Das Leben führt Regie - Carmine Di Dio - E-Book

Das Leben führt Regie E-Book

Carmine Di Dio

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Beschreibung

Jeder von uns hat sich schon mindestens einmal Gedanken über sein Leben und das erwachsen werden gemacht, was ja absolut nichts Außergewöhnliches ist, sondern sogar sehr menschlich. Was ist nun aber, wenn man plötzlich schon erwachsen ist? War mein Leben gut? Habe ich bis anhin alles gemacht, was ich wollte? Habe ich meine Ziele erreicht? Was hätte ich anders gemacht, wenn ich die Zeit zurück drehen könnte? Das ist die Geschichte von James Daniel Smith, der sich immer wieder solche Fragen stellt. Seit er klein ist, hat er einen Traum, den er gerne verwirklichen möchte. Plötzlich ist eine kleine Chance da! Steig ein und erlebe James Daniel Smith‘s Abenteuer „Leben“ hautnah. Gestern, heute und morgen…

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James Daniel Smith ist auf einer großen Veranstaltung und wartet auf seinen besten Freund. Beim Warten fängt er an, über die vergangenen Jahre nachzudenken. Wie ist er an den Punkt gekommen, an dem er sich heute befindet? Was hat er alles erlebt bis zum heutigen Zeitpunkt? Ihm gehen verschiedenste Sachen durch den Kopf: die Schulzeit, Liebe, Freunde, Familie, Arbeit … und vor allem sein Traum, den er als kleiner Junge immer hatte.

..........

Durch einen Mix von Gestern und Heute begleitet ihr James Daniel bei seinem Abenteuer »Leben«.

..........

Wird er seinen Traum verwirklichen können?

Herzlichen Dank an alle, die mich inspiriert haben.

Inhalt

Die Schulzeit

Der Abschlussball

Nur noch drei Tage, und dann …

Tag eins in Rom. Der Vorabend (und David ist wieder zu spät)

Las Vegas. Glück im Spiel, Pech in der Liebe?

Amanda ist weg

In zwei Wochen fängt die Universität an

Das Studentenhaus

Tag zwei in Rom

Mr. Mad und ich

Theaterstunde

Es geht schnell voran, aber …

Plötzlich alles anders!

Tag drei in Rom. Es ist schon langer her …

Zurück in meinem Leben

Frischer Wind

Joanna!

Gefährlicher Egoismus. Was die Ebbe nimmt, bringt die Flut wieder.

Jessica

Die Hochzeit

Tag vier in Rom. Der Vorabend

Jetzt ist es eine Familie

Jetzt wird geschrieben

Der Weg nach Rom. Und Action!

Tag vier in Rom. Der Filmabend

Die Idee

1 Die Schulzeit

Eine kalte Bise wehte auf der Terrasse einer Luxusvilla in der Nähe von Rom, in Italien. Nein, es war nicht meine Villa. Es war schon nach halb neun Uhr abends, die Nacht war angebrochen. Alles, was ich von der Terrasse aus sah, war mit Schnee bedeckt. Die Bäume, die Autos und der Teich, der sogar zugefroren war. Nur die Garten- und Straßenleuchten waren noch an. Bis vor wenigen Minuten hatte es stark geschneit, aber jetzt fielen nur noch einzelne Flocken vom Himmel. Es sah traumhaft aus, wie der frische Schnee auf der Straße lag, so unberührt, so friedlich.

Ich zündete mir eine Zigarette an und hörte nur ihr Knistern, da ich alleine auf der Terrasse war. Hatten alle aufgehört zu rauchen, oder war es einfach zu kalt hier draußen? Es war Mode geworden, das Rauchen aufzugeben, vielleicht in zwei oder drei Jahren würde ich auch einmal aufhören. So würde ich Geld sparen und vor allem etwas Gesundes für meinen Körper tun. Die Musik von drinnen drang nach außen. Es lief gerade ein Song von den Bee Gees, You Should Be Dancing, dachte ich. Ja, das war es, vom Film Saturday Night Fever, mit dem Schauspieler John Travolta, ein super Film.

Im Festsaal amüsierten sich alle prächtig. Meine Zigarette war schon fast fertig, nur noch zwei, drei Züge, und schnell wieder hinein an die Wärme. Viele berühmte Personen, die im Filmgeschäft tätig waren, würden in den nächsten vier Tagen hier sein. Ich wartete gespannt auf den Beginn der Veranstaltung um 21 Uhr, an der wir über das Programm der nächsten Tage informiert werden würden. Spätestens am Samstagabend würden alle, die Rang und Namen hatten, hier anwesend sein. In den nächsten Tagen würden diverse Filme präsentiert und Auszeichnungen verliehen. Genau zwei Jahre zuvor war ich mit David das erste Mal bei diesem Event gewesen. Es kam mir vor, als sei es gestern gewesen. Die Zeit vergeht wie im Fluge, dachte ich, zwei sehr anstrengende Jahre haben wir hinter uns. Übrigens, wo war David? Er hatte sich weder blicken lassen noch gemeldet. Die Veranstaltung würde demnächst beginnen.

Ist schon komisch, dachte ich, wie das Leben so spielt. Gestern, heute, morgen. Alles kann sich sehr schnell ändern. Kommt alles so, wie wir es uns wünschen? Ist es besser, uns überraschen zu lassen oder alle Möglichkeiten zu planen? Können wir unser Leben überhaupt steuern? Ist das Wichtigste nicht einfach, glücklich zu sein mit dem, was man hat, oder genügt uns das heute nicht mehr? Das Leben kann man nicht so einfach verstehen. Alles muss erst erlebt werden, erst dann haben wir ein wenig den Überblick, wie das Leben funktioniert, wenn überhaupt.

Ich hatte bis zu diesem Tag ein ganz durchschnittliches Leben gehabt, soll nicht heißen, dass es schlecht gewesen war, aber irgendwie war es anders gekommen als angedacht. Ihr wisst ja, wie das so ist. Als Junggeselle hat man große Ziele vor Augen, träumt von seiner wunderbaren Zukunft, nur leider vergeht die Zeit in Eile, und schon sind wir alle erwachsen. Nun blickt man zurück und merkt, dass man vom Kurs seiner Lebensvorstellung abgekommen ist, und ich fragte mich immer: Warum?

