Das Leben – Geschichten aus der Wirklichkeit - Reinhold Tauber - E-Book

Das Leben – Geschichten aus der Wirklichkeit E-Book

Reinhold Tauber

0,0
16,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der vielteilige Bericht miteinander verbundener Einzelschicksale einer "gewöhnlichen" vierköpfigen Familie: Vater, Mutter, Zwillinge, über das Leben in all seinen Facetten, wie es sich in der heutigen Gesellschaft abspielt, in der Staat, Recht, Politik und Wirtschaft die Bedingungen stellen. Er verdeutlicht exemplarisch, dass wir alle Elemente eines Allgemeinwesens sind: nämlich des Staates, und wie dieser mit seinen Werkzeugen, insbesondere den Instrumenten Verwaltung und Gericht, mitunter geradezu perfide auf jedes Individuum und dessen Leben einwirkt, je nach gewünschter Maßnahme. Ein stark satirisch grundiertes Zeitbild im Spannungsfeld zwischen dramatischer Realität und Utopie.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 608

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Impressum 2

Vorwort 3

Ein vielteiliges Lebensmuster 4

Die Geschichte vom Beginn 6

Die Geschichte der Entwicklung 15

Die Geschichte eines Start-up-Unternehmens 22

Die Geschichte von der Zwischenzeit 35

Die Geschichte vom bürgerlichen Leben 78

Die Geschichtevom Staat und seinem Wesen 96

Die Geschichte vom alten Leben und dem neuen Babylon 102

Die Geschichte von dem neuen Corpserv-Unternehmen 125

Die Geschichte von Edom, der Gewalt und dem Recht 145

Die Geschichte von der Neuen Welt 200

Die Geschichte von Ibrahim, Geld und dem Recht 241

Die Geschichte von Veränderung und Abschied 287

Die Geschichte vom Leben in Babylon 304

Die Geschichte von der Burg 329

Die Geschichte vom Staatsgeschäft 360

Über die Welt und die Zeit - Ein Zwischenstück 382

Die Geschichte vom Geschäft Gesundheit 385

Die Geschichte von der Weltkrankheit 408

Die Geschichte von dem Ende 430

Anhang 434

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2022 novum publishing

ISBN Printausgabe:978-3-99131-238-3

ISBN e-book: 978-3-99131-239-0

Lektorat:Mag. Elisabeth Pfurtscheller

Umschlagfoto:Iurii Motov, Muhammad Fauzy | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Vorwort

Eine der satirisch radikalsten Erzählungen der letztvergangenen Jahre. Sie bezieht ihre vitale Kraft aus vielen Elementen der Wirklichkeit, zusammengefügt zu einem starkfarbig schillernden, auch irritierenden gewaltigen Vexierbild unserer Zeit. Eine Parodie.

Ein vielteiliges Lebensmuster

„Das Leben – Geschichten aus der Wirklichkeit …“

Ein Modell, ein vielteiliges Lebensmuster, montiert aus der Realität entnommen Fakten und Faktoren, die sowohl wirklichkeitsentsprechend gestaltet als auch in den Konturen satirisch, sarkastisch, fantastisch geschärft und gefärbt sind, durch diese Überhöhungen kommentierend eindringlicher wirken als lediglich gebündelte Nacherzählungen von Tatsächlichem.

Leitmotiv ist die Geschichte einer ganz „gewöhnlichen“ Familie in unser aller zeitlich über Jahrzehnte ausgedehnten Gegenwart, mit ihrem sich allmählich zerfasernden Alltag, mit der Entwicklungsgeschichte der Kinder, die ihre Lebenswege unabhängig voneinander gehen, die sich jedoch im Laufe der Geschichte verzahnen: mit besonderen Karrieren, Erlebnissen und Schicksalen in der Gesellschaft – mit guten und bösen Faktoren.

Ein großes Element ist das Sozialmodell der Absiedelung eines ganzen Stadtteils zugunsten der kommerziell orientierten „Stadtentwicklung“ in ein früheres Flüchtlingslager, das sich neben der eigentlichen Stadt zu einer eigenen Kommunität mit Langzeitperspektive entwickelt, mit allen politischen, sozialen, brauchtumsmäßigen, auch religiösen Faktoren mit den für unser Gemeinschaftsleben typischen Schwierigkeiten einer allgemeinen Übereinkunft. In dieser und um sie herum:

der perfide Umgang des Staates mit seinen eigenen Bürgern und hier neue Heimat suchenden Fremden. Modelle der Anwendung des „Rechts“, das gestaltet ist wie ein Gummiband*, das jede Interpretation durch Verwaltung und Gericht ermöglicht – zugunsten der jeweils geforderten Richtung, sei sie vom Staat oder von Gruppierungen für besondere Maßnahmen gewünscht. Gründe für das Abwenden vom Staat und der Hinwendung zu (nur fantastisch gezeichneten?) realen Schattenstrukturen von globalen Dimensionen (die in den vergangenen Jahren immer stärker aus dem Schatten ins Licht streben).

Nur einige Hinweise. Das Ganze ist gestaltet als Protokoll eines Berichterstatters, der Szenarien und Vorkommnisse aus beobachtender Distanz erarbeitet, im (nicht beabsichtigten, aber sich ergebenden Sinn) der von Friedrich Schlegel** formulierten Aspekte eines „modernen“ Romans: Spannung und Nachdenklichkeit, Einfallsreichtum, Fantastisches und Reales, dynamische Dialoge, epische Dichte, lyrische Zwischentöne … Dies war die Absicht. Ob sie verwirklicht wurde, entscheiden die Leser.

Reinhold Tauber

*Konkretes Beispiel:Zwei Meinungen zur österreichischen Strafrechtsreform 2015, eines Rechtsanwalts und eines Richters, zit. in OÖNachrichten, 5. Februar 2016:

Rechtsanwalt:„… über weite Strecken gründlich gescheitert, strotzt doch das Strafrechtsänderungsgesetz 2015 nur so von unbestimmten Gesetzesbegriffen, welche es dem Rechtsunterworfenen, aber auch dessen rechtlichem Berater zunehmend erschweren, die Grenzen zwischen gerade noch erlaubtem und bereits strafbarem Verhalten abzudecken.“

Richter:„Das Strafrechtsänderungsgesetz 2015 hat die Tätigkeit eines Strafrichters keineswegs vereinfacht, etwa durch die Formulierung neuer Tatbestände mit einer großen Anzahl unbestimmter Gesetzesbegriffe und den dmit einhergehenden Schwierigkeiten eines Nachweises strafbaren Verhaltens.“

**Friedrich Schlegel (1772–1829):Philosoph, Literaturtheoretiker und -historiker, ab 1809 im Dienst der österreichischen Regierung. Er wurde geistiger Mittelpunkt der Frühromantik, seine Definition der Inhalte des „modernen“ Romans, bis heute prinzipiell gültig, formulierte er in der Zeitschrift „Athenaeum“ (1798–1800).

Die Geschichte vom Beginn

Herr Eustachius* Leberecht war ein redlicher Mann. Er war redlich gezeugt worden, redlich geboren (wenn auch unter protestähnlichen, schmerzerfüllten Äußerungen der ihn in die Welt stoßenden Menschin, unter redlicher Betreuung fachlich spezialisierter Berater und Assistentinnen). Er trug einen redlichen Namen, den er sich nicht unredlich angeeignet hatte – denn in einen Namen wird man hineingeboren –, den als sogenannten Ruf- und Familiennamen lebenslang zu tragen er behördlicherseits verdammt worden war (Behörden verdammen zu Verdammende automatisch von der Wiege bis zur Bahre). Ihn mit Würde zu tragen und gegen bösartige Kommentierungen unkameradschaftlicher Gruppierungen in Zentren der Kenntnisvermittlung zu verteidigen, lernte er schon in frühjuvenilem Alter, was dem Schlachtruf „Non scolae sed vitae discimus“ eine praktische Note verliehen hatte.

Er kletterte die Stufen der Bildungsleiter redlich, wenn auch mit mancher schwachredlicher Nutzung probater Hilfsmittel unter dem Sammelbegriff „Mogeln“ hoch. Er wurde ein redliches Mitglied der großen, vielteiligen sogenannten Gemeinschaft der Arbeiter der Stirn und der Faust. In dieser erregte er Unmut wegen seiner redlich gefertigten Diagramme Zeit zu Leistung, was ihn nach mehrmals wirkungsvollem „Mobbing“ veranlasste, solche Gemeinschaften zu verlassen, da solche Redlichkeit auch in den oberen Etagen der Partnerschaften – Unternehmen genannt – weder gern gesehen noch auch dortselbst praktiziert wurde.

