dorfleben und die Gemeinschaft hier seien, ach ja, und natürlich würde ich auch den Kirchenchor mal ausprobieren, ja klar, und bei den Landfrauen machte ich auch schon jeden Sonntag mit, das ist alles wirklich famos, tja, währenddessen flehte ich Matthias innerlich an, unser ganzes Projekt, alles, was wir in den letzten Wochen erreicht hatten, bitte nicht in den Sand zu setzen.

Ein Blick auf die Uhr am Spielfeldrand ließ erahnen, dass sein Team noch eine Chance hatte. Sie mussten nur noch die einhundert Meter mit dem Schlauch laufen und dann die Brandstelle löschen. Zwei Minuten noch, das war machbar. Matthias, ganz vorne dabei, sah plötzlich sogar ein wenig souverän aus. Seine Hochwasserbeine trippelten angestrengt dem Ziel entgegen, der Helm rutschte ihm in den Nacken, doch er hatte diesen zielstrebigen Ausdruck in den Augen, und wenn er den aufsetzte, dann wusste ich: Es gab eine Chance.

Er kam dem Bürgermeister und mir immer näher.

»Wir sollten ihn anfeuern!«, meinte Herr Clausen und rückte so dicht an mich heran, dass ich sein Altherren-Parfüm, vermutlich Tabac Original, riechen konnte.

»Matthias, Matthias!«, begann er zugleich, lautstark zu rufen.

Und genau dann geschah, was nicht geschehen durfte: Matthias drehte reflexartig den Kopf in unsere Richtung, kam ins Straucheln, machte noch einige unbeholfene, stolpernde Schritte vorwärts und fiel der Länge nach hin.

Ein Dominoeffekt wie aus dem Bilderbuch setzte sich daraufhin in Gang: Die Kameraden hinter ihm fielen einer nach dem anderen ebenfalls hin und begruben den armen Matthias unter sich. Der Schlauch glitt ihnen aus den Händen, und das freigelassene Ungetüm bäumte sich in alle Richtungen auf. Bevor ich die Hände beschämt vors Gesicht schlagen konnte, erwischte mich eine gewaltige Ladung Wasser.

Ein Blick zur Seite bestätigte meine schlimme Vermutung: Bürgermeister Clausen hatte es bis auf die Unterhose durchnässt. Er blickte mich mit starr aufgerissenen Augen an, ehe es wutentbrannt aus ihm herausplatzte: »Lene Marx, natürlich! Jetzt ist mir alles klar! Das grenzt wieder einmal an … Das grenzt an eine bodenlose Unverschämtheit!« Mit hochrotem Kopf stapfte er davon, eine nasse Spur hinter sich herziehend.

Fassungslos blickte ich zu Matthias, der sich inzwischen wieder aufgerappelt hatte, und stellte fest: Mein Mann hatte es nicht nur vermasselt. Er hatte uns vor ganz Bienenbeek bis auf die Knochen blamiert.

Wie hatten wir eigentlich so tief sinken können?

Kapitel 1

Vier Monate zuvor

»Dieses Mal habe ich wirklich ein gutes Gefühl.« Entschlossen blickte ich aus dem Autofenster in die vorbeiziehende Landschaft.

Matthias runzelte die Stirn. »So wie die letzten drei Male?«

»Nein, dieses Mal ist es anders.« Ich verschränkte trotzig die Arme.

»Warten wir einfach ab, wo der Haken ist.«

»Du bist schon wieder so negativ!«

»Nein, realistisch.« Matthias betätigte den Blinker und bog rechts ab. »Gleich müssten wir da sein.«

In meinem Bauch kribbelte es vor Aufregung. Wir befanden uns etwa dreißig Kilometer südlich von Hamburg, und bislang sah die Gegend sehr vielversprechend aus: Eine nette Mischung aus älteren Einfamilien- und Reihenhäusern, »eine gewachsene Wohnsiedlung in ruhiger Ortsrandlage«, wie wir es in der Anzeige im Internet gelesen hatten. Ich hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass zwischen dem Anzeigentext und der Realität zumindest eine partielle Übereinstimmung herrschen konnte – auch wenn uns die letzten zehn Grundstücksbesichtigungen das Gegenteil bewiesen hatten.

Ja, richtig gehört: Wir waren auf der Suche nach einem Grundstück. Oder einem Haus. Wenn es sein musste, auch einer geräumigen Wohnung. Kurz gesagt: einem einigermaßen bezahlbaren Eigenheim im Umkreis von Hamburg, das vor dem Einzug nicht komplett abgerissen, entkernt oder saniert werden musste.

Klingt einfach?

Ja, das dachte ich bis vor Kurzem auch noch. Da war ich auch noch in dem rosaroten Glauben gewesen, dass man sich als Ehepaar mit zwei festen Jobs ein Einfamilienhaus am Stadtrand leisten konnte. Nach einigen Wochen der Immobiliensuche war meine Einstellung, sagen wir mal, realistischer geworden.

Ich wäre die ganze Sache ja gerne mit etwas mehr Muße angegangen, aber die Zeit drängte: Unsere Vermieter hatten Eigenbedarf angekündigt. Spätestens in einem halben Jahr mussten wir aus unserer Wohnung in Hamburg ausziehen.

»Das müsste es sein«, riss Matthias mich aus meinen Gedanken. Er parkte seinen Golf am Straßenrand und blickte sich prüfend um.

»Ja, da drüben!« Ich deutete aufgeregt auf die Lücke zwischen zwei Häusern. Mein Herz machte vor Freude einen kleinen Sprung: Die Lage war wirklich ideal. Die Straße lag in einer 30er-Zone, die umliegende Bebauung fügte sich harmonisch in die Landschaft ein, und im Ortszentrum gab es einen Bäcker, verschiedene Lebensmittelläden und eine Apotheke. Alles so weit super. Auch der Preis war angemessen.

Ungeduldig sprang ich aus dem Auto und marschierte schnellen Schrittes zum Grundstück.

