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Die Gezeiten von Liebe und Krieg. Ein abenteuerlicher Roman über einen Kriegsreporter, eine Liebe unter extremen Bedingungen und über die Sucht nach Gefahr Moritz Martens, einst gefragter Kriegsreporter, bekommt seit Monaten keine Aufträge mehr. Er ist müde geworden, sein Konto ist fast leer, seine Ehe ist schon vor Jahren gescheitert und seine Affären machen ihn nur noch einsamer.Da weht der Zufall eine Frau in Martens' Leben: Die faszinierend fremdländisch wirkende Miriam Khalili. Ihr Vater war einst aus Afghanistan geflohen, sie selbst ist in Berlin aufgewachsen. Miriam erzählt Martens eine unglaubliche Geschichte: Sie würde eine junge Afghanin kennen, die als Junge verkleidet seit Monaten mit einer Talibangruppe durch die Berge zieht. Der Anführer der Gruppe ist weit über die Grenzen des Landes hinaus für seine Brutalität und seinen Frauenhass berüchtigt. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis das Mädchen enttarnt wird. Um sich zu retten sei es bereit, für zehntausend Dollar ein Interview zu geben. Miriam könne über einen Kontaktmann ein Treffen an einem geheimen Ort arrangieren.Doch schon in der Transall nach Feyzabad beginnt Martens an der Echtheit der Geschichte zu zweifeln. Ganz offensichtlich war Miriam noch nie zuvor in Afghanistan und verwickelt sich auch sonst immer mehr in Widersprüche. Doch Martens liebt das Unvorhersehbare und lässt sich trotzdem auf das Abenteuer ein.Er kann nicht ahnen, wie sehr das, was ihn in Afghanistan erwartet, sein Leben verändern wird. »Endlich, endlich sind wir im Hier und Heute! Da ist sie ja, die Gegenwart der oft ja nur sogenannten Gegenwartsliteratur.« Richard Kämmerlings (Die Welt) zu einer Vorstufe des Romans
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Linus Reichlin
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zur Kurzübersicht
Linus Reichlin, geboren 1957, lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Sein in mehrere Sprachen übersetzter erster Roman Die Sehnsucht der Atome stand monatelang auf der Krimi-Welt-Bestenliste und wurde mit dem Deutschen Krimi-Preis 2009 ausgezeichnet, sowie für den Friedrich-Glauser-Preis als bester Debütroman nominiert. 2010 erschien sein zweiter Roman, Der Assistent der Sterne, der zum »Wissenschaftsbuch des Jahres (Sparte Unterhaltung)« gewählt wurde (KiWi 1169). Zuletzt erschien sein Roman Er (2012), mit dem er die Jensen-Trilogie abschloss (KiWi 1254).
zur Kurzübersicht
Moritz Martens, einst gefragter Kriegsreporter, bekommt seit Monaten keine Aufträge mehr. Er ist müde geworden, sein Konto ist fast leer, seine Ehe ist schon vor Jahren gescheitert und seine Affären machen ihn nur noch einsamer.
Da weht der Zufall eine Frau in Martens’ Leben: Die faszinierend fremdländisch wirkende Miriam Khalili. Ihr Vater war einst aus Afghanistan geflohen, sie selbst ist in Berlin aufgewachsen. Miriam erzählt Martens eine unglaubliche Geschichte: Sie würde eine junge Afghanin kennen, die als Junge verkleidet seit Monaten mit einer Talibangruppe durch die Berge zieht. Der Anführer der Gruppe ist weit über die Grenzen des Landes hinaus für seine Brutalität und seinen Frauenhass berüchtigt. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis das Mädchen enttarnt wird. Um sich zu retten sei es bereit, für zehntausend Dollar ein Interview zu geben. Miriam könne über einen Kontaktmann ein Treffen an einem geheimen Ort arrangieren.
Schon in der Transall nach Feyzabad beginnt Martens an der Echtheit der Geschichte zu zweifeln. Ganz offensichtlich war Miriam noch nie zuvor in Afghanistan und verwickelt sich auch sonst immer mehr in Widersprüche. Doch Martens liebt das Unvorhersehbare und lässt sich trotzdem auf das Abenteuer ein. Er kann nicht ahnen, wie sehr das, was ihn in Afghanistan erwartet, sein Leben verändern wird.
Rückkehr
I Flachland
Geiger und Zahl
Ein Geschenk
Die Einladung
Weißes Hemd
Sinan im Zimmer
The Song remains the same
Hartmanns
Busch
Nina
Abschied
II Basiscamp
Miriam
Kampe
Riesling
Zeichen
Bedenken: wem
Feyzabad
Kinder
Sagen, dass es um eine Lehrerin geht
Fluss-Gott
Handlesen
Strömung
Bazir
Buße tun
Schwimmen lernen
Keine Fragen
Tiefen
III Aufstieg
Das Werden
Vergehen
Koriander
Statsu noom za dai
Kein Mann für Sonntage
Holz
Salz
Bazir
Das Gesicht der Mutter
IV Hochebene
Bach
Repetition
Nach Hause fahren
Layha
Tee kochen
Rechnen
Entführung
Zucker
Vor der Ankunft
Tauchlehrer
Das Wort Familie
Unter Schlafenden
Ein Tipp
Evren rausholen
Ankündigung
Geld fliegt
Die anderen
Ein Stück Erde
Swimmingpool
Seine Stunde
V Abstieg
Hates you
Der Schwung
Die eigene Kraft
Grube
Weg zur Wasserquelle
Die Straße
Halal
Adidas
Die 7
A-B-C-D
Netz
Rückkehr
Verrat
In der Luft
Widmung
Im Oktober, mit dem ersten Schnee, kam Miriam zurück. Martens erkannte sie zunächst gar nicht, er hielt die ferne Gestalt für Pason, der vor einer Weile ins Dorf hinuntergestiegen war, um sich Hühner schenken zu lassen. Aber dann fiel Martens auf, dass der Mensch, den er weit unten auf der steinigen, mit einem Schneehauch bedeckten Anhöhe gegen den Wind kämpfen sah, sich im Gelände unsicher bewegte. Pason wäre geübter, müheloser hochgestiegen, er kannte den kürzesten Weg und die tückischen Stellen.
Die Schneeflocken trieben im Wind, Martens kniff die Augen zusammen. Es war Miriam, er war sich jetzt sicher. Sie blickte zu ihm hoch und blieb stehen. Der Moment des Erkennens: Er sie, sie ihn. Sie schwenkte die Arme. Ich komme, um dich zu holen! Er hob die Hand, winkte. Es war also vorbei, es endete eine Zeit, und eine neue begann. Er empfand keine Erleichterung bei dem Gedanken, nur eine Mattigkeit, und je näher Miriam ihm kam, desto matter fühlte er sich. Einzig sein Wunsch nach einem Stuhl und einem weiß gedeckten Tisch blieb übrig. Dilawar trat neben ihn, hustend und mit vor Fieber glänzenden Augen. Dilawar legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte etwas in freundlichem Ton. Martens verstand drei Worte: gut, Frau und geh.
