Das Lied des Sterntauchers - Richard Amory - E-Book

Das Lied des Sterntauchers E-Book

Richard Amory

4,8

Beschreibung

Dieser Roman aus dem Jahr 1966 ("Song of the Loon") ist zugleich Ausdruck wie Katalysator eines wachsenden schwulen Selbstbewusstseins. Der Autor orientiert sich an amerikanischen Gründungsepen wie "Lederstrumpf" und "Pocahontas" und beschreibt eine Reise in die unerforschte Wildnis als Abfolge sexueller Begegnungen mit Trappern und Indianern. Schließlich stößt der Held zur "Gesellschaft der Sterntaucher", die eine lustvolle Alternative zum Selbsthass der puritanischen Pilgerväter lebten. Amory schildert die erotischen Szenen mit einem pathetischen Überschwang, der den Übersetzer der deutschen Erstausgabe 1971 ("Rote Männer auf grünen Matten") wohl dazu verleitet hat, die Handlung mutwillig zu veralbern. Dabei hatte dieses klassische Kultbuch durchaus eine "ordentliche" Übersetzung verdient. Wir präsentieren deshalb hier erstmals die wahre Geschichte um Ephraim McIver, Träumender Bär und ihre weißen und roten Freunde, den sicherlich meistverkauften schwulen Erotikroman sowohl in Amerika wie in Deutschland.

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RICHARD AMORY

DAS LIED DES STERNTAUCHERS

«rote männer auf grünen matten»

Roman Aus dem Amerikanischen und mit einem Nachwort von Joachim Bartholomae

Männerschwarm Verlag Hamburg 2013

ERSTES BUCH

Es war ein strahlender Tag. Die Maisonne stand hoch am Himmel, ihre Strahlen durchdrangen das Dickicht der Douglaskiefern, wo sie die blassgrünen Nadeln reflektierten; das Licht sammelte sich in Seen von tiefem Blau. Das Wasser des Umpqua, das in feinen Kristallen vom Paddel tropfte, war von dunklerem Grün – die Wellen, die das Kanu erzeugte, verliefen im Schatten weißer Erlen unter dem Laubgeflecht des Jungfernahorns. Ein Eichelhäherpaar schrie hoch oben in den Wipfeln, dann zog es mit heiseren Rufen fort in die Wälder.

Im Sonnenlicht glänzte das Haar des Mannes wie neues Kupfer; er trug kein Hemd, und seine muskulösen Schultern spannten sich an und streckten sich beim Paddeln, auf seinem Rücken bildeten sich Knoten und Mulden. Das Haar auf seiner Brust glänzte vor Schweiß, und die kleinen Härchen, die sich in einer dünnen, dann immer breiteren Linie über seinen Bauch zum Nabel hinab zogen, klebten flach auf den wogenden Muskeln. Er hielt ein. Die Häher kehrten zurück, sie schrien noch immer.

Da vernahm der Mann ein anderes Geräusch, das von einem Ort flussaufwärts zu ihm drang, ein leiser, hohler Ton. Er verstummte, dann war er wieder da. Er paddelte weiter, sein Boot glitt geräuschlos über das stille Wasser nah am Ufer. An einer Biegung des Flusses hielt er von Neuem ein.

Knapp fünfzig Meter flussaufwärts saß ein Indianer, er lehnte sorglos an einem umgestürzten Baum und spielte auf einer hölzernen Flöte. Auch er trug kein Hemd, und sein offenes schwarzes Haar fiel ihm bis über die Schultern. Sein Brustkorb war breit und glatt, seine Hüfte schmal und geschmeidig, so biegsam wie eine Weidenrute.

Der weiße Mann paddelte näher heran und lauschte der fremdartigen Musik. Der Indianer hatte ihn bemerkt, hörte jedoch nicht auf zu spielen. Erst als das Kanu aufs Ufer zuhielt, brach er ab und legte die Flöte neben sich auf den Boden. Schweigend betrachteten sie einander. Als das Boot das Ufer erreicht hatte, erhob sich der Indianer. Seine Augen, dunkel und funkelnd wie Obsidian, ruhten auf dem weißen Mann.

Er zog das Kanu auf den Sand. «Du bist Ephraim MacIver», sagte er ruhig.

«Ja», sagte der weiße Mann und erhob sich ebenfalls. Er warf sich ein Hemd über, ohne es zuzuknöpfen, dann stieg er ans Ufer. «Woher kennst du meinen Namen?»

«Astoria ist nicht weit. Und du warst lange unterwegs.» Der Indianer setzte sich wieder und griff nach seiner Flöte.

«Es gab Schwierigkeiten», sagte Ephraim. Er zog das Kanu vollends ans Ufer und begann, sein Gepäck herauszunehmen.

«Nicht hier», sagte der Indianer. «Ich bringe dich flussaufwärts zu einer Hütte. Dort verstecken wir das Kanu.»

«Jetzt?», fragte Ephraim.

«Wenn es dir recht ist.» Der Indianer stand auf und nahm das Paddel. Mit einer Handbewegung forderte er Ephraim auf, sich in die Mitte des Kanus zu setzen, dann stieß er das Boot vom Ufer ab und stieg mit einer anmutigen Bewegung hinein. «Dreh dich zu mir», sagte er, «damit wir reden können.» Und als Ephraim sich vorsichtig zu ihm herumgedreht hatte, fragte er: «Was waren das für Schwierigkeiten?»

Ephraim starrte auf die langen, sanft durchmuskelten Arme des Indianers und auf das Spiel der Sehnen beim Paddeln. «Kennst du in Salem einen Mann, der sich Mr Calvin nennt? Die Indianer nennen ihn Donner in den Kiefern.»

«O ja», sagte der Indianer. «Ich kenne ihn gut. Von ihm lernte ich die englische Sprache.»

«Du bist zu seiner Schule gegangen?»

«Ja. Viele Jahre lang, doch dann lief ich fort.» Er schwieg. «Sein Weg war nicht der meine.»

«Er kennt mich», sagte Ephraim. «Ich musste mich verstecken.»

«Das ist schlecht. Sehr schlecht.»

«Aber er ist mir nicht gefolgt. Acht Tage lang habe ich mich am Siuslaw versteckt und gewartet, um zu sehen, ob er mir folgte, aber er hat meine Spur verloren. Er glaubt, dass ich den Willamette entlang nach Süden gegangen bin, oder nach Westen, vielleicht den MacKenzie hinauf. Er wird mich nicht finden.»

«Vielleicht hast du recht, aber er vergisst niemals.» Der Indianer paddelte eine Zeit lang schweigend und mit gerunzelten Brauen. «Mein englischer Name war Daniel. Mr Calvin hat mir den Namen gegeben, um mich zu einem Christen zu machen; als ich fortlief, legte ich den Namen ab und wurde wieder ein Indianer. Mein indianischer Name ist Singender Reiher.»

***

In einem Erlengehölz brachte er das Kanu ans Ufer, und sie zogen es weit fort vom Fluss und versteckten es im Unterholz. Mit großer Sorgfalt beseitigten sie am Ufer des Flusses alle Spuren ihrer Landung. «Falls Mr Calvin hier vorbeikommt, lässt er sich vielleicht dadurch täuschen», murmelte der Indianer, «aber ich glaube, Mr Calvin ist weit fort.» Zum ersten Mal lächelte er Ephraim zu und zeigte seine kräftigen, geraden Zähne.

Die Hütte war ein Windschutz aus Zweigen und Rinde; eine Seite war mit Fellen verhangen. Ephraim legte sich ins Gras, die Augen halb geschlossen, den Kopf auf einen Arm gebettet. Mit der anderen Hand kraulte er das vom Schweiß verklebte Haar auf seiner Brust. Singender Reiher nahm seine Flöte und spielte eine lange, langsame indianische Melodie; dabei betrachtete er Ephraim. Plötzlich hörte er auf.

«Hat dir der alte Mann in Astoria – der Mann, den sie Ixtlil Cuauhtli nennen –, hat dieser Mann dir ein Zeichen gegeben?»

«Ja», sagte Ephraim. Er stützte sich auf den Ellbogen und griff in seine Tasche. «Hier ist es.»

Er zog einen ledernen Beutel hervor. Singender Reiher öffnete ihn behutsam und sah hinein. «Das Zeichen des Sterntauchers», sagte er und gab Ephraim den Beutel zurück.

«Vor dir hat es noch niemand gesehen», sagte Ephraim.

Singender Reiher nahm wieder die Flöte und spielte eine zarte, leicht dahintreibende Melodie, die emporstieg wie Rauch zwischen Bäumen. Als er geendet hatte, betrachtete er Ephraim. «Du bist sehr schön», sagte er sanft.

Ephraim nahm einen tiefen Atemzug und schloss die Augen. «Das bist du auch», erwiderte er. «Was für ein stattlicher Mann du bist.»

Schweigend lagen sie da und lauschten dem Schrei der Häher. Schließlich erhob sich Singender Reiher. «Es ist gut», sagte er. «Wir werden jetzt essen, dann gehen wir zum Fluss.» Er ging zum Windschirm und kehrte mit zwei geschmorten Kaninchen zurück, die noch warm waren, außerdem geröstetem Mais und Trockenobst. «Dies habe ich heute Morgen gekocht», sagte er, «ich dachte, heute könntest du kommen. Ich hatte recht – du bist gekommen.» Er warf Ephraim aus seinen dunklen Augen einen warmen Blick zu und begann, die Kaninchen zu zerlegen.

