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Sein Auftrag war es, mich umzubringen – jetzt soll er mich beschützen. Jede Hexe besitzt ein Element: Feuer, Wasser, Erde, Luft, Geist. Ich hingegen kann diese Kräfte stehlen. Ein Vergehen, auf das der Tod steht, und der Grund, warum der Hexenrat den Jäger Ilyas auf mich ansetzte. Da ich die gestohlenen Kräfte zurückgegeben habe, konnte ich diesem Schicksal entgehen und trainiere nun unter Ilyas' strenger Aufsicht an ihrer Akademie. Doch dann verlieren Hexen dort ihre Kräfte und niemand glaubt an meine Unschuld – am allerwenigsten Ilyas. Um herauszufinden, wer in Wahrheit hinter den Magierauben steckt, muss ich ausgerechnet mit ihm zusammenarbeiten. Dabei habe ich nicht damit gerechnet, dass der gefährlichste aller Jäger mein Herz schneller schlagen lassen würde ... Doch können wir einander jemals trauen? Kann aus Hass Liebe werden? "Das Mädchen, das die Magie stahl" ist ein in sich abgeschlossener und unabhängiger Folgeband zu "Das Mädchen, das die Träume webt", "Das Mädchen, das dem Meer gehört" und "Das Mädchen, das durch Welten springt"; gleiches Setting, aber andere Charaktere.
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Seitenzahl: 639
Veröffentlichungsjahr: 2025
Copyright © 2025 by
Lektorat: Julia Adrian
Korrektorat: Isabel Dinies
Layout Ebook: Stephan Bellem
Umschlagdesign: Alexander Kopainski
www.kopainski.com
Bildmaterial: Shutterstock
ISBN 978-3-95991-548-9
Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von §44b UrhG ausdrücklich vor.
Playlist:
Auszug aus dem Buch der Hexen:
Prolog
1. Cara
2. Cara
3. Cara
4. Cara
5. Cara
6. Ilyas
7. Cara
8. Ilyas
9. Cara
10. Ilyas
11. Cara
12. Cara
13. Cara
14. Cara
15. Cara
16. Cara
17. Cara
18. Ilyas
19. Cara
20. Cara
21. Cara
22. Ilyas
23. Cara
24. Cara
25. Ilyas
26. Cara
27. Cara
28. Cara
29. Ilyas
30. Cara
31. Cara
32. Cara
33. Ilyas
34. Cara
35. Cara
36. Cara
37. Cara
38. Cara
39. Cara
40. Cara
41. Cara
42. Cara
43. Ilyas
44. Cara
45. Cara
46. Cara
Epilog
Danksagung
Drachenpost
Für alle, die manchmal glauben, zu viel zu sein.
Ihr seid genau richtig so.
Und für dich, Janina.
Ilyas is waiting for you.
The Rose – Bette Midler
I Can Do It With a Broken Heart – Taylor Swift
Just Pretend – Bad Omens
Illusion – Dua Lipa
Little Things – One Direction
War Of Hearts – Ruelle
Blue Side of the Sky – Sofia Carson
Lose Control – Sam Smith
Haunted – Taylor Swift
Free – EJAE, Andrew Choi
Ordinary – Alex Warren
BIRDS OF A FEATHER – Billie Eilish
Accidentally In Love – Counting Crows
Nothing’s Gonna Hurt You Baby – Cigarettes After Sex
Take My Breath Away – Berlin
How Long Will I Love You – Ellie Goulding
Die For You – Ariana Grande, The Weeknd
Evermore – Josh Groban
Die With a Smile – Lady Gaga, Bruno Mars
People can be
the best dreams
and the worst nightmares
at the same time.
Unser Anfang:
Wir ehren die Große Mutter, die Erste und Mächtigste von uns.
Ihrerzeit beherrschte sie alle fünf Elemente: Feuer gehorchte ihrem Rufen,
Wasser beugte sich ihrem Willen, die Erde verneigte sich vor ihr,
die Luft diente ihr und ihr Geist war von ungeahnter Stärke.
Doch all die Macht überwältigte Cassandra, sodass sie den Ort aufsuchte,
den wir heute als Heiligen Gletscher verehren.
Dort spaltete sie ihre Macht: Feuer brodelt fortan unter der Erde,
gefrorenes Wasser bildet den Gletscher,
welcher die Vulkaninsel bedecket und von frostigen Winden bewacht wird.
Cassandras Geist blieb an diesem Ort, an den wir von da an unsere Kinder bringen, wenn sie alt genug für die Aufnahme in die Hexengemeinschaft sind.
In einem Initiationsritus stellen wir sie Cassandra vor und die Mutter aller Hexen verkündet, mit welchem Element sie das Kind gesegnet hat.
Zum Zeichen der Aufnahme erhält jedes Hexenkind einen Hexennamen,
der sein Element und seine Magie widerspiegelt.