Mit der Zeit habe ich meine eigene Theorie zu dieser Frage entwickelt. Die Ziele geben uns Kraft, Hürden zu überwinden. Sie motivieren uns, weiterzumachen, wieder aufzustehen, zu kämpfen, nicht stehenzubleiben. Mit dem Ziel haben wir einen Richtungsgeber in unserem Leben. Wir alle werden in unserem Leben mit Positivem sowie Negativem konfrontiert. Jedermann hat es selbst in der Hand, mit solchen Situationen zurechtzukommen, sie als Erfahrung zu speichern und damit leben zu lernen.

Während viele einfach ihr Leben genossen haben, verbrachte ich viel Zeit mit Tausenden von Fragen und keinen passenden Antworten dazu, sei es, was die Familie betraf, die Schule, die Arbeit oder die Freunde. Es schien immer alles perfekt zu sein, aber mit einem Schlag war alles vorbei, Ende, aus! Vielleicht habe ich es mir einfach immer zu schwierig gemacht. Rückblickend gesehen gab es Situationen, die eine andere Vorgehensweise gebraucht hätten, aber es hebe die Hand, wer nicht im Nachhinein schon schlauer geworden ist. Wenn es eine Zeitmaschine gäbe, würden wir einige Dinge anders machen, nachdem uns die Auswirkungen klar geworden sind.

Als kleiner Junge freute ich mich über den Schulbeginn. Ich weiß noch …

Es war einer der wärmsten Sommer meines Lebens, die Tage waren lang und heiß, so, wie ich sie liebe. Schon damals wohnten wir in Brooklyn. Eigentlich schon mein ganzes Leben lang. Am Tag vor meinem Schulbeginn haben wir zusammen, meine Eltern und ich, alles vorbereitet. Damals war ich sechs Jahre jung, und meine Mutter war hochschwanger mit meiner Schwester. Sie fragte den ganzen Tag:

– James hast du alles in deinen Rucksack eingepackt? Hast du genügend Schreibzeug dabei?

Übrigens, mein Name ist James Daniel, aber alle Freunde nennen mich einfach JD. Meine Eltern sind Anna und Daniel Smith, und später kam noch meine kleine Schwester Olivia dazu. Meine Mutter arbeitete in einem Reisebüro am Flughafen. Ich liebte es, sie bei der Arbeit zu besuchen. Es war ein so großer Ort, mit so vielen Menschen. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich das erste Mal ein Flugzeug sah. Meine Hände klebten an der Fensterscheibe, als eine Maschine in Richtung Himmel abhob. Von diesem Moment an wusste ich, dass ich Pilot werden wollte. Den ganzen Tag fliegen und dazu mit einer eleganten Uniform herumstolzieren – was gibt es Schöneres? Heute bin ich nicht Pilot, aber ich liebe meinen Beruf. Mein Vater arbeitete damals wie heute noch als Architekt. Es fing alles immer mit einer Skizze an, und am Schluss stand ein Haus, ein Stadion oder sogar ein Einkaufszentrum da. Einfach genial!

Also zurück zum ersten Schultag. Ich konnte es nicht erwarten, neue Freundschaften zu knüpfen. Als es Abend war und für mich Zeit, ins Bett zu gehen, hatte ich plötzlich Tausende von Gedanken.

– Werde ich mich morgen in der Klasse wohlfühlen? Werde ich viele Freunde finden?

Ich schlief die ganze Nacht nicht. Am nächsten Morgen, als die Sonne auf mein Gesicht schien und es sanft erwärmte, wollte ich gar nicht mehr in die Schule gehen. Die Angst hatte mich gepackt. Meine Mutter bemerkte dies natürlich sofort und erzählte mir, wie ihr erster Schultag gewesen war und was sie dank der Schule alles hatte erleben dürfen – neue Freundschaften, die erste Liebe und sehr viel Spaß. Plötzlich verschwand sie und kam mit einem Geschenk für mich zurück: einer neuen Hose und einem T-Shirt von meinem Lieblingssuperhelden Spider-Man. Nun wollte ich unbedingt in die Schule gehen, damit alle mein neues T-Shirt würden bewundern können.

Wir machten uns auf den Weg. Mit dabei war natürlich meine Spider-Man-Actionfigur, die immer bei mir war. Als wir angekommen waren, gab mir meine Mutter einige Tipps.

– Behandle die Lehrer und die Mitschüler immer mit Respekt, prügle dich nicht.

Bei jedem neuen Tipp wurden ihre Augen feuchter und feuchter. Dann kam ihre Umarmung, die ich nie vergessen werde. Kennt ihr das Gefühl einer Umarmung, verbunden mit Leidenschaft und sehr viel Liebe? Genauso eine Umarmung, die nur eine liebevolle Mutter ihrem Kind geben kann, war es. Sie verabschiedete sich mit Tränen in den Augen, und ich fing an zu weinen. Sie wischte mir die Tränen vom Gesicht und verabschiedete sich. Ich machte mich auf den Weg Richtung Klassenzimmer. Dort angekommen, war die Zimmertür schon offen. Man hörte bereits einige Kinder im Zimmer spielen und lachen. Ich atmete zweimal tief durch und ging hinein.

So viele Spielsachen waren in diesem Zimmer. Meine Augen funkelten wie die Augen in den Trickfilmen, und mein Maul war weit offen. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Dann hörte ich von rechts eine Stimme.

– Hallo, ich bin Ms. Richard, deine neue Lehrerin. Wie ist dein Name?

Sie war eine reifere Dame von Mitte fünfzig und hatte ganz weißes Haar. An diesem Morgen trug sie ein weinrotes Kleid, dazu beige Sandalen. Sie war sehr freundlich zu mir, begleitete mich zu meinem Pult und ging zu den anderen neuen Schülern, um auch sie zu begrüßen. Die Stimmung in der Klasse war ziemlich gut.

