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Wo findet man rotfleischige Walnüsse und wo Metzger, die wissen, wie man eine "Frâche" mit Leber und mit Kohlrüben herstellt? Was sind Platterbsen, was ist eine Andutgel und was ein Saras del fen? Und wo gibt es noch Saubürzel oder Hundsärsche? Die Enzyklopädie der alpinen Delikatessen beschreibt mehr als 500 kulinarische Raritäten, die erst in den vergangenen Jahren wiederentdeckt wurden: alte Obstsorten, vergessene Gemüse, Wildpflanzen und aussergewöhnliche Würste, einzigartige Alpkäse und traditionelle Schnäpse. Aber auch Gebäcke aus alten Getreidesorten und Feiertagsbrote mit Safran oder Anis. Der handliche Band ergänzt die beiden preisgekrönten Standardwerke über "Das kulinarische Erbe der Alpen" mit einem Verzeichnis aller Bezugsadressen zu den beschriebenen Delikatessraritäten. Ein umfassendes Nachschlagewerk für Profiköche und kochbegeisterte Laien.
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Seitenzahl: 292
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Das kulinarische Erbe der Alpen
Enzyklopädie der alpinen Delikatessen
Dominik Flammer
Sylvan Müller
Das kulinarische Erbe der Alpen
Enzyklopädie der alpinen Delikatessen
© 2014
Text
Dominik Flammer, www.publichistory.ch
Fotografie
Sylvan Müller, www.sylvanmueller.ch
Historische Bildrecherche
Monica Rottmeyer, www.publichistory.ch
Verlag
AT Verlag, www.at-verlag.ch
Layout, Satz
Simon Eugster, www.simon-eugster.ch
Bildbearbeitung
Vogt-Schild Druck, Derendingen
Korrektorat
Ursula Klauser, www.bueroklauser.ch
Druck und Bindearbeiten
Westermann Druck Zwickau GmbH
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de
ISBN 978-3-03800-112-6
Inhaltsverzeichnis
A
Aargauer Rüeblitorte
Abondance
Abricotine
Absinth
Ackerbohne, Favabohne
Aglio di Resia / Strok
Agneau de Sisteron
Agrest, Verjus
Albeli-Rogen
Alblinsen, Alb-Leisa
Alpenbitter
Alpengemse
Alpenrosen-Honig
Alpines Steinschaf
Alp-Sanddorn
Altreier Kaffee
Andutgel, Bauernsalsiz
Angelika
Anis
Appenzeller Käse
Appenzeller Spitzhauben
Appenzeller Ziege
Arborio
Aromahopfen
Arvenkerne, Zirbennüsse
Arvenschnaps, Zirbengeist
Äsche
Asiago di allevo / Asiago pressato
Ausseer Bergkern-Rauchsalz
B
Badischer Reis, Grünkern
Bagòss di Bagolino
Bärlauchkapern
Bärwurz
Bärwurz-Schnaps aus der Alpen-Mutterwurz
Baselbieter Müsli
Basler Brot
Batavia rouge grenobloise
Bätziwasser
Bayerische Rübe
Bayerischer Senf
Beaufort d’alpage
Belper Knolle
Benita
Berberitze
Bereczky-Quitte
Berg-Bohnenkraut, Winter-Bohnenkraut
Bergchabis / Chou blanc de montagne
Bergfichte
Bergkümmel, Berg-Laserkraut
Berner Rosen (Apfel)
Berner Rosen (Tomate)
Berner Zungenwurst
Bescoin/Biscoin
Bettelmatt
Birnbrotgewürz
Birnbrot, Kletzenbrot, Hutzenbrot
Birnenhonig
Bitto storico
Blancmanger, Mandelsulz
Blaue St. Galler
Blaue Veltlin
Bleu de Gex
Bleu de Termignon
Bleu de Vercors-Sassenage
Bleu du Queyras
Blutwurz, Tormentill
Boutefas
Boxelemehl, Johannisbrotmehl
Bozner Zelten
Bramata
Bratblutwurst
Braunvieh
Brebis brigasque
Bregenzerwälder Alpkäse
Brenzer Kirsch
Bresaola
Brez’n
Brünnerling
Bucheckernöl, Öl aus Buchennüssen
Buchweizen, Heidekorn
Buchweizenhonig
Bündnerfleisch
Burgermeisterli
Burgunder-Trüffel
Büscion
Buttenmost
C
Capra grigia, Graue Bergziege
Caprinello
Caprino ossolano
Cardon argenté épineux du Plainpalais
Castelmagno
Cavolo nero, Schwarzkohl, Palmkohl
Chanzet du Pays d’Enhaut
Chartreuse
Chevrotin des Aravis
Chüsenrainer
Ciuighe del Banale
Comice
Coppa, geräuchert
Corne de gatte
Cuchaule
D
Damassine
Diepholzer Gans
Dinkel, Spelz
Dinkelreis
Distelöl, Safloröl
Dörrbohnen
Dörrkastanien
Dost, Alpenoregano
Drusenzelten
E
Echter Beinwell
Echter Steinklee
Eglibottarga, Flussbarschbottarga
Einkorn
Elsbeere
Emmentaler
Emmer
Eppich, Sellerie
Erdbeerspinat
Eringer
F
Farina bóna
Feldsalat (D), Nüsslisalat (CH), Vogerlsalat (A) oder Vogelsalat (I-Südtirol)
Fellenberg-Zwetschgen
Fischlebern
Flageolet
Formaggini della Valle di Muggio
Frâche
Franzosenkraut, kleinblütiges Knopfkraut
Fraurothacher
Fuatscha grassa
Furmagin da Cion
G
Gangfisch
Gänseschmalz
Gartenmelde
Garten-Sauerampfer
Gâteau de Savoie / Bisquit de Savoie
Geissbart, Waldgeissbart
Gelbe von Thun
Gelbe von Triest
Gemsfarbige Gebirgsziege
Génépi
Germanenwurz, Pastinake
Gewöhnliche Felsenbirne
Gewöhnlicher Knollenkümmel, gewöhnliche Erdkastanie
Gewöhnliches Hirtentäschel
Ghürotne
Glarner Kalberwurst
Glarner Schabziger
Gniff
Goldmelisse, Monarde
Grataron d’Arêches / Graitariron
Graukäse
Graumohnöl
Grauvieh
Griebenschmalz
Grubenkraut
Gruyère d’alpage
Gsig, Sig, Älplerschokolade
Gundermann / Echte Gundelrebe
H
Haferpflaume, Prünelle, Kriechenpflaume, Kriecherl
Haferwurzel/Purpur-Bocksbart/Habermark
Hanföl
Hasel
Hinterwälder
Hirschbirne
Hobelkäse
Holderküchlein
Hölzige Geiss
Hopfensprossen, Hopfenspargel
Höri-Bülle
Huchen
Hüppen/Hippen
I/J
Illzer Rosenapfel
Jaglačaist, Breinwurst
Jaune de Savoie
Jersey blue
K
Käferbohne, Feuerbohne
Kaminwurz
Kärntner Reindling/Pogača/Gubana
Karpfenmilch
Kartoffelmehl
Kastanienhonig
Kerbelrübe, Knolliger Kälberkopf
Kesch, Toma di Gressoney
Kirschpflaume/Myrobalane
Kirschstengeli