»Ist das nicht traumhaft hier?«, rief ich Matthias zu, der sich gemächlich in meine Richtung bewegte. Mein Mann – auch fast zwei Jahre nach unserer Hochzeit war es noch ein bisschen ungewohnt, von meinem Ehemann zu sprechen – war in allen Lebenslagen stets gelassen. Obwohl ich das sonst sehr an ihm schätzte, hätte ich mir bei diesem Traumgrundstück doch etwas mehr Enthusiasmus von ihm gewünscht.

Doch anstatt wie ich verzückt am Straßenrand zu stehen, zog er erst die Stirn kraus und dann sein Handy aus der Hosentasche.

»Was machst du denn da?«, rief ich, als er geschäftig auf dem Handy herumscrollte.

Ja, Geduld war nicht meine Stärke, aber angesichts dieser einmaligen Chance mussten wir schnell sein. Nicht, dass schon das nächste potenzielle Käuferpärchen an der Ecke stand.

Matthias, der endlich neben mir angekommen war, blickte kritisch auf das Grundstück. Was hatte er denn nur wieder? Auf den ersten Blick konnte ich keinen Haken erkennen. Gut, hier standen ein paar alte Bäume rum, die müssten noch entfernt werden. Ja, vielleicht waren das auch sehr dicke und große Bäume, wahrscheinlich würde das einen satten Aufpreis kosten. Aber das wäre bestimmt machbar. Der Makler hatte uns nach unserer Anfrage lediglich die Adresse des Grundstücks mitgeteilt, damit wir uns »erst einmal selbst vor Ort einen Eindruck verschaffen«. Wäre ja auch zu viel verlangt, dass der Kerl für die satte Provision hier antanzt oder uns weitere Infos zu dem Grundstück mitteilt.

»Das wäre perfekt …«, murmelte Matthias schließlich wie aus dem Off.

»Ja, oder?« Ich hüpfte aufgeregt auf und ab und wollte ihm um den Hals fallen, doch er wich einen Schritt zur Seite.

»Das wäre perfekt, stünde da nicht genau in der Mitte des Grundstücks eine riesige, denkmalgeschützte Eiche.« Er drehte sich um und ging zurück zum Auto.

»Äh, hallo?« Ich lief ihm entrüstet hinterher. »Warte doch mal!«

Doch Matthias war schon eingestiegen und hatte den Motor angestellt. Ich hechtete hinterher und zog die Beifahrertür mit einem lauten Knall zu.

»Was soll das? Wieso rennst du weg?«

»Weil wir hier unsere Zeit verschwenden. Schnall dich an.«

»Aber wir haben uns das Grundstück doch gar nicht richtig angeschaut …«

»Brauchen wir auch nicht.«

»Aber wieso denn, nur wegen so einer blöden Eiche?«

»Ja, diese blöde Eiche ist leider denkmalgeschützt.«

»Ja, und?«

»Du darfst sie nicht fällen.«

»Na, dann fällen wir sie eben nicht. Ist doch ein schöner Schattenspender im Sommer.«

»Leider passt dann unser Haus nicht mehr aufs Grundstück.«

»Ach, das rücken wir halt ein wenig zur Seite.«

»Ja, dann wird es aber bei einem Gartenhäuschen bleiben, denn der Mindestabstand zur Straße und zu beiden Seiten beträgt drei Meter, wie der Bebauungsplan, den ich mir leider gerade eben erst online angeschaut habe, zweifelsfrei festlegt. Da ist übrigens auch die Eiche eingezeichnet.«

»Da kann man doch bestimmt eine Sondergenehmigung bekommen!«

»Es ist wahrscheinlicher, dass du hier tot überm Zaun hängst.« Matthias hob entschuldigend die Schultern. »Also, Abmarsch!«

Er drückte aufs Gaspedal, und wir fuhren mit quietschenden Reifen wieder einmal unserem Traum davon.

Kapitel 2

»Ich habe die Nase voll.« Wütend krallten sich meine Finger in den unschuldigen Kuchenteig. »Ich habe keine Lust mehr, stündlich die Immobilienportale zu checken. Ich will nicht mehr fünfzig Anfragen pro Woche an irgendwelche Makler verschicken. Ich habe es satt, meine Füße auf matschigen Baustellen, Grundstücken an Hauptverkehrsstraßen, hässlichen Fliesen aus den Siebzigern oder völlig überbewertetem Altbauparkett platt zu latschen!« Hochrot im Gesicht, schnappte ich nach Luft, ehe es weiter aus mir heraussprudelte. »Ich will keine überteuerten, spießigen Doppelhaushälften, keine winzigen Reihenhäuser oder gesichtslose Neubauten mehr besichtigen! Mir reicht’s!!« Wie zur Bekräftigung nahm ich den Teig und pfefferte ihn in die Rührschüssel, die dabei einen Satz zur Seite machte und fast auf den Boden fiel.

»Nun beruhige dich doch.« Matthias blickte von seinem Roman auf, den er bis eben seelenruhig gelesen hatte.

»Tzz! Beruhigen!« Ich nahm den Teig und knetete weiter wild darauf herum. Normalerweise konnte mich das Backen immer wunderbar ablenken, wenn ich mal schlecht drauf war. Aber mein Ärger über die erfolglose Immobiliensuche war einfach zu groß und hatte sich über die Wochen aufgebläht wie ein gigantischer Hefeteig.

»Lene, so kommen wir nicht weiter«, warf Matthias ein, nachdem er mich eine Weile amüsiert beobachtet hatte.

»Lene, so kommen wir nicht weiter«, äffte ich ihn in übertriebenem Tonfall nach und füllte den Teig in die Backform.

Eigentlich liebte ich Matthias wegen seiner rationalen und besonnenen Art. An Tagen wie diesen machte mich diese Eigenschaft jedoch auch ein bisschen wahnsinnig. Ich wurde schnell emotional, und wenn ich mich in eine Sache reinsteigerte, dann musste ich das bis zum Ende durchziehen.

»Du sitzt hier einfach nur rum und tust gar nichts!«, platzte es unvermittelt aus mir heraus, als der Kuchen im Ofen war und Matthias immer noch keine Reaktion gezeigt hatte.

