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Lernen ist nur dann trocken, langweilig, frustrierend oder schwierig, wenn die Arbeitsweise des Gehirns nicht berücksichtigt wird (was leider in der Schule recht häufig der Fall ist). Das Problem ist jedoch lösbar, wenn Sie als Eltern/Erzieher wissen, worauf es ankommt! Die Informationen im Buch basieren auf jahrzehntelangen Seminarerfahrungen in den USA und Europa. Das heißt, die Tips sind von vielen Tausenden von Teilnehmern geprüft und für gut befunden worden. Die Hilfestellungen beziehen sich vorwiegend auf jüngere Kinder (Grundschulalter), weil die Autorin vor allem den »Schulpflichtigen« helfen will.
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Seitenzahl: 160
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind imInternet über http://d-nb.de abrufbar.
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21. Auflage 2016, 12. Auflage dieser Ausgabe
© 2010 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH, München,
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
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© der Originalausgabe 1985 by GABAL-Verlag GmbH, Offenbach
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Umschlaggestaltung: Gruber & König, AugsburgUmschlagabbildung: Vera F. BirkenbihlSatz: HJR, Jürgen Echter, Landsberg am LechDruck: Konrad Triltsch GmbH, OchsenfurtPrinted in Germany
ISBN Print 978-3-86882-474-2
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-511-6
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86415-512-3
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www.mvg-verlag.de
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Vorwort zur 16. Auflage
Kapitelchen 1:DAS KIND ZUHAUSE
Lernen tritt automatisch ein
Erfolgskontrollen sind eingebaut
Das Kind ist der geborene Imitator
Wichtige Überlegungen für Eltern/Erzieher
1. Lernprobleme
2. Schulprobleme. So könnte Ihre Checkliste aussehen
Kapitelchen 2:DAS KIND IN DER SCHULE
Grund Nr. 1: Damit die Kinder etwas lernen
Grund Nr. 2: Um Fähigkeiten zu wecken und zu fördern
Grund Nr. 3: Um für eine gute Allgemeinbildung im Volk zu sorgen
Grund Nr. 4: Weil niemand freiwillig etwas lernen würde
Man muß sinnlose Dinge lernen
Kinder verlieren ihre wache Intelligenz
Die Rolle von Frage und Antwort
Zweifel und Fehler
Lernen wird passiv wie Fernsehen
Kapitelchen 3:WAS KÖNNTE DIE SCHULE TUN?
Grund Nr. 5: Damit Kinder lernen, kooperativ zu werden
Gruppenarbeit, Diskussionen
Kinder lehren Kinder
Nichtlehrer in der Schule
Kinder gehen nach draußen
1. Ganze Klassen gehen gemeinsam
2. Kleinere Gruppen gehen zu unterschiedlichen Einrichtungen und erstatten anschließend der Klasse Bericht
Neue Medien auch für Schüler
1. Tonband statt Schulheft (für Berichte)
2. Schreibmaschine (Computer)
3. „Report“ für den Unterricht (Tonkassette/Video)
4. Computer in der Schule
5. Computer zuhause
Schulpflicht: ein Experiment
Kapitelchen 4:INTEGRATION
Was ist Integration?
Fallbeispiel Peter
Die Überkreuz-Grund-Übung
Weitere Überkreuz-Übungen
Die liegende Acht
Der Derwisch
Der „Diamond-Twist“
Kinder lieben Abwechslung!
Musik und gleichzeitiges Lernen
Musik und Lernen sind zu empfehlen, wenn…
1. Musik mit einem klaren Rhythmus
2. Musik, die eher von der Melodie lebt
Kompromisse, Kompromisse…
Eigenkontrolle führt zu Sicherheit
Gehirn-gerechtes Lernen
Trick 1: Eine kleine Story, die manchem ein Rätsel ist
Die Lehre aus der Geschichte
Trick 2: Das Ergebnis an den Fingern ablesen
Viele weitere Tricks: Zaubern mit Zahlen
Ein Zahlentrick als Fallbeispiel
Wenn Sie ein schlaues Buch benutzen
Besonders geeignet sind…
Kapitelchen 6:ERSTE ECHTE LERNSPIELE
Basteln der Spielziffern
Rechenspiele für das Vorschul-Alter
Spiel Nr. 1: Welche Farbe hat die Drei?