Als die Stunde anfing, stellte sich Ms. Richard der ganzen Klasse vor. Sie erzählte über ihren Familienstand, ihre Hobbies und wie lange sie schon Lehrerin war. Dann gab sie uns die erste Aufgabe: Wir sollten uns der Klasse vorstellen. Nun war ich an der Reihe.

– James, bitte komm jetzt du nach vorne und stell dich kurz vor.

Ich stand auf und ging nach vorne. Natürlich spürte ich die Aufregung. Was sollte ich erzählen? Wo sollte ich anfangen? Ich erzählte ein wenig von mir und meiner Familie, aber vor allem sprach ich über Spider-Man. Was er kann, wie er aussieht und dass er der beste Superheld sei. Stolz zeigte ich meine Spider-Man-Actionfigur und mein neues Spider-Man-T-Shirt. Ich fing an, Kampfszenen nachzumachen und wollte auch zeigen, wie er die Wände hochklettert, als die Lehrerin mich unterbrach. Sie bedankte sich mit einem Lächeln im Gesicht.

Die Nächste war Joanna, an sie kann ich mich heute noch sehr gut erinnern. Obwohl sie jung war, war sie schon sehr selbstbewusst. An diesem Tag hatte sie ein rosarotes Prinzessinnenkleid an, und auf dem Kopf trug sie eine Krone mit einem riesigen Diamant. Sie erzählte uns, dass sie eine Prinzessin sei und irgendwann einen Prinzen heiraten würde. Dass sie sich ein weißes Pferd mit Flügeln wünsche, damit sie ihrem Prinzen überall hin folgen könne. Sie lebte, wie auch ich damals, in einer eigenen Traumwelt. Nur war meine irgendwie nicht so langweilig. Sie erzählte auch, dass ihr Prinz viel besser und stärker sein würde als Spider-Man. Da musste ich sofort antworten, dass es nicht stimme, dass sie keine Ahnung habe, sie sei ja nur eine blöde Prinzessin. Ms. Richard mischte sich in unsere Diskussion ein. Von da an wussten alle, dass Joanna und ich nicht beste Freunde werden würden. Oder doch?

Nachdem die Runde fast fertig war, musste sich David vorstellen. Er war der Einzige, mit dem ich schon ein wenig gesprochen hatte. Er erzählte uns, dass er bei seinen Großeltern wohne, dass sein Hobby Fußball sei und dass er Wolverine und Spider-Man liebe. Da musste ich einfach lachend zu Joanna hinüberschauen. Sie zeigte mir auch sofort ihre Zunge. David war noch nicht lange in Brooklyn. Seine Großeltern und er waren erst vor drei Monaten hierher gezogen. Sie hatten vorher in Philadelphia gelebt. Komischerweise erzählte David nichts von seinen Eltern oder ob er Geschwister habe. So fragte ihn Dwayne, wo seine Eltern seien. Er antwortete nicht sofort, stattdessen schaute er schüchtern Ms. Richard an. Sie stand auf, bedankte sich und sagte zu David, dass er sich wieder hinsetzen könne. Ms. Richard erklärte uns, dass David drei Jahre zuvor seine Familie bei einem Autounfall verloren habe. Plötzlich war es sehr still in der Klasse. Ms. Richard merkte das.

– Kommt Kinder, heute ist es wunderschön. Gehen wir ein wenig nach draußen spielen.

Da war die gute Stimmung schnell wieder zurück.

Beim Spielen merkte ich, dass Joanna mir den Ball nie gab, obwohl wir in der gleichen Mannschaft waren. So verloren wir auch ziemlich hoch. David und ich konnten es nicht fassen, dass wir verloren hatten. In der Pause war ich kurz alleine, denn David war noch bei Ms. Richard im Zimmer. So setzte ich mich und wartete mit meiner Actionfigur auf David. Dann hörte ich, wie andere Jungs Joanna auslachten. Ich ging näher zu ihnen, um zu schauen, was los war. Es waren zwei, die sich über Joannas Kleid und ihre Geschichten lustig machten, aber sie selber waren nicht gerade viel besser. Der eine hatte ein Pokémon-T-Shirt in Übergröße an und der andere eine sehr alte, verrissene und schmutzige Hose. Joanna fand die Bemerkungen nicht wirklich toll, und nach einer Weile fing sie an zu weinen.

– Ah, musst du jetzt weinen? Wo ist dein Traumprinz jetzt?

Am Anfang fand ich es sehr lustig, denn sie war zu mir nicht nett gewesen, aber jemanden zum Weinen zu bringen, fand ich nicht gut. Ich ging zu ihnen und schickte sie weg. Sie sollten lieber mal sich selber im Spiegel anschauen, bevor sie sich über andere lustig machten, sagte ich zu ihnen. Normalerweise war ich nicht der Mutige, der keine Angst hatte, aber ich war viel grösser als die anderen beiden. Das konnte ich zu meinem Vorteil nutzen.

Ich setzte mich neben Joanna auf den Boden.

– Komm, Joanna, hör nicht auf diese zwei, sie sind nur eifersüchtig auf dich!

Die haben keine Ahnung, denn wenn dein Traumprinz sie findet, haben sie sehr große Probleme.

Da lachte sie und schaute zu mir und wischte sich die Tränen ab.

– Spider-Man ist auch nicht so doof, seine Superkräfte sind cool.

– Joanna, meinst du das wirklich?

Sie wollte noch etwas sagen, doch in diesem Moment kam David zu uns.

– Das fand ich sehr mutig von dir, JD.