Doch jede von uns erhält nur ein Element.
Auf das Vergehen, nach mehr zu streben oder zu versuchen,
so mächtig wie die Urhexe einst war zu werden, steht nur eine Strafe:
der Tod.
Ich schrie.
Noch nie in meinem Leben hatte ich derart geschrien.
»Raven!«, kreischte ich und stürzte auf den gefrorenen See hinaus, hin zu dem klaffenden Loch im Eis, das sie verschluckt hatte. Die scharfen Kanten hatten wie spitze Reißzähne nach Ravens Beinen geschnappt.
Ich hatte Angst vor dem Eis. Angst vor den feinen dünnen Linien, die es knirschend und knackend durchzogen.
Aber noch mehr Angst hatte ich davor, Raven zu verlieren.
»Raven!« Das Eis ächzte. Ich versuchte, nicht darauf zu achten, wurde schneller. Als wir heute Nachmittag mit den Schlittschuhen über das Eis gezischt waren, hatten wir unzählige Furchen hineingekratzt. In diesem Moment bereute ich es. Genauso wie meine Unaufmerksamkeit.
Hätte ich meine Puppe nicht verloren, wäre Raven nicht zurück auf das Eis gestürmt. Und wären wir nicht so weit rausgefahren, hätte sie jetzt nicht so lange suchen müssen.
Die Dämmerung war über uns eingebrochen.
Und mit ihr die zerbrechliche Eisfläche.
Auf Händen und Knien rutschte ich auf das Loch zu, meine Finger bebten, die Kälte biss hinein, doch viel schlimmer war das kalte Gefühl in mir.
Eben hatte Raven noch gelacht und sich zu mir umgedreht.
Jetzt schwappte da nur noch Wasser, tintenschwarz und eiskalt. Es gluckerte leise.
»Ravie, wo bist du?« Die Luft vor meinen zittrigen Lippen bildete eine kleine weiße Wolke.
Wumm.
Ich zuckte zusammen, als unter mir etwas gegen die Eisdecke krachte.
»RAVEN!«
Sie drückte die Hand gegen das Eis, ich erkannte sie verschwommen, ihr flammend rotes Haar, das wie Blut im Wasser trieb. Sofort warf ich mich der Länge nach hin, tauchte die Arme in das Loch. Kälte fraß sich in meine Haut, unzählige spitze Nadelstiche. Ich bekam etwas zu fassen, ihren Fuß, ihren Arm, ich wusste es nicht. Mit aller Kraft zerrte ich daran, wodurch ihr Körper wieder gegen die Eisfläche stieß, ein dumpfer Schlag, der See knirschte. Ich spürte, wie sie mir entglitt, fasste nach.
»Keine Sorge«, keuchte ich, »ich habe dich.«
Doch Raven war schwerer als gedacht, ihr Gewicht zog mich allmählich zur Kante. Ich stemmte mich dagegen, aber meine Arme rutschten über das Eis, schon war da das Wasser, das mich einfing. Mein neuer Wintermantel saugte sich voll, zog mich in die Tiefe. Eiswasser schwappte über mein Kinn und ich hob mühsam den Kopf.
Raven war diejenige von uns, die immer unsere schweren Spielzeugkisten vom Schrank holte, die den Schlitten den Berg hochzog, Mommy beim Kochen helfen wollte.
Sie war stark, mutig und entschlossen.
Jetzt musste ich es sein.
Ich biss die Zähne zusammen, krallte die fast tauben Finger um Ravens Knöchel und spannte meinen Körper an.
Endlich tauchte Ravens gelber Mantel im Eisloch auf; natürlich musste sie auch einen neuen und vor allem den gleichen Mantel wie ich haben. Ich keuchte, zog an ihr. Ihr Kopf knallte mit einem hässlichen Knacken gegen die gezackte Kante – jetzt war es wirklich Blut, welches das Eis verfärbte.
Rasch griff ich nach ihrem Arm und drehte sie auf den Rücken, das Haar klebte ihr im Gesicht – oder so viel Blut?
»Raven«, wimmerte ich, doch sie gab keinen Laut von sich.
Sie musste bestimmt ins Warme, ganz schnell!
Meine Arme schmerzten, es knirschte unter uns, als ich Raven Stück für Stück über das Eis zerrte. Ich spürte weder meine Finger noch meine Füße. Eine Spur aus Blut zog sich über die Eisdecke. Dunkelrot auf schneeweiß. Es klebte an meinen Fingern, als ich am rettenden Ufer Ravens Haare aus ihrem Gesicht strich.
Sie war ganz blass. Ihre Augen waren geschlossen. Ihre Lippen blau gefroren.
»Raven?«, wisperte ich. Dann: »Hilfe!« Meine Stimme verlor sich in der Stille des Sees.