»Was soll ich denn machen?« Matthias schob seine Brille mit dem rechten Zeigefinger hoch und legte sein Buch zur Seite.

»Du sitzt hier und liest, als wäre nichts geschehen!«

»Es ist doch aber auch nichts geschehen.«

»Wir haben heute das zehnte Grundstück in diesem Jahr besichtigt, und wieder war es nichts. Die fünfzehn Häuser zähle ich jetzt mal gar nicht mit. So kann das nicht weitergehen! Bald müssen wir aus unserer Wohnung ausziehen, und dann stehen wir auf der Straße!«

»Nun male doch nicht den Teufel an die Wand.«

»Das sagst du so leicht! Gestern erst lief im TV eine Reportage über eine Familie, die aus genau diesem Grund obdachlos geworden ist!« Ich war in meinem Redeschwall kaum zu stoppen.

»Lene, alles wird gut. Wir werden schon noch etwas finden. Und zur Not mieten wir wieder eine Wohnung.«

»Hast du dich in letzter Zeit mal mit dem Hamburger Wohnungsmarkt beschäftigt?« Ich konnte nicht fassen, wie Matthias so ruhig bleiben konnte. »Eine Arbeitskollegin und ihr Mann suchen schon seit einem Jahr eine Wohnung. Wir werden nichts finden! Und selbst wenn – wir wollen doch endlich weg aus der Stadt. Oder wo soll ich unser Kind spielen lassen? Vielleicht auf der dreispurigen Hauptstraße direkt vor unserer Haustür? Und willst du jeden Tag den Kinderwagen in den fünften Stock hochtragen, weil es verboten ist, die Dinger unten im Flur stehen zu lassen?«

»Im Moment ist doch noch gar kein Kind auf dem Weg, oder habe ich da etwas verpasst?« Matthias zwinkerte mir zu.

»Das löst alles unser Problem nicht!« Ich ging nicht weiter auf Matthias’ Kommentar ein und lief theatralisch im Wohnzimmer auf und ab.

Natürlich dachte ich im Moment nicht ernsthaft an Kinder. Aber in ein bis zwei Jahren könnte ich mir vorstellen, schwanger zu werden. Immerhin war ich schon dreißig, und die Uhr begann langsam zu ticken. Vorher wollte ich unsere Wohnsituation jedoch unbedingt in trockenen Tüchern wissen. Sosehr ich unseren Stadtteil Hamburg-Altona auch mochte – aus meiner Sicht war das kein Ort für Familien. Das würden einige Hipster-Familien sicher anders sehen. Aber ich hatte genug von den kleinen, überteuerten Wohnungen und dem ständigen Lärm.

Als wir unsere Altbauwohnung vor vier Jahren gemietet hatten, waren uns die sechzig Quadratmeter paradiesisch groß erschienen – kein Wunder, wenn man das ganze Studium über in einem Zehn-Quadratmeter-WG-Zimmer gehaust hatte. Spätestens seit unserer Hochzeit war mein Traum vom Leben auf dem Land immer konkreter geworden. Ich war selbst in einem kleinen Dorf groß geworden und träumte davon, wie meine Eltern einen eigenen Garten zu haben, in dem ich Kräuter und Blumen anpflanzen konnte. Außerdem sah ich mich schon in einer großen Landhausküche stehen, in der ich nach Lust und Laune meiner großen Leidenschaft, dem Backen, nachgehen konnte.

»Matthias, wir müssen irgendetwas tun!«, riss ich mich selbst aus meinem Tagtraum.

»Aber wir tun doch schon alles. Wir haben die Apps sämtlicher Immobilienportale auf dem Handy installiert, Suchanzeigen an das Schwarze Brett diverser Supermärkte und so ziemlich jeden Laternenpfahl im Umkreis von Hamburg gehängt. Jeder Mensch in unserem Umfeld weiß von unserer Suche. Wir rufen persönlich bei den Maklern an und schicken ihnen unsere Bewerbungsmappe inklusive der Finanzierungszusage der Bank. Lene, würde es eine Note in der Kategorie ›potenzielle Immobilienkäufer‹ geben, hätten wir eine Eins plus mit Sternchen verdient!«

»Ja, aber das reicht nicht! Das macht doch jeder!«

»Also, was genau möchtest du jetzt von mir?« Matthias fuhr sich durch die dunkelblonden, wuscheligen Haare und runzelte die Stirn, ein untrügliches Zeichen dafür, dass er ernsthaft genervt war. Es wäre klug gewesen, jetzt einfach aufzuhören, aber natürlich machte ich weiter.

»Wir können doch nicht unserem Traum beim Platzen zusehen! Ich will, dass du mehr Engagement zeigst!«

»Wie denn das?«

»Na, mehr als hier herumsitzen wird ja wohl möglich sein!«

»Sag mal, hast du deine Tage, oder warum bist du so zickig?«

»Du bist unmöglich! Ich muss doch nicht meine Tage haben, nur um mal meine Meinung zu sagen!«

»Ich mein ja nur, du bist dann immer so …«

»GAR NICHTS BIN ICH! Ich bin einfach nur enttäuscht, dass du auf dem Sofa sitzt und ich alles alleine mache!«

»Aber was machst du denn alleine?« Matthias nahm seine Brille ab und legte sie auf den Wohnzimmertisch, ein eindeutiger nächster Schritt auf seiner persönlichen Eskalationsskala.

»Ich überlege mir gerade alleine, wie wir unseren Traum doch noch verwirklichen können!«

»Aha, und wie sieht das konkret aus?« Matthias rieb sich die Augen, Schritt drei auf der Skala.

»Ich google zum Beispiel nach Erfahrungsberichten … und … und ich zerbreche mir den Kopf, wie …«, ich schnappte nach Luft, »jedenfalls TUE ich etwas! Außerdem backe ich uns einen Kuchen zur Aufheiterung, aber auch das wird nicht honoriert.«

»Lene, ich glaube, du hast PMS. Kein Zweifel.« Matthias stand auf und bewegte sich langsam zur Tür. »Sei mir nicht böse, aber ich bin total müde. Ich gehe ins Bett.« Der vierte und letzte Schritt auf der matthiasschen Eskalationsskala war erreicht. Ich stöhnte genervt auf und warf mich bäuchlings auf das Sofa.