Er erwarb auch redlich ein amtliches Attest zur Verbindung mit und zur Nutzung einer dazu bereiten andersgeschlechtlichen Person. Die Betonung der Kombination maskulin/feminin wurde im Erlaubnis-Attest ausdrücklich festgestellt. Diese Feststellung konnte in früherer Zeit wegen Selbstverständlichkeit unterbleiben, ward aber in seiner Zeit notwendig, da auch mit Attest genehmigte und bestätigte Verbindungen von gleich mit gleich Mode geworden waren.

Mit solchen konnte freilich dem Ur-Auftrag „Mehret euch und füllet die Erde“ nicht nachgekommen werden. Die physikalisch-mechanische Aktion samt Ergebnis war also erlaubt worden, nur verpuffte sozusagen das Ergebnis ohne seinen mit der Anwendung eigentlich gedachten weiterführenden biologischen Prozess. Das bezog sich auf die Gleichheit maskulin. Die Gleichheit feminin musste aus körperlichen Strukturgründen andere Methoden der mit dem Attest amtlich genehmigten gemeinsamen Bedürfnis-Bedarfsdeckung entwickeln und anwenden.

Also nutzte Herr Eustachius Leberecht nach getroffener Auswahl die Nutzungserlaubnis mit der Auserwählten redlich, guten Gewissens, ihm gelegentlich zögernd gewährt, gelegentlich dringend eingefordert, von ihm selbst gelegentlich heftig erwünscht, gelegentlich zu beider Bedauern im Aktivbetrieb sozusagen von Starkstrom zu Schwachstrom wechselnd.

Gleichviel. Einmal wurde mit dem mit dem Andockmanöver verbundenen Materialausstoß in das für den Menschheitsteil feminin dafür vorgesehene Behältnis eine Kettenreaktion in Gang gesetzt mit dem Zweck des Durchpausens beiden gemeinsamer Eigenschaften und Struktureigenheiten von Augenfarbe bis Geradgliedrigkeit, von (später entwickelter) Anschmiegsamkeit bis Aggressivität im Umgang mit der Mit- und Umwelt. Es ergab sich als Ergebnis der Kettenreaktion der Produktions-Partnerschaft ein Doppelprodukt, vorgesehen nach Loslösung von der organischen Grund- und Erstversorgung zu biologischer Verselbständigung.

Erst sollte in die Chronik des Geschlechts geschrieben werden „Sie genas eines Knäbleins“ (als wäre die Produktentwicklung eine Krankheit gewesen). Der Eintrag musste umgehend geändert werden. Es schob sich erst ein eher mächtiges Köpfchen (im Vergleich zum Gesamten ist die Verkleinerung gestattet) in Richtung Welt. Dem Köpfchen folgte ein augenscheinlich männliches Körperchen, das belegt war mit einer wüsten Zottelei, was die Beobachter des Geschehens arg verwunderte und Andeutungen in Richtung später deutlicher entwickelter Eigenschaften des Unordentlichen zuließ.

Herr Leberecht beim Betrachten der Leibesfrucht, deren Startmaterial er geliefert habe, nachdenklich: Was zum Teufel ist da in meinem Samen passiert, in der Maische der Zellen, den Molekülen, in deren jedem zwei Polynukleotidstränge der Desoxyribonukleinsäure sich schraubig umeinander winden, was sie eine Doppelhelix nennen, mit Fäden verstrickt, die in Summe mehr als Menschenhöhe ergeben? Da war irgend etwas mit den Chromosomen passiert, die Erbinformationen von einem Organismus zum anderen durchpausen, denen man eigentlich kein falsches X für ein falsches Ypsilon vormachen kann … Wo sich der Fehler versteckte, könne ihm wohl kein Mensch erklären. Also: „Ich wurde meines Wissens redlich gezeugt, ich zeugte mit redlicher Methode, ich bin mir keiner inneren wie äußeren Schuld berwusst …“

Noch mehr verwunderte, dass, als das Körperchen sich ein Füßchen freigestrampelt hatte, an das andere (Ferse) geklammert sich ein zweites nachziehen ließ – die Empfehlung „Abstand halten“ außer Acht lassend –, nach vollständiger Bestandsaufnahme als weiblich zu bezeichnen. Der Zugriff des weiblichen Bestandteils des Doppels erfolgte schon mit einer gewissen Anmut, was spätere deutlicher entwickelte Eigenschaft mit Nutzanwendung erwarten ließ. Doch hatte die Anmut bei Betrachten des Köpfchens ihre derweilige Grenze. Die war begründet in einer Farbgebung, die auf Widerstand bei Verlassen des Reaktors und dem Durchwandern des Tunnels zum Tor schließen ließ. Solche Färbung ergab und ergibt sich im Allgemeinen bei Engschließen des Kanals der Luftzufuhr oder bei emotionalem Hochdruck infolge Staus des Blutes.

Nachdem das Doppel Realität geworden war, ging es um die Frage der die Identität fixierenden Nämlichkeit, fixiert von der Wiege bis zur Bahre.

Es war in der Bekanntschaft Herrn Leberechts und der gestarteten Geschlechterfolge ein Schriftgelehrter, der bei Betrachten der besonderen Körper-Umstände der beiden Zusatzobjekte der Menschheit eine symbolträchtige Namengebung vorschlug: Der männliche Teil des schließlich entkoppelten Körper-Doppels solle Edom und der weibliche Teil Violetta genannt werden.

Für den weiblichen Teil sei die Begründung schnell geliefert. Die bald glücklicherweise blasser werdende Färbung von Violettas Kopf beziehe sich natürlich auf die Tönung, eine Mischung aus den Komplementärfarben Blau und Rot (für den Körper auf Dauer unzuträglich). Das habe nichts zu tun mit der gleichnamigen Hauptfigur* eines weltberühmt gewordenen Dramas in Wort und Ton mit weltberühmt gewordenem Kunstnamen: einer schönen, (im Finale der Handlung gerade noch lebenden) nach Hochs und Tiefs im Lebensmeer, nach Leiden, Entbehrung und Auszehrung nun Verbleichenden, an deren Lager zwei Herren, d. Ä. und d. J., stehen und in hohen sowie tieferen Tönen ihre Dummheit beheulen, die es zu dem kommen ließ, was kommt, ehe der Vorhang fällt.

Zur Begründung und Beschreibung der Namengebungssache für den männlichen Teil – Vorschlag Edom – betonte der Schriftgelehrte, man müsse ein wenig weiter ausholen, der Hintergrund sei interessant. Wer ihm auf seinem Erzählweg folgen wolle, möge es tun, wer nicht, möge es bleiben lassen.

„Edom“ gefiel dem Verursacher, Herrn Leberecht, schon der Klangfärbung des morphologischen Begriffs wegen. Er gemahnte an ein sogenanntes SUV als Fortbewegungsmittel, hochbordig, bullig, gelenkig, mit Elefantengrill: ein ideales Stadtfahrzeug, mit dessen Handhabung allfällige Mehrpersonen-Überlegungen zur Nutzung einer Ruhefläche auf Parkplätzen öffentlicher Ordnung oder auch auf jenen von stark frequentierten Sammelflächen von privat geführten Supermärkten rasch zugunsten des Elefantengrill-Bewehrten entschieden werden könne.

Einschub: Vom Ursprung

Der Schriftgelehrte greift zueinem weisen Geschichtenbuch, darin stünde die Begründung für seinen Vorschlag.

Er blättert im Geschichtenbuch viele Seiten zurück, überspringt die Geschichte des Jesus und seiner Jünger, überspringt die Geschichte der Heulenden und Zähneknirschenden am Euphrat, überspringt noch eine lange Zeit im Rückwärts-Salto und ist angelangt:

Als das auserwählte Volk noch nicht auserwählt und auch noch nicht Volk war, sondern vorerst nur aus einem Manne bestand, der über eine große Zahl Schafe und Ziegen und Esel verfügte und mit Dienerschaft und seiner schon zeitlich etwas überstandigen Frau, was Nachwuchs-Produktion anlangt, in härenen Zelten hauste, erwuchsen der Frau jedoch nach erhörten Anrufungen mehrere Früchte im Leibe, was sich erst in vorsichtigen Körpersignalen, später nach üblicher Wartezeit als Tatsache erweisen sollte: Die Frau entließ erst ein Knäblein in die Welt, das aussah, als hätte sie einen jungen Zottelwolf geboren, die Oberfläche war hären wie die Zeltdecke, die seinen Eintritt in die Welt überdachte, und er zeigte alle Anzeichen des Ungebärdigseins, das erwies sich schon beim bösartigen Verhalten beim Wandern durch das Tor in die Welt.

