Das Lexikon der uncoolen Dinge - Harry Luck - E-Book

Das Lexikon der uncoolen Dinge E-Book

Harry Luck

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  • Herausgeber: neobooks
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Was spricht eigentlich gegen ein bisschen Spießigkeit? Harry Luck bekennt sich zu Schrankwand im Wohnzimmer, zu ZDF und Eierlikör. Von A wie Apfelsaftschorle bis Z wie Zahnputzbecher knöpft er sich alle uncoolen Dinge vor, die man sich gönnen sollte. Ein augenzwinkernder Aufruf zum gepflegten Spießertum.

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Seitenzahl: 215

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Harry Luck

Das Lexikon der uncoolen Dinge

Wie spießig ist das denn? Von Eierlikör bis Gartenzwerg / Mit einem Vorwort von Manuel Andrack

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Wie spießig ist es, ein Buch zu schreiben?

Eierlikör

Filterkaffee

Bausparen

Lieblicher Wein

ZDF

Die Autorität der roten Ampel

Über das Klauen von Zeitungen und Christbäumen

Pauschalurlaub in Deutschland

Wertstoffhof

Opel

Prenzlberg

Korrekte Rechtschreibung

Treueherzen

Kleingarten

Gartenzwerg

Laubbläser

Tchibo

Doggy Bag

In D-Mark umrechnen

Kein Lebkuchen vor dem 1. Advent

Hut tragen

Handy abschalten

Schrankwand

Alkoholfreies Bier

Kegeln

Badetag

Warmduschen

Zeitung lesen

Mittagsschlaf

Mittagessen

Im Sitzen pinkeln

Die Party als Erster verlassen

Bus fahren

Tapeten

Fondue

Neubauwohnung

Spieleabend

Sammeln

Ansichtskarten schreiben

Zitronenteegranulat

Siezen

Stofftaschentuch

Zahnputzbecher

Haustiere

Trinkwasser sprudeln

Butterbrot

Leitz-Ordner

Vierlagiges Toilettenpapier

Blockflöte spielen

Frühbucherrabatt

Wandern

Löffelchenstellung

Türklinken reinigen

Sonnenbrille

Schlager hören

Gardinen

Krimis

Schuhe anbehalten

Faxe verschicken

Aktenkoffer

4711

Tischabfallbehälter

Jeanshemd

Applaus, Applaus, Applaus – Beifall im Flugzeug

Zugabe – Chris de Burgh, das Fleisch gewordene Kurzarmhemd

Impressum neobooks

Vorwort

Das Lexikon der uncoolen Dinge

Wie spießig ist das denn? Von Eierlikör bis Gartenzwerg

Von Harry Luck

Mit einem Vorwort von Manuel Andrack

© 2015

Alle Rechte dieses Werkes liegen beim Autor.

Überarbeitete und aktualisierte E-Book-Ausgabe.

Dieses Buch erschien in der Originalausgabe 2013 unter dem Titel „Wie spießig ist das denn?“ im Blanvalet Verlag und wurde vermittelt durch die Literaturagentur Kai Gathemann, München.

Lektorat: Leena Flegler

Umschlaggestaltung: Annadel Hogen

www.harry-luck.de

www.facebook.com/luck.harry

von Manuel Andrack

„Das ist echt voll spießig“, „Du alter Spießer“ … Solche Ausdrücke sind schnell mal daher gesagt. Jeder glaubt zu wissen, was gemeint ist, aber keiner kann so richtig benennen, was denn nun genau „spießig“ ist. Die Definitionen oszillieren zwischen den Begriffen „bürgerlich“, „konformistisch“, „oberflächlich“, „opportunistisch“. Nun hat Harry Luck lobenswerterweise die Aufgabe übernommen, Licht ins Dunkel der deutschen Spießigkeit zu bringen, er hat sozusagen eine Enzyklopädie des Spießertums geschrieben.

Harry Luck geht normalerweise über Leichen und ist im Auftrag des Herrn unterwegs: Er ist Krimiautor und Pressesprecher des Erzbistums Bamberg. Und jetzt rückt er dem Spießer auf die Pelle. Wie ein Schmetterlingssammler jagt Luck den alltäglichen Dingen unseres Lebens hinterher, um sie dann treffsicher wie unter einem Mikroskop aufzuspießen. Die Quintessenz sei schon mal vorweggenommen: Alle vorgeblich spießigen Tätigkeiten, Angewohnheiten, Lebensmittel, Kleidungsstücke und so weiter sind bei Licht betrachtet die tollsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte. Es lebe die Spießigkeit!