Variation: Klopf, Klopf
Spiel Nr. 2: Blindekuh, aber anders
Spiel Nr. 3: Ziffem-Domino
Variationen: Farben-Domino u.s.w.
Spiel Nr. 4: Ziffem-Malspiele
Variationen
Erste Sprach-Spiele für das Vorschul-Alter
Sprachspiel Nr. 1: Ich sehe was, was du nicht siehst
Sprachspiel Nr. 2: Geschichten-Training
Sprachspiel Nr. 3: Das Teekessel-Spiel
Andere Spiel-Ansätze
Tastsinn-Schulung
Suchen und Finden
Handelsübliche (Kinder-)Spiele
Die Welt ist der Spielplatz
Kapitelchen 7:SPIELE für Kinder von 6 bis 99 Jahren!
Spielidee Nr. 1: Die „bösen Sieben“
Spielidee Nr. 2: Wort-Spiele
Spielidee Nr. 3: Mein Freund Willi
Drei einfache Variationen
Weiterführende Variationen
Spielidee Nr. 4: Länder-Puzzle
Variation
Spielidee Nr. 5: Memory
Variationen
Spielidee Nr. 6: Quartett
Spielidee Nr. 7: Mensch-ärgere-dich-nicht
Spezielle Spiele zum Lernen
Spielidee Nr. 8: Unter der Bettdecke…
Bitte beachten Sie
Spielidee Nr. 9: Das Wissens-Quiz
Variante
Spielidee Nr. 10: Das Lese-Spiel nach Maria MONTESSORI
Variante
Spielidee Nr. 11: Das Schreib-Spiel nach Maria MONTESSORI
Spielidee Nr. 12: Zahlen-Poker nach Kathy MINGL
Kapitelchen 8:FRAGE-SPIELE
Grundregel für alle Fragespiele
1. Eine Kategorie erraten
2. Eine Geschichte erraten
1. Apfelkuchen-Spiel: Der Mann im Aufzug Hilfestellungen
2. Apfelkuchen-Spiel: John und Mary
3. Apfelkuchen-Spiel: Drama in der Sonne
Zum Abschluß
Anhang:Vorbemerkung
MERKBLATT 1: Jungen & Mädchen SIND verschieden!
MERKBLATT 2: Lernbare Intelligenz?
MERKBLATT 3: Drei erste Fallbeispiele für Nummem-Zeichen-Spiele
MERKBLATT 4: Zusatz-Informationen und Adressen
Nachwort
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Jede neue Auflage freut den Autor. Aber es ist mir diesmal ein besonderes Vergnügen, sagen zu können, daß ich so manches bereits seit den frühen Achtziger Jahren „predige“, was man jetzt, NACH PISA 2002, herausgefunden hat. Sowohl die Schulen der Siegerländer (wie Finnland) als auch einige wenige Modellversuche in Deutschland (wie VON HENTINGS „Laborschule“ in Bielefeld) haben eindeutig erwiesen, daß neue Ansätze wesentlich erfolgreicher sind. Dies bedeutet nicht nur, daß Kinder hervorragend lernen könnten, sondern hat auch massive Auswirkungen auf ihr Selbstwertgefühl! Die Tatsache, daß ca. ein Drittel aller Deutschen durch Schule TRAUMATISIERT wird, heißt ja nicht, daß den Betroffenen tagtäglich furchtbare Dinge passieren, z.B. daß sie von Lehrkräften „sarkastisch angemacht“ oder von MitschülerInnen gequält werden. Sondern es bedeutet: Abertausende von Kindern zittern täglich, daß ihnen heute wieder „so etwas“ widerfahren könnte! Wir alle kennen Kinder, die nicht über den Bock springen konnten, die beim Bilden von Teams zuletzt mutterseelenallein dastanden (weil niemand sie ausgewählt hat) oder Kinder, die von MitschülerInnen oder gar Lehrerinnen ausgelacht wurden, weil sie irgend etwas nicht konnten. Den wenigsten Menschen ist klar, wie nachhaltend das alle Lernversuche für den Rest des Lebens vergällen kann, so daß die Folgen weit über die Schul-Zeit hinausreichen. Da wir aber bereits im Informations-Zeitalter leben, das sich derzeit zum Wissens-Zeitalter wandelt, werden nur Menschen, die zu lebenslangem (freudigem! und erfolgreichem) Lernen fähig sind, zukunftstauglich sein. Wir entscheiden heute das Schicksal der nachfolgenden Generation. Menschen, die uns anvertraut wurden, für die wir Verantwortung tragen.