Sechs Monate vorher, im Mai, saß Martens im Warteraum des Bürgeramts. Es war der wärmste Mai seit Einführung der Berliner Bürgerämter und der wärmste seines Lebens, das nun schon dreiundfünfzig Jahre währte und sich über zwei Jahrtausende erstreckte. Er saß hier, weil er versagt hatte. Es war ihm nicht gelungen, seine schöne, aber teure Wohnung in Schöneberg zu halten, er hatte sie verlassen müssen, um sich in einer halb so großen Wohnung an der Grenze zu Neukölln einzumieten, eine Wohnung, die bei Tag dunkel war und bei Nacht laut. Er hörte über sich ab 20.00 Uhr das mechanische Stöhnen einer Frau, die erst nach Mitternacht damit aufhörte. In den Pausen, wenn sie sich wusch und für den nächsten Besucher bereit machte, begann in der Nebenwohnung jemand Geige zu üben. Martens lebte erst seit einer Woche dort und hatte noch nicht herausgefunden, warum der Geiger nur in den Stöhnpausen der Frau spielte und damit aufhörte, wenn sie wieder zu arbeiten begann. Welcher Zusammenhang bestand da? Meist spielte der Geiger Mozart, auf eine ähnlich mechanische Weise, wie die Frau stöhnte. Die eine imitierte Lust, der andere Musik. Der Geiger gab Martens immerhin das Gefühl, noch nicht ganz am Rand angekommen zu sein, immerhin kannte in diesem heruntergekommenen Haus einer das Allegro moderato aus dem Violinkonzert in B-Dur.
Viel gelesener Reporter, dachte Martens. Viel gelesener – diesen Ausdruck hatte einer seiner Chefredakteure einmal in einem Arbeitszeugnis benutzt. Irgendwann klopfe ich beim Geiger, dachte Martens, und sage, hallo, ich war ein viel gelesener Reporter und Sie besitzen Mozart-Noten, lassen Sie uns gemeinsam eine Oper komponieren, ich schreibe das Libretto, mit Opern kann man reich werden, denken Sie nur mal an die Zauberflöte.
Martens wurde schläfrig. Alle Luft im Wartesaal des Bürgeramts war schon weggeatmet, man lebte von dem, was die anderen einem beim Ausatmen übrig ließen. Er dachte, dass er wahrscheinlich nie mehr ein viel gelesener Reporter sein würde, zu groß war die Krise, seine und die der Printmedien. Die Leute informierten sich über die Kriege dieser Welt fast nur noch im Fernsehen oder im Internet, sie trauten Bildern mehr als Texten, sie hielten Fotos und Filme für neutraler, während die deutlich gekennzeichnete Autorschaft eines Textes in ihnen den Verdacht der Subjektivität weckte. Kaum eine Zeitung räumte der Kriegsreportage noch Platz ein, und für einen Korrespondenten-Job, die einzig halbwegs akzeptable Alternative, war Martens inzwischen zu alt. Für das eine zu alt, und zu störrisch, um das andere aufzugeben: Wider besseres Wissen glaubte er nach wie vor an die Kriegsreportage, er glaubte an den Text. Er glaubte, dass der subjektive Bericht eines Einzelnen das Wesen eines Krieges und die mit ihm zusammenhängenden Vorgänge besser erschließen konnte als ein Dokumentarfilm. Gerade durch die Subjektivität gelangte man in eine Tiefe, in die der Film nie hinabreichen konnte. Beispielsweise war die Landschaft prägend für den Charakter eines Krieges. Die entscheidenden Merkmale einer Landschaft ließen sich zwar abfilmen, aber nicht ergründen, denn das Wesentliche war das Zusammenspiel zwischen den Eigenheiten der Landschaft und den Menschen, die sich auf vielfältige Weise darin bewegten. Aber es war schwierig, das den jungen Redakteuren beizubringen, den Absolventen der Henri-Nannen-Schule, deren Lebenserfahrung in eine Streichholzschachtel passte.
Ach hör auf!, dachte Martens. Er ging sich mit seinen repetitiven Klagen selbst auf die Nerven. Ihm ging es vergleichsweise gut, andere wurden beschossen. Andere sind tot, auf andere hast du vielleicht geschossen, auf die Frau in Quatliam. Der Gedanke an die Frau trieb ihm das Selbstmitleid aus. Wenn er an die Frau dachte, wurde es still in ihm.
Nach einer Weile schaute er auf. Die Leuchttafel, die die Wartenden im Warteraum in Knechtschaft hielt, zeigte die Zahl 136. In seinen Händen hielt Martens die Nummer 158. Martens ließ die Zahl 136 nicht aus den Augen. Er zählte, einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig. Bei hundertundfünfzehn änderte sich die Zahl in 137. Bei 142 betrat Miriam den Warteraum.
Miriam fiel ihm auf, weil sie sich schön bewegte. Wie sie den Nummernzettel am Automaten abriss. Wie sie die Hand des kleinen Jungen, der mit ihr war, vom Automatenknopf sanft wegschob. Die Art, wie sie den Kopf drehte, als sie sich nach einem freien Stuhl umsah. Es waren fließende Bewegungen von großer innerer Stimmigkeit. Diese Frau befand sich ganz in ihrem Körper, sie war mit ihm bis in die Fingerspitzen befreundet, sie bewegte sich mit der natürlichen Anmut einer Qualle – das war ein Kompliment. Für Martens gab es in der Natur keine vollkommenere Harmonie zwischen Wille und Bewegung als bei einer Meduse, die einzig durch das Kräuseln ihres Schleiers zur Wasseroberfläche hochschwebt. Er bewunderte den Gang der Frau, wie leicht das Gewicht sich auf den kleinen, federnden Füßen fortbewegte! Es war keine Schwere erkennbar, nur Schwung und Melodie.
Als sie sich setzte, fand er Zeit, ihr Gesicht zu betrachten. Ihr Haar war schwarz, seidenes, glänzendes Haar, das sie kurz trug, wahrscheinlich, um nicht den Erwartungen zu entsprechen. Sie war sehr hübsch durch die großen, dunklen Augen und den vollen Mund, die kleine, schmale Nase. Mit längerem Haar hätte jeder beliebige Mann sie als Schönheit empfunden. Aus der Art ihrer Bewegungen schloss Martens, dass sie keinen Wert darauf legte, eine gängige Schönheit zu sein.
Sie spürte sein Interesse und blickte plötzlich zu ihm herüber, und noch über die Distanz erhielt sich die Intensität ihres Blicks, der ihn mit sanfter Wucht traf. Als Martens lächelte, hatte sie sich bereits wieder ihrem Kind zugewandt, dem kleinen Jungen, der sich mit den Fäustchen die Augen rieb und dann den Kopf auf die Knie der Mutter legte. Sie strich ihm über den Rücken. Der Kleine war müde, Martens schätzte ihn auf fünf. Müde Kinder bedeuteten Schwierigkeiten, und bis die Nummer der Frau auf der Leuchttafel erschien, konnte noch sehr viel Zeit vergehen, denn soeben erst leuchtete 144 auf. Martens wartete schon über eine Stunde und war immer noch nicht dran, was bedeutete, dass die Frau mit zwei Stunden Wartezeit rechnen musste, wenn nicht mehr. Wie sollte sie ihr Kind so lange bändigen? Der Kleine wollte nicht schlafen. Er wollte sich nicht auf den Schoß der Mutter setzen und nicht auf den freien Stuhl neben ihr. Die Müdigkeit quälte ihn, und er fand die ganze Welt nur noch doof. Er zerriss ein Stück Papier in kleine Fetzen, die er herumwarf. Jetzt sollt ihr mal sehen, wie schlimm es ist, wenn man so müde ist wie ich! Jetzt schmeiß ich eben diese Fetzchen rum, selber schuld! Die Frau ermahnte ihn, die Fetzchen aufzuheben, aber nein, er wollte die jetzt nicht aufsammeln. Die lagen genau da, wo sie liegen mussten.