Wenn Matthias nicht in die Gänge kommt, dann muss ich halt die Initiative ergreifen, dachte ich, als ich eine Stunde später den Backofen öffnete und mir der unvergleichliche Geruch von frisch gebackenem Schokoladenkuchen entgegenströmte. Ich stellte den dampfenden Kuchen auf der Herdplatte ab, griff nach meinem Handy und googelte einfach mal drauflos.

Nichts, nada, niente. Wir taten tatsächlich schon alles, was man tun konnte, stellte ich nach meiner Recherche auf diversen Blogs und Websites fest.

Nervös kaute ich an meiner Unterlippe und versuchte, das latent schlechte Gewissen zu verdrängen, das sich plötzlich in meinem Bauch ausbreitete. Wahrscheinlich tat ich Matthias mit meiner Kritik unrecht, und ich hatte einfach nur PMS (laut meiner Zyklus-App war das jedenfalls nicht ganz unwahrscheinlich).

Eigentlich stand Matthias voll und ganz hinter dieser Immobiliensache und fuhr mit mir zu jeder Besichtigung, obwohl sein Job als Bienenforscher ziemlich fordernd war. Als wir uns vor fünf Jahren auf einer Geburtstagsparty von einem gemeinsamen Freund kennengelernt hatten, hatte ich Matthias’ Beruf erst für einen Witz gehalten – außerdem hatte mich die Vorstellung von diesen gruseligen Imkeranzügen gehörig abgeschreckt.

»Kann man damit überhaupt Geld verdienen?«, war die erste Reaktion meiner Eltern gewesen, die wie immer auf Sicherheit bedacht waren. Tatsächlich verdiente Matthias aber sehr gut, da er nach seinem Biologiestudium eine feste Stelle am Hamburger Institut für Bienenforschung erhalten hatte. Einen Imkeranzug trug er auch nur, wenn er sich seiner kleinen Hobbyimkerei widmete, die er sich in einem kleinen Stadtgarten aufgebaut hatte. Ansonsten verbrachte er seinen Tag damit, Lösungsstrategien gegen das Bienensterben zu entwickeln, Aufsätze zu schreiben und auf Tagungen Vorträge zu halten. Matthias’ Traum war es jedoch, sich mit seiner Imkerei selbstständig zu machen. Auch deswegen wollten wir raus aus der Stadt, denn um genügend Honig zu produzieren, benötigte Matthias mehr Platz und bessere Bedingungen für seine Bienen.

Und diesem Traum wollten wir tatenlos beim Platzen zusehen? Das konnte es doch nicht sein.

Kapitel 3

»Hast du heute Abend schon etwas vor?«, begrüßte mich Matthias einige Tage später, als er nach der Arbeit nach Hause kam.

»Ja, das hier.« Genervt blickte ich von dem Stapel Klassenarbeiten auf, den ich bis morgen endlich fertig korrigieren wollte. Sosehr ich meinen Job als Grundschullehrerin auch liebte – die Korrekturen und ich würden wohl niemals Freunde werden.

»Ich denke, das muss kurz warten«, meinte Matthias und gab mir einen Kuss.

»Wieso?« Überrascht blickte ich auf und zuppelte meine Jogginghose zurecht. Sobald ich zu Hause ankam, wurden Jeans für mich zum unerträglichen Korsett, und ich schlüpfte sofort in mein hässliches, aber ultrabequemes »Home«-Outfit.

»Ich werde dich heute Abend entführen.«

»Habe ich etwas verpasst?« Stirnrunzelnd blickte ich meinen Mann an. Hatten wir heute Hochzeitstag? Nein, definitiv nicht.

»Lass dich überraschen. Und zieh dir was Seriöses an.« Er blickte auf die Uhr. »In einer Stunde müssen wir los.«

»Na dann«, sagte ich und seufzte. Ich konnte Überraschungen eigentlich nicht ausstehen, und das wusste Matthias auch.

Als wir eine Stunde später im Auto saßen, wollte Matthias mir immer noch nicht verraten, wohin die Fahrt ging. Ich löcherte ihn mit Fragen, doch er zwinkerte mir nur zu. Schleichend bewegten wir uns im Feierabendverkehr aus der Stadt heraus und fuhren in Richtung Autobahn.

»Willst du mir ein neues Restaurant zeigen?«, fragte ich weiter.

Matthias hob nur die Schultern und grinste. Routiniert fädelte er sich in den Verkehr auf der Autobahn ein und beschleunigte.

»Jetzt sag doch endlich, wo wir hinfahren!«, nörgelte ich, als wir nach einiger Zeit auf die A7 in Richtung Hannover wechselten.

»Fahren wir zu meiner Mutter?« Ich kannte die Strecke hier gut, denn sie führte direkt zu meiner alten Heimat.

Matthias schüttelte den Kopf.

»Hast du noch eine Hausbesichtigung vereinbart?«, hakte ich nach.

»Nicht direkt«, gab Matthias geheimnisvoll zurück.

»Oh Mann, nun sag schon! Ich möchte zumindest wissen, wann wir da sind. Ich muss aufs Klo. Gibt es dort ein Klo? Weil wenn nicht, dann müssen wir vorher irgendwo anhalten.«

»Du bist ja schlimmer als ein kleines Kind! Da gibt es bestimmt eine Toilette.«

Ich kniff die Beine zusammen und ermahnte meine Blase, Ruhe zu geben. Sobald ich aufgeregt war, musste ich pausenlos zum Klo rennen. Das hatte auf unserer Hochzeit dazu geführt, dass ich mit meinem riesigen Tüllkleid kurz vor der Trauung noch in die Kirchentoilette gewuchtet werden musste. Beinahe wäre ich dadurch zu spät zu meiner eigenen Hochzeit gekommen.