Als „einsamer Rufer“ in der Wüste wurde ich oft von Lehrkräften angegriffen. Aber ich habe die Ergebnisse dieser PISA-Studie lange vorausgesagt und Wege aus der Misere aufgezeigt, beginnend vor einem Viertel-Jahrhundert mit dem alten „Stroh im Kopf?“, das anläßlich der 36. Auflage zum dritten Mal völlig „runderneuert“ wurde (derzeit, nach einer halben Million verkaufter Exemplare, in der 40. Auflage). Aber auch im vorliegenden „Stichwort Schule – TROTZ SCHULE LERNEN“ mußte ich das alte Schul-Paradigma kräftig angreifen. Später folgte „Sprachenlernen leicht gemacht“: Bei der Birkenbihl-Methode ist übrigens Vokabel-Pauken, also das größte Lern-Hindernis, verboten!
Neben Sprachen verzweifeln die meisten an der Mathematik. Deshalb erschien vor einigen Jahren (nach 10-jähriger Entwicklungsarbeit) mein Video-Vortrag „ Gehirn-gerechtes Rechen-Training – die vier Grund-Rechenarten“ (dem sich in diesem Sommer ein CD-Rom-Programm zugesellte). Hier stellte ich meinen Ballim-Tor-Effekt zum erstenmal vor. Es handelt sich um eine der wichtigsten Erkenntnisse aus der Gehirn-Forschung: Unser neurologisches Rüstzeug ist physiologisch ausschließlich auf sofortige Rückkoppelung angelegt. Denken Sie an ein Hündchen, das wir trainieren wollen. Wir müssen immer unmittelbar reagieren, NICHT Stunden später. Das weiß jeder, aber bei Menschen vergessen wir es. Beobachten Sie z.B. ein Kind, wenn es lernt, den Fußball ins Tor zu schießen. Es sieht sofort, ob der Ball im Tor ist, und kann im Zweifelsfall unmittelbar korrigieren. Der Lernprozeß ist AUTONOM, macht Spaß und geht zügig voran. Deshalb gehen die Kinder lieber zum Sport-Training als in die Mathe-Stunde. Hier werden sie in der Regel erst viel zu spät erfahren, ob die Lösungen stimmen. Dies ist für Lern-Erfolge fatal, insbesondere, bevor man die vier Grundrechenarten beherrscht. Da sagen die Lehrerinnen im Seminar immer, dafür seien doch die „Proben“ da, aber denken Sie mit: Ein Kind, das zum ersten Mal multiplizieren lernt, kann ja noch nicht mit der Division gegenchecken (die Probe machen), die wird es ja erst später lernen. Das ist, als schössen wir den Ball durch einen VORHANG INS TOR und könnten NICHT SEHEN, ob er „drin“ ist, oder nicht. Verloren sind Lernfreude, Autonomie und Erfolgs-Erlebnisse. Am nächsten Morgen in der Schule ist es völlig uninteressant, ob die gestern gerechneten Aufgaben stimmen! Anders ausgedrückt: Der Zeitpunkt, da man länger auf solche Informationen warten kann, liegt in der Zukunft, wenn man bereits einiges kann. Nicht, wenn man die ersten Geh-Versuche macht. Nicht, wenn das Gehirn auf sofortige Rückoppelungs-Schleifen programmiert ist und solche Informationen über die eigene Leistung 20 Minuten später genauso wenig verarbeiten kann, wie 20 Stunden zu spät!