Es war niemand da, der mich hören könnte.
Mommy hatte uns eingeschärft, dass wir auf keinen Fall auf den See hinausfahren durften. Das Eis ist zu dünn, hatte sie gesagt. Und ich hatte es Raven gesagt! Wieder und wieder. Aber sie hatte nicht hören wollen und ich – ich war ihr natürlich gefolgt. So wie immer.
Ich würde sie nie allein lassen.
»Raven?«
Sie schwieg.
Ich stupste sie an. Rüttelte an ihr. Schrie.
Doch sie blieb still.
So schrecklich still.
Der See ist gefährlich, hatte Mommy gesagt. Ihr könntet einbrechen und ertrinken.
Raven durfte nicht ertrinken!
»Ich werde dir helfen.« Wild entschlossen legte ich meine Hände an ihr Gesicht, nasses Blut und blutnasse Haare klebten mir an den Fingern. »Du kannst das doch auch, ich muss nur … muss es so machen wie du«, flüsterte ich.
Raven hat die Gabe des Heilens erhalten, hatte Daddy gesagt. Sie konnte alles wieder heil machen. Sie wurde niemals krank und als es mir schlecht gegangen ist, hatte sie sogar mich wieder gesund gemacht. Jetzt würde ich sie gesund machen.
»Keine Sorge, Raven, ich rette dich«, versprach ich und schloss die Augen. Ich suchte nach der Kraft in mir. Raven hatte gesagt, sie sei wie ein warmes Leuchten, ein Kribbeln. Noch hatte ich sie nicht in mir gefunden – ich konnte ja auch nicht heil machen. Aber ich musste es können, ich musste es jetzt lernen.
»Ich rette dich«, wiederholte ich. »Ich rette dich.« Wieder und wieder und wieder, damit ich es selbst glaubte. Fest kniff ich die Augen zusammen, presste meine Hände auf ihre eiskalten Schläfen.
Raven gab einen Laut von sich, so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob es vielleicht der heulende Wind war.
»Ich bin hier! Ich mache dich gesund, hörst du mich?«, rief ich aus. Heiße Tränen liefen mir über die Wangen.
Doch Raven blieb still.
»Nein! Nein, du darfst mich nicht allein lassen!« Meine Stimme überschlug sich, Panik erfasste mich. Ravie und ich gehörten zusammen. Für immer.
Und da endlich spürte ich es. Ein Kribbeln, eine Wärme, ganz schwach nur in der Eiseskälte, aber ich griff danach. Ich war so nah dran, ich spürte es. Mein Herz raste.
Mit einem Ruck bekam ich die Magie zu fassen, spürte, wie ihre Hitze mich flutete. Sie rauschte durch meine Adern, glühend heiß, vertrieb jede Kälte. Ein helles Strahlen, das mich erfüllte, ich riss es an mich, ließ mich davon erfüllen.
Raven bäumte sich auf und ich lenkte all die Magie in meine Fingerspitzen, schickte sie zu Raven, wollte auch ihr Kraft geben. Es funktionierte. Die Wärme kehrte in ihre Wangen zurück. Sie strömte aus meinen Fingern in ihren Körper, weckte ihn auf.
»Raven!« Ich zog meine Hände zurück, umklammerte ihre, beobachtete sie. »Es hat aufgehört zu bluten und du blinzelst ja! Komm zu mir zurück, Raven.« Vor Erleichterung liefen mir die Tränen über das Gesicht.
»Cara« Ravens Stimme war rau vor Schmerz, aber endlich schlug sie die Augen auf. Sofort suchte sie nach mir, fand mich. »Was … was ist passiert?«
Ich fiel ihr um den Hals, drückte meine Schwester so fest an mich, wie ich nur konnte, damit auch der letzte Rest meiner Wärme sie durchströmte. In diesem Moment wollte ich sie nie wieder loslassen. Nie mehr. Ihr sollte nichts passieren und jetzt, da auch ich heilmachen konnte, würde ich genau dafür sorgen.
Sie würde leben.
Wir würden leben.
»Ich habe es geschafft«, schluchzte ich. »Ich habe dich geheilt!« Lachend und weinend sah ich sie an. Raven selbst schaffte es kaum, die Mundwinkel zu heben, doch ich strahlte für uns beide. Es war, als würde mich ein goldenes Leuchten umgeben. »Meine Magie ist erwacht.«
Das war sie.
Doch in diesem Moment, als ich meine Zwillingsschwester in den Armen hielt, wusste ich noch nicht, dass ich irgendwann keinen Tag mehr hassen würde als diesen.
Denn meine Magie ist nicht warm, hell oder leuchtend.
Das, was ich gespürt hatte, gehörte nicht mir. Es war gestohlen. Von Raven.
Denn meine Magie ist kalt, düster und chaotisch.