Sein Vater beim Betrachten der Leibesfrucht, deren Startmaterial er zur Produktion beigesteuert habe, nachdenklich: „Was zum Teufel ist da in meinem Samen passiert, in der Maische der Zellen, den Molekülen, in deren jedem zwei Polynukleotidstränge der Desoxyribonukleinsäure sich schraubig umeinanderwinden, was sie eine Doppelhelix nennen, mit Fäden verstrickt, die in Summe mehr als Menschenhöhe ergeben? Da war irgend etwas mit den Chromosomen passiert, die Erbinformationen von einem Organismus zum anderen durchpausen, denen man eigentlich kein falsches X für ein falsches Ypsilon vormachen kann … Ich zeugte mit redlicher Methode, ich bin mir keiner inneren wie äußeren Schuld berwusst …“

In dem Strukturgestänge müsse also etwas aus dem Ruder gelaufen sein, denn sein Lebenwandel war redlich auch auf dem Ruhelager, von seinem Vater konnte er auch nichts Unredlichdes durchgepaust bekommen haben, dazu hatte er ihn zu gut gekannt …

Gleichviel. Doch sein Gedankengang wurde unterbrochen durch eine Fortsetzung des Geschehens auf dem Gebärstuhl. An die Ferse des Zotteligen geheftet trat eine Hand zutage, die nicht als dritte des Zotteligen betrachtet werden konnte. Nach der Hand schob sich ein dieser zugehöriger weiterer kleiner fertiger Organismus ins Helle (oder Dämmerige) des Tages. Dieser erwies sich bei Abkoppelung vom Vormann auch als männlich, allerdings – wie später in seinen Reisepapieren festgestellt werden sollte, „ohne besondere Kennzeichen“.

In die amtliche Registratur wurde der zuerst Erschienene Esau*, der andere Jakob* genannt, mit dessen Fruchtbarkeit und nach allerlei Fährnissen im Laufe langer Zeit das entstand, was sich später erstens als „das Volk“ erwies und sich zweitens das „auserwählte“ nannte. Doch das ist eine andere Geschichte.

Die besonderen Kennzeichen beider sollten sich bald ausprägen. Der Zottelige wurde ein Rabauke im Feld und auf der Weide, schuf sich nicht nur Freunde, sondern auch Nichtfreunde, von denen er (dazu kommen wir noch) vermuten sollte, diese oder jene aus der Unfreundeschar würden ihm dereinst den Garaus machen.

Der ohne besondere Kennzeichen wurde ein listiger Bursche, lernte, in wichtigen Angelegenheiten geschickt die Psyche eines Partners in zweckgebunden Angelegenheiten zu seinem Nutz und Frommen zu lenken, was der Wohlstandssteigerung nicht zum Nachteil gereichen sollte.

Soweit Kulisse und szenischer Hintergrund des Folgenden, das konkret und schwerwiegend und als Lehr-Beispiel für spätere schwierige Angelegenheiten dienen sollte.

Zum Beispiel

Das Beispiel, kurz vorhergesagt: Wer sollte was bekommen vom Erbe des Vaters, sobald dieser zu seinem Vater in die Höhle von Machpela in dem später von dem auserwählten Volk in seinem „Gelobten Land“ geschlichtet werden sollte? Ausgehandelt mit Speerwürfen oder mit Steinschleudern – jeder drei Würfe auf zehn Meter Distanz –, wer lebend oder tot aufgab, wäre der Verlierer? Enfach, würden nur zwei schachern, Aber wie, wenn mehrere schleudern müssten? Jeweils zwei gegen zwei?

Die Rechtsfinder der Zeit hatten dafür das Erstgeburtsrecht erfunden und in Stein oder Tontafeln gemeißelt oder gegriffelt. Der Erste, der ankam, kriegte alles und alle aus seinem künftigen Geschlecht sollten nach gleichem Schwerpunkt-Recht absahnen. Der später gekommene Geschlechtsrest konnte durch die Finger schauen oder man erfand Möglichkeiten der Erbteilung, die aber – so sollte die Geschichte künftig weisen – die Sache nicht leichter machen würden.

Als die Sprachen detailreicher und die Begriffe ziselierter wurden, kamen Adelige, damit nichts Blödes mit ihrem zu hinterlassenden Reichtum passierte (zum Beispiel Hauen und Stechen zur Verstärkung von Argumentationen), auf die Idee des „Primogenitur*“, das heißt: Es bleibt bei der Uralt-Entscheidung, der Erste und alle seines känftigen Stammes kriegen aus der Erbschafts-Tasse das Sahnehäubchen, um den Bodensatz muss verhandelt werden.

Das war ein schöner Begriff, der in der Klangkomposition verleitet zur Verknüpfung des auch von Machthabern über Leib, Leben und Land Verfügenden mit dem Begriff „Ius primae noctis*“, wobei es bei der Handlung des dazu Berechtigten mit dem Verfügungsobjekt – der dem Rechtsnachfolger die spätere Nutzung des Zugangstores erleichtern half – durchaus zur Begriffsverknüpfung des Ius mit dem gesplitteten Begriffsteil „Primogen“ kommen konnte, was sich im Fall des Falles ja nach biologisch vorgesehener Wartefrist bis zur Zustandsklärung herausstellen werde.

Zur Sache und deren Folgen

So kommt nun die Schlüsselszene: Eines schönen Tages kehrte der Rabauke in dem zentralen härenen Familienzelt ein, es dürstete und noch mehr hungerte ihn. Es brodelte auf dem Feuer zur Bereitung des Mittagsmahles eine würzig duftende Mischung aus Hülsenfrucht, kernigem, klein gewürfeltem gutem Speck, allerlei Kräutern und nicht näher zu erörternden anderen Zutaten, die Ergebnis-Summe war wichtig. (Es war sozusagen ein bekömmlicher „Eintopf in der Rein’“, von späteren Küchenmeistern wurde die Jahrhunderte überdauernde Variation „Bratl in der Rein’“ entwickelt.) Der Rabauke, kurz entschlossen zu seinem umrührerischen Bruder, der dafür sorgte, dass im Moment in der Rein nichts anbrenne, wie er auch sonst allgemein „nichts anbrennen“ ließ, wenn alle verstehen, was damit gemeint ist: „Gib mir was von dem Roten da!“, lautete der deutlich artikulierte Vorschlag des Rabauken, womit Künftiges definiert werden sollte, denn das „Rot“ war sprachlich „Edom“, was nach ergiebigem Weitertransport von Gene-Mengen und in logischen Zeiträumen erfolgenden Kettenreaktionen zu dem führte, was in die Geschichts-Geschlechter-Atlanten als „Edomiter“ eingetragen werden sollte, die dem auserwählten Volk später allerlei Unannehmlichkeiten bereiten sollten bei dessen Arrondierungs-Aktionen zur Gestaltung des Areals des gelobten Landes.

Der Listenreiche erfasste die für ihn sich günstig entwickelnde Sache – die Fressgier des zotteligen Bruders mit seiner dem Listenreichen unangenehmen Erbrechts-Situation –, und er hatte einen Vorschlag: Bruder Esau solle auf sein Erstgeburtsrecht zugunsten des Bruders Fersenhalter verzichten, dann gäbe es aus der Rein einen ordentlichen Klatsch in die Schüssel samt ev. Nachschlag auf Wunsch. Dem Zotteligen stand der Wunsch nach Eintopf vor dem nach Erbrecht, er meinte, ihm würden irgendwann ohnehin ein paar Pfeile die Lebenskanäle verstopfen, also was soll’s. Her mit der Rein, eingeschlagen.

Das sollte sich für ihn nach Familienbrauch und Glaubensrecht noch als sehr nachteilig herausstellen, denn der Listenreiche ließ der ersten List noch weitere folgen, die sich im Velauf der Geschichte in ihrer Wirkung nicht mehr umkehren ließen, was den Bruderzwist mit reichen weiteren Impulsen versorgte, denen der Listenreiche sicherheitshalber auf ein Gebiet entwich, auf dem der Zottelige nichts verloren hatte, wo für ihn Wartezeiten begannen mit weit gespannter Zukunftsperspektive, doch das wäre eine andere Geschichte.

So viel also zu Edom, dem Wie und Warum, wie es der Schriftgelehrte bündig mit dem Vortrag aus dem weisen Buch der Erzählungen verdeutlichte. In diesem fanden Vor-, Haupt- und Nachgeschichte auf 20 Seiten Platz. Der Schriftgelehrte hätte das Ganze auch aus dem Erzählungenbuch eines weisen späteren Beschreibers* vortragen können, ganz genau so, nur auf 1200 (in Worten tausendzweihundert) Seiten Kleingedrucktem in Buch-Großformat. Da war den Informierten mit der alten Kleinversion besser gedient.

