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Die Malerin, Kunstgelehrte und Schriftstellerin Anita Albus schreibt über die dänische Baronin Tania Blixen, die legendär wurde durch den Film von Sydney Pollack ›Jenseits von Afrika‹ (1985) mit Meryl Streep und Robert Redford. Berühmt war sie durch ihre Literatur, vor allem ihre Erinnerungen an Afrika (unter den Titeln ›Afrika, dunkel lockende Welt‹, ›Jenseits von Afrika‹, ›Die afrikanische Farm‹ erschienen), sowie durch ihren gescheiterten Versuch, eine Kaffeeplantage in Britisch-Ostafrika aufzubauen. Afrika blieb das Sehnsuchtsland der Tania Blixen, auch als sie ihren Lebenstraum ihrer Kaffeeplantage in Kenia »am Fuße der Ngong-Berge« nach 17 Jahren 1932 endgültig verloren geben musste. Ein noch größerer Schicksalsschlag war für sie das Scheitern ihrer leidenschaftlichen Liebe zu dem englischen Adligen Denys Finch Hatton und dessen früher Tod bei einem Flugzeugabsturz. Anita Albus' kluger und schöner Essay ›Das Los der Lust‹ spürt den subtilen Mechanismen der Erinnerns, der Phantasie, des Mystifizierens nach, mit denen Tania Blixen in ihrem literarischen Werk die Schrecken des Schicksals für sich zu deuten versucht. Ihr lebenslanger Traum, »wie ein Vogel die Erde unter sich versinken zu sehen«, war ihr oft genug Rettung.
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Seitenzahl: 60
Veröffentlichungsjahr: 2015
Anita Albus
Ein Versuch über Tania Blixen
Die Malerin, Kunstgelehrte und Schriftstellerin Anita Albus schreibt über die dänische Baronin Tania Blixen, die berühmt wurde durch ihre Literatur, vor allem ihre Erinnerungen an Afrika (unter den Titeln ›Afrika, dunkel lockende Welt‹, ›Jenseits von Afrika‹, ›Die afrikanische Farm‹ erschienen), sowie durch ihren gescheiterten Versuch, eine Kaffeeplantage in Britisch-Ostafrika aufzubauen. Legendär jedoch wurde Tania Blixen durch den Film von Sydney Pollack ›Jenseits von Afrika‹ (1985) mit Meryl Streep und Robert Redford.
Afrika blieb das Sehnsuchtsland der Tania Blixen, auch als sie ihren Lebenstraum einer Kaffeeplantage in Kenia »am Fuße der Ngong-Berge« nach 17 Jahren 1932 endgültig verloren geben musste. Ein noch größerer Schicksalsschlag war für sie das Scheitern ihrer leidenschaftlichen Liebe zu dem englischen Adligen Denys Finch Hatton und dessen früher Tod bei einem Flugzeugabsturz.
Anita Albus’ kluger und schöner Essay ›Das Los der Lust‹ spürt den subtilen Mechanismen der Erinnerns, der Phantasie, des Mystifizierens nach, mit denen Tania Blixen in ihrem literarischen Werk die Schrecken des Schicksals für sich zu deuten versucht. Ihr lebenslanger Traum, »wie ein Vogel die Erde unter sich versinken zu sehen«, war ihr oft genug Rettung.
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Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2007 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: buxdesign, München
Coverabbildung: Thomas Dinesen
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Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-403695-3
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I
Der eine Fittich und die vielen Vögel
II
Die stumme Nachtigall
Zeit nur, ach, Zeit nur erbitt ich und Raum und Ruhe dem Wahnsinn,
Bis mich das Schicksal in meinem Leide die Trauer gelehrt hat.
Vergil, Aeneis (Didos Klage)
Schwer hat der Albatros an Land an seinen mächtigen Schwingen zu tragen. Ihn mit den Winden spielend über den Meereswellen durch die Lüfte gleiten zu sehen, war ein Höhepunkt in Tania Blixens Leben. Es war der Vater, der sie in ihrer Kindheit unter seine Fittiche nahm und die Liebe zur Natur, zu den wilden Tieren, namentlich den Vögeln, auf sie übertrug. Wenn er in unvorhersehbaren Zeitabständen aus ihr unbekannter Ferne heimgekehrt war, nahm er sie bei der Hand und lehrte sie unter freiem Himmel die Flugsilhouetten der Greifvögel, die Stimmen der Sänger zu unterscheiden, die Vorzeichen der Migration zu erkennen. »Eine ganze Welt tut sich einem auf, wenn man vom Vogelzug hört, dem riesigen Netz, das um den Erdball gesponnen wird auf Grund eines uns unbegreiflichen Rufes, der die Vögel zwingt, ihr Leben einzusetzen«,[1] schreibt sie in Erinnerung an die Streifzüge mit dem Vater. Die Nachricht von seinem Tode nahm sie als Zehnjährige zitternd auf. Wann genau sie erfuhr, daß der Wagemutige, den sie als einen Zugvogel liebte, sich wie ein Deserteur an einem Deckenbalken erhängte, ist nicht überliefert. Seiner Fittiche beraubt der Schwere preisgegeben, dichtet sie: »In seinem Gefängnis singt mein Herz von Schwingen nur, von Schwingen.«[2] Aus grausamer Bürde und unauflöslicher Verstrickung trieb ihr Wunsch hervor, ungebunden und schwerelos die Erde unter sich versinken zu sehen.