Wir sind es.
Wie Albtraumschwärze.
Raven!«
Mit einem Aufschrei schrecke ich aus dem Schlaf. Ich werfe mich herum, knipse die alte Leuchte auf meinem Nachttisch an. In ihrem flackernden Licht kann ich hinüber zu Ravens Zimmer sehen, das mit meinem durch eine Doppeltür verbunden ist. Vor dem Schlafen, da bin ich sicher, war sie nur angelehnt, doch jemand hat sie geschlossen.
Sofort bin ich auf den Beinen, tapse mit nackten Füßen über die Holzdielen, öffne die Tür.
Und erstarre.
Ravens Bett steht spiegelverkehrt zu meinem, mein Blick fällt direkt darauf. Auf den mit Blüten bemalten Bettrahmen, die Lavendelsträuße neben dem Kopfteil, den Traumfänger aus Naturmaterialien, der darüber baumelt. Die Kristalle, die leise klirren. Ravens schwarzes Bettzeug ist zerwühlt, Kissen liegen auf dem Boden.
Sie selbst ist fort.
»RAVEN!« Ich stürze aus dem Zimmer auf den Flur. »Raven, wo bist du?«
Im nächsten Moment packt mich jemand, schlingt seine Arme um mich.
»Nein!« Ich winde mich, schlage und trete um mich. »Lass mich los! Ich muss sie finden, ich muss …«
Das Licht im Flur geht an, Granny stolpert alarmiert aus ihrem Zimmer. Ihren Morgenmantel im Schottenmuster zurrt sie fest um sich, gleichzeitig fliegen sämtliche Türen nur durch einen Blick von ihr auf. »Was ist los?«
»Raven ist weg!«, rufe ich, will mich aus dem eisernen Griff meines Leibwächters befreien. »Es muss etwas passiert sein!«
»Ich stand die ganze Zeit draußen«, knurrt Ilyas hinter mir, den Griff nach wie vor unnachgiebig. »Niemand hat das Haus betreten.«
»Cara?« Moms besorgte Stimme, Dad gleich hinter ihr.
»Was ist denn los?«
Eine Gestalt taucht am Fuße der Treppe auf. Tränen schießen mir in die Augen, als ich den unordentlichen Dutt aus einer Fülle an dunkelroten Haaren erkenne.
»Du bist hier!«
Als er meine Schwester erkennt, gibt Ilyas mich frei. Er kann seine Finger gar nicht schnell genug von mir lösen.
Hastig springe ich die Treppe hinab, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, will Raven um den Hals fallen, zucke jedoch zurück, als ich die Brandnarben dort sehe.
Narben, die ich ihr einst zugefügt habe.
»Was hast du … Ich dachte, du wärst …«
»Ich habe schlecht geschlafen und mir eine Blaubeer-Kräutermischung gemacht.« Sie hebt eine von Grannys selbstbemalten Keramiktassen, aus der es träge dampft. Die Erklärung leuchtet ein, Raven trinkt immer und überall Tee, im ganzen Haus vergisst sie ihre Becher, weshalb sie sich ständig neue holt.
Es geht ihr gut.
Sie ist sicher.
Sie hat nur schlecht geschlafen.
Trotzdem rast mein Herz und mein Atem will sich einfach nicht beruhigen.
Raven lächelt mich an. Sie drückt mir den Tee in meine zittrigen Hände. Die Wärme der Tasse erreicht zwar meine Fingerspitzen, aber nicht mein Innerstes. »Ich glaube, du kannst ihn besser gebrauchen. Es ist alles in Ordnung, Cara, wirklich.«
Mechanisch nicke ich. Das schlechte Gewissen nagt an mir. Mom steht am Geländer des mittleren Stockwerks, Dad direkt hinter ihr. Er reibt sich verschlafen die Augen. Genau wie Granny tragen sie Schlafsachen. Grandma legt sich eine Hand aufs Herz, ihre Augen glänzen.
Ilyas hat sich unterdessen an die Wand neben meiner Zimmertür gelehnt, die Arme verschränkt und einen mehr als genervten Gesichtsausdruck aufgesetzt.
»Lasst uns wieder schlafen gehen«, sagt Raven. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
Es sind nicht ihre Worte, die mich verletzen. Es ist der Blick, den sie mir dabei zuwirft: Sie würde es nie vor mir zugeben, aber in ihren dunklen Augen flackert Sorge auf.
Große Sorge.
Wieder nicke ich, stakse die Treppe hinauf. »Entschuldigt bitte.«
Granny legt mir eine Hand auf die Schulter, als ich oben angekommen bin. »Alles gut, Süße, vermutlich treiben sich nur ein paar Albtraumschatten in der Nähe herum.«
Ilyas räuspert sich hörbar – als würden ihm solche entgehen –, was meine Grandma ignoriert. Sie lächelt mir zu, aber auch ihre Stirn ist sorgenvoll zerfurcht.