Die Geschichte der Entwicklung

Die Kleinen entwickelten sich und es konnte schnell festgestellt werden, wie sich prägende Eignungen ausbildeten schon im frühesten Stadium.

Das ergab sich weniger im Elternhaus, wo man fürsorglich mit den Leibesfrüchtchen umging und gemäß der Methode der Maria Montessori* indie ungehemmte Entwicklung des Kindes, das seine Kräfte nach einem verborgenen inneren Bauplan in der Auseinandersetzung mit der Umwelt entfalten soll, nicht eingriff.

Diese Entwicklung mit zunehmendem Kraftvermögen (insbesondere Edoms, dessen Biomasse sehr in die Muskeln strömte, weshalb für die obere Etage der Struktur nicht mehr viel übrig war) blieb für die ohnehin nicht allzu üppige Wohnungseinrichtung nicht ohne Konsequenz. Beim Fußballtraining (dem Bedürfnis dazu sollte gemäß Anregung in der pädagogisch ausgerichteten Kinderbewahranstalt schon im Vorschulalter entsprochen werden) wurde im etwas zu klein geratenen Wohn-Haupt- und Gesellschaftsraum der Befehl „den Ball niedrig halten“ individuell ausgelegt, bei Steilkurven ging an und abab und an der glücklicherweise nicht echt kristallene Luster seiner Funktion verlustig oder der auch nicht echt kristallgläserne Spiegel gab nach zu stark getretenem „Elfer“ die gespiegelten Gegenstände in veränderter optischer Fassung wieder.

Auch in der Kinderbewahranstalt erwiesen sich die entwicklungstechnischen Übungen, nicht gemäß Frau Montessori von pädagogischen Leitlinien bestimmt, als Reibungsmasse. Edom übernahm sofort in seiner Arbeitsgruppe die Führerrolle. Die Gruppe stellte gründliche Analysen über Material-Widerstandsfähigkeit der Einrichtung der Pädagogik-Räume bei verschiedenen Graden von Belastbarkeit an. Die Analysen ergaben rasch Schwachstellen der untersuchten Materien, was den Zusammenhalt von Druckschriften ebenso anlangte wie die Beständigkeit von meist hölzernen Regalen. Dabei wurde deutlich, dass Massenprodukte, insbesondere aus dem sogenannten „Reich der Mitte“ importiert, zwar billiger waren als Meisterarbeit hierzulande, aber im Effekt teurer, weil nach den Beständigkeitsproben immer wieder Ersatz angeschafft werden musste. Die Analysten zeigten die Missstände immer wieder den die Pädagogik leitenden Personen an, was diese aber nur mit den Übelstand nicht behebenden Rechnungen an die Erziehungsberechtigten der Analysten als Reaktion beantworteten.

Dies verleitete bei leider mehrmaliger finanzieller Mahnung wegen böswilliger Sachbeschädigung öffentlichen Gutes Herrn Leberecht mehrmals dazu, Frau Montessoris Ratschläge zu vergessen und Edom mit dem ihm selbst aus seiner Kindheit erinnerlichen Ermahnungsmittel zweier sogenannter „Haustetschn“ (wegen der Symmetrie eine links, eine rechts) als Richtungskorrektur zu versehen, doch beantragte die Mehrheit der Hausgemeinschaft das Beibehalten der Methode der Frau Montessori dem Grunde und der Höhe nach. Dies verstärkte natürlich die ungehemmte Entwicklung des Knaben und seines verborgenen inneren Bauplans in der Auseinandersetzung mit der Umwelt erheblich, wie sich später erweisen sollte.

Das betraf also Edom.

In derselben Bewahranstalt begann auch das Mägdelein Violetta allmählich, wie eine früh aufbrechende Rosenknospe die Blätter aufzufalten und den Kern heranreifender Anmut bloßzulegen, was Verehrern von humanbiologischen Rosenbeeten mit geschultem Sachverstand nicht verborgen blieb. Zu solchen Experten gehörte ein die Entwicklung der Bewahrbefohlenen aufmerksam beobachtender, die positiven Eigenschaften und Merkmale auftragsgemäß aufspürender, fördernder und trainierender Unterweiser, der insbesondere an Violetta ideale und auszubildende Grundeigenschaften, Fähigkeiten und Möglichkeiten künftiger Anwendung auch im postjuvenilen Lebensstadium feststellte.

Daher ließ er sie abseits der allgemeinen Lehrschemata zwecks besserer Trainingsmöglichkeiten oftmals zum Einzelunterricht in sein Büro kommen. Dort unterwies er das Mädchen in mancher Form der Anschmiegsamkeit, im Training der Gelenkigkeit mancher Übung in schon etwas fortgeschrittenem Ausbildungsstadium unter Zuhilfenahme von Materialien für Formen der Selbstverteidigung, wozu es ja auch eines Trainers bedurfte. Doch dieser meinte, derlei Übungen seien späteren Kurseinheiten vorgesehen, man beschränke sich vorderhand auf das Wesentliche.

Diese Schulung sollte Violetta tatsächlich später von großem Nutzen auch mit finanzieller Umweg-Rentabilität – Körperkunst zu monetärem Zuwachs gewandelt – werden. Sie stellte die Richtigkeit der weisen Formulierung „Non scholae sed vitae discimus“ fest. Sie begegnete ihrem Trainer der ersten Anwendungsschritte dieser Kunst später wieder auf den verschlungenen Lebenswegen, und er durfte beeindruckt das volle Aufgeblühtsein der Rosenknospe feststsellen. Die Rose Violetta erinnerte sich, dass es ihr damals an Honorar für die Sonderleistung ermangelt hatte, das sie nun – spät, aber doch – mit Sachleistungen abzugelten anbot. Das Angebot wurde mit großer Freude angenommen, wobei die Begleichung zuweilen einen Angebotsüberschuss ergab, den zu konsumieren der Extrainer infolge altersmäßig schon vermindertem Energiehaushalt etwas Mühe hatte.

Über Analysen und Geschäftsfelder

Es war bei zunehmenden Reifegraden infolge der bioprogrammatischen Gesetzmäßigkeiten unter der Sonne des Lebens die Zeit des von Generation zu Generation traditionell gepflogenen beliebten „Doktorspielens“ herangekommen: sich erst noch spielerisch der Unterteilung in zwei Hauptgruppen der Individuen, deren Merkmalen, deren Bedeutung und deren praktischer individueller und/oder gemeinschaftlicher Nutzanwendung schrittweise bewusst zu werden. Was natürlich als Organismus-Befehl zwingend auch bei Edom und Violetta ankommen musste.

Die in Basistraining schon etwas besser vorangekommene Violetta, auch durch Lektüre einer Informationsreihe, die Dinge und Erscheinungen unserer und anderer Welten jedermann leicht verständlich erklärt, wusste schon, was zum Beisiel bei Erörterung des Gesundheitszustands ihres und Edoms Großvaters in erlauschten Zwiegesprächen ihrer Eltern gemeint war, nämlich die Anwendung eines „CT*“. Das sei eine Röhre, in die der Mensch geschoben werde, und in dieser tasteten ihn unsichtbare Hände ab, um Unartigkeiten des Körpers ausfindig zu machen.

Edom und Violetta beschlossen, eine Doktorspielreihe unter Berücksichtigung dieser medizinisch-technischen Methode zu starten – mit wechselnder Personsfunktion, einmal er Doktor und sie Patientin, dann sie Ärztin und er Patient.

Da es ihnen eines technischen Instrumentariums, nämlich eines Computers und einer mit diesem verbundenen Röhre, ermangelte, beschlossen sie, von der CT-Technik die Abtastfunktion ohne Hilfsgerät zu übernehmen, was – stellte sich bald heraus – auch genügte.

Es wurde das Los geworfen, wer zuerst die Rolle des Arztes und wer die Rolle des Patienten übernehmen wolle, wonach es zum Rollentausch käme.

Das Arztlos traf Edom.

Er rief die Patientin in seinen Praxisraum und bat sie, sich freizumachen, durchs Gewand könne er weder sehen noch fühlen. Violetta machte sich also frei und bot sich den analysierenden Händen des Arztes hüllenlos dar. Dieser stellte beim gewissenhaften und keine auch noch so kleine Oberfläche des Studienobjekts auslassenden Abtasten fest, welch markantes Oberflächenprofil sich an dem Objekt zu entwickeln begann. Außerdem stellte er bei der Analyse tieferer Struktur eine gefurchte Unebenheit fest, deren Sinnhaftigkeit ihm fürs Erste nicht klar, wenig später jedoch durchaus klar wurde.