Knieküchle, Auszogne
Knoblauchrauke, Lauchhederich
Knollenziest
Kornelkirsche
Kranjska Klobasa, Krainerwurst
Kraški pršut, Karstschinken
Krautinger
Kren, Meerrettich
Kriecherlbrand
Kubebenpfeffer
Kübelfleisch, Prleška tünka
Kürbiskernmehl
Kürbiskernöl
Küttiger Rüebli
L
L’Etivaz
L’Olio del Garda
Lammbries
Lammlidji/Schaflidji/Schaflittli
Langer Pfeffer
Lardo di Arnad
Latschen/Latschenlikör
Lauerzerkirsche, Rigikirsche
Lavantaler Bananenapfelbrand
Lavaret
Le Maréchal
Lebkuchen, Lebzelten
Lebkuchengewürz
Leindotteröl
Leinöl, Leinsamenöl
Lesachtaler Brot
Liebstöckel
Linthmais
Lionga di tartuffels
Liwanzen
Löhrpflaume
Longeole
Luganigha, Lugànega, Luganica
Lungauer Rahmkoch
M
Mädesüss
Magenträs, Trietpulver
Maigold
Mangold, Krautstiel
Marmorataforelle
Mascarpin, Mascarplin, Mascalpel
Mehlbeerenbrot
Meisterwurz
Miassa
Milzwurst
Mispel
Missoltini
Mohant
Mohnsamen
Mont Vuilly
Montasio
Mortadella di fegato
Moschusschafgarbe, Iva
Mostbröckli
Motsetta di capra
Moutarde aux noix / Baumnuss- oder Walnusssenf
Moutarde de Bénichon
Mühlistein
Murmeltier
Murnau-Werdenfelser
Mustardella delle Valli Valdesi
N/O
Nacktgerste
Nägeliapfel/Palmapfel
Nillon/Nion
Noix de Bruis
Noix de Grenoble
Nusswasser
Osterpinze
P/Q
Palabirne
Pane ticinese
Pannonischer Safran, Aargauer Safran
Papet vaudois
Parli
Patate Verrayes
Persillé du Haute Tarantaise / Bleu de Tignes
Persipan
Pferdeeppich, Alisander, Gespenst-Gelbdolde
Pinzgauer Rind
Piora, Tessiner Alpkäse
Pizzoccheri
Platterbse, Saat-Platterbse
Poire à Botzi
Poire Sarteau
Pormonaise/Pormonier
Portulak
Poulet de Bresse
Puina
Purpurenzian, Enzianschnaps
Pusterer Breatl
Pustertaler Schecken, Pustertaler Sprinzen
Quendel, Thymian
Quittenpästli/Quittenkäse
R
Radic di Mont
Rapsöl
Räucherziger
Reblochon de Savoie fermier
Rhabarber
Ribelmais, Riebelmais
Riso nostrano ticinese
Riso rosso
Riso San Andrea
Riso venere
Robinien- oder Akazienhonig
Rockenbolle, Schlangenknoblauch
Rohmilchbutter
Rollgerste, Graupen, Mehrzeilige Gerste
Römische Schmalzbirne
Ronde de Montignac
Rosa di Gorizia
Röseler
Rosoli/Röteli/Rosoglio
Rotauge
Rote Donaunuss/Rote Gublernuss
Roter Holunder
S
Saanenziege
Saiblingskaviar
Saint-Marcellin
Saras del fen
Saucisse au foie
Saucisse aux choux
Saucisson vaudois
Sauergrauech
Saure Pflaumen / Essigzwetschgen
Sbrinz
Schattenmorelle
Schinkenwurz, Gemeine Nachtkerze
Schlangenknöterich
Schlipferkäse
Schlorzifladen/Birnenfladen
Schlüsselblumentee
Schnalser Nudeln
Schöne von Einigen
Schuastabuam
Schüttelbrot
Schuxen, Schuxn
Schwäbische Seele
Schwarze Nüsse / Johanninüsse
Schwarzhafer/Waldhafer
Schwarznasenschaf
Schwarzwurzel, echte oder spanische
Schwefelbohne
Schweizer Wasserbirne
Schwinigi Stückli
Schwoasnudeln oder Bluatnudeln
Selchroller/Rollbraten
Sel des Alpes
Sept en gueule
Siedwurst/Chruutwurst
Signalkrebs
Soglio
Spalenkäse
Spampezi
Spanische Nierli
Speckbirne
Speierling
Spitzwegerich
Springerle, Anisbrötli
St. Galler Brot
St. Galler Kalbsbratwurst
Stanser Fladen
Steckerlfisch/Staberlfisch
Steckrübe/Kohlrübe
Steirerkäse, Steirerkas
Stengelkohl, Cime di rapa
Stockwurst
Subirer
Südtiroler Speck
Sulmtaler Huhn
Sura Kees
Suufi/Brossa
T
Taillé au greubons
Talggen
Tannensprossenhonig
Taubenkopf-Leimkraut
Tauernroggen
Tête de moine
Teufelskrallen
Theilersbirne
Tilleul des Barronies
Tilsiter
Tirggel, Züri-Tirggel
Tiroler Spitzlederer
Tiroler Zelten
Tirtlen, Tirtln, Türschtlan
Tisner Kastanien, Tisner Keschtn
Toggenburger Ziege
Tolmin-Käse
Tombea
Tome de Bauges
Tomme/Tome/Toma/Tuma/Mutschli
Tomme vaudoise, Tomme fleurette
Topinambur, Erdartischocke
Torrone
Triester Broccoli
Trüsche, Aalquappe, Quappe
Tüpfelfarn/Engelsüss
Turopolje
V
Vacherin fribourgeois
Vacherin Mont d’Or
Vermouth de Chambéry
Verveine-Würzöl
Villnösser Schaf
Vin cuit
Vinschger Marille
Vinschger Paarl
Vogelbeere
W
Wacholderlatwerge
Walderdbeere
Waldmeister
Waldstaudenkorn
Walliser Landschaf
Walliser Roggenbrot
Walser Kraut
Weisse Herzkirsche
Weisse Lötschentaler
Weisslacker
Weisswurst
Wiener weisser Glas – Kohlrabi
Wiesenbärenklau
Wiesenschaumkraut
Wilde Möhre
Wildschönauer Stoppelrübe
Wirsing, Wirz, Welschkohl, Chou frisé
Wisbirer, Husbirer
Wollschwein
Wurzelpetersilie
Z
Zgornjesavinjski želodec
Zibarte/Ziparte/Zyberli/Seiberl
Zigerklee, Brotklee, Zigeinerklee
Zincarlin
Zitronenbirne
Zopf/Züpfe
Zuckerwurzel
Zuger Rötel
Sieben Jahre in den Alpen
Von Hundsärschen und Hasenöhrchen, von Schafsmäulern und Saubürzeln
Viele verdrängte, vergessene und verschollen geglaubte Delikatessen sind in dieser Enzyklopädie zu entdecken, aber auch viele weitverbreitete, wundervolle und wegweisende Produkte und Speisen. Als Fortsetzung unserer beiden Bücher über das kulinarische Erbe der Alpen wollen wir diese Fundgrube, für die wir sieben Jahre lang den ganzen Alpenraum bereist haben, mit allen teilen, die wir für die Geschichte unserer Ernährung und den mit ihr verbundenen Reichtum begeistern können. Als handlicher Führer soll diese Enzyklopädie vor allem aber all jenen innovativen und leidenschaftlichen Produzenten eine nachhaltige Plattform bieten, in deren Händen die Zukunft unserer Ernährungsvielfalt liegt.