»Das Ziel scheint in der Lüneburger Heide zu liegen«, kommentierte ich unsere Fahrt. Da Matthias sich weiter in Schweigen hüllte, klappte ich aus Langweile die Sonnenblende herunter und betrachtete mich im Spiegel. Ich sah tatsächlich so erschöpft aus, wie ich mich fühlte: Unter meinen Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab, und mit meinem fahlen Teint hätte ich überzeugend in einer Geisterbahn auftreten können. Aus Sorge wegen der Immobiliensache und der Korrekturen, die ich immer wieder vor mir herschob, hatte ich eine schlaflose Nacht gehabt und war heute Morgen kaum aus dem Bett gekommen. Beim Blick in den Spiegel bereute ich es, dass ich aus Zeitknappheit auf das Schminken verzichtet hatte. Hoffentlich sieht mich so niemand, dachte ich.

Als das nächste blaue Autobahnschild vor uns auftauchte, musste ich zwei Mal hinschauen, ehe ich es realisierte.

»Nein«, murmelte ich und verschluckte mich fast.

»Wie bitte?«, fragte Matthias.

»Nichts.« Ich räusperte mich und versuchte, den Kloß in meinem Hals zu verdrängen, der sich da plötzlich breitgemacht hatte. Anscheinend hatte die Zeit nichts verändert. Es fühlte sich immer noch genauso schlimm an wie vor fünf Jahren.

»So«, meinte Matthias und setzte plötzlich den Blinker, »gleich sind wir da.«

Mir blieb beinahe das Herz stehen, als er tatsächlich die Ausfahrt »Bienenbeek« nahm.

»Bienen… Bienenbeek?«, stotterte ich und schaute Matthias verwundert an. »Was zum Teufel … machen wir da?«

»Kennst du den Ort?«

Einen winzigen Moment zögerte ich. Sollte ich es endlich sagen?

»Ich … nein«, schoss es aus mir heraus, ehe ich weiter nachdenken konnte. Es war besser so. Das Ganze war Vergangenheit, und ich hatte aus gutem Grund nicht mit Matthias darüber geredet. Warum sollte ich jetzt schlafende Hunde wecken?

»Geht’s dir gut? Du siehst so blass aus«, sagte Matthias, als wir uns über die Landstraße dem Ortseingang näherten.

»Ich wundere mich nur, was du mit mir vorhast«, log ich und versuchte, so unbeteiligt wie möglich aus dem Fenster zu schauen. Am Autofenster zog eine wunderschöne Heidelandschaft an uns vorbei, ein Fachwerkhaus reihte sich an das nächste. Ab und zu sah man ein Schild am Straßenrand, das verkündete, dass noch eine Ferienwohnung frei war. Bienenbeek war nicht zu Unrecht ein sehr beliebter Ort bei Touristen. Zu jeder Jahreszeit konnte man hier auf wunderschönen Strecken durch die Heide wandern, und in den urigen Gasthöfen gab es unvergleichlich leckere Heidekartoffeln und Schnitzel. Meine Hoffnung, dass wir nur durch Bienenbeek hindurchfahren würden, zersprang jedoch just im nächsten Moment.

Matthias parkte den Wagen am Feldrand und deutete hinaus. »Darf ich vorstellen? Das könnte unser neues Zuhause sein!«

Ich blickte ungläubig aus dem Autofenster und war gleichermaßen verzückt wie entsetzt. Vor uns lag ein riesiger Acker, der zur linken Seite an ein Wäldchen grenzte. Zu den anderen Seiten sah man nur unberührte Heidelandschaft. Bis auf ein einsames altes Fachwerkhaus, das direkt am Waldrand lag, gab es keine Nachbarn. Rosamunde Pilcher hätte sich keine schönere Kulisse ausdenken können. »Das … das ist ja absolut genial.«

»Dreißig Grundstücke werden hier vergeben.« Matthias schaute mich verheißungsvoll an. »Wäre das nicht traumhaft, wenn wir hier ein Haus bauen könnten?« Er gab mir einen Kuss auf die Wange.

»Wie bist du denn auf diese Ecke hier gestoßen?« Ich konnte immer noch nicht fassen, dass ich nach fünf Jahren wieder einen Fuß auf Bienenbeeker Erde gesetzt hatte.

»Ein Arbeitskollege hat mir den Tipp gegeben. Daraufhin habe ich sofort bei der Bienenbeeker Gemeinde angerufen und mir alle wichtigen Infos eingeholt.«

Ich war sprachlos angesichts des unerwarteten Engagements von Matthias. Er schien jedoch keine Antwort von mir zu erwarten, denn er nahm eilig meine Hand und zog mich zurück zum Auto.

»Los, wir dürfen keine Zeit verlieren!«

»Was?«

»Steig ein und lass dich überraschen!«

Dass dies die letzte Möglichkeit gewesen wäre, unbeschadet aus der Sache herauszukommen, ahnte ich ja nicht. Ansonsten hätte ich Matthias wohl auf der Stelle befohlen, zurück nach Hause zu fahren.

»So.« Kurze Zeit später bog Matthias auf einen kleinen, mit Kopfsteinpflaster belegten Parkplatz ein. Das Auto schaukelte dabei so stark hin und her, dass ich mich am Haltegriff festhalten musste.

»Und was wollen wir hier?«, fragte ich. Natürlich erkannte ich, dass wir uns im Ortskern von Bienenbeek befanden. Zu unserer Rechten lag die schnuckelige kleine Kirche, daneben der Hofladen von Bauer Menke, und etwas dahinter konnte man das Rathaus von Bienenbeek sehen, ein unscheinbares Verwaltungsgebäude aus den Siebzigerjahren.

»Du hast mir doch neulich vorgeworfen, dass ich mich nicht genug engagiere«, begann Matthias und bedeutete mir, aus dem Auto zu steigen. »Also habe ich nicht nur dieses Neubaugebiet ausfindig gemacht, sondern uns auch zur Infoveranstaltung angemeldet, die in exakt sieben Minuten im Bienenbeeker Rathaus stattfinden wird!«

»Oh, äh, wow. Du bist ja echt klasse«, stammelte ich.