Dann stieg er auf den Stuhl. Er sprang vom Stuhl hinunter und kletterte wieder hinauf. Er sprang erneut hinunter, stürzte und weinte. Die Frau tröstete ihn, sie zog etwas aus ihrer Handtasche, ein Kartenspiel. Der Kleine schlug danach, das Päckchen fiel auf den Boden. Die Frau sammelte die Karten ein, und in diesem Moment wirkte sie völlig erschöpft, ihr Gesicht wurde klein und leer.
Und auf der Tafel leuchtete immer noch die Nummer 144.
Martens war froh, dass nicht er für dieses Kind verantwortlich war, dass nicht er es noch zwei Stunden lang irgendwie stillhalten musste. Vor vielen Jahren war Nives, seine Tochter, selber fünf gewesen, er wusste genau, was der Frau bevorstand.
Bei 146 rannte der Kleine aus dem Warteraum, und die Frau folgte ihm und holte ihn wieder herein. Ihre Bewegungen waren jetzt weniger harmonisch, etwas Eckiges, Abruptes schlich sich ein.
Martens stand auf und ging hinüber zu den beiden.
Und zum ersten Mal sprach er mit Miriam.
Nehmen Sie meine Nummer, sagte er, ich glaube, der Kleine ist müde, dann sind Sie früher wieder zu Hause.
Sie war ganz erstaunt, sie sagte, das ist sehr nett von Ihnen, vielen Dank, aber es geht schon.
Ach, das macht nichts, ich habe Zeit.
Sie nahm seine Nummer, sie bedankte sich, sie sagte, das ist wirklich sehr nett.
Ja dann, sagte er, also, tschüss.
Nein, warten Sie! Sie haben ja jetzt keine Nummer. Nehmen Sie meine.
Ach ja, ganz vergessen, sagte er.
Sie gab ihm die Nummer 199.
Wollen Sie es sich vielleicht noch einmal überlegen?, sagte sie. Sie müssen doch jetzt sehr lange warten.
Das macht nichts, sagte er, ich habe frei. Na ja, er lachte, eigentlich bin ich arbeitslos.
Es war ihm peinlich, es erwähnt zu haben, es war ihm rausgerutscht, wahrscheinlich, weil er es erst Lukas erzählt hatte, seinem besten Freund, sonst niemandem, auch Nina nicht. Es wurde allmählich Zeit, dass er es in der Welt herumposaunte, er konnte genauso gut mit einer Fremden beginnen.
Ich bin Journalist, sagte er, aber im Augenblick ist es schwierig, die Zeitungen haben kein Geld. Na ja, so ist das eben. Andere werden beschossen, dachte er.
Die Frau schwieg, und der Kleine schaute alles an Martens an, die Stirn, die Augenbrauen, die Nase, den Mund, und dann begann er wieder bei der Stirn.
Martens wartete weiter, nun für die Frau, die sich ihm nicht vorgestellt hatte, er sich ihr auch nicht. Er dachte, dass es eine dieser Begegnungen im Leben war, in denen etwas aufblitzte und erlosch wie der Funken eines Feuersteins, bevor ein Feuer entstehen konnte. Er stellte sich vor, wie die Frau, nachdem sie ihre Bürgeramtsgeschäfte erledigt hatte, in der Stadt verschwand, die groß war. Berlin konnte Menschen unauffindbar machen, die Chance, dass er der Frau zufällig wiederbegegnete, lag nahe bei null. Aber dann stürmte der Kleine in den Warteraum. Er rannte zu Martens, blieb mit einem Ruck vor ihm stehen, so als zügle er ein Pferd, drehte sich gleich auf der Ferse wieder um und rief im Wegrennen, Mama, er ist noch da!
Die Frau kam zurück.
Ich wollte Ihnen noch mal danken, sagte sie, und Sie fragen, ob Sie Lust hätten, mit uns zu Abend zu essen? Es gibt Spaghetti Carbonara, ich mache sie ohne Sahne.
Dann sind Sie Italienerin, sagte Martens.
Nein, so einfach ist das nicht.
Sie lachte, und ihr Gesicht öffnete sich dabei, und er blickte in Herzlichkeit und Wärme. Er war ganz gerührt und nahm die Einladung an.
Das freut mich, sagte sie, dann also um acht an der Zossener Straße. Ich heiße Miriam. Miriam Khalili.
Moritz Martens, sagte er.
Sie gaben sich die Hand, und mit einem Bis dann also ging sie, und kurz vor der Tür drehte sie sich noch einmal nach ihm um.
Sie hat sich umgedreht!, dachte er.
Noch zwei Stunden musste er warten, bis ihm endlich ein Sachbearbeiter durch einen Stempel aufs Meldeblatt bestätigte, dass er in eine billige, dunkle Wohnung hatte umziehen müssen, weil er kein normales Verhältnis zum Leben fand, darum ging es doch. Er hatte zu hohe Erwartungen an das Leben. Für mich, hatte die Knef gesungen, soll’s rote Rosen regnen, mir sollten sämtliche Wunder begegnen, die Welt sollte sich umgestalten und ihre Sorgen für sich behalten – sie hatte dieses Lied für ihn gesungen. Aber jetzt zeigte ihm das Leben, dass es gewöhnlich war und jeden bestrafte, der das nicht akzeptierte. Das Leben war so gewöhnlich wie ein Bankkonto, das man nicht überzog, ein Einfamilienhäuschen, das man abbezahlte, so gewöhnlich wie ein unpünktlicher ICE und der defekte Kaffeeautomat im Büro. Die Gewöhnlichkeit war das Prinzip, es hatte sogar in Ruanda gewirkt, in jener nach Urin stinkenden engen Straßenbar, in der er drei junge Hutu-Burschen interviewt hatte. Sie schilderten ihm mit unbewegten Stimmen, wie sie morgens aufstanden, die Macheten und Beile wetzten und dann die Gegend nach Tutsi durchsuchten, die sich in Erdlöchern oder Kellern versteckten. Wenn sie sie fanden, brachten sie ihnen je nach Tagesform Verletzungen bei, an denen die Opfer später erst starben, oder sie töteten sie gleich, was aber anstrengender war. Wenn du einen tötest, sagte einer der Burschen, musst du drei- oder viermal zuschlagen, aber verwunden kannst du ihn mit einem einzigen Hieb, und er stirbt dann von selbst. Die anderen pflichteten ihm bei, es war einfach zu mühsam, sie totzumachen. In den Morgenstunden, wenn es noch nicht so heiß war, ging es ja noch, aber am Nachmittag wurde nur noch verwundet. Abends fielen die drei Hutu-Burschen müde auf ihre Matten, und am nächsten Morgen ging es von vorne los, und Martens sah in ihren Gesichtern keinen Hass, keine Freude am Töten, keine Begeisterung, sondern nur die Anstrengungen des Alltags.