Deshalb entwickelte ich ein Vorgehen, das aus (einfachsten) Mathe-Aufgaben regelrechte Zaubertricks macht (denn der Zauberer muß vorher wissen, was am Ende „rauskommt“!). Damit erreichen wir, daß wir beim Hinschreiben bereits wissen, ob die Lösung stimmt (ob der Ball im Tor ist). Einen Vorläufer dieser Technik finden Sie bereits in diesem Buch (S.74ff.). Ebenso spannend sind Mathe-Spielchen wie zum Beispiel die Tatsache, daß wir das Ergebnis jeder einstelligen Neuner-Multiplikation an den zehn Fingern „ablesen“ können (vgl. S.78ff.). Ich weiß aus vielen Feedbacks von SeminarteilnehmerInnen und Leserinnen, wie sehr solche kleinen Spielchen und Tricks im vorliegenden Buch das tägliche Leben mit (jüngeren) Kindern erleichtern können. Deshalb habe ich diesen Weg kontinuierlich ausgebaut und die Ergebnisse in dem Video-Vortrag (und in der CD-Rom) zum Rechen-Training vorgestellt.
Aber die Entwicklung ging ja weiter, insbesondere für kleine und größere Lernende, deshalb schrieb ich zwei weitere Bücher, die im Jahr 1 (nach PISA) erschienen: Erstens „Das große Analograffiti-Buch“ (es zeigt, wie wir mit einem Stift in der Hand analog denken, mal mit Worten, mal mit Bildchen). Diese Denk-Techniken machen Führungskräfte und andere Erwachsene intelligenter und kreativer. Sie sind leicht zu lernen (einige Minuten!), wobei das Buch in den ersten drei Kapiteln ein komplettes Seminar mit Übungs-Zyklus enthält; der Rest ist modular und kann nach Lust und Laune gelesen werden. Mit diesen Techniken können wir unsere unbewußten „Wissens-Schätze“ anzapfen (wir alle tragen eine Enzyklopädie mit uns herum), aber die Natur hat es so eingerichtet, daß uns nur jene Gedanken zur Verfügung stehen, die wir regelmäßig abrufen. Deshalb stellt eine schnelle spontane ABC-Liste eine INVENTUR dar (was denke ich? was weiß ich?) während die 10. oder 15. Liste zum selben Thema (statt sturem Pauken) vorhandenes Wissen aktiviert, so daß es bald „griffbereit“ sein wird. Das Feedback-Kapitel im großen Analograffiti-Buch zeigt, wie wir im normalen beruflichen und privaten Alltag mit diesen Techniken erfolgreicher denken können. Aber inzwischen haben Eltern und einige Lehrkräfte angefangen, diese Techniken mit SchülerInnen einzusetzen und feiern großartige Erfolge.