Mir fehlten die Worte. Nicht nur, weil Matthias so viel Aktionismus das letzte Mal bei seinem Heiratsantrag gezeigt hatte. Sondern auch, weil ich mich mit jeder Minute unwohler fühlte. Verstohlen blickte ich mich um, obwohl ich wusste, wie idiotisch das war. Als ob ich ausgerechnet hier sofort auf ihn treffen würde.

»Ein bisschen mehr Enthusiasmus hätte ich jetzt schon erwartet«, meinte Matthias und zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls sollten wir reingehen. Ich kann mir vorstellen, dass die Bienenbeeker Wert auf Pünktlichkeit legen.«

»Guten Abend, liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Gemeinderatsmitglieder, liebe Gäste«, eröffnete der Bürgermeister, ein feister älterer Herr, die Sitzung.

Wir hatten gerade noch einen Platz in der letzten Reihe ergattert, denn der Sitzungssaal war brechend voll. Mein Herz klopfte, als ich durch die Reihen blickte. Ich sah viele junge Paare, einige davon mit Babys auf dem Schoß. Aber auch einige ältere Leute waren gekommen, insgesamt eine bunte Mischung – und zum Glück kein bekanntes Gesicht.

»Sie erwarten sicherlich mit Spannung die aktuellen Informationen zum Neubaugebiet ›Zur Heidschnucke‹«, sprach der Bürgermeister ins Mikrofon und öffnete eine PowerPoint-Präsentation in grellen Farben. Ich kaute nervös an meiner Unterlippe herum. Der Bürgermeister – der übrigens Herr Clausen hieß und ein viel zu enges Sakko trug, das wie das Verwaltungsgebäude wahrscheinlich aus den Achtzigern stammte – beschrieb zunächst umständlich das bereits abgeschlossene Verfahren der Baugenehmigung.

»Ziel des Neubaugebietes ist es, dass junge Paare und Familien günstig Eigentum erwerben können«, erklärte er langatmig.

Matthias nahm meine Hand und schaute mich freudig an, während der Bürgermeister weiter vor sich hin schwafelte. Mein Herz wummerte immer noch so aufgeregt in meiner Brust, dass ich kaum zuhören konnte. Außerdem lenkte mich das Paar neben uns ab, das unaufhörlich auf seinen Handys herumscrollte und sich dabei nicht um seine Kinder kümmerte, die wild auf ihren Stühlen hin und her wippten und grunzende Geräusche machten. Die beiden Störenfriede, deren Alter ich auf etwa vier Jahre schätzte, mussten Zwillinge sein. Jedenfalls sahen die Mädchen sich mit ihren braunen Locken und dunkelbraunen Rehaugen zum Verwechseln ähnlich. Ihr Verhalten passte jedoch so gar nicht zu ihrem puppenhaften Aussehen. Erst als eines der Mädchen versuchte, sich auf den Stuhl zu stellen, griff der Vater halbherzig ein.

»Emilia!«, sagte er und schaute direkt wieder auf sein Handy. Mit seinem hellblauen, akkurat gebügelten Hemd und der geschniegelten Frisur erinnerte er mich an einen Immobilienmakler oder Unternehmensberater.

»Wie Sie sicherlich mitbekommen haben, haben wir in der Gemeinde sorgfältige Vergabekriterien für die Grundstücke festgelegt«, kam Clausen endlich zum Punkt.

»Jetzt geht es ans Eingemachte«, wisperte Matthias und drückte meine Hand noch fester. Das Pärchen neben uns blickte von seinen Handys auf. Die Frau sah mit ihren großen, unschuldigen Augen und den seidig glänzenden Locken exakt aus wie ihre Töchter, stellte ich fest. Ihre makellos manikürten Nägel, die genau den gleichen pastelligen Farbton wie ihr Lidschatten hatten, waren ebenso perfekt aufeinander abgestimmt wie ihre dunkelblaue Jeans und der edle lavendelfarbene Kaschmirpulli.

Herr Clausen machte eine effektvolle Pause und klickte eine Folie weiter in seiner Präsentation.

Nervös tippelte ich mit den Zehenspitzen auf und ab. Matthias schaute mich mahnend an und legte seine Hand wie einen Briefbeschwerer auf mein Bein.

»Sie können sich auf ein Grundstück Ihrer Wahl bewerben. Sollten Sie dies noch nicht getan haben, tragen Sie sich bitte am Ende der Sitzung in die am Ausgang befindliche Liste ein. Außerdem bitten wir Sie, bis zum 15. April eine unterschriebene Selbstauskunft in unserem Gemeindebüro abzugeben. Die Unterlagen befinden sich ebenfalls am Ausgang. Anhand der Selbstauskunft ermitteln wir für jeden Bewerber eine Punktzahl. Die dreißig Bewerber mit der höchsten Punktzahl erhalten ihr Wunschgrundstück.«

»Grundstück Nummer sieben ist gesichert«, raunte Matthias mir zu.

»Was?« Ich schaute ihn verständnislos an.

»Na, ich habe mich direkt für das größte Grundstück beworben. Mit unverbaubarem Feldblick.«

»Aber …«, warf ich entsetzt ein. Mir war schlagartig eiskalt.

»Psst, hör zu«, meinte Matthias jedoch nur.