Lebensinbrünstig wie ein Vogel zog sie 1914 ins Hochland Britisch-Ostafrikas. Nichts lag ihr ferner, als das Rätsel des Zugzwangs mit dem Kampf ums Dasein zu erklären. Lieber sah sie ihre Träume im Giraffenbeispiel des Chevalier de Lamarck gespiegelt. Alt ist die Welt und wandelbar. Unermeßlich sind die Zeiträume, über die die Natur verfügt, ihre Geschöpfe dem Wandel anzupassen. Aus dem Wunsch, die frischen Wipfelsprosse der Schirmakazien mit der Zunge zu umfassen und zu verschmausen, soll, »par des efforts de sentiments intérieurs«, der langstengelige Hals der Giraffen hervorgegangen sein. Aus Darwins Wüste sei sie, jung noch, in Lamarcks grünende Gärten gekommen, schreibt Tania Blixen 1923 in ihrem Essay »Moderne Ehe und andere Betrachtungen« und verkündet: »Wollt ihr in der Luft fliegen? (…) Dann haltet ein paar tausend Jahre an eurem Wunsche fest, und es werden euch Flügel wachsen.«[3]
Tania Blixen, 1915
Ein Lichtbild von 1924 zeigt sie im Speisezimmer ihrer kenianischen Farm mit einer jungen Eule auf der Schulter, einem Woodfordkauz vielleicht oder einem Fleckenuhukind. Während der Aufnahme wackelnd hat sich das Käuzchen neben dem Kopf seiner Ziehmutter der Bestimmbarkeit entzogen. Minerva wurde es genannt. In Afrikas Steppen ernähren sich die Eulen vor allem von Eidechsen und Schlangen. Fusseln und Fäden, die sich in der Zugluft auf dem Fußboden bewegen, muten wie Beute an. Als solche wurden sie vom Käuzchen erjagt und verschlungen. Eine sich ringelnde Gardinenschnur wurde ihm zum Verhängnis. Es schluckte das vermeintliche Reptil und erhängte sich daran. Kein Wort darüber aus Tania Blixens Feder. Minerva starb einen Tag vor ihrer Europareise Anfang März 1925. Da war es schon eine Weile her, daß sie in einem Stilleben eine ausgestopfte Eule dieser Art gemalt hatte, nicht ahnend, daß es einmal das Erinnerungsbild an den Kauz werden würde, der das gleiche Ende wie ihr Vater nahm.
Im Sommer 1923 hatte ihr Geliebter Denys Finch Hatton seine Habseligkeiten bei ihr untergebracht, um wie immer bald wieder das Weite zu suchen, ein Zugvogel auch er. Sie verstand seine Herzlosigkeit als die eines Ariel, sein Wesen als so rein, klar, ehrlich und durchschaubar wie das Element, das ihr das liebste war. Er nannte sie Titania. Es spricht für seine Selbstironie. Wenn der Baronin Gatte Bror Blixen Oberon sein sollte, dann konnte er selbst nur der eselsköpfige Zettel sein, den zu lieben Titania auf Grund eines Augenzaubers gezwungen war, der an die Prägung einer frisch geschlüpften Graugans erinnert, die als erstes Wesen einen Menschen erblickt.
In seine eigenen Liebschaften verstrickt, versäumte Oberon Blixen, den Zauber zu lösen wie im »Sommernachtstraum«. Ob Titania Blixen ahnte, daß ihr Zettel in der schönen Beryl Markham ab 1923 eine Parallelgeliebte fand, hat sie im Dunkeln gelassen. »Ich bin für Zeit und Ewigkeit an Denys gebunden«, vertraut sie ihrem Bruder an, »gezwungen, den Erdboden zu lieben, auf den er tritt, über die Maßen glücklich zu sein, wenn er hier ist, und jedesmal Schlimmeres als den Tod zu erleiden, wenn er geht.«[4]