«Erzähl mir davon», sagte Singender Reiher, als sie sich niedergesetzt hatten, um zu essen, «erzähl mir, wie du Ixtlil Cuauhtli begegnet bist.»

Ephraim dachte lange nach, bevor er antwortete, und er überlegte, wie offen er sein sollte. Schließlich murmelte er: «Er hat mich am Strand gefunden, ich war krank und lag dort auf dem Sand –»

Singender Reiher sah Ephraim nachdenklich an. «Er nahm dich mit in seine Hütte?», fragte er.

«Ja», antwortete Ephraim. «Er war sehr gut zu mir.»

«Warum lagst du dort krank im Sand?», fragte Singender Reiher behutsam.

Wieder dachte Ephraim sorgfältig nach, bevor er antwortete. Er wollte die ganze Geschichte erzählen, doch er wusste nicht, ob er dem Fragenden vertrauen durfte. Er seufzte tief und antwortete stockend. «Ich war einem Freund gefolgt – einem Freund, den ich aus dem Osten kannte. Wir waren zusammen nach San Francisco gegangen, doch plötzlich war er verschwunden, und es gelang mir, ihm auf dem Schiff nach Astoria zu folgen. Dort verlor ich ihn endgültig aus den Augen –» Verwirrt versank er in Schweigen und aß von dem gerösteten Mais.

Singender Reiher kaute an einer Kaninchenkeule und wartete schweigend, dass Ephraim fortfuhr.

«Ich – ich war unglücklich und verzweifelt, ich verlor den Kopf und brachte mich in Schwierigkeiten. Schließlich endete ich am Strand, wo Ixtlil Cuauhtli mich fand. Ich redete lange Zeit im Delirium, der alte Mann hörte mir zu, er sprach mit mir und machte mich gesund. Jetzt bin ich auf dem Weg zu dem weisen Mann, dem Medizinmann in der bemalten Höhle.» Er zögerte, dann schwieg er wieder.

Singender Reiher lehnte sich zurück und blickte in die Tiefen des Waldes. Sein Gesicht war ruhig. «Der Mann, nach dem du suchtest – war er dein Geliebter?»

Erschrocken wirbelte Ephraim herum und starrte auf das Profil des Indianers. Er konnte Singendem Reiher nicht in die Augen blicken und sah verlegen zu Boden.

«Ja», sagte er bitter, «aber ich denke nicht mehr an ihn. Er ist fort und hat keine Macht mehr über mich.»

«Ich beginne zu verstehen», murmelte der Indianer. «Den … – nun, manchen Leuten geschieht so etwas sehr oft.» Er drehte den Kopf ein wenig, und sein Blick fiel auf Ephraims ausgestreckte Beine. «Es ist so seltsam, so grausam. Hast du ihn geliebt, Ephraim?»

Auf Ephraims Gesicht erschien ein gequältes Lächeln. «Ja, ich glaube schon», sagte er. «Vielleicht auf meine eigene Art. Doch er war nicht ehrlich zu sich selbst, und auch nicht zu mir. Er hat nie von Liebe gesprochen, aber häufig von Hass, und er sagte viele grausame Dinge.»

«Wie seltsam», wunderte sich der Indianer, «dass er mit dir nicht von der Liebe gesprochen hat.» Ganz sanft und zaghaft berührten seine Fingerspitzen Ephraims Handrücken.

Instinktiv krümmte Ephraim die Finger zur Faust, und seine Hand zitterte. Mit klopfendem Herzen setzte er sich auf und sah fort. Im selben Moment wünschte er sich, er wäre still liegen geblieben.

Hinter sich vernahm er die sanfte, melodische Stimme von Singendem Reiher. «Es tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.»

Ephraim senkte den Kopf und zog mit dem Finger krause Linien in den Staub. «Nein, es lag an mir, alles ist gut. Ich habe nicht damit gerechnet. Ich hätte dir vertrauen sollen.» Er drehte sich herum und blickte in die geheimnisvollen Augen von Singendem Reiher. «Es tut mir sehr leid», sagte er und lehnte sich wieder zurück.

Zögernd, beinahe ängstlich hob er die Hand, um das glänzende Haar des Indianers an den Schläfen zu berühren. «Der alte Mann in Astoria hat mir gesagt», flüsterte er, «dass viele Männer anders sind als Montgomery.»

Singender Reiher rückte unmerklich näher; seine Wange streifte Ephraims Schulter, dann seine Lippen. «War das der Name deines Geliebten?»

«Ja.» Sanft berührte er die Stirn des Indianers mit den Lippen.

«Was für ein trauriger Mann.»

«Traurig und unglücklich –»

Plötzlich richtete Singender Reiher sich auf und sah auf Ephraim hinab. «Wir wollen nicht mehr von ihm sprechen», sagte er.

«Nein. Es hat keinen Sinn. Er ist vergessen.»

Singender Reiher lächelte und stand auf. «Komm», sagte er, und Ephraim erhob sich und folgte ihm.

Die starken Beine des Indianers glitten durchs Unterholz, vorbei an blühender Johannisbeere und purpurnen Astern – seine Schultern waren breit und anmutig, und sein kräftiger Rücken endete in harten Gesäßmuskeln.

Auf einer Lichtung am Fluss blieb er stehen.

Tief atmend sah Ephraim zu, wie der Indianer die Mokassins abstreifte.

«Ixtlil Cuauhtli ist ein weiser Mann», sagte Singender Reiher. «Ich kenne ihn seit vielen Jahren; er war es, der mir den Weg des Sterntauchers gezeigt hat.» Er wandte sich Ephraim zu und löste die Hüftschnur; seine lederne Leggins fiel zu Boden, er trat nackt heraus und wartete, dass auch Ephraim sich entkleidete. Die Haare unterhalb des Nabels glänzten in den schräg einfallenden Strahlen der Sonne; sein langer und von Adern durchzogener Penis hing hinab und nahm langsam weiter an Länge zu; seine Hoden hingen schwer zwischen den dunklen Schenkeln.

Ephraims Stimme versagte; er schluckte und entledigte sich des Hemds. Gepresst brachte er heraus: «Der alte Mann hat mich vieles gelehrt, das ich niemals vergessen werde.» Sein Hemd fiel zu Boden, und er bückte sich, um seine Schnürbänder zu öffnen. «Er sagte, ein Liebhaber, wie ich ihn suche, sei nur schwer zu finden; einer, der stolz und kraftvoll im Licht der Sonne steht und seine Kraft aus dem Erdboden zieht, so wie die Zeder oder die Douglaskiefer. Einer, der andere lieben kann, weil er sich selbst liebt.» Er sah zu Singendem Reiher hinüber.

Der Indianer betrachtete ihn ruhig und schenkte seinem langsam anschwellenden Schwanz weiter keine Beachtung.

Ephraim richtete sich auf und fing an, seine Hose aufzuknöpfen. Er zögerte, denn er wusste, dass sein Schwanz geschwollen war. Über dem Hosenbund glänzte seidenes, kupferfarbenes Haar. Er zog die Hose schnell hinunter und legte sie zu seinen Stiefeln auf den Boden.

Singender Reiher warf einen Blick auf Ephraims Schwanz, dick und stark wie eine Eiche. «Es gibt solche Männer», murmelte er, «und schon bald wirst du viele von ihnen kennenlernen.» Dann drehte er sich um und ging zum Fluss. Als Ephraim ihn eingeholt hatte, berührte der Indianer seine Hand und umarmte leicht seine Schulter.

Ephraim war vor Erregung und Schüchternheit wie geblendet. Wie einen Schatten sah er im Augenwinkel den sanft schwingenden Schwanz des Indianers.

Am Ufer des Flusses blieb Singender Reiher stehen; dann tauchte er wie ein goldener Pfeil ins Wasser. Ephraim blieb stehen und sah zu, wie der Indianer zu einem Felsen am anderen Ufer hinüberschwamm. Als Singender Reiher sich umwandte und lächelnd winkte, sprang auch Ephraim hinein und folgte der geheimnisvollen Gestalt, die blass im Wasser leuchtete.

Ephraim kletterte sorglos auf den Felsen und setzte sich; Singender Reiher blieb im Wasser, das lange Haar wogte träge um seine Schultern. Er berührte Ephraims Knöchel, der in der Sonne trocknete, und strich vorsichtig mit den Fingerspitzen über das goldene Haar seiner Wade.

«Es stimmt, was der alte Mann sagte», hauchte er. «Du bist wie Sonnenlicht im April.»

Ephraim errötete und wandte sich ab. «Du hast mit Ixtlil Cuauhtli über mich geredet?», fragte er.

Singender Reiher zog sich auf den Felsen empor und setzte sich Ephraim gegenüber, seitlich auf den Ellbogen gestützt. «Vor einem Monat hat Ixtlil Cuauhtli an Träumenden Bär eine Nachricht geschickt, noch bevor du aufgebrochen bist. Ich war in der bemalten Höhle, als sie eintraf. Wir alle wissen, dass du kommst.»

Mit verschleierten Augen betrachtete Ephraim den nackten Körper des Indianers auf dem Felsen, und den langen Schwanz, der unbefangen auf dem muskulösen Schenkel lag. «Ich bin froh, dass ich diesen Weg genommen habe», flüsterte er und sah Singendem Reiher in die Augen.