Wir unterhielten uns über Spielzeuge, Familie und Fernsehen. David, der am Anfang nicht so gesprächig war, öffnete sich im Verlaufe der Zeit und erzählte seine traurige Geschichte. Drei Jahre zuvor hatte er mit seiner Familie einen Kurzurlaub mit dem Auto machen wollen. Sie hatten sich verfahren und somit die Nacht durchfahren müssen, um nicht zu spät im Hotel einzutreffen. Irgendwann in der Nacht war der Vater beim Autofahren eingeschlafen und hatte einen Baum gerammt. David selber hatte nichts von dem Unfall gemerkt. Erst im Spital war er wieder zu Bewusstsein gekommen. Seine Erinnerungen zum Unfallvorgang waren aber vollständig gelöscht. Er hatte sich damals das Bein gebrochen und einige Prellungen zugezogen. Seine Eltern hingegen hatten den Aufprall nicht überlebt, sie waren noch an der Unfallstelle verstorben. Dann war David still und blickte zu Boden.

– Wisst ihr, das letzte Mal, als ich meine Eltern gesehen habe, war kurz bevor ich im Auto eingeschlafen bin.

Als David im Spital erwacht war, waren seine Großeltern bei ihm gewesen, die Eltern seines Vaters. Sie waren seine einzigen Familienmitglieder. Von da an wuchs er bei ihnen auf. Sie hatten ihm alles über den Unfallvorgang erzählt. Er hatte sehr lange gebraucht, um das Ganze zu akzeptieren. Aus diesem Grund waren sie nun umgezogen, damit er ein neues Leben würde anfangen können. Kurz darauf floss ihm eine Träne die Wange hinunter. Joanna umarmte ihn. Von diesem Tag an waren wir immer zusammen, wurden zu besten Freunden. Das Trio!

Auf dem Nachhauseweg bemerkten wir, dass wir nicht weit voneinander entfernt wohnten. Somit gingen wir immer zusammen zur Schule und wieder nach Hause. Das erste Mal, als wir, David und ich, bei Joanna zu Hause eingeladen waren, fand eine Poolparty statt. Es war an einem heißen Sommerwochenende. Die Eltern hatten diese Party organisiert, damit alle Eltern sich einmal gegenseitig kennenlernten konnten. Sie hatten ein sehr großes Haus mit vielen Zimmern, einem großen Pool und, kaum zu glauben, aber wahr, einem kleinen Kinosaal. Bei schlechtem Wetter würden wir diesen oft benutzen. Ihr Vater, William Brand, für alle Will, war sehr selten zu Hause. Er war Manager von einigen wichtigen Sportlern. Ihre Mutter Angela Brand war in der Modebranche tätig. Trotz des vielen Geldes waren ihre Eltern sehr sympathisch und bodenständig geblieben. Joanna jedoch hatte immer etwas sehr Selbstbewusstes an sich. Im Sommer waren wir jeweils fast jedes Wochenende bei Joanna, weil sie einen großen Pool hatte. Wir hatten so viel Spaß zusammen, es war immer herrlich.

Davids Großeltern lernte ich bei seiner Geburtstagsparty das erste Mal richtig kennen. Es war im September, an einem klaren Herbsttag. Die Temperaturen waren immer noch sehr mild, ideal, um draußen zu spielen. Die Straßen waren bedeckt mit braun-roten Blättern, wie in einem bunten Kinderbuch. Die Bäume waren schon fast alle ohne Blätter. Die Großeltern hatten das Fest gut organisiert. Punkt drei Uhr kam ein Mann verkleidet als Wolverine. Er musste die Welt retten, somit war für die Unterhaltung gesorgt. Großvater George und Großmutter Clara Johnson waren immer gut drauf. Keine Ahnung, woher sie immer diese Energie nahmen, aber es tat sehr gut, bei ihnen zu sein.

Die Zeit verging sehr schnell. Im Oktober war es so weit. Ich war in meinem Zimmer und machte mir Gedanken über mein Geburtstagsgeschenk. Was will ich? Was fehlt mir noch? Mitte Dezember ist es so weit, dachte ich, am 18. Dezember werde ich sieben. Plötzlich kam mein Vater in mein Zimmer.

– James, komm, nimm die Jacke, wir müssen ins Spital, deine Schwester kommt!

Ich nahm meine Jacke und rannte schnell nach unten. Im Spital angekommen, gab mir meine Mutter einen dicken Kuss, und weg war sie. Nach einigen Stunden, ich kann nicht sagen wie vielen, denn ich war auf der Spitalcouch eingeschlafen, kam mein Vater zu mir, und zusammen gingen wir zu meiner Mutter. Sie hielt Olivia im Arm. Es war irgendwie komisch, ich freute mich sehr, aber irgendwie wusste ich, dass sich vieles ändern würde. Ich sah Olivia an, und sie fing an zu lachen. Es war cool, jetzt zu viert zu sein.

Das Jahr verging, und der Winter stand vor der Tür. Bald fielen die ersten Schneeflocken, und die Leute begannen, ihre Häuser mit Weihnachtsutensilien zu schmücken. Einen Tag vor meiner Geburtstagsparty übernachteten David und Joanna bei mir. Meine Eltern organisierten tolle Filme wie Mary Poppins, Herby, Bud Spencer & Terence Hill und viele mehr. Die ganze Nacht aßen wir Popcorn und schauten Filme. Irgendwann schliefen wir auf dem Sofa ein. Am nächsten Morgen war mein Geburtstag. Joanna hatte sich wieder einmal ein spezielles Kleid ausgesucht. Kennt ihr den Film Schneewittchen und die sieben Zwerge? Dieses gelb-blaue Kleid mit den riesigen Polstern an den Schultern? Sie hatte das Kleid bereits an, als ich erwachte. Alle Gäste mussten verkleidet kommen. Ich hatte natürlich mein Spider-Man-Kostüm schon bereit. David hatte sich als Wolverine verkleidet. Die ganze Klasse war eingeladen. Sehr viele Geschenke wurden für mich abgegeben. Eines der schönsten erhielt ich von Joanna und David. Es war eine Kette mit einer kleinen Spider-Man-Spinne. Hinten auf der Spinne stand »Freunde für immer – Joanna, David und James«. Diese Kette habe ich noch heute.