Harry Luck hat mir erzählt, er wäre bei der Recherche für dieses Buch sehr oft auf meinen Namen gestoßen: Andrack der Wanderer, der Fußballfan, der Bierbotschafter … Ja wie spießig ist das denn? Vielleicht ist das so, vielleicht sind aber auch die wahren Spießer die, die das alles spießig finden.

In Lucks Sammelsurium der schönsten Spießigkeiten finde ich mich auf jeden Fall total wieder. Ich wandere gerne, und wenn es regnet, benutze ich einen Schirm. Ich musste mir schon von einer Dame aus dem Ruhrgebiet anhören: „Wandern mit Regenschirm, und dann noch als Mann - das geht ja gar nicht!“ Nun, es geht, und zwar sehr gut.

Ich habe früher Blockflöte gespielt, in der gleichen Reihenfolge wie Harry Luck übrigens, erst Sopran, dann Tenor … Und hat es mir geschadet?

Meine Ernährung ist total spießig: Wenn ich kein Weizenbier trinke, greife ich zur Apfelschorle; und süßer Wein ist eine Delikatesse, die meisten Weine sind viel zu sehr auf Trockenheit getrimmt, das ist der neue Massengeschmack. Ich verehre die Eierlikörtorte meiner Mutter und bin ein großer Fan der klassischen Stulle sowie der abendlichen Brotzeit.

Auch geschmacklich bin ich voll auf Spießer-Linie, ich bin Sitzpinkler und Warmduscher; ich höre Schlager von Alexandra und Udo Jürgens; ich trage im Frühling und Sommer grundsätzlich nur Kurzarmhemden, unten drunter Unterhosen von Tchibo. Ich bin verheiratet, und wenn meine Familie es zulässt, mache ich auch regelmäßig Mittagsschlaf. Ich bin fanatischer Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs und stehe dazu.

Ich bin auch ein Party-Spießer. Ich fand es schon immer grässlich, bei Leuten eingeladen zu sein, die in ihren Geburtstag reinfeiern, da MUSS man dann mindestens bis Mitternacht bleiben, aber um diese Zeit liege ich normalerweise im Bett.

Außerdem bin ich Stammkunde im Wertstoffhof um die Ecke und ein fanatischer Mülltrenner, ich würde gerne noch mehr trennen, zum Beispiel Kartonagen von Zeitungspapier, denn hochwertiges Papier kann man aus der Mischpapiermüllsoße nicht recyceln.

Das Schöne an diesem Buch ist: Jeder Leser wird sich darin wiederfinden, mal mehr, mal weniger, und feststellen, wie spießig er dann doch ist. Aber auch wieder nicht komplett spießig. Denn es gibt natürlich Sachen, die gehen echt zu weit: Jeanshemden, Klatschen im Flugzeug nach der Landung und Musik von Chris de Burgh – das geht alles gar nicht. Würde ich nie machen, schrecklich, entsetzlich, ich bin doch kein Spießer …

(Manuel Andrack war 13 Jahre lang Redaktionsleiter und Co-Moderator in der Harald-Schmidt-Show. Heute tritt er als Wander-Experte und Buchautor in Erscheinung.)

Wie spießig ist es, ein Buch zu schreiben?

Vielleicht ist es sogar spießig, ein Buch zu schreiben, anstatt seine Gedanken in Blogs oder über Twitter zu verbreiten. Der Hauptvorwurf gegen den heutigen Spießbürger lautet, dass er sich engstirnig, mutlos und angepasst verhält und nach der Maxime lebt: „Was sollen die Leute denken?“ Dabei ist der intelligente Spießer, der sein gepflegtes Uncoolsein zur Lebenseinstellung macht, der eigentlich Mutige, der sich über Konventionen hinwegsetzt und die Marschbefehle von Trendsettern und Modepäpsten ignoriert, um seinen eigenen Weg zu gehen. Gut ist, was zweckmäßig und praktisch ist - und schmeckt.