«Auch ich bin glücklich», erwiderte der Indianer sanft, «und ich glaube, wir sollten uns lieben. Möchtest du das?»

Ephraim versagte die Stimme. «Ja», krächzte er beinahe unhörbar. «Du bist so schön und sanft, und so stark –»

Ein Lächeln breitete sich langsam auf dem Gesicht des Indianers aus, er stand auf und reichte Ephraim die Hand. Im nächsten Moment hatten sie den Felsen verlassen und schwammen im Strom, spielten Fangen, lachten, rangen miteinander und spritzen mit Wasser. Ihre Körper streiften und trennten sich, Finger, Lippen, Schenkel – Suche, Begierde, Umarmung.

Schließlich löste sich Singender Reiher und sprang lachend ans Ufer. Er wandte sich um und ging zurück zur Lichtung; Ephraim folgte. Schweigend nahmen sie ihre Kleider und gingen Seite an Seite den Weg zurück zur Hütte. Sie warfen sich Blicke zu und trockneten im Sonnenlicht ihre Körper.

Als sie die Hütte erreichten, breitete Singender Reiher eine Decke aus und legte sich darauf. Ephraim saß vor ihm und betrachtete den glatten, kraftvollen Körper, die Bauchmuskulatur und die starken braunen Schenkel. Dann legte auch er sich nieder, drehte sich auf den Rücken und streckte die Hand nach dem Gesicht des Indianers aus.

Plötzlich umarmten sie sich mit aller Kraft. Die Lippen des Indianers erkundeten Ephraims Körper, und dann, ganz sanft, schlossen sie sich um Ephraims steifen, zitternden Schwanz.

Ephraim spürte den langsamen, rhythmischen Druck, die unglaubliche Zärtlichkeit der Zunge; alle seine Empfindungen strömten in seinen Schwanz, steigerten sich ins Unerträgliche, auf den Höhepunkt zu, strebten nach Erlösung. In den Qualen der Lust verkrampften sich seine Lenden und stießen nach oben; sein Körper bäumte sich auf, die Haare glitzerten im Sonnenlicht, und die Muskeln der Brust ballten sich zusammen, dann löste sich der Krampf, und er sank mit einem tiefen Stöhnen zurück.

Keuchend zog er den Indianer an sich heran, dann richtete er sich auf.

Der zitternde, pulsierende Schwanz von Singendem Reiher ragte senkrecht aus seinem Schoß empor. Ephraim betrachtete staunend seine dunkle Kraft, und auch die Hoden, die locker zwischen den starken Schenkeln hingen. Er beugte sich vor und berührte die Eichel des Indianers mit der Zunge; glatt und zart wie das Blatt einer Blüte glänzte sie im Sonnenlicht.

Singender Reiher stieß ihm sanft entgegen. Seine Schamhaare berührten Ephraims Lippen; er erschauderte, spannte jeden einzelnen Muskel und warf die Beine weit auseinander. Seine Hoden hingen hinab auf die Decke. Ephraim spürte seine Schwanzwurzel hart und kraftvoll an seinen Lippen. Er zitterte stark und explodierte vor unbändiger Ekstase in qualvollem Stöhnen.

Eng beieinander lagen sie in der Sonne, bis die Schatten der Douglaskiefern auf ihre verschlungenen braunen und weißen Körper fielen. Singender Reiher erhob sich als Erster und griff nach seiner Hose. Ephraim sah ihn an und sagte: «Zieh sie nicht an –» Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Indianers, und er beugte sich hinab, um die Wange des anderen Mannes zu streicheln. Stockend flüsterte Ephraim: «So siehst du besser aus – so schön und frei –»

«O mein Geliebter», seufzte der Indianer. «Ich tue, was du willst, denn das ist unser Weg.» Er streichelte das kupferne Haar. «Du gehörst zu denen, deren Leben zu lange dem Weg der Grausamkeit folgte und die nun den Weg von Freundschaft und Liebe erfahren müssen, unseren Weg. Und dein Herz ist gut.» Er richtete sich auf. «Ich werde ein Feuer anzünden, denn bald kommt die Nacht.»

Ephraim betrachtete den nackten Indianer, wie er weit ausholte und mit gewaltigen Axthieben das Holz hackte, er beobachtete das Wechselspiel der Muskeln von Rücken, Gesäß und Brust und sah, wie sein schwerer Schwanz beim Gehen hin und her schwang. Er dachte an Montgomery, der das erste Mal in betrunkener Raserei über ihn hergefallen war und der nur dann seine Liebe zeigen konnte, wenn der Schnaps seinen Verstand betäubt hatte; spät in der Nacht kam er dann mit wilden Flüchen zu Bewusstsein.

Singender Reiher bückte sich und blies in die Glut der Feuerstelle. Ephraim staunte – Montgomery hatte sich nur selten nackt gezeigt, es sei denn, er wollte seinen Geliebten provozieren. Die Nacktheit von Singendem Reiher war dagegen ein Geschenk, das lächelnd dargeboten wurde.

Montgomerys hässliche Sätze gingen Ephraim durch den Kopf, und er setzte sich stirnrunzelnd auf. Der Indianer warf ihm einen flüchtigen Blick zu, dann kümmerte er sich wieder um das Feuer. «Was macht dir Sorgen, Ephraim?», fragte er.

«Nur hässliche Erinnerungen an die Vergangenheit. Doch wenn ich dich ansehe, sind sie verschwunden.»

Beide lächelten. «Das ist gut», sagte Singender Reiher.

Eine kühle Brise fuhr in den Rauch des Lagerfeuers und in die langen, glatten Haare des Indianers. Er lächelte entschuldigend und griff nach der Leggins. «Nur für einen Moment», sagte er und zog sie an. Ephraim freute sich über das Versprechen, das darin enthalten war, und zog sich auch die Hose an.

«Ein Mann, der so schön ist wie du», flüsterte Ephraim, «sollte stolz sein, wenn er nackt ist, denn er bereitet anderen eine große Freude.»

Singender Reiher lachte. «Das ist unser Weg.»

Aus Lachs und Mais bereiteten sie das Abendessen, dazu Kaffee aus Ephraims Vorrat. Nach dem Essen saßen sie eng beieinander und blickten ins Feuer. Der Schrei der Nachtschwalbe durchschnitt die Nacht, und eine Eule schwebte langsam durch den Wald. Ephraim legte die Hand auf das Knie des Indianers, und sie rückten näher ans Feuer. «Der alte Mann in Astoria», flüsterte Ephraim, «er hat gesagt, ich soll zu dem weisen Mann gehen, der Träumender Bär genannt wird. Er sagt, dass dieser Mann mir vieles erklären wird und meine Traurigkeit heilen kann –»

«Ja, das ist wahr», sagte der Indianer. «Träumender Bär weiß sehr viel, er wird deine Seele erkennen und sie dir erklären. Und falls dein Weg einsam ist, wird er dir einen Partner geben. Aber es geschieht nur selten, dass wir einsam sind.»

«Und hast auch du einen Partner?»

«Ja, ich habe einen Partner. Er ist den Willamette hinabgegangen und wird bald zurückkehren. Er ist ein weißer Mann, ein Trapper; Mr Calvin kennt ihn nicht.»

Ephraim richtete sich auf und runzelte die Stirn. «Das verstehe ich nicht», rief er aus. «Und wenn er nun wiederkommt, während ich hier bin? Wenn du einen Partner hast, warum hast du dann – warum haben wir uns geliebt?»

«Ah», sagte der Indianer sanft. «Du leidest an der Seuche des weißen Mannes, der Seuche des stolzen Mannes. Sie befällt jene, die den Weg der Missionare gehen. Man nennt sie Eifersucht, aber manchmal glaube ich, ihr wahrer Name ist Egoismus.» Er seufzte. «Wenn ich einen Mann liebe, kann ich deshalb nicht zur selben Zeit einen anderen lieben? Wenn ein Mann mein Herz mit Liebe gefüllt hat, kann ich es nicht mit einem anderen teilen? Wenn ich dich liebe, bedeutet es nicht, dass ich einen anderen weniger liebe. Ich will dich nicht besitzen wie ein kleines Hündchen – das wäre keine Liebe, Ephraim.»

«Trotzdem verstehe ich es nicht. Ich finde es nicht richtig.» Ephraim war irgendwie niedergeschlagen.

«Wenn die Zeit gekommen ist, wirst du es verstehen», sagte der Indianer ruhig. «Wenn du die Liebe verstehst, wenn du die Liebe in dein Herz gelassen hast, dann wirst du es verstehen.»

Ephraim lehnte sich zurück und legte den Kopf an die Brust des Indianers, und Singender Reiher fuhr fort. «Nur ein Mann hat jemals versucht, mich zu besitzen, so wie er sein Haus besitzt, sein Pferd, seine Hunde: dieser Mann war Mr Calvin. Er wollte meine Seele besitzen, damit er sie zerstören konnte. Er wollte, dass ich mich selbst hasse, meinen Körper, so wie er sich und seinen Körper hasste. Das ist der Weg der Missionare – der Weg des Hasses. Es ist keine Liebe; es ist nicht unser Weg.»