Für Hexen sind Albtraumschatten gefährlich. Sie lösen genau das aus: Albträume. Und während Albträume bei Menschen nur für Angst und Schrecken sorgen, blockieren sie bei uns die Kräfte.
Und eine Hexe ohne Kräfte ist keine Hexe.
Meist führt das zu Wahnsinn.
Ich brauche dafür keinen Albtraum.
Es sollte mir längst besser gehen. Ich sollte besser sein. Ich habe aufgehört zu zählen, in wie vielen Nächten ich ruhelos dalag, mit kaltem Schweiß auf der Stirn, rauschendem Blut in meinen Ohren und rasendem Herzschlag in meiner Brust. Ich muss mich zusammenreißen, darf keine Schwäche zeigen. Dennoch halte ich es in keiner dieser Nächte aus, springe irgendwann auf und laufe zur Tür, um zu überprüfen, ob Raven noch da ist, ob ich das Schnarchen aus Grannys Zimmer hören kann, ob Mom und Dad unten leise miteinander reden.
Ich überprüfe sogar, ob Ilyas in der Dunkelheit des Waldes Wache hält.
Vor ihm darf ich am wenigsten Schwäche zeigen, also recke ich das Kinn, als ich an ihm vorbeigehe, und straffe die Schultern. »Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Liebes«, ruft Granny hinter mir, dann zieht sie die Tür zu. Ich schließe meine ebenfalls, sofort schnürt sich meine Kehle zu. Ich fühle mich eingesperrt, gefangen.
Am meisten in meinem eigenen Kopf.
Es klopft, Ilyas steckt noch einmal den Kopf zur Tür herein. Rasch bringe ich meine Gesichtszüge unter Kontrolle.
»Vorsicht!« Er wedelt unwirsch mit der Hand und der Tee, der gerade aus der Tasse schwappen wollte, hält mitten in der Luft inne, fließt zurück. Als Ilyas hineinkommt und ihn mir aus der Hand nimmt, merke ich erst, dass meine Fingerspitzen feuerrot sind.
Autsch.
Er stellt die Tasse auf den Nachttisch, ein wenig zu hart. Genauso wie seine Stimme, als er knapp fragt: »Wie immer?«
Ich presse die Lippen nur fest aufeinander, weigere mich, etwas zu sagen. Stattdessen starre ich stur auf seine Messer. Inzwischen weiß ich ganz genau, wo jedes einzelne von ihnen steckt. Die beiden kleinen im Schaft seiner Boots, das lange schmale in einer Schnalle an seinem linken Oberschenkel, eine ganze Auswahl in den Innentaschen seiner dunklen Lederjacke.
»Sie werden sich sicher freuen, das zu hören.«
Jetzt reiße ich doch den Kopf hoch. »Du wirst es ihnen sagen?«
Ilyas stahlblaue Augen funkeln eiskalt.
»Du …«
»Tu mir einen Gefallen und reiß dich wenigstens für den Rest der Nacht zusammen.«
Damit geht er auf das geöffnete Fenster zu, schwingt ein Bein über das Fensterbrett. Er erinnert an eine dunkle Krähe, wie er da auf dem Sims sitzt, in seiner schwarzen Kampfmontur und mit den blitzenden Augen. Er dreht sich noch einmal zu mir um. Das schmale Lächeln auf seinen Lippen ist genauso finster wie der Rest an ihm.
»Ticktack, Magiediebin. Dir bleibt nicht mehr viel Zeit.« Damit wirbelt er herum und springt aus dem Fenster. Ich bin einen Moment wie gelähmt, starre auf die Stelle, an der er verschwunden ist.
Ich hasse ihn.
Wütend marschiere ich ihm nach, nicht, um zu sehen, ob er unversehrt gelandet ist. Ilyas bricht sich nichts bei einem Sprung aus dem zweiten Stock.
Leider nicht.
Stattdessen hat er schon wieder Stellung bezogen. Grannys Haus grenzt an den uralten, dichten Wald, der den nordwestlichen Teil Westworghs mit seinen altehrwürdigen Bäumen und dem dunklen Unterholz einschließt. Ilyas verschmilzt mit der Dunkelheit, ein weiterer Schatten zwischen den düsteren Zweigen.
Mit einem Ruck schließe ich das Fenster, schiebe den Riegel vor. Der Tee auf meinem Nachttisch schwappt über und ich funkele in Richtung des Waldes.
Wehe, ist Ilyas’ stumme Warnung.