Die Jahre vergingen so schnell. Kaum zu glauben, aber wir gingen schon zur High School, und zwar an die Mira Costa High School. Die Schule befand sich direkt am Meer und in der Nähe von Deno‘s Wonder Wheel. Als wir in die High School kamen, hatte sich nicht viel geändert, außer dass ich meine Spider-Man-Actionfigur nicht mehr bei mir hatte. Die Frauen hatten mein Interesse geweckt. David und ich hatten schon immer gerne Kurzgeschichten geschrieben, und in den folgenden Jahren setzten wir dies auch fort. Einige Zeit zuvor hatten wir sogar mit einem Skript begonnen. Wir schrieben sehr viel in der Freizeit. Von klein auf war es mein Traum gewesen, einmal ein Buch zu schreiben.

Das letzte High-School-Jahr war ein sehr spezielles Jahr, denn David und Joanna wurden ein Paar. Schon einige Zeit war Joanna in David verliebt gewesen, das hatte sie mir bei einem gemeinsamen Gespräch anvertraut. Aber David hatte davon nichts wissen wollen. Joanna sah sehr gut aus, deswegen waren auch sehr viele Jungs hinter ihr her. David und ich waren eine Art Stars an der Schule, weil wir Baseball spielten. Wir trainierten jeden Tag, um noch besser zu werden. Joanna, David und meine Wenigkeit zählten zu den beliebtesten Schülern, kaum zu glauben. Joanna und David waren damals circa vier Monate zusammen. Das erste Mal, als ich sie küssen sah, war es sehr komisch. Ich wartete auf David nach der Schule, denn wir wollten noch ein wenig trainieren. Als er nicht kam, machte ich mich auf die Suche nach ihm. Ich fand ihn im Schulkorridor, aber nicht alleine, er knutschte mit Joanna. Erst nach circa zwei Wochen erzählten sie mir von sich. In dieser Zeit war es sehr lustig, sie suchten immer nach Ausreden, um nicht aufzufallen.

Ihr fragt euch sicher auch, was mit mir und den Frauen war? Ich hatte eine Freundin. Es war eine sehr komplizierte Beziehung. Damals waren Amanda und ich schon sieben Monate zusammen. Sie war einfach perfekt für mich, denn sie hatte blondes Haar, grüne Augen und ging mit mir in dieselbe Klasse. Drei Wochen vor dem Schulball stritten wir uns wieder einmal. Amanda war so eifersüchtig, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Jedes Mal, wenn ich mit einer Frau sprach und Amanda mich sah, kam sie wie eine Furie auf mich zu und veranstaltete eine Riesenszene, egal wo wir waren. Als ich Amanda das erste Mal sah, wusste ich, dass sie meine Freundin werden würde. Eigentlich waren wir für einander gemacht. Ja eben, eigentlich. Sie war von ihrem Exfreund betrogen worden und seit diesem Ereignis sehr vorsichtig. Oder muss ich sagen: übertrieben vorsichtig? In den vergangenen Monaten hatten wir uns zwei- oder dreimal verlassen. Jetzt hatten wir uns wieder getrennt, oder besser gesagt: Sie hatte sich von mir getrennt. Der Grund war ganz einfach: Sie hatte mit mir ins Kino gehen wollen, aber leider konnte ich an diesem Abend nicht, denn ich hatte schon mit Joanna abgemacht. An jenem Abend sah sie mich mit einer Frau beim gemütlichen Spaziergang durch den Park und dachte sofort, dass ich sie betrüge. Da sie nicht genau hingesehen hatte, hatte sie natürlich nicht bemerkt, dass die Frau Joanna war. Deshalb hatten wir uns wieder einmal getrennt.

Nach der Schule wartete ich draußen bei der Treppe auf David. Langsam wurde es zur Angewohnheit, dass David immer zu spät kam. Während der langen Wartezeit kam ein Mädchen auf mich zu. Ihr Gesicht kam mir bekannt vor, ich hatte sie schon einige Male in der Schule gesehen. Mir fiel sofort ihr wunderschönes Lächeln auf.

– Hallo, ich bin Jessica.

– Hallo, ich bin JD.

– Ich bin noch nicht so lange an dieser Schule. Ich wollte dich fragen, ob es noch möglich ist, sich auf der Schulballliste einzutragen. Das Sekretariat hat mir gesagt, ich solle zu dir kommen.

– Ja, das kann ich noch organisieren. Morgen werde ich dir Bescheid geben.

– Ja, das wäre super. Ich bin in der nächsten Zeit ziemlich beschäftigt und muss nach der Schule meistens auf direktem Wege weg. Aber wir werden uns sicher sehen.

– Kein Problem, Jessica, ich werde dir Bescheid geben.

Und weg war sie. Ihren Namen notierte ich mir gleich auf einem Stück Papier, um ihn nicht zu vergessen.

Ach ja, noch zur Info, ich durfte den Schulball mitorganisieren. Zu meinen Aufgaben gehörten folgende Punkte: Gästeliste verwalten, Musik sowie die Dekoration auswählen und organisieren. Der Abend würde unter dem Motto »Die Sechzigerjahre« laufen. Alle sollten in supereleganten Kleidern kommen. Am Anfang hatte ich das Thema »Superhelden« wählen wollen, da wäre ich natürlich als Spider-Man gekommen. Aber dieser Vorschlag kam bei der Schule nicht an. Beim Thema »Sechzigerjahre« hingegen waren alle Feuer und Flamme.

– Schon lange war das Motto nicht mehr so graziös und einfallsreich, hatten die Dozenten gemeint.

Die Schüler konnten jedes Jahr zwei Studenten bestimmen, die mitorganisieren durften. Dieses Jahr waren es David und ich.

Apropos, ich wartete immer noch, David kam einfach nicht. Ich wollte ihn anrufen, da sah ich auf der anderen Straßenseite Jessica und verfolgte sie mit meinen Augen, bis sie hinter dem Haus verschwand. Irgendwie war ich von ihr verzaubert. Sie hatte das gewisse Etwas. Schon Tausende von Gedanken schwirrten mir in meinem Kopf herum, wie so üblich. Würde sie mit ihrem Freund kommen? Fand sie mich nett? Endlich, David und Joanna kamen.