Nun war der Rollentausch vorzunehmen.

Die Ärztin bat den Patienten in ihren Praxisraum und bat diesen, sich freizumachen. Dieser tat wie geheißen und harrte des Kommenden. Die junge Ärztin, bereits mit Initiativ-Energie versehen, nahm resolut die Sache in die Hand (die linke, mit der sie sich zwecks Handhabung diverser Gegenstände und Ausführung von Bewegungen besser verstand als mit der rechten). Sie stellte beim gewissenhaften und keine auch noch so kleine Oberfläche des Studienobjekts auslassenden Abtasten fest, dass eine gewisse Abteilung des Körpers des Patienten sich bei der Handhabung als in Form, Haltung und Mobilität sowohl in der Masse als auch in der Festigkeit als variabel erwies.

Dem Patienten Edom wurde bei der Untersuchung irgendwie „ganz anders“, beichtete er der Ärztin, doch im Zuge der Erhebungen wurde ihm auch die Funktion der gefurchten Unebenheit an der unteren Struktur der Ärztin klar. Er machte den Vorschlag, man solle die Arzt/Patienten-Eigenheiten kombinieren, die beiden Faktoren tiefenwirksam verschmelzen, da sich ihm solcher Vorgang als möglich erschien.

Davon riet Violetta ab, die sich in Sachkenntnis, Methodik und allfälligen Folgen der vorgeschlagenen Verschmelzung schon besser unterrichtet zeigte (eine einige Jahre ältere Schulfreundin mit schon größerer, auch außerschulischer Erfahrung geizte nicht mit der Weitergabe ihrer Kenntnisse an die Jüngere). Erstens würden solche Verschmelzungsvorgänge im Familienkreise sowohl personell als auch rechtlich als unangebracht beurteilt, und insbesondere bei allfälligen ungewollten Folgeerscheinungen würde die Sache mehr als kompliziert, von der Beurteilung und Sittlichkeits-Herabstufung durch die moralinsaure Umwelt ganz abgesehen. Es werde davon zwar etwa in kulturgeschichtlich richtungweisenden elendslangen und faden Geschichten mit Musik im Theater* berichtet, aber auch dort gingen die Sachen nicht gut aus. Auch im Geschichtenbuch der in Sachen Umweltbräuche, Sitten, Folgen von Unrechttun erstklassig beschlagenen Brüder Grimm sei – etwa in der Geschichte von Hänsel und Gretel – davon nicht die Rede, also gäbe es dergleichen offiziell nicht. Was das Beiziehen von außerfamiliären Partnern zu derlei von Edom vorgeschlagenen Aktionen anlange, warte man noch ein wenig zu, bis sich dazu Gelegenheiten ergäbe nach einer gewissen Wartezeit mit damit verbundener weiterer Reifung.

Die CT-Parallele

Bericht von einem Arztbesuch der Mutter, der mit der beschriebenen CT-Technik ohne Computer in Verbindung zu bringen ist:

Die Mutter Edoms und Violettas ist eine in jeder Hinsicht wohlansehbare Erscheinung, strukturell und antlitzmäßig harmonisch. Sie besucht gerne in Kurzabständen, um in der Körpersubstanz „nichts anbrennen“ zu lassen, falls etwas zu glimmen beginne, einen Körperspezialisten, eingeschossen auf alles, was Frau ist, von Sachen, die nach „der Weiber Weise“ sind, wie schon das vorerwähnte Geschichtenbuch solche Vorgänge behutsam umschreibt, bis zur Beobachtung der Leibesfrucht vom Keim bis zum Ankommen.

Aus einem eines nachfernsehabends etwas verhalten gemurmelten Gespräch der Eltern in deren Schlafgemach wurde von den Zwillingen im Nebenraum infolge der akustisch transparenten Trennwände einer Einheit des sogenannten „sozialen Wohnbaues“ das Wesentliche aus dem (hauptsächlich) Monolog gefiltert, und das war:

Der Spezialist, auf Weibliches eingeschossen, mache wirklich gründliche tomographische Untersuchungen, taste besondere Bereiche wieder und wieder ab. Es bestehe nämlich besonders bei weiblichen Personen von körperlicher Anziehungskraft die Gefahr, es niste sich etwas in den Körper ein, was nicht dorhin gehöre. Die Gefahr sei desto größer, je größer die Anziehungskraft. Er drücke sich zu wiederholtem Male bei der Visite von Schicht zu Schicht durch, wobei die Begriffe sensitiven Erkennens und erspürenden Eindringens sich überlappten.

Er habe ihr bei der jüngst stattgehabten Visite einen Vorschlag gemacht: Er beginne eine medizinisch-wissenschaftliche Versuchsreihe über biochemische Phänomene bei besonderen Körperkontakten, mit dem ungefähren Arbeitstitel: „Wirkung der Anwendung unterschiedlicher Methoden mechanischer Maßnahmen auf die gesamte Physis und die Untersuchung vermuteter Kettenreaktionswirkung auf die Psyche“. Zur Analysemethode zählten natürlich auch serienmäßige Tiefbohrungen.

Die Finanzierung der Arbeit über einen besonderen Universitätsfond sei bereits gesichert. Da sie stets als Letzte in der Warteschlange in der Ordination an der Reihe sei, schlüge er der Einfachheit halber vor, die Versuchsreihe nach Ladenschluss vorzunehmen, das erspare eigene Anreise und unnötigen Zeitaufwand. Sie solle als Nullnummer der Serie geführt werden und man könne die Serie auch gleich starten. Der längere Aufenthalt in der Praxis könne mit besonderen wissenschaflichen ehrenden Aufgaben begründet werden, Details unterlägen natürlich der kontinental zum Schutz der Individualität und deren Tun und Lassen konstruierten Datenschutzgrundverordnung.

Sie habe aber lieber noch nicht gleich die für die Durchführung vorgeschlagene Stellung eingenommen, da sie wissen wollte, was ihr redlicher Gatte von dem Vorschlag halte. Dieser meinte, man scheine gefühlsmäßig von der Redlichkeit des vorgeschlagenen wissenschaftlichen Tuns einige Abstriche machen zu müssen, und ob sie nicht sicherheitshalber einen Fachmann-Wechsel zu einer Fachfrau in der Materie in Erwägung ziehen solle.

Der weibliche Elternteil kommentierte diesen Vorschlag vorerst nicht, da ihm eigentlich die gründlichen Untersuchungsmethoden, Risken im Körper im Keim zu ersticken, grundsätzlich kein Unbehagen verursachten. Auf die wissenschaftlich intensive Serienarbeit wäre aber doch sicherheitshalber erst einmal zu verzichten.

Die Geschichte eines Start-up-Unternehmens

So ging eine Zeit des Reifens in das Land, durch das Land und wieder hinaus aus dem Land, wie Wein von der Blüte bis zur Bütte reift. Konsequent begleitete sie auch Edom und Violetta in deren Hülle kameradschaftlicher Gemeinsamkeit der Wissensaufnahme und allgemeiner Partnerschaft. Gemäß staatlicher Verordnung, geschlechtsspezifische Verklammerung in der juvenilen Treibphase gar nicht erst Thema werden zu lassen und das heranreifende Menschenmaterial rechtzeitig an die Gegebenheiten unterschiedlichen Mensch-Seins zu gewöhnen, wurden Edom und Violetta in sogenannte gemischte Klassen geschlichtet: Mädchen drüben, Buben herüben, wie in der Kirche beispielhaft vorgegeben. Die Population drüben kam schneller mit der Wissensaufnahme und -verarbeitung voran als die herüben. Das hing vielleicht weniger mit geschlechtsspezifischer Begriffstutzigkeit zusammen als mit der Tatsache, dass etwa Violettas Reifestadium – um beim Wein als Vergleich zu bleiben – augenscheinlich schon sehr fortgeschritten schien, sozusagen die Trauben sich Winzern schon in strotzender, Süße signalisierender Fülle zur Ernte darboten.

Diese dargebotene Fülle sorgte für Unruhe in der hormonellen Struktur der noch nicht in den Weinberg zur Mitarbeit am Keltern geladenen Klassenpartner Edoms und Violettas, von beiden in Ursache und Bedarf richtig analysiert.

An einem schönen Waldrand sitzend in von Elternschaft und Bildungseinrichtung genehmigter freier Zeit, in der von dem stillen Gelände – bienendurchsummt, blütendurchduftet – angeregten Zuneigungsform sich hart an die vom sogenannten „Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch“ und dessen breitgefächerten Auslegungen verordnete „rote Linie“ herantastend, entwickelten Brüderlein und Schwesterlein einen Plan: Wie man Violettas schon starke Anziehungskraft, ihren sich parallel zur Strukturentwicklung ausbildenden Geschäftssinn und Edoms körperlich kraftvolles Vermögen, bei unterschiedlichen, nicht akzeptablen Auslegungen geschlossener Verträge von Geschäftspartnern schnell sozusagen „klar Schiff“ zu machen, ummünzen könne zu beiderseitigem Nutz und Frommen.