«Aber dennoch –»

«Hab Geduld, Geliebter! Glaub mir, ich liebe dich von Herzen; mein Herz ist voll von dir! Glaubst du denn, ich werde aufhören dich zu lieben, wenn du deine Reise den Fluss hinauf fortsetzt? Nein, Ephraim: Ich werde dich immer lieben; und ich glaube, auch du wirst mich immer lieben. Wir werden uns noch viele Male wiedersehen – du wirst den Fluss hinabgleiten wie heute, erfüllt von Liebe, und nach mir suchen, wir werden im Wasser spielen und uns auf dem Sand küssen. Oder ich werde dich suchen, wo auch immer du bist, werde aus den Wäldern nach dir rufen, und du wirst kommen – wir werden die Kleider ablegen und lachend nackt durch den Wald laufen, unsere Körper werden auf dem schattigen Moos zusammenfinden, und wir werden uns lieben, wie wir es heute getan haben. Und dein Partner, und auch meiner, werden glücklich sein, meinst du nicht?»

«Wie seltsam!», murmelte Ephraim. «Und du liebst mich wirklich?»

«Ephraim, Ephraim! Bist du noch nie geliebt worden?»

«Ich bin mir nicht sicher», seufzte Ephraim. «Gewiss nicht auf diese Art.»

Singender Reiher versank in Schweigen und starrte ins Feuer, dabei streichelte er Ephraims Kopf. Mehrmals setzte er an zu sprechen, doch dann überlegte er es sich anders. Schließlich sagte er: «Ich glaube, Mr Calvin ist ein sehr gefährlicher Mann. Kannst du dir vorstellen, dass dieser Montgomery, von dem du gesprochen hast, sich mit ihm anfreunden könnte?»

«Anfreunden wohl kaum. Aber auch er ist gefährlich, er ist voller Angst und Hass.»

«Hätte er dir wehgetan, wenn du ihn gefunden hättest?»

«O ja, ich glaube schon», flüsterte Ephraim.

Singender Reiher beugte sich vor und stocherte in der Asche. «Versuch dich zu erinnern», sagte er. «Wohin führte die Spur Montgomerys, der du gefolgt bist, als du in Astoria krank wurdest?»

«Damals hatte ich nur einen einzigen Hinweis», sagte Ephraim langsam. «Ein alter Schiffer sagte, er hätte einen Mann getroffen, der auf dem Willamette nach Süden reiste und Montgomery sein könnte.»

«Weißt du eigentlich, wie Mr Calvin von dir erfahren hat?»

«Ich habe keine Ahnung. Wir sind uns nie wirklich begegnet, Ixtlil Cuauhtli hat ihn mir nur einmal in Astoria gezeigt. Trotzdem bin ich sicher, dass er über mich Bescheid weiß. Ich war nur des Nachts unterwegs und habe mich am Tag versteckt und geschlafen – doch eines Morgens habe ich ihn gesehen, er ritt südlich von Salem auf dem Oregon Trail. Ich hörte ihn reden, er sprach mit einem Siedler. Er nannte meinen Namen und beschrieb mein Aussehen, dann sagte er, ich sei ein Verbrecher.»

«Könnte Montgomery mit ihm gesprochen haben?»

«Das ist gut möglich.»

Singender Reiher stand auf. «Das ist schlecht. Aber lass uns jetzt schlafen – morgen früh sehen wir weiter.»

Ephraim stand auf und folgte dem Indianer zum Windschutz. Singender Reiher entkleidete sich und breitete Decken über den Boden. Das Mondlicht schien auf seinen nackten Körper; er sah zu, wie auch Ephraim sich entkleidete, und sein Schwanz wurde allmählich steif. Ephraim spürte eine warme Welle von Liebe und Begehren durch seinen Körper und in seine Geschlechtsteile branden.

Singender Reiher legte sich mit dem Rücken auf die Decken. «Komm zu mir, Geliebter», flüsterte er.

Ephraim kniete sich hin und berührte sanft und voller Staunen das aufgerichtete Glied von Singendem Reiher. Er beugte sich vor, um es zu küssen, begierig, einen Teil dieses Körpers in sich aufzunehmen. Er liebte ihn langsam und erfreute sich an der steigenden Erregung des Indianers, seinen zitternden Lippen und dem genüsslichen Stöhnen. Dann kam der letzte, leidenschaftliche Stoß, als der Indianer seine verliebte Raserei aus sich hinausschleuderte. «Gib es mir, gib es mir, oh mein Gott!», dachte Ephraim.

Er setzte sich auf, erfüllt von einem unbeschreiblichen Gefühl der Schönheit, und betrachtete im Mondschein den sich langsam entspannenden Körper.

Singender Reiher zog Ephraim zu sich hinunter. «Komm zu mir –», flüsterte er und küsste Ephraims Bauch und Schenkel, doch Ephraim konnte nicht länger warten. Entschlossen stieß er zu, und Singender Reiher nahm ihn mit seinen starken, festen Lippen auf. Ephraim starrte auf diesen schönen, kräftigen Kiefer und sah, wie der Indianer im Mondschein erbebte. Dann explodierte er und sprühte seine dunkle Glut in ihn hinein.

Schweigend deckten sie sich zu. Den Arm des Indianers auf seiner Brust, entschlummerte Ephraim. Seine Träume ließen den Ruf der Nachtschwalbe widerhallen, und im Schlaf ging er den Weg des Sterntauchers.

***

Als Ephraim erwachte, sah er vor der Hütte die reglosen Lichtbalken der Morgensonne, die durch die Bäume fielen. Nur der Nebel bewegte sich und trieb in schillernden Streifen durch das Sonnenlicht. Er war allein. Singender Reiher war fort. Er zog Hemd und Hose über und lugte hinaus in eine weiße Welt – die Bäume schienen wie flache Schatten vom perlmuttschimmernden Himmel herabzuhängen; der Boden war fahl, die Zweige leuchteten grau.

Er spürte den eisigen Tau an den Füßen, als er instinktiv den Weg zur Lichtung einschlug.

Am Rand der Lichtung blieb er stehen. In der Mitte stand Singender Reiher, das Gesicht nach Osten gewandt. Aufrecht stand er da, die Arme locker an den Seiten. Das Haar hatte er gescheitelt und geflochten. Er trug nichts als einen Lendenschurz; sein Körper war nur eine dunkle Silhouette im Nebel.

Singender Reiher wusste, dass Ephraim gekommen war, aber er wandte sich nicht zu ihm um. Mit klarer und deutlicher Stimme sang er im Nebel ein Lied.

Geist des nördlichen Himmels

Geist des Schneefalls im Winter

begleite mich im Frieden

begleite mich durch die Winterruhe

mein Herz ist eine Knospe im Winter

mein Herz ist ein geduldiges Saatkorn

träumend liegt es im Schnee.

Geist des östlichen Himmels

Geist der aufgehenden Sonne

Geist des Aprilregens

begleite mich voller Hoffnung

begleite mich voller Tatendurst

mein Herz ist ein brütender Vogel

meine Lenden sind ein brausender Strom

mein Schritt geht eilig durch den Wald –

Geist des westlichen Himmels

Geist der untergehenden Sonne

Geist des Oktoberlaubs

begleite mich in der Nachdenklichkeit

begleite mich auf dem inneren Weg

meine Stimme ist ein fallendes Blatt

meine Gedanken sind ein geworfenes Saatkorn

mein Herz ist ein fliegender Vogel.

Geist des südlichen Himmels

Geist der Sommersonne

Geist des goldenen Tags

begleite mich durch die Fülle

begleite mich durch die Hitze des Sommers

ich bin das reife Korn

ich bin die Douglaskiefer

ich bin der große Fluss

Alle Dinge erfüllen sich in mir.

Der Indianer wandte sich um und ging mit einem warmen Lächeln auf Ephraim zu. Ephraim spürte, wie die Gefühle in seiner Brust aufwallten, sein Herz schlug schneller, und er wollte die Hände ausstrecken und zupacken –

Sie ergriffen sich an den Händen und gingen zurück.

«Guten Morgen», sagte Singender Reiher. «Hast du gut geschlafen?»

«Ja – ja», sagte Ephraim. Mit einem Mal war er schüchtern. Dieser Mann wusste so viel –

«Ist dein Herz erfüllt von Liebe?»

«Oh, ja –» Das war es, was er hatte sagen wollen, aber er hatte es nicht gewagt …

«Mein Herz ist es auch», sagte der Indianer und berührte ihn leicht an der Schulter.

… aus Angst, die Hand auszustrecken, aus Angst, zurückgewiesen zu werden.

***

Nach dem Frühstück verkündete Singender Reiher: «Heute zeige ich dir, wie ich Fische fange. Es ist ganz einfach.»

«Gut. Ich begleite dich gern.»

«Wenn du bei mir bist, kann ich mit dir reden und für dich singen.»

Ephraim wusste nicht, was er sagen sollte, und schwieg verwirrt.

«Singst du auch?», fragte Singender Reiher.

«Ja, manchmal –»

«Ich meine, die Lieder deines Herzens?»

«Ich kenne einige Lieder, vielleicht fallen sie mir wieder ein –»

«Nein. Du musst sie selbst erdichten. Hast du noch nie ein selbst gedichtetes Lied gesungen?»

«Nein, ich glaube nicht –» Ephraim war verwirrt. Lieder dichten?

«Du musst es lernen.»

Ephraim dachte lange nach. Er kannte nur Kirchenlieder, oder alberne und unanständige Couplets. «Wenn du mir eine Melodie gibst, versuche ich, die Worte dazu zu dichten. Aber ich kann keine Melodie erfinden.»