Diese Kerle, dachte Martens, während der Sachbearbeiter den Stempel des Meldeamts auf seinen Schein drückte, sind jetzt wahrscheinlich alle verheiratet, haben Kinder und ernähren ihre Familien von den Uhren, dem Zahngold und dem Schmuck, den sie den Tutsi abgenommen haben. Sie haben alles in irgendeinem Topf versteckt oder es zu Geld gemacht und das Geld unter der Schlafmatte versteckt, und dann haben sie gespart, sie haben es nicht verprasst, sie sind gewöhnlich und sie wussten, dass das die beste Zeit ihres Lebens war, die Zeit, in der sie ein kleines Vermögen anhäufen konnten. Aber du, dachte er, du hast gar nichts angehäuft. Er hatte den Haufen Geld, den er mit seinen Reportagen verdiente, immer gleich abgetragen, und es war ein breiter Geldfluss gewesen, in den guten Zeiten hatte sogar der New Yorker seine Reportagen gedruckt. Er hätte wissen müssen, dass es nicht ewig so weitergehen konnte, dass der Tag kommen würde, an dem der Chefredakteur des New Yorker ihm in einer Mail mitteilte, dass die Thematik der Reportage, die Martens ihm angeboten hatte, sich leider mit der einer anderen überschneide, für die man sich entschieden habe, was bedeutete, dass der andere Text besser war. Man konnte nicht sein Geld mit vollen Händen ausgeben und schlechter werden als andere, man konnte nicht mittags bei Hartmanns confierten Hummer mit dreierlei Blumenkohl und Haselnuss essen, während die Chefredakteure und Ressortleiter immer jünger wurden und kaum noch wussten, wer man war und was man geleistet hatte. Man durfte nicht zugleich schlechter und älter werden, nicht ohne einige Hunderttausend Euro Rückendeckung.
Spare in der Zeit, so hast du nach dem Tod, hatte Martens früher gespottet, aber das Leben belohnte nicht die Spötter, sondern die, die sich mit der Gewöhnlichkeit abfanden und die bei einem Abendessen über Altersvorsorge sprachen und über Eigentumswohnungen als Wertanlage in Zeiten der Inflation.
Martens verließ das Bürgeramt und stieg in sein Auto, dessen Drosselklappe defekt war, ihn erwarteten Reparaturkosten, die er sich im Augenblick nicht leisten konnte. Nicht einmal für eine neue Drosselklappe reichte es noch. Ihm gehörte zwar zusammen mit seinem Bruder und der Mutter aus dem Erbe seines Vaters ein Hausteil in Friedrichshain, aber in dem Haus lebte seine Mutter zur Nutznießung, es durfte testamentarisch erst nach ihrem Tod verkauft werden. Und du wirst dir jetzt nicht Mamas Tod wünschen, dachte Martens, nur weil du eine neue Drosselklappe brauchst!
Zu Hause, wenn man es so nennen wollte, nahm Martens eins seiner weißen Hemden vom Kleiderhaken. Seinen Bauernschrank, den er sehr geliebt hatte, ein antikes, wuchtiges und lebendiges Möbelstück, hatte er verkauft, es war in der kleinen Wohnung einfach kein Platz dafür, der Schrank hätte ihn erdrückt. Er hatte ein paar Nägel in die Wand geschlagen, daran je einen Kleiderbügel gehängt, und seine Hemden hängte er nun wiederum an Bügeln an diese Basisbügel. Es sah in seiner Einfachheit sogar gut aus, wie die Idee eines Designers, der auf Minimalismus setzt. Vor dem kleinen, goldgerahmten Spiegel aus dem 19. Jahrhundert, einem Stück aus der Erbmasse seiner Großmutter, knöpfte Martens sich das Hemd zu, das er sich vor einigen Jahren von seinem damaligen Schneider hatte auf den Leib schneidern lassen. Der Leib hatte sich seitdem aber verändert, vor allem im letzten Jahr. Je weniger Aufträge Martens hatte aquirieren können, desto teurer und mehr hatte er gegessen, aus Trotz oder einem kindlichen Ehrgefühl heraus. Vielleicht ließ sich die Gewichtszunahme aber auch simpel dadurch erklären, dass er wegen der schlechten Auftragslage mehr Zeit zum Schlemmen gehabt hatte.
Er ging vor dem Spiegel in die Hocke, um zu überprüfen, ob das Hemd sich beim Sitzen über dem Bauch zu sehr spannte, ob es sich durch die Spannung zwischen zwei Knöpfen ein wenig öffnete und den Blick freigab auf seine Haut. Und so war es. Die Frau, Miriam, dachte er, würde also zwischen den Hemdknöpfen ein wenig Haut sehen, das konnte er nicht verhindern. Er zog über das Hemd sein gleichfalls maßgeschneidertes Sakko an, aus dünnem Leinen, beige mit bordeauxfarbenem Futteral. Die braunen Schuhe, die er auf dem Bürgeramt getragen hatte, streifte er ab und zog die schwarzen italienischen an: Never wear brown after six.
Er betrachtete nun das Gesamtwerk im Spiegel. Ja, er hatte einen Bauch, und er war nicht besonders groß, sodass der Bauch schon wirklich ins Auge fiel. Aber die Eleganz der Maßanfertigungen übertünchte vorerst noch die Mängel.
Was für ein Gesicht!, tröstete Martens sich, als er sich im Spiegel anschaute. Er hatte ein wirklich gutes Gesicht, fand er, ein kräftiges, ausdrucksstarkes Gesicht mit großen, dunkelbraunen Augen. Levantinische Augen, ererbt von einem aus dem Libanon stammenden Urgroßvater, und eine markante Nase. Seine Haare, die sich nicht bändigen ließen. Noch immer blond, nicht mehr so leuchtend wie früher, aber ihm wollte kein graues Haar wachsen, und dazu dieser intensive Blick aus den dunklen Augen – so kann man ausgehen, dachte er.
Du bist der eitelste Mann, der mir je begegnet ist, hatte Nina einmal gesagt. Sie mochte aber seine Eitelkeit, denn auf eitle Männer war Verlass, sie brachen nicht zusammen, wenn man sie verließ. Es war Nina wichtig, dass er in jeder Hinsicht autark war und es blieb, denn zweifellos nahm sie das, was zwischen ihnen seit einem halben Jahr war, nicht besonders ernst.
Er rief sie an, sie waren ja für heute Abend verabredet. Ihre weiche, sanfte Stimme, die Art, wie sie ihn durch Ironie auf Distanz hielt, sie sagte: Ach, du arbeitest lieber, als dich mit mir zu treffen? Mit wem soll ich denn jetzt ins Kino gehen? So viele Männer kenne ich auch wieder nicht, und heute ist Freitag, und die meisten sind verheiratet.