Zornig zerre ich den Riegel zurück, gebe nach – was bleibt mir auch anderes übrig? –, bevor ich mich abwende und zu meinem Bett zurückkehre. Nebenan höre ich Raven, ihre Bettdecke raschelt, ihre Matratze knarzt. Sie hat die Kissen mit Sicherheit nicht aufgehoben, ich hingegen schüttele meine auf, ordne sie akkurat am Kopfteil. Ich schlafe nie auf einem von ihnen. Morgens sind sie genauso perfekt wie am Abend zuvor. Auch meinen Teppich richte ich exakt zum Bett aus, schiebe die Lampe in die Mitte des Tischchens.
Alles hier ist perfekt.
Ordentlich.
Heil.
Nur ich nicht.
Ich warte, bis es nebenan still wird, bis auch das letzte Geräusch im Haus verstummt – Moms besorgte Schritte, Grannys gelegentliches Husten, Dads Murmeln –, bis nur noch der Wind durch die Baumwipfel rauscht. Erst dann wage ich es, das Buch hervorzuholen, das ich unter der Matratze verstecke. Ich schlüpfe in eine cremefarbene Strickjacke, ziehe die Ärmel über meine Hände.
Mein Füller hat noch genug Tinte, trotzdem wechsele ich die Patrone. Ich bin versucht, an seinem Ende zu knabbern, als ich meine trudelnden Gedanken ordne. Natürlich tue ich es nicht. Keine Bissspuren am Füller, keine Flecken auf dem dunklen Einband des Buches, keine lose Strähne in meinem geflochtenen Zopf.
Alles ist perfekt.
Ich fahre über das glatte Leder, schlage das Buch auf.
Schwarze Tintenkleckse, eingerissene Seiten, Eselsohren.
Nur hier bin ich Chaos. Hier allein.
Die Füllerfeder kratzt über das Papier. Die Worte fließen aus mir heraus, dunkelschwarze Tinte, tintenschwarze Dunkelheit.
Ich schreibe, schreibe, schreibe. Lasse die Gedanken heraus, jeden dieser quälend lauten Schreie, die Angst, die Panik. Versuche, die Unordnung auf das Papier zu bannen, meine dunkle Seite in den Einband zu fesseln, jedes kleine Stück Imperfektion dort hineinzupressen, damit es nicht mehr in mir sein muss.
Aber es wird nicht besser und ich schreibe weiter, schreibe, bis meine Tränen die Tinte verschmieren.
Wütend reiße ich den Füller über das Papier, schneide es damit auf, genau wie meine Haut.
Nein!
Ruckartig klappe ich das Buch zu, balle die Hand mit dem Stift zur Faust.
Ruhig bleiben. Beherrscht. Kontrolliert.
Ich atme tief ein und aus, eine Strähne hängt mir ins Gesicht.
Eine einzelne Strähne.
Ich streiche sie zurück, ziehe die Schleife an meinem Zopfende zurecht. Dann verschließe ich den Füller mit seinem Deckel, lege ihn sorgsam zurück in mein schmales Etui, verberge es zusammen mit dem Buch.
Das Licht lasse ich an, als ich mich auf die Seite drehe. Die Beine leicht angewinkelt, die Hände unter meinem Kopf zusammengelegt. Selbst meine Schlafposition ist perfekt.
Doch weder sie noch das warme Licht können die Dunkelheit in mir vertreiben, all die Gedanken, die auf dem Papier nur noch lauter sind und mich anspringen, in meinen Augen brennen, in meinen Ohren klingeln.
Reiß dich zusammen. Keine Gefühle. Keine Angst.
Sei ruhig.
Sei alles.
Nur nicht du selbst.
Sei niemals du selbst.
Heißes Wasser rauscht auf mich nieder und obwohl meine Haut bereits krebsrot ist, drehe ich die Temperatur noch weiter hoch. Ich schrubbe mir die letzte Nacht vom Körper, seife ihn wieder und wieder mit Grannys selbst gegossener Kernseife ein. Der Duft nach Sanddorn und Orange erfüllt das Bad, frisch und fruchtig. Doch ganz gleich, wie lange ich mit dem grobkörnigen Seifenblock über mich fahre und meine Haare mit Shampoo übergieße, manche Dinge kann man nicht fortwaschen.
Und je länger ich schrubbe, desto mehr Hautschichten wasche ich ab, bis irgendwann keine einzige schützende Schicht mehr da ist, um meinen wahren Kern zu verbergen.
Hastig lege ich die Seife fort, das Wasser kommt mir mit einem Mal kalt vor. Eiskalt.
Ich schlinge die Arme um mich. Moment mal …
»Delacroix!«
Keine Antwort. Grimmig verziehe ich das Gesicht. Ich weiß genau, dass er es ist. Obwohl ich ihn nach der letzten Nacht nicht herausfordern sollte, kann ich nicht widerstehen. Ich schließe die Augen, brauche mich nicht lange zu konzentrieren, denn meine Magie erwacht sofort. Sie ist wie ein wildes Tier, das nur darauf lauert, freigelassen zu werden. Ich konzentriere mich auf einen kleinen Teil davon, erspüre mit ihm die anderen Kräfte in diesem Haus. Da ist Grannys silbriges Funkeln, Moms hellblaues Leuchten, Dads sanftes Schimmern, die letzten Überreste von Ravens grünem Schein.