Sie entwickelten eine Wirtschafts-Rechtsform, die Anspruch, Anforderung und Abwicklung gleichermaßen entsprechen sollte für den Eintrag in das Handelsregister als sogenanntes „Start-up-Unternehmen“: eine förderungswürdige Initiative Jungwirtschafter. Eingetragen werden sollte die „Corpserv GesmbH“, „Körperbedienungsgesellschaft mit beschränkter Haftung“, damit – Eventualitäten vorausschauend einkalkulierend – für Nachteile irgendwelcher Art, die aus der Nutzung entstünden, keine Haftung schlagend würde. Der Erlag des Stammkapitals solle auf Ersuchen gestundet werden, bis das Unternehmen Gewinn abwürfe, woran jedoch kein Zweifel bestünde. Geschäftspartner sollten die Schulpartner werden, denen man das Unternehmen mittels eines unauffällig, wenig in größere Öffentlichkeit ausstrahlenden Marketing-Konzepts offerieren könnte.

Ausgearbeitet wurden Nutzungsbedingungen der Gesellschaft, entsprechend den unterschiedlichen monetären Verhältnissen der ins Auge gefassten Geschäftspartner.

Dreistufiger Leistungskatalog:

Full ServiceSektoral definierte Bedienung gemäß PartnerwunschReine Ansichtssache (mit Genehmigung persönlicher Eigenversorgung entsprechend allfälligem Bedarf während der vertraglichen Nutzungszeit)

Leistung im Zehnminutentakt

Entrichtung der Gebühr vor Beginn der tariflich bestimmten Leistung in konvertierbarer Währung (ein zwingend in die Nutzungsverordnung aufzunehmender Paragraf mit Bedachtnahme auf bei eventueller späterer Ausweitung des Unternehmens mögliche Geschäftspartner, aus ferneren oder ganz fernen Landen, deren Währungswert die Welt nicht gerne in weiteren Umlauf brachte)

Dies schien beiden eine praktikable Sache. Die Tarifordnung würde noch der Feinabstimmung bedürfen, doch wäre das derweilen sekundär: Primär gelte es, die Frage der Finanzverwaltung sowie danach jene des Firmensitzes zu beantworten.

Es wurde bei der gediegenen Bank der Kommune ein sogenanntes Jugendkonto eingerichtet: Dies war eine Idee der kontinentalen Bankengemeinschaft, den Spartenfächer der Ummünzung von Privatgeld zu Bankgeld zu erweitern, mit der pädagogischen Schutzbehauptung, das Bewusstsein um den Wert des Geldes schon bei der heranreifenden Jugend zu verstärken und sie den ökonomischen Umgang mit der Ware Geld zu lehren (wobei der Schwerpunkt der Ökonomie bei der Bank selbst liegen sollte). Das Zugriffsrecht auf das Konto gelte für beide.

Dann die Frage des Firmensitzes:

Bei der Erörterung dieser Frage fiel Edom das breiter gefächerte Vermögen des Vaters eines Klassenkollegen ein, zu dem eine Jagdhütte in guter Entfernung von dem in jeder Hinsicht störungsanfälligen Zentrum der Kommune zählte, wohl verkehrstechnisch gut erreichbar, doch eher publikumsfern an einem Waldrand vor Wiesengrund.

Er gedachte, mit dem Kollegen dieserthalben in Kontakt zu treten, was geschah und von dem Kollegen nach Begründung des Ansinnens auch dessen Vater vorgetragen wurde: Die Klasse habe vereinbart, sich an freien Nachmittagen zwecks Lernpartnerschaft – Vorbereitung auf Prüfungen, die ja allzeit anstünden – zu einem teammäßigen „Braintrust“ zusammenzutun, wofür sich Vaters Hütte samt Umfeld bestens eigne, zum konzentrierten Lernen und dazu auf dem Umgebungsgrund die Körper trainierend mit sowohl lockernden wie auch gymnastischen Übungen.

Der Vater stimmte diesem gut begründeten und durchaus bejahenswerten Vorschlag zu und gab der strebsamen Jugend grünes Licht, d. h. den Sclüssel zum Objekt, das von der Corp­serv GesmbH zum Firmensitz erkoren wurde.

Die Brauchtums- und Trainings-Immobilie

Der ausersehene Firmensitz befand sich also an günstiger natürlicher wie strategischer Lage. Er war außen als Kombination von gepflegter Wildererhütte und bescheidenem Forsthaus gestaltet, harmonisch eingepasst in die alpenländische Szenerie, symbolhaft die Interessens-Variationen Wilderer und Förster kombinierend mit leichten Krickeln (heimischen Ursprungs) als Fensterumrahmungen sowie einem mächtigen schaufelförmigen Kopfputz (Importware, Bestandeil eines mächtigen Geschöpfes gewesen) als Begrüßungselement über der naturangepassten grün gestrichenen Tür.

Das Innere war für nachjagdliche Entspannung in geselliger Runde ausgestattet mit einem (für zeitweise Einmieter wie eben jetzt unzugänglichen) Schrank, inhaltlich ausgerüstet mit mancherlei Zielwasser, gedacht als erst Nervosität milderndes Lockerungs- und dann Anregungsmittel für die nachjagdlichen Traditionshandlungen der Jagdgesellschaft. Wesentlich an der Einrichtung waren weiche Pfühle, arrangiert auf solidem Grund, den auch wilde Ritte am Waldrand nicht schädigen konnten. Sie hatten Schwerpunktfunktion für die traditionelle Zusammensetzung der Gesellschaft. Denn (anders als bei berühmten alten Orchestern, die sich hundert Jahre und mehr gegen Spielpartnerinnen sperrten) war gendergerechte Durchmischung Brauch, also nicht nur aus Weidmännern, sondern auch aus Weidmänninen bestand die Schießgesellschaft.

Nach rückstoßreicher Störung lebender Materie in Hain und Flur fand man sich in der Hütte des gastlichen Jagdfreundes ein und gedachte eines Zusatzparagraphen, der nach Vereinsbeschluss dem allgemeinen Jagdgesetz und -recht beigefügt worden war, nämlich: das Halali im Freien nur als ersten Teil des Abblasens der Aktion gemäß Brauchtum zu betrachten, den zweiten Teil in die Hütte zu verlegen, wo die errechnete Rückstoß-Bilanz von zuvor im Freien mit einer Vorstoß-Bilanz der geschlechtsgemischten Gesellschaft im Inneren auf den soliden Handlungsebenen austariert wurde und auch das endgültige Abblasen stattfand, wenn auch mit anderen Instrumenten als messingnen Jagdhörnern und der Begriff „Strecke“ auch eine großzügigere Auslegung fand.

Das Unternehmen kam vom Start gut weg und begann, zu florieren, wenn auch vorerst an eine Ausweitung der Geschäftspartnerschaft über den Klassenverbund hinaus zur Vermeidung falscher Ansicht von der Sache, sollte solche durch Lücken im Aktionsnetz in der Öffentlichkeit entstehen, nicht gedacht war.

So sammelten sich auf dem Einnahmenspeicher der Firma Corpserv allmählich hübsche Sümmchen, wobei Interessenten aus dem Leistungsverzeichnis mehr die Position zwei als die Position eins wählten, noch mehr als die zwei die Position drei, da die monetären Verhältnisse der Teilhaber-Mehrzahl doch Beschränkungen unterworfen war. Aber die Bestätigung „Kleinvieh macht auch Mist“ im Handelsverkehr bewahrheitete sich befriedigend.

Violetta aber, die Frühreife, deren Verstand über das Haus hinausreichte und auch Faktoren in ihre Überlegungen einbezog, die neben der Ökonomie auch andere Elemente eines Lebenslaufes betrafen, befahl den Geschäftspartnern, sie sollten als zweiten Faktor nach der Primäraktion an die Vereinbarung denken, die gemeinschaftliches Büffeln als Pachtgrund angab – eingedenk der Tatsache, dass das Leben nicht nur aus Glücksmomenten bestehe, woran sie ja des folgenden Morgens in der Bildungsanstalt nachdrücklich würden erinnert werden.

Dieser Empfehlung kam die Gruppe umso leichter nach, als es nach der zuvor durchgeführten Druckentlastung eher möglich war, sich auf Dinge zu konzentrieren, der Not gehorchend, nicht dem innren Triebe (den man ja zuvor ohnehin besänftigt hatte).