– Wo wart ihr so lange?

– Joanna musste noch eine Arbeit fertigschreiben, und ich wollte ihr helfen, sorry, JD.

– Ich habe mich heute wieder mit Amanda gestritten, wir sind wieder auseinander, aber dieses Mal ist es endgültig, glaube ich.

– Was ist es denn dieses Mal?

– Joanna, ich war doch mit dir draußen, und Amanda dachte, dass ich sie mit einer anderen betrügen würde. Ich habe es ihr tausendmal zu erklären versucht, aber sie hört einfach nicht zu, keine Chance.

– Soll ich mit ihr sprechen, JD?

– Nein, lass es sein, Joanna, ist schon gut.

Ich hatte genug von ihr. Für Joanna war die ganze Geschichte zwischen Amanda und mir sehr schwierig. Sie war mit Amanda gut befreundet. Sie hatte mir von Anfang an gesagt, dass diese Beziehung mit Amanda und mir nicht gut gehen würde. Joanna kannte uns beide sehr gut, und aus ihrer Sicht waren wir einfach nicht füreinander geschaffen.

– JD, das heißt, dass du für den Ball keine Begleitung hast!

– Ich weiß, mach dir keine Sorgen, David.

– JD, geh doch alleine an den Ball, sagte Joanna, es werden genügend Frauen anwesend sein, die bereits ein Auge auf dich geworfen haben.

Nachdem sich beide über mich lustig gemacht hatten, verabschiedete sich Joanna von uns.

– Sei nicht traurig, JD, sagte Joanna, bevor sie in das Auto einstieg und wegfuhr.

Am nächsten Tag hatte ich alle Infos für Jessica bereit. Wie gewünscht, war ihr Name mit Begleitperson auf der Liste, aber ich sah sie am Morgen nicht und ebenso wenig am Nachmittag. Niemand konnte mir sagen, wo sie war. Alle, die sie kannten, hatten sie gesehen, aber niemand wusste, wo sie steckte. Am Nachmittag in der Klasse schaute ich nur noch auf die Uhr. Endlich klingelte die Glocke. Fertig Schule für diese Woche, Weeeekend! Ich würde mich nach der Schule mit David in der Stadt im Ristorante Diverso treffen. Dort hatten wir mit einigen DJs abgemacht. Wir wollten an diesem Tag einen DJ für den Ball finden, denn in zwei Wochen sollte die große Party steigen. Ich machte mich zu Fuß auf den Weg, da das Ristorante Diverso nicht weit entfernt war. Es war ein italienisches Restaurant mit der besten Pizza der Welt. Auf dem Weg dorthin ging mir Jessica einfach nicht mehr aus dem Kopf.

Im Restaurant angekommen, saß David mit einigen DJs bereits am Tisch. Die DJs sollten mehrere Musikrichtungen spielen können, somit brauchten wir einen, der über ein vielfältiges Repertoire verfügte und das Ganze am besten noch gratis machte. Leider wollte es niemand gratis machen. Es war schon spät, und wir hatten keinen DJ gefunden.

– JD, was ist los mit dir? Konzentriere dich bitte! Denkst du immer noch an diese Frau, die dich heute sitzengelassen hat?

– David, ich denke sicher nicht an Jessica, ich bin nur ein wenig müde. Ah, Mensch, ich denke doch an sie. Kann es einfach nicht lassen. Sie geht mir nicht aus dem Kopf. Liebe auf den ersten Blick?

Die Tür des Restaurants ging auf, eine Familie kam herein und setzte sich nicht weit von unserem Tisch entfernt. Sie feierten irgendetwas, denn es gab Champagner.

David schaute mich plötzlich lächelnd an.

– Was ist, David? Warum grinst du so?

– JD, hast du nicht gesehen, wer an diesem Tisch sitzt?

Beim Hinschauen blieb mein Herz plötzlich stehen. Jessica war an diesem Tisch. Ich wusste plötzlich nicht, was ich machen sollte. Sollte ich zu ihr gehen? Ich stand auf und versuchte ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, da bemerkte ich, dass neben ihr ein Kerl saß, der seinen Arm um ihre Schulter legte. Sofort setzte ich mich wieder zu David hin.

– Sie hat einen Freund, David!

In diesem Augenblick kam Joanna mit ihrer Freundin Melissa herein.

– Und, Jungs, habt ihr einen DJ für die Party?

– Nein, leider nicht, Joanna. Alle wollen zu viel Geld!

Melissa fragte uns, ob wir vielleicht einen Überlegungsfehler machten.

– Für eine Sechzigerjahre-Party braucht ihr auch Sechzigerjahre-Musik. Somit benötigt ihr am besten eine klassische Live-Band mit Piano, Trompete, Gitarre und allem, was es sonst noch dazu braucht.

Diese Überlegung von Melissa fanden wir ausgezeichnet, und wir wussten auch schon, wer dafür in Frage kam. George, der Großvater von David, hatte früher in einer Band gespielt. Er würde es auch sicher gratis machen.

Später bestellten wir uns noch etwas zu essen. Joanna versuchte schon seit einiger Zeit, mich mit Melissa zu verkuppeln. Sie sah gut aus, war sehr lustig, aber der Funke sprang einfach nicht über. Irgendwie musste noch eine Begleitung her, denn am Ball alleine aufzutauchen, und das noch als Organisator, das wäre, wie David gesagt hatte, nicht wirklich gut gewesen. Einfach jemanden einladen wollte ich auch nicht. In der Zwischenzeit hatte ich einige SMS von Amanda erhalten, dass sie mich sehen möchte, sie habe vielleicht überreagiert, aber das auch nur, weil ich immer dumme Sachen mache und sie mich sehr gern habe. Ich wollte aber dieses Mal nicht einfach zu ihr zurückkehren. Die anderen wollten nach Hause gehen, da ich sowieso den ganzen Abend in meinen Gedanken versunken war. Zu Hause angekommen, schrieb ich noch Amanda zurück und machte für den nächsten Abend einen Termin mit ihr aus. Ich lag auf dem Bett und schaute an die Decke. Was sollte ich mit Amanda machen? Mein Blick wanderte zu meiner Kommode, auf der sich ein Foto von uns beiden befand, aus glücklichen Zeiten, beide lachend und so verliebt ineinander …