In dem Buch Resturlaub von Tommy Jaud geht es um einen Junggesellenabschied, der schon vor 23 Uhr zu Ende geht, was zu dem Dialog führt: „Ich versteh das nicht. Wie kann man in unserem Alter schon so spießig sein?“ – „Wie meinst’n du das, ‚in dem Alter‘? Wir gehen doch alle auf die vierzig zu!“

Dieses Buch ist vermutlich nicht zufällig in meinem vierzigsten Lebensjahr entstanden, das magische, alles verändernde Datum immer im Blick, das die Spätjugendzeit endgültig beendet und die Vorbereitungsphase auf die Altersteilzeit einleitet, was manche in die Midlife-Crisis stürzt. Denn mit vierzig kann man sich nicht einmal mehr „Enddreißiger“ nennen, der nächste runde Geburtstag macht ein halbes Jahrhundert voll, und ich erinnere mich noch genau an meine Gedanken, als die Idole meiner Teenie-Zeit wie Dieter Bohlen oder Lothar Matthäus fünfzig wurden: „Alte Knacker mit Kurzhaarschnitt in Maßanzügen!“

Wer die Kindheit endgültig hinter sich gelassen hat, wird gelassener bezüglich der gesellschaftlichen Anforderungen jener, die das Leben noch vor sich haben und denken, die Weisheit schon mit dem Breilöffel zu sich genommen zu haben. Egal, was meine Kegelbrüder denken: Ich trinke lieber Apfelschorle und alkoholfreies Bier und genehmige mir, nachdem ich mit dem Bus nach Hause gefahren bin, in meinem tapezierten Wohnzimmer mit Schrankwand noch ein Glas Eierlikör und schaue dabei ZDF. Und ich will mich dafür nicht mehr rechtfertigen müssen! Mit vierzig denke ich, genug Lebenserfahrung gesammelt zu haben, um zu wissen, was gut für mich ist. Egal, ob andere das cool finden oder nicht.

Neben dem Alter ist der Wohnort der zweite Aspekt, der darüber entscheidet, was als spießig gilt und was nicht. Dass der oben genannte Roman Resturlaub in Bamberg spielt, ist bezeichnend. Denn während ich dieses Spießer-Buch geschrieben habe, bin ich von der Metropole München, wo ich in einer coolen Online-Redaktion gearbeitet habe, ins provinzielle Bamberg gezogen, um dort einen – in der Wahrnehmung mancher – eher uncoolen Job in der Öffentlichkeitsarbeit wahrzunehmen. Was mir bereits nach wenigen Wochen in Bamberg aufgefallen ist: Während in der Münchner Innenstadt Männer mit Kurzarmhemden so selten und auffällig sind wie ein bunter Clown mit einer Pappnase, ist es in Bamberger Kaufhäusern kaum möglich, andere Kleidungsstücke als Kurzarmhemden zu erstehen. Und dass, wie ich bei den Recherchen zu diesem Buch festgestellt habe, der Deutsche Minigolf-Verband in Bamberg ansässig ist, kann auch kein Zufall sein.

Auch wenn man sich leicht zum Außenseiter macht, indem man den Trends nicht folgt: Ich habe mich schon bei TKKG mehr mit dem nerdigen Karl identifiziert als mit Superheld Tarzan/Tim – überhaupt fand ich die piefigen TKKG-Hörspiele besser als die Horrorschocker mit den drei ???. Ich sah mich nicht nur outfitmäßig mehr bei Thomas und Annika als bei Pippi Langstrumpf, und in Sachen Verbrechensbekämpfung habe ich lieber Derrick im Trenchcoat als Freund und Helfer als den „Scheiße“ rufenden Schimanski in seiner stinkenden Lederjacke.

„Die Klage über den Spießer, mag sie auch manchmal selbstgerecht klingen, ist doch immer die Klage des Unterlegenen, der sich bedroht fühlt“, schrieb Jens Jessen in der Zeit. Die Süddeutsche Zeitung ergänzte: „Man ist von Spießern nicht nur umgeben, man sieht leider auch täglich beim Blick in den Spiegel einen.“ Und der Spiegel – also das Nachrichtenmagazin – stellt schlichtweg fest: „Unspießig sein ist ein Privileg der Jugend.“ Und die, so ergänze ich, endet spätestens mit dem vierzigsten Geburtstag, an dem auch jeder Punker anfangen wird, seinen Irokesenschnitt akkurat zu kämmen und seine Piercings zu polieren. Der Punkrocker Johnny Ramone, der eigentlich den spießbürgerlichen Namen John William Cummings trug, entlarvte sich in seiner Autobiografie als der „spießigste Punker der Welt“ (SPIEGEL ONLINE), der statt Revolution lieber eine sichere Rente wollte. Statt für Sex, Drugs und Rock’n’Roll schwärmte er für Milch mit Keksen. Vielleicht trank er nach seinen Konzerten sogar Eierlikör.