Eine Vielfalt, deren Ursprung zwar weit in der Vergangenheit zu suchen ist, deren Verbreitung und Weiterentwicklung aber in erster Linie dem Aufstieg der Naturwissenschaften, technischen Errungenschaften und der Revolutionierung der Landwirtschaft zu verdanken ist. Denn die Geschichte der grossen Mehrheit der in diesem Buch beschriebenen Produkte beginnt erst in der Neuzeit. So wie aus den Kartoffelknollen aus der Neuen Welt in den Tälern der Alpen neue Sorten entstanden sind, so haben Gärtnerinnen, Bauern, Züchter und Tüftler auch aus den einheimischen Gewächsen durch sorgfältige Selektion und mit viel Geduld neue Gemüse entwickelt, neue Obstsorten herangezogen und Tiere zu neuen Rassen eingekreuzt. Müller, Bäcker und Konditoren haben über Jahrhunderte die Herstellungsprozesse der Brote und Gebäcke weiterentwickelt, Hirten und Käser die Verarbeitung der Milch perfektioniert, Viehzüchter und Metzger die Veredelung des Fleisches vorangetrieben und Köchinnen und Gastronomen die Kombination der Zutaten immer und immer wieder neu ausgetestet. Was sie alle hoffentlich auch in Zukunft weiterhin tun werden. Neue Sorten wird es auch künftig geben, so wie neue Tierrassen, neue Geschmackskombinationen und neue Speisen. Doch bei aller Freude am Fortschritt darf man nicht vergessen, dass dies nur möglich sein wird, wenn wir alles daran setzen, die alte Vielfalt auch zu erhalten. Oder vereinfacht gesagt: Ohne alte Apfelsorten entsteht kein neuer Apfel.
Das ist auch der Grund, weshalb wir in diesem Buch einerseits essbare Wildpflanzen beschreiben, die der Mensch schon vor Tausenden von Jahren genutzt hat. Oder Getreide und Gemüse, die schon seit Menschengedenken angebaut werden. Aber anderseits auch Früchte, Würste, Käsesorten oder Gebäcke, die selbst unsere Grosseltern noch nicht gekannt haben, da sie erst in den letzten Jahrzehnten entstanden sind oder entwickelt wurden. Denn hätte der Bauer wirklich immer nur das gefressen, was er kannte, würden wir heute noch fade Hafersuppe schlürfen und an besseren Tagen vielleicht an zähem, talgigem Rindfleisch aus dem Rauchfang nagen. Und dennoch halten wir es im Grundsatz mit dem Bauernsprichwort: Erst wenn wir kennen, was wir essen, können wir es auch geniessen.
Deshalb sind in diesem Buch all die Produkte drin, die der Bauer früher kannte, aber auch all jene, die er kennen und schätzen gelernt hat. Und selbstverständlich auch jene, von denen er – aus was für Gründen auch immer – irgendwann nichts mehr wissen wollte. Wie etwa vom Knoblauchhederich, der wohl ältesten einheimischen Gewürzpflanze des Alpenraums. Ein Kraut, das noch im 19. Jahrhundert auf vielen Höfen angebaut wurde, das man heute aber fast ausschliesslich wildwachsend findet. Ein würziges Kohlgewächs, das erst in den vergangenen Jahren wiederentdeckt wurde und mittlerweile wieder vielseitig verwendet wird. Ebenso wie all die in der Erde schlummernden und essbaren Wurzeln und Knollen, die nach der Ankunft der Kartoffel ab dem 18. und 19. Jahrhundert vom Acker und aus der Küche verschwunden sind: die Kerbelrübe wie auch die Schinkenwurz, die wiederentdeckte Topinambur ebenso wie der als Erdkastanie bezeichnete Knollenkümmel oder der früher als Schweinerübe bekannte Sumpfziest.
Noch deutlicher zeigt sich aber die Vielfalt des Alpenraums bei jenen Lebensmitteln, auf die der Bauer nie verzichten konnte. Wie etwa beim Obst. Kaum eine Gegend, in der in den vergangenen zwei bis drei Jahrhunderten nicht eigenständige, charaktervolle Birnen- oder Apfelsorten herangezüchtet wurden – oder die als Zufallssämlinge entstanden sind. Früchte, die als Most-, Dörr- oder Brennobst heute wieder sortenrein vermarktet werden und die das Angebot an regionalen Delikatessen mehr als bereichert haben. Dazu gehören etwa die kleinen, eingelegten Poires à Botzi aus dem Schweizer Kanton Freiburg, die Hirsch(t)birnen aus der Steiermark, die Palabirne aus dem Südtirol, die Innerschweizer Theilersbirne oder die Poire Sarteau, eine traditionelle Marmeladenbirne aus den Alpes-de-Haute-Provence. Und bei den Äpfeln stehen etwa der österreichische Brünnerling, der Schweizer Sauergrauech, der Lavantaler Bananenapfel oder der Tiroler Spitzlederer für die neu entdeckte Obstvielfalt. Jede dieser Früchte erzählt wieder eine andere Geschichte.
Weit grösser ist das Angebot an Früchten und Sorten, als wir mit diesem Werk aufzeigen können. Ausgewählt haben wir deshalb viele von jenen, die für innovative Produzenten spannend sind und die ihnen in der sich weiter globalisierenden Landwirtschaft eine Zukunft bieten. Weil sie sich als Nischenprodukte auch in einer leistungsorientierten Agrarwirtschaft behaupten können.