»Verstehen kann man das Leben rückwärts, leben muss man aber vorwärts!«

(Søren Aabye Kierkegaard)

2 Der Abschlussball

Nachdem David und ich zwei Wochen lang die Abende in der Schulturnhalle verbracht hatten, um den Abschlussball vorzubereiten, hatte ich völlig vergessen, mich um meine Garderobe für den großen Abend zu kümmern. Am Freitag, einen Tag vor dem Ball, war alles bereit. Noch die letzten Proben für George und seine Band, dann war wirklich alles bereit für Samstag. George und seine Freunde hatten den Namen The Forcellos. Sie hatten sofort zugesagt, als wir sie gefragt hatten, ob sie an unserem Abschlussball spielen würden.

– So, David, alles ist bereit. Sehen wir uns morgen um 19 Uhr, hier beim Eingang?

– Ja, ist in Ordnung, JD, ich werde zusammen mit Joanna kommen, da ich bei ihr schlafe.

– Ist gut, David, ich werde auch gleich mit Amanda kommen. Also, bis morgen.

David stieg in sein Auto und fuhr weg. Ich setzte mich kurz auf den Ping-Pong-Tisch draußen. Ich überlegte mir, ob vielleicht Olivia, meine Schwester, mir am nächsten Tag helfen würde, einen passenden Anzug zu finden. Zu Hause fragte ich schnell Olivia, ob sie am nächsten Tag Zeit habe.

– Du wieder, immer in der letzten Sekunde noch alles erledigen. Ich komme aber gerne mit, vielleicht finde ich auch noch etwas für mich.

Am Abend stellte ich mir den Wecker auf acht Uhr, denn wir wollten nach Manhattan mit der U-Bahn, und so sollten Olivia und ich genügend Zeit haben, um etwas Passendes zu finden.

Am nächsten Morgen war »Shopping Time«. Wir durchsuchten viele Läden, aber immer ohne Erfolg. Als ich die Hoffnung schon verloren hatte, ging Olivia mit mir in ihren Lieblingsladen. Dieser hatte genau die Sachen, nach denen ich gesucht hatte. Die Gestelle waren voll mit Kleidern aus den Fünfzigern und Sechzigern. Wir durchsuchten alle Regale. Olivia gab mir ihren Favoriten zum Anprobieren. Der Anzug saß perfekt, wie für mich maßgeschneidert. Als ich mich dann im Spiegel sah, war ich überwältigt. Ich konnte nicht aufhören, vor dem Spiegel herumzualbern. Für meine Schwester würde es der erste Ball sein, und sie würde mit ihrem Freund kommen. Wie die Zeit vergeht, dachte ich, gestern hat sie noch mit ihrer Puppensammlung gespielt, und heute ist sie schon fast erwachsen. Nach dem erfolgreichen Shopping-Tag begleitete ich Olivia nach Hause. David und ich hatten seit einigen Monaten eine eigene Wohnung. Die meiste Zeit hatte ich aber die Wohnung für mich alleine, denn David schlief fast nie zu Hause. Er war viel bei Joanna. Ich hatte immer noch eine riesige Sauordnung in meinem Zimmer, wegen des Umzugs. Irgendwann würden die Kartons noch ausgepackt werden müssen. In meinem Zimmer bewunderte ich meine neu erworbenen Kleidungsstücke. Plötzlich klingelte der Alarm auf meinem Handy, nun blieb nicht mehr viel Zeit. Ich musste pünktlich um 19 Uhr vor der Turnhalle sein, da der Schlüssel in meinem Besitz lag und ich Amanda noch von zu Hause abholen musste.

Wie gesagt, würde ich doch noch mit Amanda zum Abschlussball gehen. Nach einem klärenden und sehr intensiven Gespräch waren wir wieder zusammen. Ich hatte ihr alles gesagt und zwar, dass es so nicht weitergehen könne, sie sei einfach zu eifersüchtig, sie solle mehr Vertrauen haben. Sie würde versuchen, mir mehr zu vertrauen. Nach diesem Gespräch hatte sich vieles in unserer Beziehung geändert. In den letzten Wochen waren wir sehr harmonisch und glücklich zusammen gewesen. Endlich! Um 18.30 Uhr war ich vor Amandas Haus. Ich stieg aus dem Auto, ging zur Tür und klingelte. Ich hatte unterwegs noch kurz beim Blumenhändler angehalten und für sie rote Rosen gekauft. Der Vater öffnete die Tür.

– Hallo James, komm rein, wie geht es dir?

– Hallo Mr. Brook, danke, es geht mir sehr gut, und Ihnen?

– Ja, bei mir auch alles gut. Ich gehe schnell Amanda rufen. Amanda! Amanda! Komm hinunter, James ist da. Du bist wie immer zu spät!

Amanda kam hinunter. Wow! Sie hatte ein blaues Kleid an. Sie sah fantastisch aus.

– Hallo Schatz, du siehst in diesem blauen Kleid einfach umwerfend aus.

– Danke Schatz, du siehst auch sehr gut aus. So haben wir gute Chance, Ballkönigin und Ballkönig zu werden!, sagte sie lachend.

Ich gab ihr die Rosen, und sie war überglücklich. Das alles geschah unter den Augen der Eltern, die seit einigen Minuten wie angewurzelt einfach neben uns standen. Es war irgendwie sehr komisch und peinlich für mich.

Wir fuhren Richtung Abschlussball und trafen auf die Minute genau vor der Turnhalle ein. Joanna, David und die Schulleitung waren bereits da. Als wir zu ihnen liefen, begutachteten uns alle von Kopf bis Fuß. Joanna und David sahen einfach super aus. Sie hatten das gewisse Etwas, das ich hoffentlich auch würde erleben dürfen, ein perfektes Paar, die perfekte Beziehung. Ich öffnete die Tür und lief den Korridor entlang bis zur Turnhalle. Joanna und Amanda blieben in der Mitte des Parketts stehen.