Die Netzwerk-Pflicht

So ging es nach den Bewegungsrhythmus-Übungen welcher Art auch immer, sozusagen nach der vorgezogenen Kür, an die Pflicht, sich (ein beliebiger kommender Tag als Beispiel herangezogen) sadistischen Fragen etwa zu Winkelfunktionen stellen zu müssen. Gutmütige Nachhelfer waren bereit, dem das Monetäre verwaltenden Firmen-Compagnon Edom (der bei den honorarpflichtigen vorangegangenen Aktionen die Außenkontrolle des Geländes besorgt hatte) auch in dieser Sache auf die Sprünge zu helfen, da es in seiner Denkzentrale doch etwas dunkel war. Es war nicht einfach, dem körperlich Kraftvollen, geistig eher schwachen Kommilitonen (um beim Beispiel zu bleiben) den Unterschied und die Bedeutung von trigonometrischen, Kreis-, goniometrischen Funktionen in die Ganglien-Systeme zu fräsen, von Sinus, Kosinus, Tangens, Kotangens, Sekans und Kosekans, von Gegenkathete, Ankathete, Hypotenuse. Solches Wissen betrachtete er für seinen späteren Lebensweg zwar als von geringer Bedeutung, aber in der Pflicht-Wartezeit vor lebenspraktischeren Etappen im Netz des Bildungsgestrüpps gefangen, musste er das Entfesseln erlernen als Training für Auswege anderer Art im Leben, da half nichts.

Eine andere Gruppe beschäftigte sich mit dem großen Begriffe-Angebot des altsprachlich wortreichen Herrn Stowasser*, um der seinerzeit schon geschriebenen, nicht mehr nur gegriffelten Botschaften von Geistes- und anderen Heroen wie Cäsar oder Cicero Herr zu werden, was zwar auch diese Gruppe in Übereinstimmung mit der Meinung Edoms für ihren weiteren Lebensweg als von geringer Bedeutung erachtete, aber nun, auch sie mussten, in diesen Netzwerk-Knoten des Bildungssystems gewickelt, den Ausweg erlernen.

Wieder eine andere Gruppe beschäftigte sich mit dem Aufspüren von syntaktischen Fallen, tückisch versteckt in den weiten Landschaften lebender Sprachen, von Fußangeln, Gebilden von sadistischer Grausamkeit, die nur von diplomierten, jugendfeindlichen Assessoren hatten konstruiert werden können, denen es an anderer Befriedigung mangelte. Diese Gruppe betrachtete auch die Umgehung solcher Fallen für ihren weiteren Lebensweg als von geringer Bedeutung, da sie nicht die geringste Möglichkeit andeuteten, wie etwa der Weg zum Nobelpreis beschaffen wäre, aber auch den Ausweg aus diesen Netzwerk-Knoten zu finden, mussten sie erlernen.

So lernten sie seufzend nicht für die Vita, sondern für die Schola. Wünsche nach Ventil-Öffnung zur Milderung inzwischen wieder ansteigenden Innendrucks wurden von Violetta mit dem Verweis auf im geleisteten Arbeitspreis des Tages nicht vorgesehene Zusatzleistungen des Fruchtgenusses abgelehnt, es folgte das Offert neuer Zeitverträge späteren Datums.

Es wurden pünktlich die Einnahmen aus dem Geschäft in der Bank abgeliefert. Dem Kassier fiel die Regelmäßigkeit der wenn auch unterschiedlich hohen Eingänge auf, und dass auf der Haben-Seite der Bank kein Vorteil aus dem Konto entstand, einfach gesagt: Die Haben-Seite des Kontos blieb beharrlich auf Haben und die Leiste schwoll an, wogegen die Soll-Seite sich gleichbleibend als gähnend leer erwies. Damit verlor die Sache für die Bank jeden Witz, da schließlich nicht der Kunde, sondern sie profitieren sollte. Ihre Betriebsform firmierte ja als „Geldgeschäft“, wobei sie den Begriff als auf ihr Betriebsergebnis bezogen betrachtete und nicht auf die Anliegen der Person vor dem Ein/Aus-Schalter des Kassenraumes.

Da inzwischen in der Volksmeinung Überlegungsakzente die Gerüchtebörse zu färben begannen, was die Aktivitäten des Geschwisterpaares außer Haus betraf, beschloss der Kassier, seinem für den kleinen Geldverkehr (also Kleinkontoinhaber) zuständigen Vorstandsdirektor Meldung zu erstatten, dass ihm die Sache – von der Perspektive zu erarbeitender Vorteile für das Institut her betrachtet, und dass außerdem im öffentlichen Raum einiges gemunkelt werde – als nicht ganz astrein erscheine.

Der Herr Vorstandsdirektor dankte dem Subalternen für seine Aufmerksamkeit, er werde auf das Konto sowie deren Inhaber ein Auge werfen.

Als Haushaltsvorstand fühlte er sich berechtigt, seinem minderjährigen, rechtlich noch Abhängigen im Hausverbund Fragen zu stellen, wie es denn mit der Lernaktivität in und an der Jagdhütte bestellt sei: ob sie zu positiven Ergebnissen in der Bildungsansalt führe und welcher Art überhaupt denn die in der Nutzungsvereinbarung erwähnten gymnastischen körperlichen Ausgleichsübungen zu der anstrengenden Geistesarbeit seien. Es bliebe ja mangels Trainings-Zusatzgeräten nur die in Gruppen auszuführende „Exercitia spiritualia“, also ein Zeitraum der Besinnung und geistlicher Übungen, auf alten Regeln fußend. Oder bewege man den Zentralkörper sowie in harmonischer Abstimmung Kopf, Arme und Beine zum Aufwärmen der allgemeinen Motorik wie in fernöstlichen Parks Hundertschaften, doch geschehe dies dort des frühen Morgens – eben der Aufwärmeaufgabe wegen –, aber zu dieser Zeit säßen sie ja im Bildungsinstitut, in dem das Fach „Leibesübungen“ sicher pädagogisch spezielle Programme anbiete.

Der rechtlich von der Zuteilung monetärer Mittel zur Eigenbefriedigung kleinerer Bedürfnisse noch Abhängige ahnte, sowohl Eigenbefriedigung als auch jene kleinerer Bedürfnisse im Funktionsverbund bedürften vielleicht näherer Erklärung.

Die Unternehmens-Prüfung

Nach Rücksprache des Abhängigen mit den Unternehmenspartnern wurde der Beschluss gefasst, den Hütteneigner zu einer Exkursion einzuladen, bei der ihm das Doppel Lern- und Gymnastikprogramm erläutert werden sollte, damit Klarheit entstehe.

Der Hütteneigner erklärte sich zu der Exkursion bereit und führte diese eines schönen Nachmittags auch durch. Die Hütte und deren Umfeld waren ihm bekannt, die Zusatzinformationen folgten präzise und nachvollziehbar:

Das Unternehmen Corpserv GesmbH sei ein reelles, nicht ausdrücklich auf Gewinn ausgerichtetes Unternehmen (so er sich ergäbe, würde er als Investitionsrücklage definiert). Es wurde dem Hütteneigner das zentrale Unternehmens-Betriebsmittel vorgestellt. An die Vorstellung knüpfte sich der Vorschlag, er solle einen wöchentlichen Pachtzins in Form einer Naturalzuwendung aus der Gebühren-Leistungsgruppe eins – der höchstwertigen – des Betriebsmittels erhalten. Der Firmensitz sei ihm ja bestens bekannt, auch die diesem innewohnenden sachlichen Eigenheiten. Eine praktische Exkursionsübung – natürlich auf Kosten des Unternehmens – sei im Programm der Erklärung vorgesehen.

Der Hütteneigner nahm das Betriebsmittel in Augenschein, überzeugte sich bei einem Probelauf auf diesem von der variationsfreudigen und ideenreichen Mobilität des auch formal höchstwertigen Zentralorgans des Unternehmens mit akzeptabler Preis-Kalkulation und fand den Vorschlag als vertragstauglich. Der Vertrag wurde per Handschlag besiegelt, gemäß ABGB rechtlich bündiger als ein fades Schriftstück. Außerdem wurde am Eingang des Zugangsweges ein Schild „Allgemeines Fahrverbot“ samt Nutzungsverbot anderer Art auf einer Zusatztafel montiert, Übertretungen würden geahndet.

Dies bedeutete Schutz vor Nachstellungen. Die Frage, wie mit Genossen der Jagdgenossenschaft des Hütteneigners umgegangen werden solle, die ja laut Jagdrecht von der Befolgung der Tafelbefehle ausgenommen seien, wurde dahin gehend beantwortet, dass den Genossen die Vorgänge an und in der Hütte gleichgültig sein würden, außer zur Zeit des Eigenbedarfes, doch das werde in einer eigenen Vorstandssitzung geregelt.