Herr Clausen klickte eine Folie weiter. »Nun wollen Sie sicherlich wissen, womit Sie punkten können. Also, die Punkte teilen sich wie folgt auf: Pro Jahr, das die Bewerber bereits in Bienenbeek gewohnt haben, gibt es zwei Punkte. Bewerber, die durch den Grundstückskauf eine Mietwohnung in Bienenbeek freigeben, erhalten fünfzehn Punkte. Sie müssen allerdings mindestens drei Monate in dieser Wohnung gewohnt haben.«

Ein schrilles Quietschen ertönte. Herr Clausen räusperte sich und schaute sich irritiert um. Mittlerweile hatten die beiden Zwillingsmädchen – das andere hieß Mathilda, wie ich aus einer weiteren Ermahnung herausgehört hatte – den Vorraum des Gemeindesaals erobert und spielten dort Fangen. Die Eltern saßen unbeteiligt auf ihren Stühlen und blickten nach vorne. Ich schielte zur Seite und traute meinen Augen kaum. Die Frau schien gerade auf Instagram live zu gehen. »Hashtag Grundstückssuche«, konnte ich im Augenwinkel auf ihrem Handy lesen, »Hashtag rausaufsland, happyfamily, Bienenbeek.«

»Weitere fünf Punkte gibt es, wenn die Bewerber momentan in einer zu kleinen Wohnung leben, es also weniger Zimmer als Familienmitglieder gibt«, fuhr Clausen fort, als sich der Tumult im Vorraum etwas beruhigt hatte.

Innerlich atmete ich erleichtert auf, denn diese Kriterien würden wir niemals erfüllen.

»Zwanzig Punkte erhalten Bewerber, die seit mehr als drei Monaten aktives Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr sind. Außerdem werden Bewerber bevorzugt, die seit mindestens drei Monaten ein Ehrenamt in unserer Gemeinde ausüben oder sich in besonderer Weise in die Gestaltung des Dorflebens einbringen.«

Herr Clausen blickte zufrieden in die Runde. »In der nächsten Gemeinderatssitzung am 15. Juli werden die glücklichen neuen Eigentümer verkündet.« Er räusperte sich wieder.

»Ich denke, dass Bienenbeek und seine Bürgerinnen und Bürger von diesen Kriterien nur profitieren können«, fügte Herr Clausen hinzu, die Stimme immer lauter werdend, »denn wir zeigen damit deutlich, was wir NICHT wollen. Wir wollen KEINE hinzugezogenen Städter, die Bienenbeek bloß als günstigen Wohnraum und unsere Straßen als Einflugschneise in die Großstadt nutzen! Wir wollen KEINE anonymen, gesichtslosen Bewohner, die sich nicht für uns und Bienenbeek interessieren!« Sein Kopf glühte hochrot, und Schweißperlen traten ihm auf die Stirn. »Was wir wollen, sind neue Mitbürgerinnen und Mitbürger, die die zunehmende Vergreisung unseres Dorfes aufhalten! Mitbürgerinnen und Mitbürger, die die leeren Plätze in der Feuerwehr auffüllen! Kurz gesagt: Wir wollen junge, engagierte Leute, die sich MIT LEIB UND SEELE unserem Dorf verschreiben!« Das Publikum applaudierte, Clausen schnappte nach Luft und stützte sich an seinem Pult ab.

»Willkommen zurück in der mittelalterlichen Grundherrschaft«, raunte ich Matthias zu, der mich nur verständnislos anblickte.

»Na, Grund und Boden gegen Frondienste und lebenslange Knechtschaft«, erklärte ich ihm meinen Kommentar ungefragt.

Er verdrehte die Augen. »Lene, du findest auch immer etwas zu meckern.«

Nach endlosen sechzig Minuten war die Sitzung offiziell beendet und ich vor lauter Unbehagen schweißgebadet.

»Los, komm!« Kaum hatte Clausen die PowerPoint-Präsentation geschlossen, sprang Matthias auf und drängelte sich durch die Reihen in Richtung Ausgang. Das Pärchen neben uns war schon vor einer Viertelstunde verschwunden. Irgendetwas von einem wichtigen Termin murmelnd, hatten die beiden sich ohne Entschuldigung durch die Reihen gedrängt und zur Erleichterung aller Anwesenden ihre beiden lärmenden Töchter eingesammelt.

»Hey, warte auf mich!«, rief ich und entschuldigte mich bei einer älteren Dame, der ich in der Eile auf den Fuß getreten war.

Matthias war Feuer und Flamme und wollte sich sofort die Unterlagen für die Selbstauskunft holen. Unter normalen Umständen wäre ich himmelhoch jauchzend in die Luft gesprungen und hätte mich ohne Rücksicht auf Verluste gemeinsam mit ihm zum Ausgang durchgeprügelt. Doch so schön das Baugebiet auch war – es würde für uns nicht infrage kommen. Das musste ich Matthias nur noch irgendwie verklickern, ohne dabei mit der Wahrheit herauszurücken.

Bestimmt findet sich noch ein Haken, dachte ich bei mir, als wir zum Ausgang vorgedrungen waren. Außerdem, so beruhigte ich mich, ist es wirklich unwahrscheinlich, dass wir unter den Bewerbern berücksichtigt würden. Ich beschloss, vorerst einfach gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Meinen Mann konnte ich sowieso nicht mehr aufhalten. Er hatte sich gekonnt durch die Menschenmenge vor dem kleinen Tisch gedrängelt, mit der rechten Hand den Kugelschreiber geangelt und mit der linken die Selbstauskunft geschnappt. Eines musste man ihm lassen: Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war er nicht davon abzubringen.

Die empörten Rufe um ihn herum ignorierend, eilte Matthias auf mich zu.

»Los, beug dich nach vorne«, meinte er.

»Was?« Ich starrte ihn verdattert an.

»Na, ich brauche eine Unterlage zum Schreiben. Wir füllen den Wisch sofort aus.«

Ich seufzte und machte einen Buckel.

»Sag mal, wie lange dauert das denn?«, meckerte ich nach einer Weile, als mein Nacken zu schmerzen begann.

»So, fertig!«, verkündete Matthias triumphierend, als hätte er die Schlacht bereits gewonnen.

Gerade als ich mich aufgerichtet hatte und meinen schmerzenden Nacken massierte, traf mich der Schlag. Ich blinzelte und schaute noch einmal hin – doch tatsächlich.

Ich blickte direkt in die eisblauen Augen von Chris.

»Lene?«, fragte er, sichtlich ebenso verwundert wie ich.