Er sagte, es geht leider nicht anders. Er erfand einen Auftrag, log, er müsse einen Text über die neue Generation der Taliban schreiben und ihn übermorgen schon abliefern. Aber danach gehen wir drei Abende hintereinander ins Kino, das verspreche ich dir.
Mir reicht einmal, sagte sie.
Ja, ich weiß, sagte er.
Kommst du nachher noch zu mir, nach dem Arbeiten?
Wenn es nicht zu spät wird, du möchtest heute bestimmt früh ins Bett, sagte er. Wie war die Pressekonferenz?
Sie erzählte von der Pressekonferenz, sie arbeitete als Pressesprecherin eines Nahrungsmittelkonzerns. In verschiedenen Produkten waren Keime gefunden worden. Nina hatte viel zu tun, musste fast stündlich neue Pressemitteilungen schreiben, versuchte, der Nahrungsproduktion gegenüber besonders feindlich eingestellte Journalisten im persönlichen Gespräch für sich einzunehmen, nicht für ihre Sache, durchaus für sich als Frau, Journalisten ließen sich am besten durch Nähe bestechen. Nina zitierte ihm einige der hinterlistigen Fragen, die seine Kollegen auf der Pressekonferenz gestellt hatten. Er schwieg dazu, es wäre ungerecht gewesen, Position zu beziehen gegen Kollegen, die ihr Leben damit verbrachten, die Keimverseuchung von Eiern zu recherchieren, und die flammende Kommentare schrieben über die verheerende Wirkung des Fluglärms auf Datschenbesitzer am Müggelsee. Es war ungerecht, ihnen vorzuwerfen, dass sie sich mit Problemen beschäftigten, die Martens nicht mehr ernst nehmen konnte, seit er gesehen hatte, wie ein vierjähriges Mädchen unter den Leichen in einem Massengrab hervorkroch. Die Kollegen lebten eben in einer gewöhnlichen, aber redlichen Welt, in der Keime in Eiern eine große Bedeutung besaßen. Der für Frösche und Brutvögel nachteilige Ausbau einer Autobahn oder die dubiose Spesenabrechnung eines Politikers wurde in ihrer Welt so wichtig, dass die Tasten in den Redaktionen deswegen Tag und Nacht klapperten. Spesenrechnung: Leitartikel. Spesenrechnung: Kommentar. Spesenrechnung: Neue Enthüllungen. Von dem Mädchen war zuerst nur der Arm zu sehen gewesen, ein spindeldürrer, zerbrechlicher Kinderarm, der sich zwischen den größeren, leblosen Armen bewegt hatte wie ein Würmchen im Gewühl der Arme, Beine, Leiber der Leichen, auf die man schon Kalk gestreut hatte. Ein kaum wahrnehmbares Lebenszeichen in diesem Totenmeer, ein Bagger senkte bereits die Schaufel, um das Grab zuzuschütten. Stop it! Stop it!, rief Carlsen, der Fotograf, der Martens damals begleitete. Er rannte auf die Soldaten zu, die den Befehl hatten, das Grab zu schließen, er verlor die Kamera, stolperte und stürzte hin und schrie: Stop! There’s a child! A child! It’s alive!
Aber Vogt war nett, sagte Nina, ich soll dir übrigens von ihm einen Gruß ausrichten.
Was?, fragte Martens.
Vogt, vom Wochenspiegel, sagte sie, den kennst du doch. Er hat mich nach der Pressekonferenz angesprochen. Weil wir ja einen gemeinsamen Bekannten hätten – dich. Er sagte, ihr hättet mal zusammen Urlaub gemacht, in Südfrankreich.
Ach das, ja, sagte Martens, er dachte, wenn Carlsen nicht reagiert hätte, wäre das Mädchen gestorben. Ich hätte auch reagiert, aber zu spät, ich war … ich weiß nicht … Er hatte sich einfach nicht rühren können.
Woher weiß Vogt das eigentlich?, fragte Nina. Das mit uns? Er sagte, ihr hättet euch zuletzt vor zwei Jahren gesehen. Deswegen dachte ich, dass er es wahrscheinlich nicht von dir weiß?
Ja, doch, ich glaube, wir haben mal telefoniert, sagte Martens. Aber jetzt muss ich gehen.
Gehen? Wohin?
An den Schreibtisch, sagte er.
Fluglärm war relevant.
Martens fuhr in die Zossener Straße.
Die Kollegen, die Artikel gegen den Fluglärm schrieben, taten das Ihre, um die Welt ruhiger zu machen oder gerechter, was auch immer. Man tat sich keinen Gefallen, wenn man das gering schätzte, und vor allem nicht, wenn man andererseits die Gefahren verkannte, die der Kontakt mit dem Ungewöhnlichen, dem Schrecklichen mit sich brachte. Das Schreckliche veränderte den Maßstab für die Bedeutung der Dinge. Alles, was weniger schrecklich war, wurde auch als weniger bedeutend empfunden, manchmal selbst die Liebe und das Vertrauen. Das Schreckliche nahm für sich in Anspruch, das einzig Bedeutsame zu sein, alles andere wurde als im Vergleich dazu banal herabgestuft. Wenn man dem nachgab, war man verloren, es war der erste Schritt in die Obsession, in die arrogante Geringschätzung des Alltagslebens und der Arbeit der anderen.
Fluglärm war wichtig.
Martens lachte. Er stellte sich vor, wie er einen Artikel mit Fluglärm ist wichtig betitelte, um die Leser mit den Nöten eines Kriegsberichterstatters vertraut zu machen.
Zigaretten brauchte er noch. Er hielt auf dem Fahrradstreifen, stellte den Warnblinker an und kaufte in einem Kiosk eine Schachtel.
Auf der Weiterfahrt rauchte er, verlor Asche auf sein weißes Hemd und versuchte sie wegzupusten. Er übersah einen Radfahrer und musste scharf bremsen.
Schon mal was von rechts vor links gehört!, rief der Radfahrer, sein Gesicht war entstellt vor Empörung.
Rechts vor links ist wichtig, dachte Martens und fuhr weiter.
Rechts vor links.
Sättigungsbeilage.
Altersvorsorge.
Die gewöhnlichen Dinge, Gott segne sie.
In den Geschäften, an denen er vorbeifuhr, kauften die Leute ein, sie saßen draußen vor den Kneipen und tranken in der Abendsonne Bier, sie warfen Münzen in den Parkautomaten. Sie zeigten an Gemüseständen auf das Gemüse, das sie haben wollten, und der Händler wog es ab und packte es ein. Sie blieben vor einem Schaufenster stehen und gingen zum nächsten, und sie sahen alle gesund aus, sie waren unversehrt. Es fehlte niemandem ein Ohr, ein Arm oder ein Fuß. An einer Ampel hielt Martens, und ein Mann führte einen Hund über den Fußgängerstreifen.
Martens gab sich aufrichtig Mühe: Er versuchte, das alles ernst zu nehmen.
Er kam zehn Minuten zu früh in der Zossener Straße an. Er rauchte noch eine Zigarette und klingelte dann bei Khalili, der Name war auf einem mit einem Klebstreifen befestigten Zettel in Handschrift geschrieben. Sie wohnte im fünften Stock, und als er außer Atem oben ankam und sie die Tür öffnete, fiel ihm ein, dass er kein Gastgeschenk bei sich hatte.