«Oh, du brauchst keine Musik für ein Lied.»

«Dann meinst du Poesie.»

«Das ist alles dasselbe», sagte der Indianer schlicht.

Sie holten das Kanu aus dem Versteck und trugen es zum Fluss. Dieses Mal saß Ephraim im Bug und paddelte. Singender Reiher saß hinter ihm und steuerte mit dem anderen Paddel, und so schossen sie durch das Wasser und den dichten Nebel.

Singender Reiher verlangsamte ihre Fahrt und zog eine aus Zweigen geflochtene Reuse aus dem Wasser. Eine Forelle hatte sich darin gefangen, sie wehrte sich verzweifelt – ein silbernes Wesen in einem silbrigen Element. Er ließ sie in eine Ledertasche gleiten und warf die Reuse zurück ins Wasser, dann fuhren sie weiter.

Ephraim hörte, wie der Indianer hinter ihm leise ein Lied sang.

Du kamst den Fluss herauf

die Brust leuchtet

die Arme blinken

Glittst den Fluss herauf

die Schultern strahlen

die Muskeln tanzen

Dem Ufer entgegen

die Stimme zittert

die Augen bekümmert

Besorgt saßt du am Ufer

Du zittertest im Schatten

Dein Herz flüchtete wie ein Reh

Und lebte in Angst und Schüchternheit.

In den Wassern kamen wir zusammen

unsere Hände trafen sich

unsere Lippen berührten sich

Beim Schwimmen im Sonnenschein

die Schenkel leuchten

das Haar kupfern

Suchte ich dein Geheimnis

die Haut golden

das Herz strahlend

Die Sonne verriet dein Geheimnis

Sie sagte mir, wer du bist

O Bruder der Sonne!

Ephraim war verblüfft. Er hörte auf zu paddeln und drehte sich herum. «Hast du das gedichtet?»

«Ja, mein Sonnenbruder.»

Er betrachtete den Indianer lange Zeit, tief erfreut, aber sprachlos. Schließlich sagte er: «Es ist sehr schön», und paddelte weiter.

«Es kam mir von Herzen.»

Ephraim war verwirrt und überwältigt. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Wollte der Indianer ihm schmeicheln? Montgomery brauchte Schmeichelei, er war begierig darauf und freute sich wie ein Kind über Komplimente; trotzdem schien er ihnen niemals wirklich zu glauben. Hier musste es sich um etwas anderes handeln, denn Singender Reiher war kein Kind, sondern ein Mann.

Er wandte sich ab, warf dem Indianer noch ein nachdenkliches Lächeln zu und beschloss, ebenfalls ein Gedicht zu verfassen, wie ungeschickt er sich dabei auch anstellen würde.

Der Morgen verstrich in verschwommenen Träumereien, und Ephraims Gedanken wanderten – ohne Ziel trieben sie zwischen den vielen Eindrücken dieser verwunschenen Welt dahin – ein Eichelhäher, der an ihnen vorbeischoss und im Nebel verschwand; Tautropfen auf einer Douglaskiefer wie wässrige Perlen, und die blassgrünen Wellen, die sich hinter ihnen im Fluss kräuselten, bevor sie sich in den tiefen Schatten des Ufers unter Lorbeerbäumen verloren.

Wann immer er konnte, sah er in träger Nachdenklichkeit zu Singendem Reiher hinüber. Die Nase des Indianers war gebogen, beinahe gekrümmt; ihr Rücken war hoch und schmal und endete in bebenden Flügeln. Sein Mund war groß und entschlossen und wohlgeformt. Wenn er lächelte, war es ein freundliches Lächeln, offen und wissend. Die Muskeln an den Schultern arbeiteten immerzu; im Ruhezustand waren sie glatt und rund, in Bewegung drehten sie sich wie die Fasern eines Seils. Die Fasern und Sehnen spielten ein schnelles Spiel, es war ein lebhafter, abrupter Tanz, der sich unablässig veränderte. Lange betrachtete er auch den Bauch des Indianers, den Teil, der nicht vom Lendenschurz verborgen war. Unterhalb des Nabels wölbte er sich ein wenig und verschwand dann unter dem Tuch. Dort, wo der Bauch die Schenkel berührte, war die Haut ein wenig heller, und ein paar Härchen sahen unter dem Tuch hervor.

Singender Reiher bemerkte Ephraims Blick und sagte lachend: «Soll ich ihn abnehmen?» Dabei zeigte er auf den Lendenschurz.

Ephraim senkte verwirrt den Blick. «Nein, nein. Ich habe dich nur bewundert.» Er sah wieder auf und lächelte nervös.

«Das ist gut. Ich mag es, bewundert zu werden. Es ist auch eine Art zu lieben.»

«Es macht dich nicht verlegen?»

«Warum sollte es das? Wenn es dir Freude bereitet, bin ich glücklich. Du liebst mich mit den Augen, und ich spüre es wie eine Umarmung.»

Das ist wahr, dachte Ephraim. So war es auch gestern gewesen, als der Indianer nackt das Holz hackte.

Singender Reiher murmelte mit einem Lächeln in den Augen: «Ich genieße es auch, dich mit den Augen zu lieben. Du bist ein schöner Anblick.»

Ephraim wurde sich des Hemds und der Hose bewusst; sein Körper war von Kopf bis Fuß unter Kleidern verborgen. Schnell zog er sein Hemd aus, dann fuhr er mit den Fingern durch die Haare auf seiner Brust. Er zögerte, die Hose auszuziehen, denn er hatte keinen Lendenschurz. Er dachte «Zum Teufel auch!», und zeigte auf eine sandige Lichtung am Ufer.

Sie zogen das Kanu an Land. Er sprang heraus und zog die Hose aus, die kühle Luft umspielte sein Gesäß und seinen Penis. Einen Moment lang befürchtete er, eine Erektion zu bekommen. «Lass es geschehen», dachte er.

Singender Reiher betrachtete ihn voller Bewunderung, seine Augen waren unbefangen auf Ephraims Genitalien gerichtet. Ihre Blicke trafen sich, und sie lachten; mit einem Mal war Ephraim stolz auf sich selbst, auf seinen Körper, seinen freien, schweren Penis und das dichte kupferfarbene Schamhaar. Der Indianer sprang aus dem Kanu und band den Lendenschurz ab, warf ihn zurück ins Boot. Sein langer Penis mit den hervortretenden Adern pendelte hin und her. Sie standen sich gegenüber und sahen sich an. Ephraim spürte, wie sich sein Brustkorb hob und senkte. Er berührte seinen Penis und merkte, dass er länger und härter wurde.

«Komm», sagte der Indianer. «Ich habe genug Fisch gefangen. Lass uns zurück zur Hütte fahren.» Er stieg wieder ins Kanu. «Dreh dich zu mir. Ich nehme das Paddel.»

Ephraim rollte Hose und Hemd zusammen und setzte sich darauf, dem Indianer zugewandt, und er betrachtete sein schönes Gesicht, den starken, muskulösen Körper und das dichte schwarze Haar auf seinem Bauch. Der Schwanz von Singendem Reiher ruhte zwischen seinen Schenkeln.

Ephraim sah hinab auf seinen eigenen Körper – das glitzernde Haar auf den Beinen, seine weißen Schenkel. Sein Penis war entspannt und vor dem Blick des Indianers verborgen. Er spreizte die Beine ein wenig, und seine Hoden fielen hinab auf das Kleiderbündel. Sein Penis wölbte sich darüber und berührte den Boden des Kanus.

Ephraim sah, dass Singender Reiher ihn aufmerksam beobachtete. Er blickte in die Augen des Indianers – diese schwarzen, halb geschlossenen Augen – und auf seine Lippen, die zum Anflug eines Lächelns geöffnet waren. Ephraim genoss die Art, wie der Indianer ihn betrachtete, er war erregt und wollte auch ihm Genuss bereiten. Er berührte seinen Penis, und er fing an zu wachsen und sich zu erheben, zögernd zuerst. Dann, in einem Schub von Kraft, richtete er sich stolz und entschlossen senkrecht auf und schwankte leicht mit den Bewegungen des Kanus.

Der Nebel löste sich auf, und Flecken von Sonnenlicht fielen auf seine weiße Haut und die Haut von Singendem Reiher, als sie flussabwärts dahintrieben. Der Indianer paddelte träge; sein Penis stand gerade aufgerichtet, er war erstaunlich, fast wie ein eigenes Wesen, lang und hart, das weit nach vorn zeigte. Ephraim lehnte sich faul zurück, sein Schwanz leuchtete in der Sonne.

«Ich liebe dich», flüsterte Ephraim.

«Ich liebe dich, Sonnenbruder.»

***

Als sie die Lichtung in der Nähe der Hütte erreichten, griff Singender Reiher ins Wasser und zog einen hell bemalten Stock mit eigenartigen Kerben heraus. «Ah», sagte er, «wir bekommen Besuch.» Er warf den Stock wieder in die Strömung.

«Was hat das zu bedeuten?», fragte Ephraim.

«Es ist eine Botschaft von flussaufwärts. Wenn jemand vorhat, an die Küste zu reisen, wirft er am Tag vor seinem Aufbruch einige dieser Stöcke in den Fluss. Flussabwärts weiß dann jeder, dass er kommt.»

«Wer ist es?»