Und seien wir doch mal ehrlich: Das Spießigste ist doch, andere als Spießer zu bezeichnen!

Eierlikör

Eierlikör ist neben Apfelschorle und Filterkaffee das am meisten unterschätzte Getränk – und genießt völlig zu Unrecht einen katastrophalen Ruf. Viele erwachsene Männer würden eher zugeben, zu Hause Heintje-CDs zu hören oder Strapse zu tragen, als öffentlich eine Flasche Eierlikör zu kaufen. Doch bevor wir zum gelben Göttertrunk kommen, müssen wir über Gerhard Tschierschnitz aus Haselborn reden – und Maria aus Bahia.

Wer kennt ihn nicht, den Evergreen unter den Werbeslogans: „Ei, Ei, Ei Verpoorten, ob hier und allerorten.“ Entstanden ist das eingängige Firmenmotto im Jahr 1961, als die etwas schwerfällige Parole „Erquickt den Gaumen, labt und kräftigt, stimmt froh und heiter, daheim und allerorten: Verpoorten“ völlig zu Recht abgelöst wurde.

Ausgerechnet während eines Aufenthalts in Brasilien, dem Ursprungsland des Eierlikörs, komponierte der Grandseigneur des französischen Chansons, Paul Misraki, einen Samba-Rhythmus „Ay, ay, ay, Maria, Maria aus Bahia“, den der deutsche Schlagersänger Gerhard Tschierschnitz zu einem Hit machte. Als Sohn eines Werkzeugmachers wurde Tschierschnitz 1920 in Berlin geboren, begann bei Telefunken eine Mechanikerlehre und fiel schon mit vierzehn als Sänger auf einer Betriebsfeier auf. 1945 kaufte er den Ausweis eines gestorbenen Ungarn namens René Carol und befreite sich damit selbst aus der Kriegsgefangenschaft. Mit diesem neuen Künstlernamen trat er in Bars und Nachtklubs auf. 1950 war „Maria aus Bahia“ seine erste Soloschallplatte und der Beginn einer großen Schlagerkarriere, die erst mit dem Aufstieg der Beatles endete. Carol war damals zweiundvierzig und sagte später: „Als älterer Herr konnte ich mich nicht wie so ein Beatle kleiden und diese Musik machen.“ Er zog sich zurück aus dem Musikgeschäft und trat noch jahrelang in Altersheimen oder auf Betriebsfeiern auf.

René Carol ist heute fast vergessen, sein Lied ist als Verpoorten-Song aber nach wie vor ein Ohrwurm, und die Bonner Firma muss immer noch zähneknirschend Gema-Gebühren dafür zahlen, wenn ihre Erkennungsmelodie im Werbefernsehen erklingt. Im Jahr 2000 wurde sogar für den Weltmarkt eine internationale Fassung getextet, die lautet: „I, I love Verpoorten, come hear me, when I’m calling.“

Die Geschichte des Eierlikörs ist jedoch weitaus älter als die des Verpoorten-Songs. In der brasilianischen Heimat von „Maria aus Bahia“ – Bahia ist das heutige Salvador – begeisterten und berauschten sich europäische Eroberer im 17. Jahrhundert an einem Erfrischungsgetränk, das die Ureinwohner im Amazonas „Abacate“ nannten. Hergestellt wurde der Trunk aus Rohrzucker, Rum und dem butterweichen Fruchtfleisch von Avocados, woher die Bezeichnung „Advocat“ kommt, die noch heute auf vielen billigen Discounter-Eierlikören steht. Der aus Antwerpen stammende Schnapsbrenner Eugen Verpoorten hatte 1876 die bahnbrechende Idee, die in Europa nicht vorhandenen Avocados durch Eidotter zu ersetzen: Der Eierlikör war erfunden und eine Dotterdynastie geboren, und die angeblich bis heute unveränderte Rezeptur ist so streng gehütet wie die von Coca-Cola.