Betrachten Sie mich bitte als Blumenstrauß, auch wenn’s schwerfällt, sagte er, ich habe leider vergessen, Ihnen etwas mitzubringen.
Sie lachte und sagte, und ich habe vergessen zu kochen. Aber es ist Wein da und Tiefkühlpizza.
Sie hat sich umgezogen, dachte er. Im Bürgeramt hatte sie Jeans getragen, jetzt einen schwarzen Rock mit Saum über dem Knie und ein weißes T-Shirt. Sie war barfuß, er fragte, ob er die Schuhe anbehalten dürfe.
Sie bat ihn in die Wohnung, die eng und dunkel war wie seine und in der es nach dem Essen der anderen roch. Im schmalen Wohnzimmer mit Ausblick auf die S-Bahn-Brücke standen Möbel, die ihn überraschten.
Das ist nicht von Ikea, sagte er, und sie sagte, nein, die sind alle handgemacht. Mein ehemaliger Mann ist Gärtner, aber das Schreinern ist sein Hobby, er hat das alles selbst gemacht.
Das Sofa ist sehr schön, sagte Martens, und der Tisch.
Er strich über die Oberfläche des Tisches, in die mit großer Sorgfalt Intarsien eingelassen worden waren. Die Kanten des Tisches waren nicht begradigt worden, sie folgten dem natürlichen Verlauf der Holzmaserung. Es war eine sehr schöne Arbeit, nicht perfekt zwar, man sah dem Tisch durchaus an, dass hier jemand mit mehr Liebe als Können gearbeitet hatte, aber am Schluss war es eben die Liebe, die überzeugte.
Aus der Küche, die durch einen engen, kurzen Korridor mit dem Wohnzimmer verbunden war, wehte ihm ein Geruch in die Nase.
Sie haben ja doch gekocht, sagte er, es riecht nach Carbonara.
Die Erschütterungen der S-Bahn, die draußen vorbeifuhr, brachten die Gläser zum Klirren, die auf einer Kommode standen. An einer Wand stapelten sich Umzugskartons. Eine Tür stand halb offen, Martens sah die Ecke eines Betts, das den Raum ausfüllte, man konnte die Tür wahrscheinlich gar nicht ganz öffnen.
In der Küche war an einem kleinen Tisch für zwei Personen gedeckt. Auf dem Tisch stand eine Kerze. Martens zögerte, sie anzuzünden. Miriam goss das Wasser aus dem Spaghettitopf ab, der Dampf vernebelte die Küche, Martens wurde es in seinem Sakko warm, aber es auszuziehen kam vorerst nicht infrage. Er drehte das Etikett der Weinflasche, die zwischen den zwei Tellern stand, zu sich: Es war ein Riesling von Gaul. Sie kauft zu Pasta Weißen, dachte er, und auch noch einen sehr guten, der etwas kostet. Sie lebt in dieser schäbigen Wohnung und gibt Geld aus für Wein.
Das gefiel ihm.
Sie drehte sich am Herd um und sagte, ich hoffe, Sie mögen Weißwein. Ich habe auch noch einen Roten, wenn Sie den lieber möchten, aber dieser hier ist wirklich gut, auch zu Spaghetti.
Ja, ich kenne ihn, sagte er, und ich trinke nicht gern Rotwein.
Ich auch nicht, sagte sie und wandte sich wieder den Töpfen zu.
Jetzt zündete er die Kerze an.
Sie prosteten sich zu, und dann drehten sie die Spaghetti auf die Gabeln, zwischen ihnen flackerte die Kerzenflamme.
Und Ihr Sohn, fragte Martens, schläft er schon?
Ja, er schläft schon, sagte sie. Sie griff nach dem Weinglas und trank. Er heißt Sinan, sagte sie.
Die Spaghetti waren verkocht, aber die Carbonara schmeckte rauchig und herb, wie es sein musste.
Sinan, sagte er, ich glaube, das ist ein türkischer Name?
Ja.
Es schmeckt sehr gut, sagte er. Ihm war heiß in seinem Sakko. Er blickte an sich hinunter und sah eine Art Mäulchen, das entstand, weil sein Hemd sich zu sehr spannte.
Als er wieder hochschaute, begegneten sich ihre Blicke, und im nächsten Moment stand der Kleine in der Küche. Er trug einen roten Pyjama und sagte, Mama, darf ich jetzt wiederkommen?
Miriam stand vom Stuhl auf.
Nein, du gehst zurück ins Bett, sagte sie.
Du musst mich bringen!
Gut, ich bringe dich, sagte sie.
Eine Weile war Martens allein. Er fühlte sich plötzlich unbehaglich, was wollte Miriam von ihm? Und was wollte er von ihr? Er goss sich und Miriam Wein nach und trank und füllte sein Glas erneut.
Miriam kam zurück, sie sagte, entschuldigen Sie, er kann nicht schlafen, er wollte, dass ich ihm noch eine Geschichte vorlese. Kennen Sie das?
Ich kannte es mal, sagte er, aber es ist schon lange her. Meine Tochter ist schon fünfundzwanzig, sie heißt Nives.
Es kann sein, dass er noch mal kommt, sagte Miriam, sie legte das Besteck auf ihren Teller, der noch voll war. Sie blickte in den Flur. Wir essen sonst immer zusammen, sagte sie, auch wenn Gäste da sind. Er ist es nicht gewohnt, um diese Zeit allein zu sein. Aber heute wollte ich ihn nicht dabeihaben. Ich würde nämlich gern etwas mit Ihnen besprechen. Etwas, das Sie als Journalist vielleicht interessieren könnte.
Was denn?, fragte Martens, sein Glas war schon wieder leer. Und darf ich hier rauchen? Zum Fenster raus?
Sie erlaubte es ihm, wollte das Fenster aber selbst öffnen, und sie bat ihn, den Rauch um die Ecke zu blasen. Sie trank ihr Glas leer, in drei Zügen, füllte es zur Hälfte wieder und lehnte sich an die Spüle, während er um die Ecke rauchte.
Mir geht’s im Augenblick finanziell nicht gut, sagte sie. Sie erklärte ihm, sie sei Grafikerin, habe aber ihren Job verloren, nachdem ein neuer Chef die Leitung übernommen habe. Früher habe sie als Fotografin gearbeitet, in London, wo sie drei Jahre gelebt habe. Aber zur deutschen Presse habe sie keine Kontakte.
Sie trank schnell, öffnete eine neue Flasche. Sie saßen wieder am Tisch, die Kerze rußte. Miriam schloss die Küchentür und sprach leise. Sie war nervös, ihre Bewegungen fahrig, sie blickte Martens kaum noch an.
Mein Vater war Afghane, sagte sie. Nicht Italiener, sie versuchte ein Lächeln. Sie dachten doch, ich sei Italienerin.
Ja, das dachte ich, sagte er. Sie war sehr schön im Kerzenlicht, ein schmales, weiches Gesicht mit sanften Schatten, die langen Wimpern, die klugen und eleganten Finger, die das Glas umfassten.