Eine üppige Vielfalt bietet diese Enzyklopädie auch bei den wiederentdeckten Getreiden, ihren regionalen Varietäten und den wiederentdeckten Traditionszerealien: Linthmais ist dabei und Tauernroggen, Schwarzhafer oder Nackthirse, aber auch Emmer, Einkorn oder Dinkel. Und dass diese ursprünglichen Musgetreide oft mit Gemüse zusammen kombiniert wurden, das im Alpenraum schon immer eine zentrale Rolle in der Ernährung gespielt hat, zeigen auch die unzähligen Sorten an Weisskohl, Rüben, Kartoffeln oder Zwiebeln bis hin zu den stark aus dem norditalienischen Raum beeinflussten Salatpflanzen. Oder kennen Sie den Radicchio rosa di Gorizia, den wildwachsenden Radic di Mont aus dem Friaul oder den von italienischen Immigranten gezüchteteten Batavia rouge grenobloise aus den französischen Westalpen? Oder aus der gleichen Gegend die ausgezeichnete Marmeladenzwiebel «Jaune de Savoie», der nur die Höri-Bülle von der deutschen Halbinsel Höri am Bodensee das Wasser reichen kann? Umfangreich sind heute die Standardwerke allein über Früchte und Gemüse, die beispielsweise von Organisationen wie der österreichischen Arche Noah oder den schweizerischen Vereinigungen Pro Specie Rara und Fructus sowie den zahlreichen Convivien der Slow-Food-Bewegung publiziert worden sind. Wer sich allein mit Früchten oder mit Gemüse und ihrer unglaublichen Vielfalt beschäftigen will, dem seien die umfangreichen Bücher wie das «Lexikon der alten Gemüsesorten» (AT-Verlag 2014), «Früchte, Beeren, Nüsse – Die Vielfalt der Sorten» (Haupt-Verlag 2011) oder «Handbuch Bio-Gemüse, Sortenvielfalt für den eigenen Garten» (Löwenzahn-Studienverlag 2010) wärmstens empfohlen.
Gewürze, Hülsenfrüchte und Honige, wenig bekannte Getränke wie der «Ghürotne» (eine Mischung aus saurem und süssem Most), süsse Senfe aus Bayern oder dem Schweizer Kanton Freiburg oder unzählige weitverbreitete und traditionellerweise im ganzen Alpenraum mit Anis gewürzte Produkte ergänzen die alpine und voralpine Vielfalt an urtümlichen Produkten ebenso wie seltene und regionaltypische Pflanzenöle. Wie etwa L’Olio del Garda, ein seit der Römerzeit bekanntes Olivenöl, das aus den Früchten der weltweit am nördlichsten gelegenen Olivenbäume gepresst wird. Oder das Graumohnöl aus dem österreichischen Weinviertel und das vor allem im Bio-Landbau wiederentdeckte Leindotteröl.
Umfangreich ist das Angebot auch bei den verarbeiteten Produkten, auch wenn wir uns in einigen Produktegruppen etwas zurückgehalten haben. Bei den Gerichten haben wir nur einige Handvoll übernommen und nur dann, wenn sie für die Vielfalt der im gesamten Alpenraum vorhandenen Grundzutaten stehen. Umso wichtiger ist uns eine repräsentative Auswahl spezieller und regionaltypischer Brote. Doch wollten wir alle regionalen Brote, Süssgebäcke oder Mehlspeisen des Alpenraums in all ihren noch so geringen Unterschieden beschreiben, würde dies selbst diesen enzyklopädischen Rahmen sprengen. Das bezeugt auf eindrückliche Weise etwa das allein für die Schweiz erstellte und frei zugängliche Internetarchiv über das kulinarische Erbe der Schweiz (www.kulinarischeserbe.ch). In mehrjähriger Forschungsarbeit und mit millionenschwerer Unterstützung hat ein Historikerteam für mehrsprachige Leser ein schwergewichtig umfangreiches Brot- und Guetsliarchiv erarbeitet, in dem all die Gebäcktraditionen gut die Hälfte der darin beschriebenen Produkte ausmachen.
Viel Platz nimmt in unserer Enzyklopädie insbesondere der Käse ein. Die Produktegruppe also, die wie keine andere vom starken Austausch an Viehrassen und Herstellungstechniken sowie von der ewigen Wanderschaft der Hirten, Nomaden und Landarbeiter im Alpenraum erzählt. Etwa von den ungezählten weichen und harten Käsen aus der Milch des weitverbreiteten und aus der Gegend des Innerschweizer Klosters Einsiedeln stammenden Braunviehs, das von Slowenien bis Bayern die Alpwirtschaft lange dominiert hat und heute noch von grosser Bedeutung ist. Erzählt wird von Käsen, die mit Safran gewürzt und mit Leinöl gepflegt werden, von solchen, die man mit Kümmel oder Kräutern einreibt, und von anderen, denen blauer, weisser oder grauer Schimmel ihren eigenständigen Charakter verleiht. Sie heissen Bettelmatt, Belper Knolle oder Bagòss di Bagolino, Beaufort d’alpage oder Bergfichte, Bleu du Queyras oder Büscion, um nur einen Teil all jener in diesem Buch beschriebenen Käse aufzuzählen, die allein unter dem Buchstaben B beschrieben werden.
Auch finden sich in diesem Buch die unzähligen und regional sehr unterschiedlichen Trivialnamen, die einzelne Produkte im Alpenraum über Jahrhunderte erhalten haben. Namen, die viel erzählen über die Form der Produkte, ihre Geschichte und selbst darüber, dass man ihrer gelegentlich auch überdrüssig war. Wo beispielsweise noch «Hundsärsche» gegessen werden und wo «Saubürzel» oder wo «Hasenöhrchen» und wo «Schafsmäuler», darauf verweisen die Seitenzahlen im umfangreichen Produkteverzeichnis hinten in diesem Buch ab Seite 315.
Wir sind überzeugt davon, dass die Wiederentdeckung von zig Tausenden von traditionellen und oft regional sehr unterschiedlichen Produkten und Sorten noch längst nicht abgeschlossen ist. Auch ihre Geschichte ist noch nicht zu Ende erzählt. Auf unserer siebenjährigen Reise durch den Alpenraum haben wir Woche für Woche, wenn nicht Tag für Tag immer wieder spannende Delikatessen entdeckt, von denen jede einzelne ihre Spuren in den Koch- und Ernährungstraditionen ihrer Region hinterlassen haben. Die Gärten, Äcker, Wiesen und Wälder sowie die Vorratskammern des Alpen- und Voralpenraums bergen Schätze in sich, die erst im Ansatz gehoben worden sind. Dieses Buch soll dazu beitragen, diese Preziosen und ihre Produzenten wiederzuentdecken, so dass unser kulinarisches Erbe nicht nur in Archiven und in Erzählungen weiterlebt. Sondern auf unseren Märkten, in unseren Küchen und an unseren Tischen. Und vor allem in unseren Sinnen.
Dominik Flammer & Sylvan Müller
Vitznau und Kriens, im Oktober 2014
Enzyklopädie der alpinen Delikatessen
Aargauer Rüeblitorte
Selten sind im Alpenraum die süssen Gebäcke, für deren Zubereitung Gemüse verwendet wird. Sicher kommt das Kartoffelmehl gelegentlich zum Zug, doch ersetzt es in erster Linie Getreidemehle. Eines dieser seltenen Gebäcke ist die mittlerweile weitverbreitete Rüeblitorte, die ihren Ursprung im Schweizer Kanton Aargau hat, dem lange Zeit grössten Karottenanbaugebiet der Schweiz. Dieser süsse Kuchen besteht zu grossen Teilen aus geriebenen Karotten, die zusammen mit Mehl, Zucker und Haselnüssen sowie Eigelb und geschlagenem Eiweiss (aber im Gegensatz zu anderen Torten ohne Fett) verarbeitet werden. Gewürzt wird sie mit Zitronenzeste, Nelken und mit Zimt, oft auch mit einem Schuss Kirschwasser. Dieser oft mit Marzipankarotten verzierte Kuchen dürfte in der Zeit vor 1900 entstanden sein, wurde aber ursprünglich vor allem in Privathaushalten gebacken.