Neunzig Prozent der Deutschen kennen Verpoorten-Eierlikör, und vermutlich hat eine ganze Generation damit ihre ersten alkoholischen Erfahrungen am Nierentisch gemacht. Trotz seines Kaffeekränzchen-Images ist Eierlikör ein Kultgetränk. Die Firma Verpoorten, die eigentlich nur ein Produkt herstellt und mit fünfundachtzig Prozent Marktanteil für den gelben Genuss steht wie Tempo für Papiertaschentücher, hat bisher jeder Krise und jeder Trendwelle auf dem Spirituosenmarkt getrotzt und in der Firmengeschichte noch nie Verluste verbuchen müssen; der Umsatz liegt seit Jahren stabil bei fünfzig Millionen Euro. Täglich werden zwischen März und Oktober – nur in der Zeit ist die Eierqualität gut genug – 1,2 Millionen Eier geköpft, elf Eidotter werden für die Produktion einer 0,7-Liter-Flasche benötigt – was Eierlikör leider zu einer Cholesterinbombe macht, aber gewiss nichts damit zu tun hat, dass der einstige Firmenchef Viktor Verpoorten fünf Bypässe hatte.

Eierlikör ist ein Anti-Krisen-Getränk, denn es wird vorwiegend zu Hause konsumiert, auch in Zeiten, in denen man sich den Kneipenbesuch nicht mehr leistet. Er ist kein Stoff für Wirkungstrinker, sondern ein Genussmittel, eine Praline ohne Schokohülle, die langsam auf der Zunge zergeht. Als Oldie-Gesöff verspottet, ist Eierlikör heute ein Getränk für alle Generationen: Senioren verfeinern damit ihr Walnuss-Eis, die Best-Ager backen Eierlikör-Kuchen, und die Jugend mixt Cocktails und Drinks: Mischen is possible! Verpoorten selbst sieht sich im Supermarktregal als Wettbewerber mit Ramazotti, Campari und Baileys. Eierlikör ist Feierlikör.

Während einst Heinz Erhardt nach dem Vorbild Verpoortens in dem Film Immer diese Radfahrer einen Eierlikörfabrikanten verkörperte und Peter Kraus und Georg Thomalla zu Werbe-Ikonen für das gelbe Imperium wurden, ist spätestens seit Guildo „hat euch lieb“ Horn Eierlikör als dickflüssiges Pendant zu Nussecken in der revitalisierten Schlagerszene zum In-Getränk kultiviert.

René Carol hat dieses Comeback von Ei, Ei, Eierlikör leider nicht mehr erlebt. Er starb 1978 im Sauerland. Wenige Jahre zuvor begründete er in einem Interview, warum er nicht dem Alkohol verfallen sei: „Ich möchte nicht wie ein aufgedunsenes Fass auf der Bühne stehen.“ Allein sein größter Hit „Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein“ wurde über zwei Millionen Mal verkauft, er verdiente über achthunderttausend Mark damit. Was aus dem Geld geworden ist? „Es steckt in meinem Häuschen und in Schnaps“, sagte er. Hätte er mal besser in Eierlikör investiert.Kurzarmhemd

Heute ist alles erlaubt. Von Flipflops über Leggings bis zum volltätowierten Oberkörper. Doch das letzte Tabu im zivilisierten Abendland ist das Kurzarmhemd. Wenn es für den Spießer eine Uniform gäbe, sie hätte ein Hemd mit kurzen Ärmeln. „Kurze Ärmel sind für Spießer“, warnt daher auch der renommierte Etikette-Spezialist Uwe Fenner und behauptet, ein Gentleman wisse gar nicht, dass Kurzarmhemden existieren. Die Etikette-Trainer Imme Vogelsang stellt sogar fest: „Kurzarm-Träger – das ist so wie Warmduscher.“ (Zum Thema Warmduschen später mehr!) Doch eine schlüssige Erklärung bleiben die selbst ernannten Mode-Experten schuldig, wenn sie das Kurzarmhemd allenfalls bei Staubsaugervertretern, Schutzpolizisten oder Piloten südamerikanischer Airlines erlauben, allen anderen aber ein schickes Marken-Oberhemd ans Herz legen. Und warum bitte soll ein Polohemd erlaubt und ein Kurzarmhemd verboten sein – zumal Letzteres einen unschlagbaren Vorteil gegenüber den meisten anderen Kleidungsstücken hat? Kugelschreiber, Zigaretten, Sonnenbrille, Handy – all das passt bequem in die Brusttasche des – kurzärmeligen – Oberhemds. Männer brauchen keine Handtasche, weil sie ein Oberhemd tragen.