Kürzlich hat mir jemand eine Geschichte erzählt, sagte sie, jemand, der in Afghanistan lebt. Es geht um eine Bacha Posh. So nennt man in Afghanistan Mädchen, die als Jungs aufwachsen.
Ich weiß, sagte Martens. Er brach ein Stück Brot ab und tunkte es in die noch nicht ganz eingetrocknete Carbonara-Sauce.
Sie haben davon gehört? Miriam blickte ihn über den Rand ihres Glases an.
Ich fürchte, ich habe eine Bacha Posh zum Rauchen verleitet, sagte er. Ich war in Afghanistan, um über die Hundekämpfe in Kabul zu schreiben. Ein Tadschike, der Hunde abrichtete, lud mich ein, ihn nach Kunduz zu begleiten, wo seine Familie lebt. Dort lernte ich die Bacha Posh kennen, sie arbeitete im Teehaus ihres Vaters. Sie verlangte für eine Kanne Tee zwanzig Dollar und eine Schachtel Zigaretten. Sie war erst acht oder neun Jahre alt und sagte, es sei ihre erste Zigarette. Sie paffte gleich drei hintereinander. Und eine Woche später, dachte er, fuhr ich mit der Patrouille von Oberfeldwebel Kessler nach Quatliam. Ein Hinterhalt, Schüsse von überall her, alle springen aus dem Wagen aus Angst vor den Panzerfäusten und werfen sich auf den Boden. Geschrei, Granateneinschläge, Staubfontänen, kristallines Glitzern im Sonnenlicht, Staubwolken, darin Schatten. Plötzlich ein Gewehr in der Hand, der behelmte Kopf von Kessler, der schreit, ich hoffe, Sie können damit umgehen, wir können Sie nicht schützen, das müssen Sie jetzt selbst tun. Auch Behrendt, der Stabsarzt, ist bewaffnet, die Taliban schießen gezielt auf Ärzte. Und dann der Schatten in der Staubwolke, die Bewegung, jemand springt hinter einem Auto hervor, Behrendt schreit, stay where you are!, und schießt. Und ich auch, dachte Martens, ich habe auch geschossen, in die Staubwolke geschossen, ein einziges Mal. Ein Journalist und ein Arzt hatten auf eine Frau geschossen, und Behrendt dachte, dass er sie getötet hatte, und so war es wohl auch gewesen. Martens hatte nicht gezielt und wahrscheinlich in die Luft geschossen. Aber ich kann nicht völlig sicher sein, dass nicht doch ich es war, Miriam, dachte er und sagte, ich hoffe, das ist noch nicht Ihre ganze Geschichte. Denn über Bacha Posh ist schon viel geschrieben worden.
Sie heißt Malalai, sagte Miriam, und ist jetzt vierzehn Jahre alt. Ihr Vater hatte nur Töchter, vier, und als Malalai zwei Jahre alt war, steckte er sie in Bubenkleider, schnitt ihr die Haare und behandelte sie von nun an als seinen Sohn. Sie ging als Junge zur Schule, lernte lesen und schreiben, spielte mit den anderen Jungs, verhöhnte wie die anderen Jungs die Mädchen und durfte zu Hause ihre Schwestern schikanieren. Aber als sie dreizehn wurde, war das Leben als Junge für sie vorbei. Mit dreizehn müssen Bacha Posh wieder Mädchen werden und das heißt, dass sie in einer Gesellschaft wie der afghanischen alle Rechte verlieren und von einem Tag zum anderen ein Leben führen müssen, auf das sie nicht vorbereitet sind und das sie verachten, denn wer möchte schon eine Frau sein? Malalai wollte ein Junge bleiben, aber ihr Vater hatte sie einem Mann versprochen, der zwei Taxis besaß und einen guten Brautpreis bezahlte. Drei Monate vor ihrer Heirat haute sie ab. In ihren Männerkleidern und mit ein bisschen Geld, das sie ihrem Vater gestohlen hatte.
Martens goss Olivenöl auf seinen Teller, salzte es und tunkte das Brot hinein.
Sie schloss sich den Taliban an, sagte Miriam.
Jetzt begann die Geschichte Martens zu interessieren.
Woher wissen Sie das?, fragte er.
Von jemandem, dem ich versprechen musste, auf diese Frage nicht zu antworten.
Und wann ist das passiert?
Vor drei Monaten.
Und wo?
Malalai lebte in Feyzabad, sagte Miriam, in der Provinz Badakhshan.
Da war ich noch nie, sagte Martens, er goss Miriams Glas voll und seines, es gab nichts Besseres als knuspriges, in Olivenöl getauchtes Brot zusammen mit einem schweren Weißwein.
Ist sie Tadschikin?, fragte er, es war eine Fangfrage, um herauszufinden, ob Miriam sich auskannte. In der Provinz Badakhshan im äußersten Nordosten Afghanistans lebten hauptsächlich Tadschiken und nur wenige Paschtunen, und da die Taliban ihre Kämpfer fast ausschließlich unter den Paschtunen rekrutierten, war anzunehmen, dass die Bacha Posh keine Tadschikin war.
Sie ist Paschtunin, sagte Miriam, wie ich zur Hälfte auch. Ich spreche fließend Pashto und Dari. Möchten Sie Musik hören?
Nicht unbedingt, sagte er. Außer Sie haben Led Zeppelin, und das würde jetzt nicht passen.
Ich habe Led Zeppelin, die Remasters-CD. Aber es würde wirklich nicht passen.
Sie hören tatsächlich Led Zeppelin?, fragte er. Sie war doch bestimmt zehn Jahre jünger als er, knapp über fünfundvierzig schätzte er sie, es war selten, dass jemand aus dieser Generation sich für Led Zeppelin begeisterte.
Robert Plant ist einer meiner Lieblingssänger, sagte sie. Er und Pavarotti.
Ja, die beiden sind sich wirklich sehr ähnlich, sagte Martens, und das meine ich nicht ironisch. Pavarotti hätte nicht mit Freddy Mercury singen sollen, sondern mit Plant. Plant ist unter den Rockmusikern der Opernsänger, nicht Mercury, der war bloß ein Imitator. Auf die beiden!
Sie prosteten sich zu, die Gläser klirrten dumpf, es war kein Kristall.
Und sie hat sich also den Taliban angeschlossen, sagte Martens.
Ja, sagte sie, einer Gruppe unter dem Kommando von Dilawar Barozai.
Sie kennt sich sogar sehr gut aus!, dachte Martens.
Dilawar Barozai, fragte er, der Barozai? Der die beiden englischen Journalisten getötet hat?
Ja, der.
Und dieses Mädchen kämpft unter seinem Kommando? Unter dem Kommando von Dilawar Barozai?
Ja.
Und natürlich wissen die nicht, dass sie ein Mädchen ist.
Nein.
Wenn sie es herausfinden, töten sie sie.
Ja.