«Ich glaube, es ist ein junger Mann vom Adler-Camp. Ein Indianer. Er ist auf der Suche nach Liebe, aber er ist noch nicht bereit für einen Partner. Er reist, um Erfahrungen in der Liebe zu sammeln.»

Ephraim war ein wenig verärgert. «Wird er bei uns haltmachen?»

«Ja, bestimmt. Aber er wird uns nicht stören.»

Als sie das Kanu ans Ufer zogen und versteckten, fuhr Singender Reiher mit seiner Erklärung fort. «Viele junge Männer aus unserem Volk machen solche Reisen – vor allem im Frühling, wenn das Herz unruhig wird. Wer älter als zwanzig ist, geht nicht mehr oft auf Reisen, aber man kann es tun, wenn man will. Ich selbst habe im vorigen Sommer eine Reise unternommen – flussaufwärts, um Angehörige unseres Volks zu besuchen, die in den Bergen leben. So etwas stärkt den Zusammenhalt. Der junge Mann, der uns besucht, wird bemerken, dass ich mit dir beschäftigt bin und du mit mir; er sieht es in unsren Augen. Es wird ihn nicht stören, denn es gibt so viele andere.»

***

Als sie vor der Hütte den Fisch zubereiteten, durchschnitt ein langer Schrei die Stille des Waldes. Singender Reiher antwortete mit einer Reihe schriller kurzer Schreie. «Er ist da», sagte er und band sich den Lendenschurz um. Ephraim bemerkte, dass er noch immer nackt war, und erleichtert zog er seine Hose an. Er wunderte sich über diese Erleichterung.

Ein junger Mann kam auf die Lichtung gesprungen, ein breites Lächeln auf dem Gesicht. Es war ein schlanker Indianer, vielleicht siebzehn Jahre alt, dessen männliche Erscheinung noch nicht voll ausgebildet war, doch er machte einen vielversprechenden Eindruck. Die beiden Indianer begrüßten sich schlicht und fröhlich. Singender Reiher wandte sich an Ephraim. «Das ist John, er kommt aus dem Adler-Camp. John ist sein englischer Name, denn seinen indianischen Namen ändert er Jahr für Jahr.»

«Und du bist Ephraim MacIver», sagte der Junge. «Du bist wirklich so schön, wie man von dir sagt.»

Ephraim lächelte. «Wer sagt, dass ich schön bin?»

«Ah!» John lachte. «Wir wissen viele Dinge. Träumender Bär ist sehr weise.»

Die gute Laune des jungen Mannes war ansteckend. Beim Essen erzählte er lachend und singend von seiner Reise, und Ephraim vergaß, dass er sich über diese Störung geärgert hatte. «An der Küste lebt ein junger Mann, den ich besuchen muss – ach, er ist so schön! Sein Körper ist wie der Morgenhimmel, und sein Geist ist wie Nebel, der von der See kommt. Wenn ich an ihn denke, lache ich vor Glück und vor Sehnsucht. Und ein anderer lebt am Siuslaw, so stark und anmutig wie ein Elch – wir werden uns im Mondschein lieben und singen, bis der Tag anbricht. Ja! Er hat mir eine Nachricht geschickt: «Komm, wenn die Zigeunerglocken blühn.» Sie blühen nicht, bevor der Vollmond wieder scheint, aber im Traum habe ich eine Zigeunerglocke gesehen, sie wiegte sich sanft im Wind, zart und entzückend. Es war sein Herz, das in der Nacht zu mir sprach, die Nachtschwalbe oder die graue Eule hatte es zu mir getragen. Drei Tagereisen flussaufwärts traf ich einen Mann aus unserem Volk, er war alt und weise in der Liebe. Durch sein geheimes Wissen entfachte er in meiner Seele ein verzehrendes Feuer. Oh! Die Welt ist so voller Schönheit –»

«Denke daran», sagte Singender Reiher mit leisem Lächeln, «wenn du so viele Geliebte triffst, werden die Blätter des Ahorn sich röten, bevor du den Freund am Siuslaw erreichst.»

John riss die Augen auf, dann lachte er. «O nein, ich werde ihn in der Nacht rufen, dann kommt er zu mir.»

«Doch vielleicht siehst du dann schon aus wie ein Maishalm im August oder September –»

Wieder lachte John, er warf sich rücklings zu Boden, breitete die Arme aus und rief hinauf in den Himmel: «Das wird niemals geschehen, ich bin so voller Liebe. Es hört niemals auf, glaub mir!» Plötzlich setzte er sich wieder auf. «Singender Reiher, wenn du nicht so beschäftigt wärst, würde ich es dir beweisen!»

«Hau ab, du junges Kaninchen. Dafür habe ich keine Zeit.»

Beide lachten ein freundliches Lachen nach dieser Stichelei. Doch mit einem Mal wurde John ernst. «Man hat mir gesagt, an der Küste und am Siuslaw soll ich vorsichtig sein.»

«Warum?», fragte Singender Reiher.

«Mr Calvin hat die Missionsstation verlassen und kommt den Willamette hinunter nach Süden.»

«Pah!», sagte Singender Reiher. «Er hat die Spur verloren. Er denkt, ich bin weit weg im Osten, in den Großen Bergen. Und was Ephraim angeht, seine Spur hat er auch verloren.»

«Es ist noch ein Mann bei ihm, sehr blond …»

Die Augen von Singendem Reiher zuckten in Ephraims Richtung, und Ephraim nickte kaum merklich.

«… dem er fünf Tagereisen südlich der Mission begegnet ist.»

«Wo sind sie jetzt?»

«Niemand weiß es. Wir haben sie verloren. Träumender Bär wacht bis spät in die Nacht und singt viele Gebete. Er fürchtet sich vor Mr Calvin und dem gelbhaarigen Fremden. Ich habe ihm gesagt, er soll sich nicht sorgen, sie sind wahrscheinlich Geliebte.» John lachte und setzte sich auf. «Falls sie keine Geliebten sind, dann suchen sie einen wie mich, und ich würde voller Freude bei beiden liegen.»

Singender Reiher sah ihn ernst an. «Das ist sehr dumm von dir. Du musst vorsichtig sein.»

Auch John wurde wieder ernst. «Weißt du denn nicht, dass viele Männer ihre Sehnsucht nach Liebe verbergen und sie hinter einer hässlichen Maske verstecken?», fragte er und zerrte ängstlich an einem Grasbüschel.

Sanft fragte ihn Singender Reiher: «Wie kannst du wissen, was sich hinter einer Maske verbirgt? Woher willst du wissen, ob ein Mann überhaupt eine Maske trägt?»

Johns Stimme war angespannt. «Ich bin nicht so dumm und hohlköpfig, wie du meinst. Hör mir zu. Erinnerst du dich an meine Reise nach Fort Boise im vorigen Monat? Man hielt es für ratsam, dass ich die Reise zusammen mit meinem Cousin Blauer Wolf unternehme, denn er weiß, wie die Menschen sind, und kann mich beschützen. Weil wir Cousins sind – unsere Väter sind Brüder –, gingen wir nach den Gesetzen unseres Stammes nicht als Geliebte, obwohl andere Stämme andere Gesetze befolgen. Eines Tages werde ich Träumenden Bär danach fragen, auch wenn ich schon weiß, was er sagen wird – dass es keine Rolle spielt, ob ich den Sitten des einen oder des anderen Stammes folge, denn dem Weg des Herzens kann man überall folgen, wenn das Herz gut ist. Wir gingen jedenfalls nicht als Geliebte, sondern als Brüder, und erlebten zusammen viele Abenteuer, es war wunderbar. Manchmal haben wir die Geliebten geteilt, aber nicht immer, denn es gab so viele schöne, junge Männer, die den Weg des Sterntauchers erkunden wollten.

Doch in Fort Boise war alles anders! Wir trafen viele Trapper und Händler von den Ebenen und Flüssen im Osten, viele Diebe und viele, die getötet hatten. Wir blieben bei den Indianern außerhalb des Forts. Mein Cousin schärfte mir ein, still zu sein wie die Waldmaus, alles zu beobachten und nichts zu sagen. Nach kurzer Zeit fiel mir ein Indianer auf – ich nenne nicht den Stamm, dem er angehörte –, der mit Angebereien und lauten, gemeinen Worten Aufsehen erregte. In den Versammlungen sagte er viele böse Dinge über die Sterntaucher-Gesellschaft, er machte grausame Witze über uns. Er sagte, wir würden die jungen Krieger verhexen und ihre Seelen rauben, damit sie nicht länger zum Kampf taugten, wir würden unaussprechliche Zaubereien veranstalten und unser Leben in fauler Träumerei vergeuden.

Er wusste nicht, dass Blauer Wolf und ich dem Weg des Sterntauchers folgen, und wir haben es ihm nicht gesagt. Ich ärgerte mich über seine dummen Lügen und wollte ihm in der Versammlung widersprechen, aber mein Cousin sagte, ich solle schweigen. ‹Warte ein wenig›, sagte er, ‹und du wirst etwas sehr Interessantes erleben.› Ich wartete und verschloss meine Ohren vor den bösen Reden des Aufschneiders.

Als wir fünf Tage in diesem Lager waren, wurde ich eines Nachts dadurch geweckt, dass ein Fremder in mein Zelt gekommen war. Mit einer Hand verschloss er meinen Mund, damit ich nicht um Hilfe rufen konnte. Mit der anderen Hand – ich sage nicht, was er tun wollte, denn weil er mich dazu zwang, war es eine böse Tat.