Die Etikette-Trainerin Nandine Meyden urteilt hart: Kurzärmelige Hemden sähen „immer nach Internat und kleinen Jungen aus. Das passt nicht zu erwachsenen Männern“. Sie empfiehlt als Alternative, die langen Ärmel einfach hochzukrempeln, so wie Jürgen Klinsmann bei der WM 2006. – Jogi Löw hat es ihm nachgemacht. – Das sähe „wenigstens cool“ aus. Welch ein Unsinn! Polohemd und Krempelarm zeigen dieselbe nackte Haut des Unterarms wie ein schönes Kurzarmhemd – es muss ja nicht gleich kariert sein –, die erotisierende Wirkung dürfte also die gleiche bleiben. Darum, liebe Modepäpste: Warum soll bei Busfahrern erlaubt sein, was beim Ottonormalspießer uncool ist? Gebt das Hemd frei – mit kultigem Kurzarm.

Die Münchner Imageberaterin Sabine Schwind von Egelstein sagt: „Das Kurzarmhemd wird dann salonfähig, wenn jemand das Kurzarm-Sakko erfunden hat.“ Ich sage: eine geniale Idee!Regenschirm

In meiner Geburtsstadt im Bergischen Land gibt es das geflügelte Wort: „Wer in Remscheid auf sich hält, kommt mit dem Regenschirm zur Welt.“ Diese bergische Volksweisheit wird wissenschaftlich untermauert durch eine Erhebung des meteorologischen Fachmagazins Men’s Health. Demnach fallen in meiner Heimat jährlich rund tausend Liter Regen pro Quadratmeter, das bergische Regendreieck Wuppertal, Remscheid, Solingen, wo man eher verrostet als einen Sonnenbrand bekommt, liegt damit an der bundesweiten Spitze. Als ich meine Heimat aus Sehnsucht nach der weiten, sonnigen Welt verließ und nach München zog, wohnte ich in der Stadt auf dem vierten Rang der Regenliste (973 Liter). Und als ich mit meiner ersten Fernreise zum ersten Mal den europäischen Kontinent verließ, landete ich zum Ende der Regenzeit in Thailand, wo bis zu dreitausend Liter Niederschlag im Jahr gezählt werden. Kurzum: Die ersten Jahrzehnte meines Lebens war es für mich unvorstellbar, dass es Menschen gibt, die es spießig finden, immer einen Regenschirm dabei zu haben. Und Wetter-Apps gab es noch nicht.

Dabei ist ein tragbares Schutzdach neben der Stehlampe und dem Vakuum-Sauger für Bartstoppel am Rasierapparat eine der genialsten Erfindungen der Menschheit, die bereits im Jahr 802 ihre erste urkundliche Erwähnung findet, als Abt Alcuin von Tours dem Salzburger Bischof Arno ein „Schutzdach“ sandte, „damit es von deinem verehrungswürdigen Haupte den Regen abhalte“.

Ein verehrungswürdiger Haupt ist auch der gelernte Bergassessor Hans Haupt, der aufgrund einer Verletzung aus dem Ersten Weltkrieg nicht in der Lage war, Regenschirm und Spazierstock gleichzeitig zu tragen. Er griff auf nicht ganz ausgereifte Erfindungen aus dem 17. Jahrhundert zurück und entwickelte 1928 den ersten teleskopierbaren Regenschirm, der im zusammengefalteten Zustand in jede Tasche passte. Bei der Patentierung im Jahr 1930 gab er ihm einen Markennamen mit fünf Konsonanten und einem Vokal: Der „Knirps“ war geboren.

Längst gibt es Schirme mit integrierter Taschenlampe, Bleistift, Pillendose, Kompass oder Trinkglas. Ängstliche Zeitgenossen, die häufiger die Berliner U-Bahn als Transportmittel benutzen, haben im Griff ihres scheinbar harmlosen Schirms einen Dolch verborgen. Und von James Bond und Nick Knatterton kennt man die Sonderanfertigungen, die sich auf Knopfdruck in ein Maschinengewehr oder einen Fallschirm verwandeln.