Martens überlegte: Für ein Mädchen war es in Afghanistan einfach, sich als Junge auszugeben, gerade wegen der grotesken Entfremdung zwischen Männern und Frauen. Sie brauchte bloß die Tunban, die Puderhose und die Pakol als Mütze zu tragen, schon wurde sie von allen als Mann angesehen. Das Mädchen konnte sich sogar die Haare wachsen lassen und sich die Augen mit Kajal schminken, denn viele paschtunische Männer taten das auch, um anderen Männern zu gefallen. Sex unter Männern wurde stillschweigend toleriert und der Liebe zu Frauen sogar vorgezogen, da Frauen als unrein galten, es war redlicher, sich mit einem Mann einzulassen, man durfte nur nicht darüber sprechen. Das Mädchen fiel also, solange niemand sie nackt sah, unter den Männern von Barozais Truppe gar nicht auf.
Das ist eine gute Geschichte, sagte Martens, ein Mädchen, das als Junge aufgewachsen ist, flieht zu den Taliban, weil der Vater es verheiraten will. Sie aber will als Junge weiterleben. Das Problem ist nur, dass man die Geschichte nicht recherchieren kann. Man kommt an das Mädchen ja nicht heran. Wenn ich morgen zu einer Zeitung gehe und ihnen die Story erzähle, werden sie sagen: toll, nehmen wir sofort, aber nur mit Interview und Fotos.
Sie verlangt für das Interview zehntausend Dollar, sagte Miriam. Ihr Glas war wieder leer. Miriam lehnte sich im Stuhl zurück und schloss die Augen. Sie hat Angst, dass es eines Tages einer merkt. Sie will nach Pakistan und von dort weiter nach Deutschland. Sie möchte in einem Land leben, in dem es ihr als Mädchen so gut geht wie als Junge. Für zehntausend Dollar will sie sich mit mir treffen und mir ihre Geschichte erzählen und sich fotografieren lassen. Sie können also morgen zu einer Zeitung gehen und denen ein Interview und Fotos anbieten.
Sie machen die Fotos, und ich schreibe den Text. Haben Sie sich das so vorgestellt?
Ja.
Die Geschichte interessiert mich, sagte er, aber ich frage mich, warum Sie Kontakt zu einem Mädchen haben, das als Talibankämpferin in den Bergen von Badakhshan herumzieht. Waren Sie kürzlich in Afghanistan?
Nein.
Aber Ihr Informant ist Afghane? Ist es einer Ihrer Verwandten?
Es ist Robert Plant, sagte sie.
Ach so, sagte er. Dann ist ja alles in Ordnung.
Meine Bitte wäre, sagte sie, dass Sie versuchen, eine Zeitung zu finden, die diese Geschichte druckt. Und die sie finanziert. Die Reise, mein Honorar und die zehntausend Dollar. Ich wäre mit zweitausend Euro Honorar einverstanden.
Was für eine merkwürdige, schöne Frau, dachte er. Er war ein wenig betrunken und verliebte sich in Miriams Gesicht hinter der Kerze.
Ich muss mir das durch den Kopf gehen lassen, sagte er.
Ich brauche das Geld dringend, sagte sie und stand auf. Sie öffnete die Küchentür, sie sagte, setzen wir uns doch ins Wohnzimmer. Aber seien Sie bitte leise, wegen Sinan.
Ich wollte aber singen!, sagte er.
Möchten Sie Salami?, fragte sie. Und noch Wein?
Sie saßen im Wohnzimmer auf dem selbst gebastelten Sofa, das bei jeder Bewegung knarrte. Martens balancierte auf den Knien den Teller mit den dick geschnittenen Scheiben der ungarischen Salami.
Ich kenne niemanden außer mir, der ungarische Salami liebt, sagte er.
Jetzt kennen Sie mich, sagte Miriam, die sich selbst eine Scheibe aufs Weißbrot legte.
Die S-Bahn fuhr draußen vorbei, und die Kerze, die auf dem Tischchen stand, zitterte und verlor Wachs. In den Weingläsern breiteten sich konzentrische Wellen aus, die Wände des Wohnzimmers rückten näher: Je länger man sich darin befand, desto kleiner wurde das Zimmer.
Led Zeppelin?, fragte Miriam.
Jederzeit, sagte er.
Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn Sie Kopfhörer tragen müssen, aber Sinan schläft in meinem Zimmer. Sie deutete auf ihre Schlafzimmertür.
Aber ich möchte mir das nicht allein anhören, sagte er.
Das brauchen Sie auch nicht, ich habe zwei.
Sie setzten sich beide die Kopfhörer auf, und Miriam legte die Remasters-CD ein. Sie hörten sich The Song remains the same an und aßen ungarische Salami, die beste der Welt, fand Martens, kein Schnickschnack mit Trüffeln oder Wildschweinfleisch, einfach nur gewöhnliche Salami, Fleisch, Fett, Fett, Fleisch. Ein man ein wip, ein wip ein man, tristan isolt, isolt tristan, dachte er und schaute Miriam an, die mit geschlossenen Augen dem Lied lauschte, kauend. Sie holte sich mit der Zunge einen Brotkrümel zurück, der sich in ihren Mundwinkel verirrt hatte.
Es war sehr gemütlich und verheißungsvoll. Mit einer Frau Musik hören und Salami essen, und später sich über das Kind beugen, das im Nebenzimmer schlief. Es war gar nicht so wichtig, miteinander zu schlafen, wichtig war, die Dinge gemeinsam zu tun. Sich zu zweit um die Altersvorsorge kümmern, sich gemeinsam Ratschläge vom Steuerberater einholen und sich ein Zukunftsziel setzen: eine Reise in die Antarktis auf einem Kreuzfahrtschiff, dick eingepackt in Daunenjacken und in der Obhut eines fähigen Bordarztes. Die Anschaffung eines kleinen Wohnwagens, um die Winter fortan in Südfrankreich zu verbringen, besser Südspanien, Wärme tat den Gelenken gut und machte den Gedanken an den Tod erträglicher. Sich zur Ruhe setzen, ein Rosenbeet bepflanzen, den Wagen alle zwei Jahre zum TÜV bringen und sich drei Bequemhosen mit Stretchbund kaufen, alle Eitelkeit fahren lassen und ein so gewöhnliches Leben führen, dass die Erinnerungen an das Schreckliche, Ungewöhnliche, das man einst erlebt hatte, mit der Zeit unwirklich wurden.
Martens setzte den Kopfhörer ab. Er berührte Miriam am Arm. Sie öffnete die Augen, nahm den Kopfhörer gleichfalls ab. Haben Sie darüber nachgedacht?, fragte sie.
Ich werde morgen ein paar Anrufe machen, sagte er. Es ist eine gute Story, sie wäre was für den Wochenspiegel. Die arbeiten zwar normalerweise nur mit eigenen Fotografen, aber es ist Ihre Story. Also werden sie wohl oder übel einverstanden sein, dass Sie die Fotos machen. Die haben da auch einen sehr guten Reporter, Stefan Kinz, ein Tiroler. Sie werden dann also in Afghanistan drei Wochen lang mit einem rollenden R leben müssen. Aber er schreibt sehr emotional, er ist der Richtige für diesen Text.
Sie kommen nicht mit?, fragte sie. Sah er da in ihrem Blick Erleichterung?
Nein. Ich würde sehr gern nach Afghanistan fahren, aber im Augenblick wäre das nicht gut für mich.
Er trank einen Schluck. Wenn sie fragt warum, dachte er, erzähle ich es ihr. Ich erzähle ihr von der Frau in Quatliam.