Ich wehrte mich, so gut ich konnte, und schließlich ließ er mich los und setzte sich in die andere Hälfte des Zelts. ‹Wer bist du und was willst du?›, fragte ich ihn. Natürlich war es der Aufschneider, der Lügner, der schlimme Dinge über die Sterntaucher-Gesellschaft erzählt hatte.

‹Ich will, dass du das und das tust›, sagte er.

‹Du täuschst dich in mir›, erwiderte ich. ‹Ich weiß nicht, weshalb du das von mir verlangst.›

‹Ich werde dich bezahlen›, sagte er.

‹Du täuschst dich schon wieder›, sagte ich. ‹Ich liebe dich nicht für Geld, denn das ist schlimmer als Sklaverei. Außerdem könnte ich dich niemals lieben, denn du weißt nicht, was Liebe ist.›

Er sagte: ‹Was ich von dir verlange, dauert nur fünf Minuten, dann ist es vorbei. Du kannst es vergessen, doch morgen wirst du viel Geld haben.›

Ich erwiderte: ‹Du verlangst von mir, mich zu erniedrigen, nicht wie ein Mensch zu handeln, sondern wie ein schwaches Tier ohne Stolz. Ich werde meinen Stolz und meinen Anstand nicht verkaufen.›

Wir stritten uns noch eine Weile, dann verließ ich ihn, denn ich merkte, wie stur er war; vielleicht würde er noch einmal versuchen, mich zu überwältigen. Er beschimpfte mich und sagte: ‹Widerlicher Gefolgsmann des Sterntauchers, ich habe dich durchschaut, du verkaufst deinen Körper schamlos für das Fell von Fuchs und Bieber, und du tust unwissend, wenn man dich nach deinem Reichtum fragt.›

Ich ging fort in die Dunkelheit und ließ ihn in meinem Zelt zurück. Ich fand meinen Cousin, er schlief am Ufer des Flusses, und erzählte ihm meine Geschichte. Wir redeten bis zum Morgen und überlegten, was wir tun sollten, denn Blauer Wolf war verängstigt, er nahm den Vorfall sehr ernst. Ich half ihm, seine Sachen zu packen, und wir luden sie in das Kanu, doch als wir zu meinem Zelt zurückkehrten, wurden wir von einer Gruppe von Männern ergriffen und gefesselt; sie zerrten uns in das Tipi vor die Versammlung der weisen alten Männer. Man warf uns in die Mitte des Zeltes und löste unsere Fesseln. Ich beobachtete meinen Cousin, der schweigend dasaß und wartete, und folgte seinem Beispiel.

Dann trat der Aufschneider vor die Versammlung und hielt eine Rede. ‹Dieser Mann›, sagte er und zeigte dabei auf mich, ‹ist ein Mitglied der Sterntaucher-Gesellschaft, und er hat versucht, mich zu verführen. Er folgte mir in den Wald und versuchte, meine Seele durch Zauberei zu betören; aber ich beherrsche mächtigere Zaubersprüche als er und konnte ihm widerstehen. Ich beschuldige ihn der Zauberei.›

Die Häuptlinge befragten ihn. ‹Was hat er sonst noch getan?›

‹Nichts.›

‹Hat er dich bestohlen?›

‹Ich weiß es nicht. Mir sind hier im Lager viele Felle abhandengekommen, aber ich wollte nicht davon sprechen, weil ich nicht beweisen kann, wer sie gestohlen hat.›

‹Auf welche Weise hat er dich verzaubert?›, fragten sie, und er erzählte ihnen eine lange, fantastische Geschichte, dass ich ihm einen Trank aus Männertreu gegeben hätte, um seine Sinne zu betören, und die Gestalt einer wunderschönen, schlafenden Hexe angenommen hätte, der er sich genähert habe, bis er das Hexenzeichen auf ihrer Stirn sah. Die Männer seines Stammes kennen viele Geschichten darüber, dass Hexen leichtgläubige Männer in den Tod lockten.

Schließlich wandten die Häuptlinge sich an mich und sagten, ich solle ihnen meine Geschichte erzählen.

Ich dachte viele Minuten lang nach, bevor ich antwortete.

‹Ich folge dem Weg des Sterntauchers›, sagte ich. ‹Das ist wahr. Doch alles andere, was er gesagt hat, ist eine Lüge. In meinem Volk bereiten wir keine Zaubermittel aus Männertreu. Wir wissen nicht, wie man sie bereitet, und wir brauchen sie nicht. Wir brauchen keine Zauberei, um glücklich zu sein.›

Ein alter Häuptling aus den Bergen sagte, dies sei die Wahrheit; die Völker, die an der Küste leben, wüssten nichts von den Zaubereien, die dem Volk des Aufschneiders widerfahren.

Dann sagte ich: ‹Wir verwandeln uns nicht in Hexen und kleiden uns auch nicht als Hexen, wie es manche Männer von anderen Stämmen tun, die ähnlich wie wir leben, aber nicht zu unserer Gesellschaft gehören. Bei uns gibt es keine Berdache, denn wir wollen keine Berdache sein oder uns als Hexen verkleiden. Wir wurden als Männer geboren und geben nicht vor, etwas anderes zu sein. Das ist unser Weg.›

Ich hielt ein, und wieder erklärten die Häuptlinge, dass ich die Wahrheit gesprochen hätte.

Dann sagte ich: ‹Ich bin ein junger Mann. Viele haben gesagt, ich sei schön, und vielleicht haben sie recht, denn es fällt mir nicht schwer, andere schöne Männer zu finden, die mein Lager mit mir teilen. Deshalb habe ich es nicht nötig, einen Mann um Gefälligkeiten zu bitten, der das nicht möchte. Ich müsste andere um ihre Gunst anbetteln, wenn ich hässlich wäre, entweder am Körper oder im Geist, und wenn ich ohne Stolz wäre. Ihr, die ihr hier sitzt, könnt meinen Geist nicht erkennen, aber ihr seht meinen Körper. Glaubt ihr, dass ich es nötig habe zu betteln?› An dieser Stelle bekam ich Angst, denn der Aufschneider war wirklich ein schöner Mann.

‹Es ist so, wie er sagt›, entschieden sie, und ich wurde freigesprochen.

Danach dachte ich lange Zeit angestrengt nach. Sollte ich ihnen sagen, was wirklich in meinem Zelt geschehen war? Ich beschloss, dass ich genug gesagt hatte, um mich selbst zu verteidigen, und dass der Aufschneider seine fantastische Geschichte nur deshalb erfunden hatte, um sich zu schützen, denn er hatte Angst, ich könnte die Wahrheit sagen und ihn verspotten. Wenn ich also die ganze Wahrheit sagte, so beschloss ich, würde er sich grausam rächen und mich vielleicht sogar töten. Also sagte ich: ‹Ich glaube, dieser Mann hatte einen bösen Traum. Ich kenne die Bedeutung dieses Traumes nicht, und ich glaube, auch ihm ist sie verborgen. Vielleicht kann ein Medizinmann die Bedeutung erklären. Nicht ich bin ihm in Gestalt einer Hexe erschienen, denn ich begehre ihn nicht.›

Wieder hielt ich inne, und die Häuptlinge berieten sich. Ich fuhr fort: ‹Ihr könnt meine Habe und die meines Cousins durchsuchen, und ihr werdet nichts finden, das diesem Mann gehört. Ebenso wenig werdet ihr irgendwelche Zaubermittel dort finden, denn wir kennen solche Mittel nicht.› Darauf setzte ich mich nieder.

Blauer Wolf und ich warteten lange im Versammlungszelt, während sie unsere Habe durchsuchten. Am Mittag kehrten die Krieger zurück und sagten, dass ich wahr gesprochen hätte – nirgends in unserem Lager hätten sie Felle, das Geld des weißen Mannes, Männertreu oder andere Zaubermittel gefunden.

Darauf erhob sich einer der Häuptlinge und wandte sich an den Aufschneider. ‹Der Rat hat beschlossen›, sagte er, ‹dass du tatsächlich einen Medizintraum hattest. Die Bedeutung dieses Traums ist nicht vollkommen klar, aber Teile davon haben wir verstanden. Du musst Frieden schließen mit der Sterntaucher-Gesellschaft, oder du wirst auf die eine oder andere Weise den Tod finden; du musst dich reinigen; du musst die schöne Hexe überwinden, die deine Seele rauben will. Frage die weisen Männer deines Stammes um Rat. An der Küste leben weise Männer, die mehr als wir alle von diesen Dingen verstehen. Aber vor allem, gehe in Frieden, denn du befindest dich in Gefahr, deine Seele zu verlieren.›

Der Aufschneider verhüllte sein Haupt aus Angst oder Scham mit einer Decke, und ich habe ihn seitdem nie wiedergesehen, denn mein Cousin und ich gingen am nächsten Tag fort.»

Singender Reiher seufzte und lächelte bitter. «Du hast dich sehr klug benommen und große Weisheit gezeigt. Ich hätte es nicht anders getan. Vor allem war es klug, der Versammlung nicht zu sagen, was wirklich geschehen ist, denn wie du gesagt hast, der Aufschneider hätte dich töten können. Wie sieht dieser Mann überhaupt aus? Ich befürchte, dass wir ihm in diesem Sommer begegnen werden. Wenn er dem Rat der Häuptlinge gefolgt ist, dann ist er zu seinem Stamm zurückgekehrt, um sich zu reinigen, und dann, vielleicht – vielleicht ist er ein weiser Mann –, wird er Träumenden Bär aufsuchen.»