Und ein meerblaues Prickeln.
Ich zupfe an Ilyas’ Magieband und sofort ist das Wasser wieder siedend heiß. Allerdings nur einen Moment lang, dann übernimmt er die Kontrolle und es versiegt ganz.
Ein unmissverständliches Signal: Wir müssen los.
Ich seufze und trete aus der Dusche, trockne mich ab. Noch länger sollte ich wirklich nicht trödeln. Den weißen Faltenrock habe ich bereits gestern Abend rausgelegt, genau wie den weichen fliederfarbenen Pullover und die dünne Strumpfhose. Wie jeden Morgen fasse ich meine obere Haarpartie zusammen, binde sie straff zurück. Drehe das Zopfgummi einmal zu oft, sodass es ziept, ich mir aber sicher sein kann, dass die Frisur den ganzen Tag über hält.
Das muss sie.
Meine Kleidung ist meine Waffe, mein Schutzschild. Am Pullover fehlt kein Faden, der Rock ist sorgsam gebügelt, die Schleife, die ich über das Zopfgummi binde, damit man es nicht sieht, hat exakt dieselbe Farbe wie der Rock. Ihre weißen Bänder spielen mit meinen erdbeerblonden Locken.
Ich lege leichtes Make-up auf, ignoriere die Tatsache, dass ich heute mehr Concealer als sonst brauche, um die dunklen Augenringe zu kaschieren, pudere mir mit Rouge Farbe auf die Wangen und überdecke meine gesprungenen Lippen mit reichlich glänzendem Lipgloss. An einer Stelle bluten sie leicht, ich presse sie fest aufeinander, dann tupfe ich mit dem Finger noch etwas mehr Gloss auf.
Alles an mir ist makellos.
Ich könnte es nicht weniger sein.
Der Wasserkran spritzt und ich kreische auf. Entsetzt springe ich zurück, doch es ist zu spät.
Da sind Flecken. Auf meinem Rock. Große Wasserflecken. Ich werfe den Kopf herum und sehe Ilyas draußen vor dem Fenster stehen. Ungeduldig tippt er sich auf eine nicht vorhandene Uhr am Handgelenk. Ich verenge die Augen.
Dieser … Blödmann!
Ein Blick auf die in unserem Bad durchaus vorhandene Uhr verrät mir allerdings, dass wir wirklich knapp dran sind.
Um Himmels willen!
Rasch laufe ich zurück in mein Zimmer. Raven muss zeitgleich mit mir das Haus verlassen, aber so wie es aussieht, ist sie noch nicht einmal aufgestanden.
»Raven?« Ich klopfe an ihre Tür. Ein verschlafenes Stöhnen ist die Antwort. »Es ist halb acht, hast du nicht heute Vorlesungen?«
»Mhm.«
Ich stecke mein Notizbuch – das cremefarbene, nicht das schwarze – zusammen mit Bürste, Ersatzzopfgummis und meiner Wasserflasche in meinen kleinen Rucksack.
»Es ist viel Verkehr morgens.«
»Mhm.«
Lieber noch ein Ersatzfläschchen Concealer. Und ein paar Kaugummis, damit ich mich ablenken kann.
»Bist du dir sicher, dass du nicht langsam aufstehen willst?«
Meine Schwester taucht im Türrahmen auf. Übergroßes Shirt, zerzauste Haare, zerknittertes Gesicht. Hinter ihr im Bett liegt eine Gestalt.
»Morgen, Cara«, sagt sie.
Hastig wende ich den Blick ab. Ihr halbnackter Freund muss mitten in der Nacht aufgeschlagen sein, irgendwann nach meinem … Anfall. Seltsam, dass ich davon nichts mitbekommen habe, dabei schrecke ich sonst beim kleinsten Geräusch hoch.
»Oh, ähm, guten Morgen. Entschuldigt, ich wollte nicht stören …«
»Keine Sorge, ich bringe Raven zum College.«
»Nicht mit dem Besen, oder?«
»Aber es ist viel Verkehr morgens.«
Ich schnappe nach Luft, der Hexer grinst unschuldig.
Raven ihrerseits verdreht die Augen. »Wir nehmen natürlich das Auto, keine Sorge. Na los, Schwesterherz, sonst kommst du noch zu spät und ich weiß, wie fertig dich das machen würde.«
Ich lasse mich von ihr zur Treppe schieben. »Sehen wir uns heute Abend?«
»Na klar, wir sind verabredet. Du besorgst den Film, ich koche uns etwas.« Raven zupft meinen Pullover hinten aus dem Rocksaum. »Sei nicht immer so perfekt.« Damit drängt sie sich an mir vorbei ins Bad.