Man kann z.B. ein Thema mit einer „einfachen“ ABC-Liste oder einem Wort-Bild (einem KaWa) einleiten, indem die SchülerInnen am Anfang eines neuen Themas in Kleingruppen die Köpfe zusammenstecken und eine solche Liste erarbeiten (Dauer 90 Sekunden). Diese heftet man dann an die Wand, so daß die SchülerInnen durch Herumlaufen und Lesen ihr Ergebnis mit den Listen anderer vergleichen können (3 Minuten). Dabei sind die SchülerInnen geistig und körperlich in BEWEGUNG. Dies bereitet den fruchtbaren Boden für den nachfolgenden Unterricht, denn jetzt interessiert es sie, was die Lehrkraft anzubieten hat. Diese Variante der „analografischen“ Denk-Technik habe ich in dem zweiten neuen Buch in diesem Jahr (Titel: „Das innere Archiv“) vorgestellt (im „Lehrer-Modul“), während ich in einem weiteren Modul über neueste Forschungs-Ansätze berichte. Daraus geht z.B. hervor, wie notwendig auch körperliche Bewegung zum Lernen ist. Dies aber greift „olle Kamellen“ an (man muß ja angeblich stillsitzen, um gut zu lernen). Deshalb war es ja in gewissen Kreise Mode, mich als „Spinnerin“ zu bezeichnen. Darum ist es mir ein besonderes seelisches Freibier, heute festzustellen, daß Dinge, die ich seit langem verkünde, inzwischen an Modellschulen „bestens laufen“. Wer es wissenschaftlich möchte, kann in meinem „inneren Archiv“ (im Modul über neue Forschungsarbeiten) nachlesen, was durch bahnbrechende Experimente einer Harvard-Professorin (Ellen J. LANGER) nachgewiesen wurde!
Ein anderer Punkt, mit dem ich im vorliegenden Buch seit einer Generation so manche Lehrkräfte und Eltern „gegen den Strich gebürstet“ habe, ist die Tatsache, daß Kinder besser von anderen Kindern lernen als von Erwachsenen (vgl. S. 45:Kinder lehren Kinder). Die Entwicklung hat dies bestätigt: Die Berichterstattung nach PISA hält eindeutig fest, daß an gut funktionierenden Schulen (nicht nur in Finnland) Kinder regelmäßig über die Altersgrenzen hinaus miteinander kommunizieren, so daß die kleineren systematisch von den größeren lernen. Dabei profitieren natürlich beide. Schon die alten Römer wußten: Durch Lehren lernen wir! Es ist hirnrissig anzunehmen, alle Kinder könnten zum selben Zeitpunkt (d.h. im selben Alter) dasselbe lernen. Betrachten Sie sich Ihre Mitmenschen: Jeder hat ein anderes Gesicht, keine zwei gleichen einander. Wieso nehmen wir trotzdem an, die Gehirne hinter diesen unterschiedlichen Gesichtem wären alle identisch? Inzwischen wissen wir, daß das nicht funktioniert, aber noch immer haben die wenigsten Kinder eine Chance, die Reihenfolge, in der sie das Lernpensum schaffen müssen, selber festzulegen (einer der Faktoren, die wir an den erfolgreichen Schulen seit Montessori vorfinden!).
Dieses Büchlein ist „alt“, insofern, als ich es bereits vor einer Generation schrieb. Es ist aber auch ganz modern, weil es sich inzwischen herumgesprochen hat, daß die hier vorgestellten Ansätze erfolgreicher sind, als das, was wir mit unseren Kindern bisher in den meisten Schulen veranstalten. Allerdings möchte ich diese 16. Auflage zum Anlaß nehmen, eine Korrektur und zwei Ergänzungen einzubringen:
1. Die Korrektur: Jedesmal, wenn auf die beiden Gehim-Hemisphären (oder Herr Links und Frau Rechts) hingewiesen wird, müssen wir uns klar sein, daß es sich dabei um veralteteGehirnforschungs-Ergebnisse handelt, die wir inzwischen als Metapher sehen müssen: als Denk-Bild, insbesondere bezüglich weiblicher Wesen. Darauf bezieht sich die erste der beiden Ergänzungen dieser 16. Auflage:
2. Ergänzungen: (2a) Jungen und Mädchen sind verschieden! Daher denken und lernen sie verschieden. Aber solange man solche Aussagen für politisch inkorrekt hält, wird man beiden weiterhin Unrecht tun und sie in ihrer Entwicklung behindern. (In Merkblatt 1, S. 136, finden Sie einige erste Gedanken hierzu (plus Literatur-Tips).