Noch zu erwähnen: Der Hütteneigner war auch der von dem besorgten Subalternen der Bank informierte Vorstandsdirektor eben dieser Bank. Dem besorgten Manne wurde Bescheid gegeben, es habe alles seine Ordnung. Die Aktiva der jungen Kontoinhaber mit ihrer erfolgsorientierten Geschäftsgebarung seien beispielhaft im Sinne positiv gestalteter Volkswohlfahrt im kontinentalen Sinn.

Damit war das Problem vom Schreibtisch.

Weitere Zeiteinheiten zogen ins Land und auch wieder hinaus. Es waren Zeitgrenzen gezogen worden, auch was das Geschehen in der Bildungsanstalt anlangte. Die Zeit der Überwindung der Schlusshürde vor endgültiger Entlassung aus der Anstalt war herangekommen, damit auch das absehbare Ende des Unternehmens Corpserv GesmbH infolge Wegdriftens der Geschäftspartner in Richtungen des Lebens, deren Routen an der Hütte vorbeiführen würden.

(Violetta würde neue, individuell gestaltete Verträge auf Teilzeitarbeit an andereren Geschäftsstellen schließen, die sich sachlich in etwa jenen der Corpserv GesmbH annähern sollten. Doch davon später.)

Das Beschreiten neuer Wege

Es ergab sich der Nutzen einer schon vor Längerem entwickelten Symbiose in der Anstalt. Ein Junge von körperlich geringer, aber geistig großer Nutzkraft hatte Edoms Nebensitz auf der Schulbank gedrückt. Edom, zwar im Obergeschoß gering möbliert, aber mit praktischen Fähigkeiten zum Überleben ausgestattet, schloss als körperlich gut Ausgestatteter mit dem geistig Stärkeren einen Gemeinschaftsvertrag, eben die Symbiose: Er, Edom, übernehme die Aufgabe der Definition einer Schutzzone im Schulhof, deren Grenze zu überschreiten durch Händel suchende Mitleidende der Anstalt, den erkennbar Schwächsten als sogenannten „Watschenmann“ als Pausenfüller zu nutzen, er verbot. Was das Verbot bei Versuchen der Übertretung bedeutete, mussten einige Versucher nicht grad’ mit dem Leben, aber doch mit Blessuren bezahlen, die ihre volle körperliche Einsatzfähigkeit für einige Zeit verhinderten. Solches sprach sich rasch herum.

Dafür übernahm der körperlich zarter ausgestattete Partner, den Edom der Einfachheit halber „Doc“ rief, die Aufgabe, Edom sowohl in der Vorbereitung auf die Bildungsanstalt-Schlusshürde als auch beim Überwinden dieser mit fintenreich übermittelten Hilfsmitteln behilflich zu sein, was mit einigem Stolpern, aber nicht Fallen, Erfolg hatte.

(Diese Symbiose sollte eine unerwartete Fortsetzung finden.)

Violetta war die Überwindung leichter gefallen, da sie bei vorgeschlagenen Vorbereitungs-Einzelklausuren zu kniffliger Thematik mit erfahrenen pädagogischen Beratern die Befassung mit der theoretisch behandelten Materie mit eigenkörperlicher Materie kombinierte, was der Gutschrift von Punkten bei Abschlussprüfungen förderlich war.

Nun war also der Weg frei in einen neuen Abschnitt des Lebens. Der Doppelnachwuchs Herrn Leberechts beschloss – wie Schwalben nach erledigter Entwicklung der Flug- und Jagdtechnik –, das elterliche Nest zu verlassen. Der Start zu und Einzug einer zweiten Brut in dieses war infolge Beruhigung der Impulse zum Start und auch wegen Abnützung der dazu notwendigen Mechaniken nicht zu gewärtigen, weshalb Herr Leberecht, der auch mit Nachwuchshilfe Fortschritte in der Vernetzung berufsnotwendiger Maßnahmen mit dem trauten Heim gemacht hatte, damit solches in ein „Homeoffice“ umgenannt werden konnte, solches installierte in den bisher der Jugend vorbehaltenen Räumlichkeiten.

Jedenfalls: Die Doppelfrucht des Hauses zog aus, aber wohin und wozu?

Edom schlug vor, man tauche in den Großstadtdschungel ein und versuche, in einer Art Mangrovenlandschaft des Dschungels einzuwurzeln, also das Geschäftsleben im Mischbereich bitteres Salzwasser (lauernde Rechtsfallen, vom habgierigen Staat montiert, der jeglicher merkantiler Initiative verlustbringende Steine in die Bilanzfront werfe) und gutes Süßwasser (sacht sprudelnde Gewinnwellen, an den Staatssteinen vorbeimurmelnd) anzusiedeln. Das bedeutete in praxi, man könnte doch eine den veränderten Verhältnissen angepasste Firmenneugründung nach Art der früheren Corpserv GesmbH überlegen. Im Großstadtdschungel gäbe es sicher ein ertragreiches Betätigungsfeld abzustecken, man müsse nur eventuell dort eingewurzeltes Gestrüpp entfernen, es gäbe Musterbeispiele, wie so etwas zu bewerkstelligen sei.

Violetta, deren Sachverstand – wir wiederholen uns – über den des sogenannten Hauses hinausreichte, meinte, sie seien inzwischen beide alt und erfahren genug, ihre Lebensgeleise in verschiedene Richtungen zu biegen. Edom möge sein Glück als eigenständiger Jungunternehmer versuchen, eine ertragsorientierte partnerschaftliche Geschäftsgründung der überlegten Art scheine schwierig. Behutsam angestellte Recherchen hätten ergeben, es seien die ins Auge gefassten Geschäftsfelder des Handelssegments bereits im Beziehungs-Myzelium des Staatsdschungels nach tief unten (oder hoch oben, je nach Betrachtungs-Perspektive) gut genutzt. Weiteres Wurzelwerk überlaste den Boden. Wer sich zusätzlich auf diesem Grund ernähren wolle, liefe Gefahr, er übersehe auf diesem Dinge, wie sie im Pflanzenbereich Knollenblätterpilz oder Maiglöckchenkraut geheißen werden, oder, wie im Tierbereich, im mildesten Fall Kreuzotter oder im wirkungsvolleren Fall Sandviper, wenn man verstehe, was gemeint sei, jedenfalls nicht verhandelbar.

Außerdem erinnerte Violetta Edom an eine am Horizont aufziehende dunkle Wolke, die er im Bestreben, ein zukunftsorientiertes Geschäftsleben aufzuziehen, übersehe: Er habe von Staats wegen (dieser möge von ihm geschätzt werden oder nicht) einen Zeitabschnitt vor sich, der sein bisheriges Leben abstoppe. Er werde in ein Vakuum geraten, in eine Wartezeit, aus der, irgendwann wieder entlassen, sein Leben möglicherweise Anschluss an das vorige, unterbrochene, finden könne. In dem Vakuum selbst werde er ein Nichts sein. Diese Zeit stehe unmittelbar bevor, er möge sich rüsten.

So entwickelte Violetta, die Beziehungs-Anknüpfungs-Virtuosin in eigener Sache, ihre personsbezogene Methodik.

Sie fand sich im Dschungel schnell zurecht, wich Schlangen und Raubtieren aus, verwickelte sich nicht in Lianen, mied Fallgruben, deren Form und Art sie schnell erkannte. Sie konnte sich schnell einen Lebenswandel solider materieller Struktur in einer Arbeitszentrale in guter Lage leisten, mit kurzen Arbeits- resp. Empfangswegen zu und von hohen nationalen und internationalen Behörden und deren potentem Personal. Sie war jedoch schlau genug, die auf einem Konto in datenverschwiegener Bank stetig sich verbreiterende Basis der Lebens-Mittel nicht zu sehr außer Haus zu demonstrieren, fuhr statt eines SUV einen praktikablen, unauffälligen, jedoch im Inneren variabel ausgestatteten guten Mittelklassewagen, der auch fallweise notwendige Fahrdienstleistung ermöglichte. So war sie im allgemeinen und im besonderen Verkehr nicht besonders auffällig, wiewohl in exquisiten Kreisen von ihr als der neuen Nitribit* geredet wurde (ohne dass sie das Bedürfnis verspürte, ihre Lebenszeit werde fremdbestimmt bemessen wie jener). Mehr dazu später.

Erst weiter zu Edom. Violettas Prophezeiung bewahrheitete sich, die Wolke sauste schnell heran, hüllte ihn ein und er verschwand darin.