Abondance
Der Abondance ist ein traditioneller Rohmilchkäse, der seinen Ursprung im gleichnamigen Kloster in Hochsavoyen hat. Aus dem Val d’Abondance stammen auch die Abondance-Kühe, die eng mit den aus der Schweiz stammenden Simmentaler Kühen verwandt sind. Die Milch für diesen Hartkäse stammt vor allem von dieser Rasse sowie den Montbéliard- und den Tarine-Kühen. So wie beim ebenfalls aus Hochsavoyen stammenden Reblochon de Savoie fermier. Im Kloster Abondance wurde nachweislich schon seit dem 5. Jahrhundert Käse hergestellt. Der harte, vollfette Abondance-Käse von heute dürfte aber erst zwischen 1650 und 1750 entstanden sein, beeinflusst von den eingewanderten Greyerzer-Käsern aus dem Schweizer Kanton Freiburg. Wie der Beaufort oder der Comté gehört auch der Abondance zur Familie der Gruyère-ähnlichen Käse. Er verfügt über eine orange, gelegentlich schwärzliche Rinde und schmeckt in optimaler Reife (acht bis zehn Monate) sehr fruchtig.
Abricotine
Dieser klare Obstbrand aus dem Schweizer Kanton Wallis wird grösstenteils aus einer Sorte hergestellt, benannt nach ihrem französischen Züchter, Gabriel Luizet. Die Luziet-Aprikose verbreitete sich im Wallis gegen Ende des 19. Jahrhunderts, nach der Begradigung und der Kanalisierung der Rhone und auch als Ersatz für die schwindenden Rebflächen. Aus Amerika eingeschleppte Krankheiten wie die Reblaus und die damit verbundenen Probleme waren dem Aprikosenanbau im Wallis (wie auch in Südtirol) förderlich. Die Abricotine hat vierzig Volumenprozent Alkohol und zeichnet sich durch einen lieblichen Aprikosengeschmack und eine leichte Bittermandelnote aus. Sie ist nebst dem Marillenschnaps aus der österreichischen Wachau einer der bekanntesten Aprikosenbrände Mitteleuropas. Die ertragreiche Luizet ist heute noch die meistangebaute Aprikosensorte der Schweiz, die höchstgelegenen Walliser Kulturen finden sich bis auf 1000 Meter über Meer.
Absinth
Ist eine aus dem Val-de-Travers im Schweizer Kanton Neuenburg stammende Spirituose aus Wermut (Artemisia absinthium), verschiedenen Gewürzen wie Fenchel, Sternanis oder echtem Anis und zahlreichen Kräutern wie beispielsweise der Echten Engelwurz (Angelica archangelica). Den Höhepunkt seiner Popularität erlebte der Absinthkonsum in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – insbesondere in Künstlerkreisen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die «Grüne Fee» aus fadenscheinigen Gründen verboten, um den Verkauf der Weintrester und Traubenschnäpse der Schweizer Winzer nicht zu gefährden. Erst seit 1998 ist Absinth in den meisten europäischen Ländern wieder legal erhältlich. In der Zeit zuvor wurde er vorwiegend schwarz gebrannt und vertrieben.
Ackerbohne, Favabohne
(Vicia faba)
Diese einst populäre Hülsenfrucht, die zur Gattung der Wicken gehört, war bis ins 17. Jahrhundert im gesamten Alpenraum Bestandteil der Grundnahrung. Verdrängt wurde sie durch die aus Südamerika als Kulturpflanze importierte Gartenbohne (Phaseolus vulgaris), aber auch durch andere Bohnenarten aus der Neuen Welt wie etwa die Feuer- oder Käferbohne (Phaseolus coccineus). Der Abstieg der Ackerbohne von der menschlichen Nahrung zum Viehfutter wurde begleitet durch eine Abwertung ihres Namens: Pferde-, Vieh- oder Saubohne wird sie heute vielerorts genannt, ein anderer gängiger Name ist auch Puffbohne. Mit der Wiederentdeckung der Hülsenfrüchte erleben die butterzarten Ackerböhnchen, die zwar etwas mühsam aus Schoten und Hülsen geschält werden müssen, seit einigen Jahren wieder eine Renaissance.
Ackerbohne, Favabohne
Aglio di Resia / Strok
(Allium sativum var. sativum)
In den Julischen Alpen, im Resiatal, einem der kleinen Grenztäler im Dreiländereck des Friauls, unweit der österreichischen und der slowenischen Grenze, wird heute noch eine der aromatischsten Kulturknoblauch-Sorten des Alpenraums angebaut. Eigen ist diese Gewürzpflanze, so wie die Bewohner dieses Tales, die zu den slawischen Minderheiten Italiens gehören. Ihre Vorfahren waren früher vor allem im österreichisch-ungarischen Kaiserreich als Marktfahrer unterwegs, meist mit selbstangebautem Gemüse, Gewürzen, Getreide oder Hülsenfrüchten. Der Aglio di Resia – im slowenischen Dialekt Strok genannt – verfügt über sehr kleine Knoblauchzehen, die in einer rötlichen Schale stecken. Im geographisch abgeschotteten Resiatal haben sich zudem bis heute rund dreissig ökotypische Bohnenvarietäten halten können.
Agneau de Sisteron
Das Fleisch der Sisteron-Lämmer aus den provenzalischen Alpen gehört in der Gastronomie zur Spitzenqualität. Als Sisteron-Lamm verkauft werden darf nur Fleisch von drei Rassen: Mérinos d’Arles, Préalapes du Sud und Mourérous oder aus Kreuzungen dieser drei Rassen. Gezüchtet werden die Schafe allesamt in einem klar eingeteilten Gebiet der südlichen Westalpen Frankreichs. Die Lämmer, die fast ausschliesslich während der Sömmerung auf den Alpen zur Welt kommen, müssen von ihren Müttern gesäugt werden. Auch sonst untersteht ihre Aufzucht hohen Qualitätsanforderungen. Das Fleisch ist äusserst schmackhaft und zart.
Agrest, Verjus
Agrest nannte man im deutschen Sprachraum diesen «Grünsaft», der in erster Linie durch das Auspressen von unreifen Trauben oder seltener aus grünen Äpfeln (oder früher aus Holzäpfeln, unreifen Kornelkirschen, grünen Stachelbeeren oder aus Sauerampfern) gewonnen wurde und der in der mittelalterlichen Küche einen wichtigen Platz einnahm. Erst nach der Ankunft der Zitrone zur Zeit der Kreuzzüge begann der Verjus langsam, aber stetig seine Bedeutung als Säuerungsmittel zu verlieren. Im 18. Jahrhundert verschwand er dann fast vollständig. Seit einigen Jahren haben Köche den Traubenverjus wiederentdeckt. Eine aussergewöhnliche Spezialität ist der aus grünen Äpfeln, der zurzeit nur von einem Produzenten im Schweizer Kanton Thurgau hergestellt wird. Ob vom Apfel oder von der Traube: Verjus ist grundsätzlich milder als Essig und vom Aroma her weit vielseitiger verwendbar als Zitrone. Der bekannte Dijon-Senf wird mit Verjus und nicht mit Essig hergestellt.