(2b) Lernbare Intelligenz (Merkblatt Nr. 2, S. 147) stellt eine bahnbrechende Idee des Harvard-Professors Dave PERKINS dar. Es gibt nämlich drei „Rädchen“ unserer Intelligenz, und an zweien davon können wir „drehen“, d.h. selbstverantwortlich daran arbeiten, unsere Intelligenz zu erhöhen.
Ich wünsche Ihnen, daß dieses Büchlein Ihnen helfen mögen, neuere Post-Pisa-Ansätze an Schulen zu unterstützen, oder, wie bisher, daß Ihre Kinder wenn schon nicht wegen, dann wenigstens TROTZ Schule, besser lernen können (vgl. auch Nachwort, S. 158).
Vera F. Birkenbihl
Nur wer die natürlichen Lerntechniken kennt, die alle Kinder zunächst intuitiv und höchst erfolgreich einsetzen, kann Kindern helfen, diese optimale Vorgehensweise entweder von Anfang an beibehalten zu dürfen oder aber sie freudig wieder zu entdecken und neu zu entwickeln! Leider ist dies nicht die Regel in normalen Elternhäusern und normalen Schulen. Es gibt zu viele Bestrebungen, Kinder nach einer Vorstellung zu (ver-)formen, die für die Entwicklung des Kindes höchst gefährlich ist. Damit aber entstehen Probleme, die bereits vor Jahrzehnten von Maria MONTESSORI erkannt und beschrieben worden waren. Es beginnt damit, daß man Kinder „wie Kinder“ behandelt, das heißt wie dumme und unfähige Wesen, denen man jede wichtige Tätigkeit abnehmen oder erleichtern müsse. Dabei werden jedoch die enormen Fähigkeiten der kleinen Wesen „abgewürgt“. Hier ein Zitat aus einem der Bücher von Maria MONTESSORI, das ich allen Eltern und Erziehern als Pflichtlektüre empfehlen möchte. Es heißt Kinder sind anders; hierin sagt die Autorin auf Seite 274/75:
Das Kind … will seine Aufgabe vollkommen und selbständig ausführen … Der Erwachsene … hindert (es) am Arbeiten… (Er) nimmt dem Kind jede Tätigkeit ab, weil er ganz im Banne seiner eigenen Arbeitsgesetze steht, die ihm … größte Zeitersparnis vorschreiben. Als der Routiniertere wäscht er das Kind und zieht es an, trägt es auf dem Arm oder führt es im Wagen, ordnet alles, was sich in der Umgebung des Kindes befindet, und läßt nicht zu, daß sein Kind sich an diesen Arbeiten beteiligt…
Maria MONTESSORI weist verschiedentlich darauf hin, daß das Kind an die Umwelt eine grundsätzliche Forderung stellt (die jedoch häufig nicht berücksichtigt wird), und die lautet:
Sie kennen den „normalen“ Ablauf: Eine Mutter will mit dem Kind einkaufen gehen. Sie sagt: „Komm her, Mutti zieht dir den Mantel an…“ Das Kind, das in der letzten Woche im Kindergarten gelernt hat, Knöpfe auf- und zuzumachen, möchte seine neue Fähigkeit anwenden (ja sogar zur Schau stellen): „Mutti, die Knöpfe kann ich aber schon alleine…“ Was sagt die „normale“ Mutter? „Ja, ja, mein Kind…“, und schon hat sie die Knöpfe effizient und schnell zugemacht! Was glauben Sie, wird das Kind eher überzeugen: die Worte (du kannst das) oder die Tat (ich kann das aber besser/schneller/richtiger)? Merke:
Bitte überprüfen Sie kritisch, welche Lernhemmungen vielleicht auch bei Ihnen zuhause bereits bestehen. Je freier das Kind daheim lernen darf, desto weniger Schulstreß wird es später erleben. Je weniger ein Kind daheim lernt, etwas selber tun zu dürfen, desto größer werden die schulischen Lernhemmungen zwangsläufig sein. Anders ausgedrückt: Sie geben Ihrem Kind dieses enorm wichtige Rüstzeug für die Zukunft, indem Sie ihm helfen, möglichst viel alleine zu tun. Das beginnt bei den Knöpfen und endet mit den schulischen Aufgaben noch lange nicht!