«Er ist ein schöner Mann», sagte John, «und sehr stark. Auf seiner Brust hat er eine Narbe, hier –», und er zog eine Linie über seiner rechten Brustwarze, «und noch eine hier –», er zeigte auf seinen Bauch, ein Stück unterhalb des Nabels.

Singender Reiher lächelte schlau. «Woher weißt du denn das?»

«Ach!» John lachte. «In meinem Zelt war er nackt, und es war hell genug. Obwohl ich ihn zurückwies, bemerkte ich diese Narbe.» Er seufzte. «Ich glaube, obwohl er mich bedrohte, habe ich ihn begehrt.» Er stand auf, um zu gehen. «Ich denke oft an ihn.»

Auch Ephraim und Singender Reiher erhoben sich, und die drei Männer gingen zum Fluss. Singender Reiher ergriff Ephraims Hand und streichelte seinen Rücken, als ob John nicht bei ihnen wäre. Mit großer Überraschung merkte Ephraim, dass es keine Rolle spielte, ob sie allein waren oder nicht, und er erwiderte die Zärtlichkeit.

Der junge Indianer stieg wieder in sein Kanu und paddelte mit fröhlichem, jugendlichem Grinsen flussabwärts.

Während er noch dem Kanu nachblickte, entledigte sich Singender Reiher seiner Leggins und wandte sich nackt Ephraim zu. Ganz langsam umfasste er seinen Penis mit beiden Händen; er war steif und zu gewaltiger Größe angewachsen, viel länger als die Breite seiner zwei Hände.

Ephraim setzte sich und starrte ihn an. Begierde durchflutete ihn in warmen, wogenden Schüben; er zitterte, und sein Mund war trocken. Er machte sich an seiner Hose zu schaffen, fingerte an den Knopflöchern herum, dann hielt er ein. Der Indianer starrte auf Ephraims Bauch, auf die Unmenge kupferfarbener Haare, die aus der Hose hervorquollen.

Singender Reiher beugte sich vor, um die Haare mit den Fingern zu berühren, dann mit den Lippen, danach richtete er sich auf und sah Ephraim in die Augen. «Zieh sie aus», sagte er, und beide standen auf. Mit verschränkten Armen sah Singender Reiher zu, wie Ephraim seine Hose herabließ.

Ephraims aufgerichteter Penis sprang heraus, sobald er befreit wurde. Singender Reiher drehte sich um und führte Ephraim in den Wald. Die kraftvollen Gesäßmuskeln des Indianers zuckten rhythmisch beim Gehen. Das Haar in der Spalte zwischen den durchmuskelten Wölbungen war von leuchtendem Schwarz und auf geheimnisvolle Art einladend. Die Muskeln rollten mit glatter Festigkeit bei jedem Schritt, seine Schenkel waren wie Säulen, und seine Waden wölbten sich.

Auf einem sonnenbesprenkelten Moosfleck unter einer riesigen Douglaskiefer legte sich der Indianer auf den Rücken, er wand die Hüften und reckte den Penis in die Höhe. Ephraim fiel stöhnend neben ihm nieder. «Ich liebe dich», flüsterte er. «Ich liebe dich!» Der Indianer fasste ihn an der Hüfte, und sie wälzten sich übereinander, fieberhaft und wild drängten sie sich aneinander und umklammerten sich.

Ephraim spürte, wie die warme, feuchte, fast raue Zunge des Indianers an ihm hinunterwanderte und seine Nase sich in seinen Kupferhaaren vergrub. Er drehte sich herum und zog die Hüften des Indianers empor, nahm ihn auf, soweit er konnte. Seine Hände erkundeten den Hintern des Indianers, während die Wärme in seinem Bauch zunahm – er drang vor in die Spalte, rieb die Haare und berührte sanft den Anus. Singender Reiher spannte die Muskeln und spreizte die Beine, und plötzlich spürte Ephraim, wie ein Finger in seinen eigenen Anus gestoßen wurde und ein helles, elektrisches Lustempfinden auslöste. Sekunden später schoss die unerträgliche Süße aus ihm heraus, eine schillernde Explosion von Wärme und Lust.

In dieser Nacht, unter der Decke in die Arme von Singendem Reiher gekuschelt, flüsterte Ephraim in das dunkelbraune Ohr:

Der kalte Nebel der See

umfängt meine einsame Nacht

ich suche die Mündung des Flusses

und weine verloren allein –

Ich schwebte wie Rauch auf den Wassern

und silbern erhob sich die Sonne

der Morgennebel erstrahlte

eine funkelnde, glitzernde Welt –

Die Sonne vertilgte den Nebel

er kroch davon in die Wälder

smaragdgrünes Laub in den Schatten

schattige Blätter im Licht

Groß standst du da am Morgen

stark und stolz wie die Tanne

dein Körper von Schatten gefleckt

in den Augen Schatten der Liebe.

In dir sind Äonen der Weisheit

dein Körper birgt Schätze der Lust

Geheimnis, Entzücken, Magie

singen für mich in der Sonne –

Singender Reiher setzte sich auf. Trotz der Dunkelheit konnte Ephraim sehen, dass er lächelte. Er streichelte Ephraims Stirn und murmelte sanft: «Ich werde es nicht vergessen, Sonnenbruder; es ist sehr schön, es entsprang deinem Herzen.»

***

Als Ephraim am Morgen erwachte, saß Singender Reiher an seiner Seite. Er sah, dass es spät war, und setzte sich schnell auf; dann lächelte er dem Indianer zu.

Singender Reiher bereitete frischen Tee aus den Blättern des Berglorbeers, und sie tranken ihn voller Frieden.

«Ephraim, Geliebter», sagte der Indianer sanft, «du musst nun weiterreisen, um zu Träumendem Bär zu gelangen.»

Ephraims Herz machte einen Sprung, dann setzte es aus. «Jetzt schon?», flüsterte er.

«Er will, dass du bald zu ihm kommst; beim nächsten Vollmond erwartet er dich.»

Ephraim schluckte. «Das sind noch drei Wochen», sagte er.

Singender Reiher schwieg; sein Blick war schmerzvoll.

«Ich erreiche ihn in fünf Tagen», fügte Ephraim hinzu.

«Ich will nicht, dass du gehst, Geliebter, aber du musst gehen, denn du wirst keinen Frieden finden, bevor du den weisen Mann getroffen hast.»

«Ich habe meinen Frieden gefunden, denn ich liebe dich», antwortete Ephraim. Sein Hals schnürte sich zusammen.

«Nein, Ephraim», lautete die sanfte Erwiderung. «Du liebst mich, aber du lebst nicht in Frieden. Du musst den Schatten vertreiben, der dir folgt.»

«Wenn ich bei dir bin, ist er fort!», rief Ephraim.

«Oh, Sonnenbruder», seufzte der Indianer, «ich wünschte, das, was du sagt, wäre wahr. Wenn doch nur du und ich an diesem Fluss lebten –», seine Stimme verlor sich in Schweigen.

Ephraim legte sich auf den Rücken und bedeckte die Augen. «Dein Partner?», fragte er.

«Vielleicht», gab die sanfte Stimme zur Antwort. «Doch auch die vielen Geliebten, die du auf deiner Reise den Fluss hinauf kennenlernen wirst.» Er machte eine Pause und suchte nach Worten. «Du darfst nicht denken, Sonnenbruder, dass ich der Einzige bin, der dich liebt.»

«Ich suche kein anderes Glück», murmelte Ephraim heiser.

«Das liegt daran, dass du auf unserem Weg noch ein Neuling bist, Geliebter.» Wieder machte er eine Pause. «Doch Ephraim, wenn du am Ende des Sommers –»

Ephraim unterbrach ihn: «Glaubst du, dass wir unter anderen Umständen Partner werden können?»

Er öffnete die Augen. Singender Reiher hatte den Blick nach draußen gerichtet. «Ich weiß es nicht, Ephraim. Mein Leben wird sich verändern, aber du musst unseren Weg erlernen, und du musst die Liebe vieler Menschen erfahren.»

Ephraim streckte die Hand aus und berührte den Indianer. «Du gibst mir alle Liebe, die ich brauche; mehr kann meine Seele nicht fassen.»

Singender Reiher sagte mit traurigem Blick: «Du machst es mir sehr schwer. Ich habe dir die Wahrheit gesagt, bitte frag mich nicht weiter.» Er beugte sich zu ihm, und sein warmer Atem streichelte Ephraims Ohr. «Wisse, Sonnenbruder, dass du mich auf eine Weise berührt hast wie noch niemand zuvor.»

Ephraim zog Singenden Reiher zu sich heran, und sie liebten sich langsam und sanft. Der so geheimnisvoll schöne Körper erfüllte seine Seele, und er gab sich dem anderen voller Leidenschaft. Seine Kehle schnürte sich zusammen vor Traurigkeit.

***

Ephraim traf die Vorbereitungen für seinen Aufbruch, und ihm war, als würde er im Nichts versinken.

Am Ufer des Flusses wischte Singender Reiher eine Träne aus Ephraims Auge, dann berührte er seine eigenen Wimpern mit der feuchten Fingerspitze. «Ich werde unsere Liebe nicht vergessen», flüsterte er.