»Ja, äh, hi. Hi Chris.« Genau wie damals schaffte er es, dass ich mich so schüchtern wie ein kleines Schulmädchen fühlte. Wo war bloß das Loch im Erdboden, das mich auf der Stelle verschlingen konnte? Ich hätte es jetzt wirklich gut gebrauchen können.

Natürlich schaute Matthias fragend zwischen mir und Chris hin und her.

»Entschuldige«, gewann ich meine Fassung zurück und stellte meinen Mann vor. »Chris, das ist Matthias, Matthias, das ist Chris und …« Himmelherrgott, das war ja klar, dass die jetzt auch hier auftauchen musste! »Und das … das ist Anni.«

Im selben Moment realisierte ich, dass ich ausgerechnet heute wie eine Vogelscheuche aussah. Das konnte doch nicht wahr sein! Ich spürte, wie ich rot anlief.

Anni grinste mich honigsüß an und warf ihre blonde Mähne zurück. »Hi.«

Ich setzte ein gequältes Lächeln auf. Die Erkenntnis, dass die beiden immer noch ein Paar waren, versetzte mir einen Stich ins Herz.

»Wir kennen uns von früher … aus der Schule«, gab ich zögernd zur Erklärung, denn Matthias schaute mich immer noch fragend an.

»Was macht ihr denn hier?«, fragte Anni zum Glück, bevor Matthias weiter nachhaken konnte.

Matthias, der die Selbstauskunft immer noch fest umklammert hielt, erklärte stolz, dass wir uns auf ein Grundstück beworben hatten.

»Ach, das ist ja lustig, wir auch!« Anni griff nach Chris’ Hand und strahlte ihn an. Täuschte ich mich, oder funkelte da ein Verlobungsring an ihrem Ringfinger? Ich fühlte mich plötzlich ganz schwach auf den Beinen, als könnte ich jeden Moment ohnmächtig werden.

»Wir haben uns für Grundstück Nummer sieben entschieden!«, erklärte Anni ungefragt.

Matthias und ich tauschten entsetzte Blicke.

»Die Lage ist wirklich einmalig! Und wir rechnen uns gute Chancen aus, nicht wahr, Schatz?« Anni zwinkerte ihrer besseren Hälfte verschwörerisch zu.

»Auf das Grundstück haben wir uns auch beworben«, sagte ich tonlos.

Chris zog eine Augenbraue hoch und grinste spöttisch. »Na, Lene, dann sind wir wohl direkte Konkurrenten.«

»Tja.« Meine Schlagfertigkeit schien ich auf dem Sitz im Gemeindesaal liegen gelassen zu haben.

»Aber echt lustig, wer hätte gedacht, dass wir uns ausgerechnet hier wiedersehen?«, sagte Chris, als das Schweigen zwischen uns unangenehm wurde.

»Zufälle gibt’s.« Ich wich seinem Blick aus.

Mit jeder Minute verstärkte sich mein innerer Drang, schreiend rauszulaufen. Warum hatte ich nicht auf mein Bauchgefühl gehört und Matthias direkt am Ortseingang befohlen, umzukehren? Gleichzeitig regte ich mich über mich selbst auf, dass ich nach all den Jahren immer noch nicht die Größe besaß, Anni und Chris entgegenzutreten. Aber dafür war einfach zu viel passiert.

»Wir müssen dann auch mal weiter«, sagte Anni und lächelte mich an, als seien wir beste Freundinnen.

Ich zwang mich ebenfalls zu einem Lächeln.

»Wir sind auf ein Bier im Dorfkrug verabredet. Wir stoßen nämlich auf unsere Verlobung an«, fügte Chris als Erklärung hinzu und legte demonstrativ den Arm um Anni. »Ich hätte euch ja jetzt gefragt, ob ihr mitwollt …«

»Herzlichen Glückwunsch«, brachte ich gequält hervor. »Danke für die Einladung, aber wir müssen zurück nach Hamburg.« Das konnte ja wohl nicht sein Ernst sein!

»Hört, hört. Die feinen Leute aus der Stadt.« Chris zwinkerte mir zu und wandte sich zum Gehen. »Bis bald!«

»Bis bald«, sagte ich so selbstsicher wie möglich und griff nach Matthias’ Hand. »Komm, lass uns gehen!«

»Selbstauskunft abgeben«, murmelte er jedoch nur, als ich ihn in Richtung Parkplatz zog. »Wo ist das Gemeindehaus?«

»Matthias, das ist doch jetzt nicht mehr geöffnet. Lass uns endlich nach Hause fahren.«

Am Auto angekommen, blieb er stehen und schaute mich an.

»Lene, ich will dieses Grundstück. Und wenn wir dafür über Leichen gehen. Ernsthaft. Das ist eine einmalige Chance.« Er öffnete schwungvoll die Autotür und setzte sich hinters Steuer. »Koste es, was es wolle.«

Mit einem irren Blick ließ er den Motor aufheulen. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Eines jedoch war klar: Ich musste meinen Mann von seiner Mission abbringen. Koste es, was es wolle.

Kapitel 4

»Ich brauche noch ein Astra. Und die junge Dame hier auch!«, rief Marie quer über den Tresen hinweg.

Angelika, die uralte, von oben bis unten tätowierte Bedienung, schob uns die Getränke rüber, ohne uns eines Blickes zu würdigen. Obwohl Marie und ich uns fast jeden Freitag in unserer Stamm-Hafenspelunke auf St. Pauli trafen, tat Angelika immer noch so, als würde sie uns nicht kennen.

Marie warf ihre langen blonden Haare zurück und befestigte sie mit gekonnten Handgriffen in einem lockeren Dutt, ehe sie ihr Bier nahm, es beinahe auf ex leerte und dann lautstark aufstieß. Ich kannte niemanden, der gleichzeitig so mädchenhaft hübsch aussehen und dabei Manieren an den Tag legen konnte wie ein alter Hafenarbeiter. Marie hatte ich während meines Lehramtsstudiums an der Uni Hamburg kennengelernt. Wir hatten beide das gleiche Seminar belegt und uns auf Anhieb verstanden, seitdem war Marie meine beste Freundin.