Aber es wäre nicht angemessen, den Schirm nur als Waffe und Regenschutz zu betrachten. Das englische Wort „umbrella“, das vom lateinischen „umbra“ – Schatten – kommt, deutet darauf hin, dass er ursprünglich mal als Schattenspender gedacht war. Der Schirm ist auch ein Kulturgut, wie die häufige Verwendung als Requisite beim Deutschen Fernsehballett, im Musical (Singin‘ in the Rain) oder der modernen Musik beweist: Es ist wohl eine der erotischsten Liebeserklärungen der Pop-Geschichte, wenn sich Rihanna in nicht ganz wetterfester Kleidung mit Netzstrümpfen und Lackleibchen lasziv um einen schwarzen Stockschirm rekelt und singt: „Now that’s raining more than ever / Know that we’ll still have each other / You can stand under my umbrella.“

Wer heute beschirmt seine Liebe beweisen will und aus individuellen Gründen nicht im Rihanna-Outfit auf die Straße geht, hat andere Möglichkeiten. Die Firma Knirps hat ein Modell namens „Feeling“ auf den Markt gebracht, auf dessen Schirmdach viele kleine Kristalle „in Liebes-Rot und Glücks-Grau“ ein Herz mit einem Schwert darstellen. Auf die Idee, dass Grau die Farbe des Glücks sein soll, kann wohl nur ein Schirmhersteller kommen.

Was sich einfallsreiche Schirmdesigner ausgedacht haben, kann übrigens im einzigen Schirmmuseum der Welt, dem „Muso dell’Ombrello“ in Gignese am Lago Maggiore angeschaut werden.

Dass Menschen, die bei jeder Witterung einen Schirm bei sich tragen, ausgewiesene Pessimisten sein sollen, ist eine Unterstellung, die leicht zu widerlegen ist. Der Schirmträger ist eher ein Realist, der durchaus die Sonnenstrahlen genießen kann, dabei aber nicht vergisst, dass auf Sonnenschein immer Regen folgt – und umgekehrt. Die Stadt mit den meisten Regentagen in Europa liegt nicht in Schottland, sondern mitten in Deutschland: Es ist mit zweihundertsechsundsechzig Tagen Halle an der Saale. Auch Köln liegt mit zweihundertdreiundsechzig Tage noch vor dem schottischen Glasgow und dem irischen Cork. Von Freiburg über Kiel bis Regensburg – dort sowieso – liegt also die Regen-Wahrscheinlichkeit an jedem Tag des Jahres bei deutlich über fünfzig Prozent. Wer also ohne Schirm auf die Straße geht, verkennt schlichtweg die Realität und begibt sich sehenden Auges in die Gefahr, auf offener Straße durchnässt zu werden. Und im Vergleich zum Sonnenbrillenträger, der hinter den getönten Augengläsern seine Gefühle und sein wahres Ich verbirgt, ist der Schirmträger ein Gentleman, der bei drohendem Nass von oben jederzeit der Dame seines Herzens Schirm und Geleit andienen kann – Knirps sei Dank.

Übrigens: Dass der geniale „Mister Knirps“ ausgerechnet aus Solingen und damit aus meiner bergischen Heimat stammt, kann kein Zufall sein.

Filterkaffee

Zugegeben: So ein Kaffeevollautomat mit Cappuccinodüse, Thermoblock-Heizsystem, automatischer Pulvererkennung, digitaler Verkalkungsanzeige, One-Touch-Automatik und LED-Tassenbeleuchtung ist ein imposantes Küchenmobiliar. Doch wenn man bereit ist, für eine Kaffeemaschine mit der Technologie eines Spaceshuttles so viele Scheine wie für einen Gebrauchtwagen hinzulegen, dann bezahlt man buchstäblich einen hohen Preis: Man verzichtet auf den guten alten Filterkaffee.

Ich will hier jetzt nicht über Geschmack reden. Und ich rede auch nicht über die im öffentlichen Dienst verbreiteten monströsen Brühvorrichtungen, in denen eine braune Plörre so lange vor sich hin köchelt, bis sie nach Heizöl schmeckt. Bekanntlich ist der Kaffeekonsum, ähnlich wie die Zigarettenpause, ein Zeremoniell, bei dem die Vorbereitung den wahren Genuss darstellt. Ist es nicht ein einmaliger Vorgang, die Dose mit dem Kaffeepulver zu öffnen, woraufhin eine erste Prise des einzigartigen Dallmayr-Jacobs-Eduscho-Aromas in die Nase steigt, den Melitta-Filter mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger auseinanderzudrücken und mit den wohldosierten Portionen eines Speziallöffels das braune Gold in die Filtertüte zu füllen? (Kenner durchspülen die Filtertüte erst mit Wasser, damit sie den Papiergeschmack verliert.) Nach sanftem Druck leuchtet der transparente Kippschalter rot auf und mahnt noch zur Geduld. Ein faszinierendes Röcheln und Gluckern lässt dann keinen Zweifel mehr daran, dass in wenigen Augenblicken die ersten braunen Tropfen mit einer Temperatur von 92 Grad in der Glaskanne niedergehen werden. Während dieser kostbaren Minuten, vielleicht die schönste Zeit des Tages, erfüllt sich der Raum mit einer einzigartigen Kombination aus Duft von Kaffeearoma und dem hingebungsvollen Blubbern der Maschine.