– Das sieht genial aus, Amanda.

– Da hast du recht, Joanna, der Ball wird legendär.

Nach einigen Minuten kam das Essen, die Getränke waren bereits aufgestellt. George war bereits auf der Bühne mit seiner Band The Forcellos, und sie stimmten die Musikinstrumente ein. Alles war bereit.

Ich war so damit beschäftigt, dass alles einwandfrei funktionierte, dass die Zeit einfach dahinflog. Irgendwann schaute ich mich um. Es waren schon so viele Leute im Saal. Die Musik stimmte schon viele zum Tanzen ein. Ich war neben der Bühne und schaute in die Menge hinein. Ohne es gewollt zu haben, fiel mein Blick auf Amanda, die bei ihren Freundinnen war. Wahrscheinlich machten sie sich gerade über irgendjemanden lustig. Auch wenn wir es nicht einfach hatten, die Chemie zwischen uns stimmte. Jessica und ihr Freund Robert waren ebenfalls anwesend.

Plötzlich umarmt mich jemand von hinten. Es war Joanna.

– JD, ich hab dich lieb, vergiss das nicht.

Da kam auch David zu uns.

– Joanna und JD, kommt mit, gehen wir ein wenig nach draußen an die frische Luft.

Draußen angekommen, setzten wir uns auf die Treppe vor der Turnhalle.

– Es ist bis jetzt eine gute Party! Aber diese Party wäre niemals so gut ohne euch zwei, Joanna und JD. Ich verdanke euch so viel. Ich weiß gar nicht, was aus mir geworden wäre. Wer weiß, was mit uns passiert, jetzt nach der Schule. Joanna, du wirst auf die Harrisburg University gehen, um Medizin zu studieren. JD, du wirst hoffentlich wie auch ich an der Philadelphia University angenommen. Joanna, was wird aus uns?

Ich wusste nicht, was sagen. Es war jedem Einzelnen von uns bewusst, dass sich irgendwann alles ändern würde, aber wir wollten es noch nicht wahrhaben.

– David, Joanna, wir haben jetzt genau noch einen Monat Schule. Lasst uns nicht überlegen, was sein wird, sondern was hier und jetzt ist. Einfach den Moment leben. Wir sollten den letzten Monat zusammen genießen.

Da rief jemand:

– JD, der Wettbewerb fängt gleich an!

Es war Amanda.

– Wo bist du, JD?

– Amanda, ich bin hier mit Joanna und David. Ich komme gleich!

David lachte.

– JD, geh zu deiner Traumfrau, sonst macht sie wieder Schluss!

Da verpasste ich David einen kleinen Schubser. Joanna fand es sehr amüsant.

– Bevor ich zu meiner Traumfrau hineingehe, will ich euch noch sagen, dass ich euch sehr gerne hab, Joanna und David. Vergesst das nie!

Dann ging ich hinein und suchte Amanda. Sie war auf der Tanzfläche und wartete schon auf mich. Ich liebe es zu tanzen. Wenn ich tanze, kann mich niemand aufhalten. Tanzen beruhigt mich. Tanzend bewegte ich mich auf Amanda zu. Es ging nicht lange, da erschienen auch David und Joanna auf der Tanzfläche, die sehr voll war.

Um Ballkönig oder Ballkönigin zu werden, mussten die Teilnehmer möglichst viele Stimmen von den Schülern bekommen. Das Paar mit den meisten Stimmen würde ein Wochenende in Las Vegas mit Flug und Übernachtung im Caesars Palace Hotel gewinnen. Bewertet wurden Bekleidung, Paarerscheinung, Tanzfähigkeit und eine Überraschungsaufgabe, die bewältigt werden musste. Es fing mit dem Partnertanz zu verschiedenen Musikrichtungen an. Amanda war sehr entschlossen, diesen Wettbewerb zu gewinnen, ich spürte ihre Energie. Nach drei Liedern mussten wir den Partner tauschen. Die neuen Tanzpaare wurden ausgelost. Amanda wurde David zugewiesen. So ein Glück, dachte ich mir. Ich wurde mit … Oh nein, nicht Jessica! Mein Herz fing wie verrückt an zu rasen. Als Jessica meine Hand nahm, blieb mein Herz kurz stehen, wie auch die Zeit. Ich schaute ihr tief in die Augen. Sie lächelte mich an. Es kam mir so vor, als wären wir alleine in der Halle. Ich vergaß alles um mich herum. So schön es auch war, plötzlich war ich zurück in der Realität. Jessica riss mich aus meinem Traum heraus, als sie sich bei mir für die Gästeliste bedankte. Ich hoffte, dass jetzt ein schnelles Lied folgen würde. Es folgte You are not alone vom »King of Pop«, Michael Jackson. Nach dem Lied kam die Überraschung, und zugleich kam der schwierigste Teil des Wettbewerbs.

Es musste immer ein Paar auf die Bühne gehen, und der Mann musste seiner Freundin eine kleine Liebeserklärung vor dem ganzen Publikum machen. Nichts Großes eigentlich. Einfacher gesagt als getan! Für dieses Spiel hatten sich nur drei Paare qualifiziert, und zwar die mit den meisten Stimmen. Auf dem ersten Zwischenplatz waren zunächst Joanna und David, dann kamen Jessica und Robert und zum Schluss Amanda und ich. Wir hatten uns knapp vor Kate und Josh qualifiziert. Wer würde gewinnen? Alle drei wussten nicht was sagen, wir hatten keine Vorbereitungszeit. Das Ganze würde mit dem Publikumsapplaus abgestimmt werden. Ich war nervös, sehr nervös, wie auch David und Robert. Das erste Paar waren Jessica und Robert. Das Licht wurde dunkler und die Atmosphäre sehr romantisch. Robert fing an.

– Jessica, ich liebe dich sehr, ich hoffe, dass wir noch lange zusammen bleiben …