Agrest, Verjus
Albeli-Rogen
Der Rogen einer im Vierwaldstättersee in der Innerschweiz verbreiteten kleinen Felchenart, die Albeli genannt werden, wird heute nur vom Fischer Nils Hofer aus dem Luzerner Seedorf Meggen gewonnen. Hofer verarbeitet den Rogen der Albeli nach einem ähnlichen Verfahren, wie man das mit typähnlichen Felchen auch in Schweden macht, wo der Felchenrogen Löjrom genannt wird und wo er an Weihnachten zusammen mit geräuchertem Lachs serviert wird. Rogen anderer Felchenarten (am Vierwaldstättersee auch von den grossen Balchen) werden aber auch am Bodensee und in geringen Mengen an anderen Voralpenseen gewonnen und zu einem Süsswasser-Kaviar verarbeitet.
Alblinsen, Alb-Leisa
Während die jahrhundertelang im ganzen Alpenraum als unentbehrliches Grundnahrungsmittel angebauten Linsen (Lens culinaris) in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fast vollständig aus der regionalen Kulinarik verschwunden sind, erleben sie auf dem Acker und in der Küche seit einigen Jahren eine beachtliche Wiedergeburt. Bis in die 1950er Jahre war der Linsenanbau auf der Schwäbischen Alb noch weit verbreitet, ein Grossteil wurde ins Voralpenland exportiert. Die landwirtschaftliche Intensivierung und ein verstärkter Fokus auf die Rentabilität verdrängten die Linsen fast vollständig von den Äckern. Erst 1985 begann man auf dem Biohof Mammel (Lauterach) und in der Folge mit einer Erzeugergemeinschaft im Alb-Donau-Kreis, diese Hülsenfrüchte wieder im grösseren Stil anzubauen. Mangels einheimischen Saatguts starteten die Bauern mit dem Anbau der französischen Puy-Linsen, bevor die Initianten des Wiederanbaus Saatgut von drei ursprünglich heimischen Linsen im St. Petersburger Wawilow-Institut entdeckten und dieses auf die Schwäbische Alb zurückbrachten. «Späths Alblinse klein», «Späths Alblinse gross» und «Späths Hellerlinse». Angebaut werden heute wieder die dunkeln, leicht marmorierten Alblinsen, die mittlerweile auch im Handel erhältlich sind. Die Alb-Leisa, wie sie im lokalen Dialekt genannt wird, wurde 2013 in die Arche des Geschmacks von Slow Food aufgenommen.
Alblinsen von oben nach unten: Späths Alblinse II «Die Kleine»; Späths Alblinse I «Die Grosse»; kleine, dunkelgrüne Alblinse
Alpenbitter
Die bekanntesten der klassischen Magenbitter-Spirituosen Mitteleuropas sind nebst dem aus Mailand stammenden Fernet-Branca der Appenzeller Alpenbitter und der Turiner Alpestre. Diese süsslichen, dunkeln und hochprozentigen Digestifgetränke gehören zur Familie der Kräuterschnäpse. Fernet-Branca wurde seit Beginn des 20. Jahrhunderts auch in einer Zweigniederlassung im französischen Saint-Louis bei Basel hergestellt, die im Jahr 2000 stillgelegt wurde. Wie um den 1845 entwickelten Mailänder Bitterlikör wurde auch um den 1902 vom Appenzeller Spirituosenhändler Emil Ebneter lancierten Alpenbitter ein marketingtechnisch geschickter Mythos um das Geheimnis der Zusammensetzung aufgebaut. 42 Kräuter und Gewürze soll der Appenzeller Kräuterschnaps enthalten, wobei intensive und traditionelle Destillatsrohstoffe wie Enzian, Anis oder Wacholder eine geschmacklich dominante Rolle spielen. Ähnliche Magenbitter gibt es auch in Österreich (Gurktaler Alpenkräuter-Magenbitter), in Bayern (Wörther Schlossbitter), in der Westschweiz (Bitter des Diablerets) und in der Innerschweiz (Luzerner Alpenbitter, Sennenbitter). Bekannt ist auch der Alpestre, der heute in der Nähe von Turin hergestellt wird. Ursprünglich brannte man ihn als Arquebuse de l’Hermitage im französischen Burgund. Mönche brachten das Rezept auf der Flucht vor antiklerikalen Umtrieben in Frankreich nach Italien und liessen sich bei Turin nieder.
Alpengemse
(Rubicapra rubicapra rubicapra)
Sie ist eine der verschiedenen europäischen Gemsenarten, zu denen auch die Karpaten- und die Pyrenäengemse gehört. In der Chartreuse in den Westalpen gibt es eine kleine Population einer anderen Gemsenart, der Chartreuse-Gemse (Rubicapra rubicapra cartusiana), die allerdings vom Aussterben bedroht ist. Das Fleisch der Gemse gehört zu den grossen Wildspezialitäten des Alpenraums. Das heute grösste Revier der Alpengemse befindet sich im steirischen Hochschwabgebiet in den nördlichen Kalkalpen Österreichs. Jährlich werden im Alpenraum einige Zehntausend Tiere erlegt, am meisten in Österreich (rund 20 000) und der Schweiz (rund 10 000). Eine Spezialität ist die Gemsleber. Um in den Genuss dieser gefragten Delikatesse zu kommen, sollte man aber gute Beziehungen zu dem einen oder anderen Jäger haben. Gelegentlich findet man etwa bei den Metzgern Graubündens Gemssalsize oder im Tirol Gemswurzen. Dabei handelt es sich meist um gepresste Rohwürste, die gelegentlich geräuchert werden und die fast immer einen stattlichen Anteil Schweinespeck enthalten.
Alpengemse
Alpenrosen-Honig
(Honig von Rhododendron ferrugineum und Rhododendron hirsutum)
Ist eine Rarität aus den Alpen, da der Honig von den Bienen auf Höhen von 1700 bis etwa 2000 Metern gesammelt werden muss. Der relativ milde Honig, der am Markt überdurchschnittliche Preise erzielt, wird von immer mehr Imkern angeboten, vorwiegend in der Schweiz, Österreich und Italien. Ihn zu gewinnen ist eine aufwendige Sache, da die Bienenstöcke nur während weniger Wochen in diesen Höhen aufgestellt werden können und immer die Gefahr besteht, dass die Bienen von einem Kälteeinbruch überrascht werden.