Anders als eine Tasse Espresso, die so schnell hinuntergekippt ist, wie der Vollautomat sie ausgespuckt hat, bildet die dampfende Kanne den Mittelpunkt der Kaffeetafel und lädt ein zur geselligen Kommunikation: „Oh, ist Ihre Tasse schon leer?“ – „Darf ich nachschenken?“ – „Mit Milch und Zucker!“ - „Möchte noch jemand einen Schluck?“ – Und schließlich: „Soll ich noch eine Kanne kochen?“ Der Filterkaffee auf dem Tisch jedenfalls gewährleistet einen ununterbrochenen Strom von Flüssigkeit und Redefluss und macht das Kaffeetrinken zu einem gesellschaftlichen Kollektivereignis, während die Espressionisten mit ihren Vollidiotautomaten, die auch im Businessanzug einen „Latte to go“ im unsäglichen Pappbecher aus der „Brew Bar“ mitnehmen, die Koffeinzufuhr zu einer egomanischen Selbstbefriedigung degenerieren. Damit eins mal klar ist: Kaffee gehört in Tassen, nicht in Becher!

Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist selbstverständlich ein Zeichen der Völkerverständigung, wenn ich im Urlaub den italienischen Cappuccino, den französischen Café au lait, den türkischen Mocca und den spanischen Cortado genieße, aber umso selbstbewusster und mit einer gesunden Portion Patriotismus dürfen wir Deutschen auch unseren guten, alten Filterkaffee mit Bärenmarke-Kaffeesahne trinken und uns geehrt fühlen, wenn man uns im Touristenhotel in der Toskana mit „deutschem Kaffee“ ein heimatliches Gefühl bieten will – und für einen „deutschen Cappuccino“ zum Filterkaffee eine Dose Sprühsahne reicht.

Bausparen

Zu den prägendsten Kindheitserinnerungen aus dem elterlichen Wohnzimmer gehören neben der Schrankwand die TV-Werbespots für Ariel mit Clementine, für Schauma-Shampoo und diverse Bausparkassen, deren Slogans uns bis heute im Ohr klingen: „Auf diese Steine können Sie bauen – Schwäbisch Hall“, „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause – LBS“ oder „Wünsche werden Wüstenrot“. Zu den jahrelang ungeklärten und später vergessenen Rätseln der Kindheit gehört die Frage: Was ist eigentlich der Wüstenrot-Tag? Der 31. Dezember war gemeinhin als Silvestertag bekannt; vom Wüstenrot-Tag dagegen war immer im Fernsehen die Rede, dort dafür aber mit einer solchen Vehemenz, dass man befürchten musste, der Wüstenrot-Tag sei im Maya-Kalender verzeichnet und das Verpassen dieses magischen Datums hätte eine persönlich-finanzielle Apokalypse zur Folge. Doch schon damals lernte man: Nach dem Weltuntergang ist vor dem Weltuntergang, der nächste Wüstenrot-Tag, nachdem er folgenlos verstrichen war, würde nicht lange auf sich warten lassen – welcher Mythos auch immer dahinter verborgen war.

Um es nicht zu spannend zu machen und das Rätsel aufzuklären: Für Bausparer gibt es sogenannte Bewertungsstichtage, an denen die Bewertungszahl festgelegt wird, die für die Zuteilung eines Bausparvertrages wichtig ist. Meistens sind die Stichtage vierteljährlich zum Quartalsende: Man sollte also bis zum 31. noch rasch einzahlen, um bessere Vertragskonditionen zu bekommen. Warum allerdings unbedingt der Vertrag am 30. September immer unbedingt besser sein soll als am 31. Dezember, ist mir nach wie vor schleierhaft und erinnert an den immerwährenden Slogan für Sonderangebote, die „nur für kurze Zeit“ im Regal stehen. Und zwar alle paar Wochen.

„Wir befanden uns mit dem Bausparthema schließlich im Epizentrum der Spießigkeit“, räumt Carsten Heintzsch ein, der diesen Spot entwickelt hat.