Testen Sie das Umfeld, das Sie Ihrem Kind geben. Welche Tätigkeiten darf Ihr Kind regelmäßig nicht (oder nicht alleine) ausführen, weil…
• es Ihnen zu lange dauert bzw. weil
• Sie glauben, das Kind werde es falsch machen?
Einige Minuten Nachdenkens sollten in den nächsten Tagen durch genaue Beobachtungen ergänzt werden. Bitte stellen Sie fest, wie oft Sie vorschnell eingreifen, wenn das Kind selbständig etwas unternimmt. Beobachten Sie, wie eilig Sie dem Kind etwas aus der Hand nehmen, wie regelmäßig Sie ihm Arbeiten „ersparen“ wollen, die es gerne selber lernen würde!
Falls Sie denken, daß (kleine) Kinder doch tatsächlich viel kaputtmachen und daß deshalb eine Knebelung seitens der Erwachsenen durchaus berechtigt ist, möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen: Lesen Sie Maria MONTESSORIs ausgezeichnetes Buch Kinder sind anders! Ich bin sicher, daß Sie dann einige „normale“ Einstellungen typischer Eltern in Frage stellen werden! Wetten, daß…?
Wollen wir uns jetzt einige der Gründe dafür ansehen, warum Kinder so lange brillant hinzulernen, wie sie in ihrer Entwicklung nicht gehemmt werden.
Zunächst lernt jedes Kind eine Vielzahl von Fähigkeiten, ohne daß diese ausdrücklich „gelehrt“ werden. So lernt es zum Beispiel, und zwar in der Regel ohne Lernhemmungen:
• sitzen, krabbeln, laufen (sich bewegen)
• Gegenstände festhalten/manipulieren (an-, erfassen, be-greifen)
• sich zurechtfinden (Wohnung, Umgebung)
• zahlreiche Spiele (= Training)
• seine Muttersprache
Wenn Laufen und Sprechen Schulfächer wären, hätten wir mit Sicherheit Abertausende von lauf- und sprechbehinderten Mitmenschen (analog den durch Schreib- und Leseprobleme behinderten Kindern in unseren Schulen). Allerdings sollte man nicht vergessen, daß die meisten Erwachsenen, die unser Schulsystem angeblich „erfolgreich“ durchlaufen haben, weder flüssig lesen noch fehlerfrei schreiben, noch sich mündlich frei ausdrücken (z.B. eine kleine Rede halten) können! Dabei wollen wir korrekte Grammatik, einen guten Stil oder eine differenzierte Wortwahl gar nicht erwähnen.
Wie lernt nun das Kind, solange man es gewähren läßt? Es untersucht die Welt voller Neu-Gierde; und es ist unendlich fasziniert, wenn es etwas begreifen, entdecken oder selber tun kann. Merke:
Maria MONTESSORIs Hinweis auf die Botschaft des Kindes an seine Umwelt: HILF MIR, ES SELBST ZU TUN, kann nicht ernst genug genommen werden! Das bedeutet zweierlei:
Erstens: Wir dürfen Kinder nicht dauernd für unfähig halten, sondern sollten ihnen jede mögliche Hilfestellung zum Selbertun geben. Natürlich geht das nicht, wenn man ständig in Eile ist und keine Zeit hat, das Kind z.B. die Knöpfe selber zumachen zu lassen! Zweitens bedeutet die Forderung von Frau MONTESSORI, daß wir überhaupt nichts sagen sollen, wenn das Kind Tätigkeiten erlernt, deren „Erfolgsfaktor“ quasi eingebaut ist. Niemand muß einem Kind erklären, ob es „erfolgreich“ war, wenn ersichtlich ist, inwieweit sein gestecktes Ziel auch erreicht wurde. Beispiele:
• Wasser in ein Gefäß schütten
• etwas in genormte Fächer sortieren
• einen Knopf aufmachen