Alpines Steinschaf
Seit Jahrhunderten dient diese Schafrasse im ostalpinen Raum der lokalen Versorgung mit Wolle, Fleisch und Milch. Das Alpine Steinschaf ist direkt mit dem neusteinzeitlichen Torfschaf verwandt und gehört zu den ältesten Schafrassen des Alpenraums. Mit dem Montafoner Steinschaf, dem Tiroler Steinschaf und dem Krainer Steinschaf gibt es in den Ostalpen drei weitere eigenständige Steinschafrassen. Sie alle gelten als sehr robust und widerstandsfähig und haben sich dem Leben im hochalpinen Raum perfekt angepasst. Steinschafe sind die Ausgangsrasse der Bergschafzucht in Bayern und in Österreich. Sie bringen meistens zweimal jährlich Lämmer zur Welt und verfügen über eine ansehnliche Milchleistung.
Alp-Sanddorn
Alp-Sanddorn
(Hippophae rhamonides)
Wird auch Gebirgssanddorn genannt und ist eine der drei Unterarten dieser Pflanzenart aus der Familie der Ölweidengewächse. Bis ins 16. Jahrhundert hiess er auch «wilder deutscher Olivenbaum». Sandbeere, rote Schlehe oder Fasanenbeere sind weitere Namen, die für den Sanddorn regional verwendet werden. Alp-Sanddorn wird vorwiegend zu Marmelade oder zu Sirup verarbeitet, in einzelnen Regionen wird er mit Honig vermischt und als Sanddornhonig verkauft.
Altreier Kaffee
(Ersatzkaffee von der gelben, blauen oder weissen Lupine oder Lupinus pilosus)
Wird als klassischer Kaffee-Ersatz zusammen mit Weizen- und Gerstenkörnern hergestellt. Entstanden ist diese Mischung wahrscheinlich im 18. Jahrhundert. Diese lokale Spezialität aus der Südtiroler Gemeinde Altrei galt während Jahrzehnten als verschollen. Seit 2006 werden wieder Lupinen für die Produktion des Altreier Kaffees angebaut.
Andutgel, Bauernsalsiz
Der rätoromanische Name dieser salamiähnlichen und aus Rindfleisch und Schweinespeck hergestellten Bündner Press-Rohwurst hat etymologisch denselben Ursprung wie beispielsweise die Andouille oder die Andouillete in Frankreich. Zurückzuführen sind diese Wurstnamen – von denen es in Frankreich, Italien und Spanien unzählige ähnliche Varianten gibt – auf das lateinische Wort «inductile», was gleichbedeutend ist mit «überziehen», also eigentlich dem Wurstdarm gleichkommt. Dass es im seit Jahrhunderten auf die Rinderzucht und den Fleischexport spezialisierten Kanton Graubünden an Fleisch nie mangelte, sofern man das nötige Kleingeld dafür hatte, davon zeugen unzählige traditionelle Bündner Wurst- und Fleischspezialitäten, von denen viele älter sein dürften als das allbekannte Bündnerfleisch. Die mit Innereien hergestellte Engadiner Hauswurst gehört ebenso dazu wie die Churer Beinwurst oder eben die früher an Sonntagen kredenzte luftgetrocknete Andutgel, eine klassische Bündner Feiertagswurst, die aus den edleren Fleischstücken hergestellt wird.
Andutgel, Bauernsalsiz
Angelika
(Angelica archangelica)
Die Echte Engelwurz ist in Europa seit Jahrhunderten nicht nur als Arzneipflanze bekannt, sondern wird auch dank ihren würzigen Bitterstoffen Mischungen zur Herstellung von Kräuterlikören beigemischt. Etwa für die Chartreuse-Liköre aus Frankreich, für Wermut oder auch für Schnäpse wie Gin. Die kandierten Angelika-Stengel werden oft mit Zitronat und Orangeat zur Würzung von süsslichen Festtagsbroten und anderen Süssspeisen verwendet. In der Innerschweiz wurde in früheren Jahrhunderten auch Ziger mit der Echten Engelwurz grünlich eingefärbt.
Anis
(Pimpinella anisum)
Kaum ein anderes Gewürz spielt im Alpenraum sowohl bei Hochprozentigem als auch bei Feiertagsgebäcken oder Broten eine wichtigere Rolle als die Samen dieses Doldengewächses. Und damit auch bei mehr als zwei Dutzend in diesem Buch beschriebenen alpinen Delikatessen, vom Absinth bis zum Vinschger Paarl. Der Echte Anis verdankt seinen charakteristischen Geschmack drei Bestandteilen: Anethol, Estragol und Anisaldehyd. Wirkstoffe, die alle drei auch bei einer völlig anderen Pflanze vorkommen, die botanisch nicht im geringsten mit dem europäischen Anis verwandt ist: dem asiatischen Sternanis (Illicum verum). Ein exotisches Gewürz, das aber als Importgewürz in der alpinen Küche eine ebenso wichtige Rolle spielt wie der einheimische Anis. Sternanis taucht zudem in vielen Gewürzmischungen für Würste auf. Da er billiger und ertragreicher ist als Echter Anis, wird er oft auch für Gewürzschnäpse verwendet.
Appenzeller Käse
Er gehört zu den grossen und traditionellen Schweizer Käsen, auch wenn er für Liebhaber von Rohmilchprodukten in den vergangenen Jahren einiges von seiner Strahlkraft eingebüsst hat. Denn von der Verwendung reiner Rohmilch haben sich die meisten Käser mit der teilweisen oder der vollen Thermisierung der Milch verabschiedet. In der Hoffnung, so auch eine Chance in den Supermärkten des umliegenden Auslands zu haben. Ausgerechnet die eigenwilligen Appenzeller normieren ihren Käse damit nach EU-Standards, was dem urtümlichen Charakter dieses Käses mehr als abträglich ist. Gottlob erhält man beim Goldinger Käser Alois Pfister (im Schweizer Kanton St. Gallen) noch einen der letzten mit Rohmilch und nach alter Väter Sitte produzierten Rohmilch-Appenzeller. Die Kräutersulz, mit der er während seiner Reifungszeit von 3 bis 6 Monaten gepflegt wird, wurde übrigens erst im 19. Jahrhundert aus der Not heraus entwickelt, da die Käse der einzelnen Käsereien in ihrer Qualität so schwankten, dass man ein Verfahren suchen musst, um sie geschmacklich wenigstens etwas zu vereinheitlichen und den minderen Käselaiben den Stallgeschmack zu nehmen. Das ist das ganze Geheimnis hinter diesem Käse.
Angelika, Echte Engelwurz
Appenzeller Spitzhauben
Diese alte Hühnerrasse, früher nur Spitzhauben genannt, sollen seit dem 15. Jahrhundert in den Klöstern des Alpenraums gezüchtet worden sein. Eingekreuzt worden sein dürften sie aus einer niederländischen Art und aus französischen Rassen. Die in der Schweiz auch «Tschüpperli» oder «Gässerschnäpfli» genannten Hühner galten fast als ausgestorben, bevor sich die Schweizer Organisation Pro Specie Rara in einem ihrer ersten Projekte dieser Tiere annahm. Heute sind sie wieder in der ganzen Schweiz zu finden und in kleinen Gruppen auch in den benachbarten Ländern. Zu den «Appenzeller Spitzhauben» wurden sie, da sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lange nur noch im Appenzellerland zu finden waren. Es handelt sich um prächtige Farbschläge, die sich als Legehennen bewährt haben. Sie sind sehr robust und überstehen selbst rauhe Winternächte im Freien.
Appenzeller Ziege
Gehört zu den bekanntesten Schweizer Ziegenrassen, die weit über die Landesgrenzen hinaus ihre Verbreitung gefunden haben. Im Kanton Appenzell wurde die Ziege in den vergangenen zwei Jahrhunderten ähnlich wie im Toggenburg aber in erster Linie als «sennischer» Anhängsel gehalten. Erst in jüngster Zeit hat sie als Fleischlieferantin wieder etwas an Bedeutung gewonnen, dies auch dank den traditionellen Appenzeller «Gitzichüechli». Bei der Milchqualität kommt sie nicht an die im benachbarten Toggenburg heimischen Ziegen heran.
Arborio
Für Reiskenner gehört der Arborio zu den beliebtesten Risot-to-Reissorten Piemonts. Seinen Namen hat er von dem Städtchen Arborio, das im Herzen seines Hauptanbaugebietes liegt. Er muss etwas präziser als der Carnaroli auf die genaue Zeit gekocht werden, damit er seinen Biss behält, also «al dente» bleibt. Mit seinem guten Absorptionsvermögen für viele Zutaten und auch seiner Sämigkeit eignet er sich auch für Gerichte mit kräftigen Käsesorten, etwa für einen Gorgonzola- oder einen Castelmagno-Risotto.
Aromahopfen
(Humulus lupulus)
Hopfen konserviert die Biere und verleiht ihnen ihre edlen Bitternoten. Eingeteilt wird der Hopfen in Bitter- und Aromahopfen. Bitterhopfen-Sorten haben einen weit höheren Ertrag als die würzigen Aromahopfen, weshalb sie auch weit preiswerter sind und deshalb für die Massenbiere der grossen Bierhersteller verwendet werden. Vor allem aber benötigt man bei der Bierherstellung von dem Bitterhopfen bedeutend geringere Mengen als vom Aromahopfen, um die notwendigen Bitternoten zu erreichen. Einer der besten Aromahopfen kommt aus Baden-Württemberg, aus den Hopfengärten der Bodenseegemeinde Tettnang, wo er seit 150 Jahren angebaut wird. Der Tettnanger Hopfen wird in erster Linie für Spitzenbiere kleiner Brauereien in Bayern, Baden-Württemberg und der Schweiz verwendet. Weitere bekannte Aromahopfen sind etwa der «Hallertauer Tradition» oder der «Hersbrucker Spät».
Arvenkerne, Zirbennüsse
(Samen von der Zirbelkiefer oder Pinus cembra)
Die Samen aus den Arven- oder Zirbenzapfen (die fälschlicherweise auch Nüsse genannt werden) wurden früher im gesamten Alpenraum gewonnen. Eine mühselige Arbeit, die sich allerdings lohnt, da Arvensamen weit geschmackvoller sind als Pinienkerne. Dennoch sind dieses Samen heute nur noch in Bio-Läden erhältlich und stammen grösstenteils aus Sibirien, wo sie heute noch geerntet werden.
Arvenschnaps, Zirbengeist
(Schnaps oder Likör von der Zirbelkiefer oder Pinus cembra)
Ist im Alpenraum seit Jahrhunderten ein weitverbreitetes Genussmittel. Arven- oder Zirbenzapfen werden für einige Zeit meist in Obst- oder Getreideschnaps eingelegt und verleihen diesem eine herb-harzige Würze.
Äsche
(Thymallus thymallus)
Dieser im nordalpinen Raum verbreitete Fisch gehört zu den grossen Fischdelikatessen dieser Region. Gefangen wird er fast ausschliesslich von Hobbyfischern, weshalb man ihn im Handel kaum findet. Vor allem Fliegenfischer gehen gerne auf Äschenfang. Einzig im Bodensee wird die Äsche – hauptsächlich im Konstanzer Trichter – während der Laichzeit Ende März mit dem Zuggarn gefangen. Ihr Fleisch schmeckt leicht nach Thymian. Wird der Fisch aber zu stark gekocht, verschwindet dieser angenehme Geschmack. Am besten schmeckt die Äsche deshalb, wenn man sie nur glasig gart.
Äsche
Asiago di allevo / Asiago pressato
Auf der Hochebene von Asiago in den südlichen Ostalpen soll dieser Käse schon im Hochmittelalter hergestellt worden sein, auch wenn es sich damals um einen reinen Schafskäse handelte. Erst ab dem 16. Jahrhundert begann man zusehends, die Schafsmilch mit der Milch von Kühen zu vermischen, seit dem 20. Jahrhundert spielt die Milch der Schafe für den Asiago überhaupt keine Rolle mehr. Der Asiago ist einer der bekanntesten italienischen Käse, der mittlerweile auch in grossen Mengen aus pasteurisierter Milch hergestellt wird. Von dem einst ausschliesslich aus roher Milch gefertigen halbfetten Käse gibt es zwei Varianten. Den bekannten und in grossen Mengen produzierten Asiago pressato und den lange gereiften und nur in geringeren Mengen hergestellten Asiago di allevo. Der Asiago pressato wird im kaum noch praktizierten traditionellen Verfahren aus der Milch eines Melkganges hergestellt, im Keller bleibt er 20 bis 40 Tage. Doch da er heute heute fast ausschliesslich von Grosskäsereien industriell und aus pasteurisierter Milch hergestellt wird, sind auch diese Verfahrensweisen angepasst worden. Der grösstenteils noch aus Rohmilch gefertigte Asiago di allevo hingegen entsteht immer noch aus der entrahmten Morgenmilch und aus der vollen Abendmilch, im Reifekeller bleibt er anschliessend 5 bis 9 Monate. Angeboten wird er in drei veschiedenen Reifestadien: 6 Monate (Mezzano), ein Jahr (Vecchio) oder älter als zwei Jahre (Stravecchio). Zweijähriger Asiago ist ein charaktervoller und unverkennbarer Reibkäse.
Ausseer Bergkern-Rauchsalz
Seine rötliche Farbe verdankt das Ausseer Salz aus dem Steirischen Salzkammergut seinem Eisengehalt. Das in den Tiefen des Berges geförderte Salz gibt es seit einigen Jahren auch als Rauchsalz. Geräuchert wird das Salz kalt mit Buchenholzmehl. Und damit so, wie früher an der Nordsee das Rauchsalz hergestellt wurde, wenn man es über dem Rauch trocknete. Ein wertvolles Salz im Gegensatz zu vielen «Räuchersalzen», die mit künstlichem Rauchgeschmack aromatisiert werden.
Badischer Reis, Grünkern
Unter dem Badischen Reis oder dem Grünkern versteht man im süddeutschen Raum den halbreif geernteten und darauf in Getreidedarren getrockneten Dinkel (Triticum aestivum subsp. spelta)