Ich mache mich auf den Weg nach unten, schaffe es bis ins Erdgeschoss, bevor ich Pullover und Rock richte. In der Küche riecht es leicht verbrannt. Granny rührt in einer Schüssel, während Dad am Herd herumwerkelt.
»Morgen, Liebes!«
»Hey, Granny, was wird das?«
»Pancakes! Ich dachte mir, heute könnte vielleicht dein besonderer Tag sein und dann müssen wir ihn gleich gut beginnen.« Sie strahlt mich so breit an, dass sich mein Magen verkrampft. »Leider ist mein alter Gasherd wohl nicht mehr ganz intakt. Dein Vater versucht gerade, das zu regeln.«
Dad wischt sich den Schweiß von der Stirn. »Ich befürchte, du wirst einen neuen kaufen müssen, Hyazinth.«
»So ein Quatsch! Das Ding funktioniert seit dreißig Jahren einwandfrei.«
»Ja und das einunddreißigste wird er nicht mehr schaffen.« Dad winkt mit einer Handbewegung einen Schraubenzieher heran. Nachdem wir unsere magischen Fähigkeiten so lange verbergen mussten, ist es ungewohnt, ihn, Mom und Granny so unbeschwert zaubern zu sehen. Zumindest, wenn wir in diesem Haus sind. Anfangs haben sie es vermieden, um Raven nicht zu kränken, schließlich ist sie die Einzige, die keine Fähigkeiten besitzt.
Nicht mehr.
Das heißt, sie besitzt schon noch Reste davon, kann sie allerdings nicht mehr benutzen. Dank mir.
Sie hat ihnen versichert, dass es in Ordnung sei. Ich nutze meine Elementmagie trotzdem nicht.
Am liebsten würde ich es nie mehr tun.
Granny schiebt mir einen Teller hinüber, auf dem ein paar verkohlte Pancakes liegen. »Probier mal, Cara, ich glaube, so schlecht sind sie gar nicht und bringen dir bestimmt Glück.«
Ich ringe mir ein Lächeln ab, packe ihr zuliebe zwei Pancakes in eine kleine Dose, dazu Beeren und einen Apfel, den ich akkurat in Scheiben schneide. Einen zweiten bereite ich für Raven vor und da ich weiß, dass es bei ihr wirklich knapp wird, stelle ich schon mal den Wasserkocher an und ihr eine Teetasse hin. Für Ravens Kräutermischungen habe ich erst letztens eine Box gekauft und sie darin fein säuberlich sortiert und beschriftet, auch wenn meine Schwester behauptet, die Sorten allein am Duft erkennen zu können.
»Seid ihr heute Abend zu Hause?«, frage ich.
Dad flucht, als der Herd knackt, aber keine Flamme kommt. »Mom und ich sind bei Freunden eingeladen und … Verdammt, vorhin ließ er sich nicht runterregulieren, jetzt ist es genau andersherum!« Er taucht wieder ab, es klappert und klirrt, aber wieder knistert der Herd nur, dafür beginnt es langsam, nach Gas zu riechen.
»Ich bin im Laden«, sagt Granny. »Es wird seltsam sein, wenn Raven mir nur noch am Wochenende aushilft. Könnt ihr glauben, dass das ihre erste richtige Vorlesungswoche ist? Ich habe Lady Anne extra gewaschen. Sie wird den schicksten Wagen auf dem Campus fahren und sicher direkt Freunde finden.«
Ich denke an Grannys rostigen Wagen, bei dem jedes Teil durch die vielen Ausbesserungen einen anderen Rotton aufweist, und verkneife mir einen Kommentar dazu.
»Okay, ähm, wegen heute Abend: Raven und ich wollen einen Schwesternabend machen und das Wohnzimmer blockieren.«
»Eine wunderbare Idee!« Granny kommt um die Theke herum und gibt mir einen Kuss auf den Scheitel. »Musst du nicht langsam los? Dein Aufpasser scharrt draußen schon mit den Hufen. Ich bin mir sicher, du wirst es heute schaffen, Liebes.«
Wieder breitet sich das mulmige Gefühl in mir aus. Im Gegensatz zu Raven habe ich nicht meinen ersten Tag am College. Ganz im Gegenteil.
Genau das ist ja das Schlimme.
Dads Kopf taucht über dem Herd auf, er schenkt mir ein Lächeln. »Heute wird es bestimmt klappen.«
Das sagt er jeden Tag und jeden Tag kostet es mich mehr Überwindung, sein Lächeln zu erwidern. Also wende ich mich ab, bevor ich es über mich bringen muss. »Bis später!«
Schnell verschwinde ich aus der Küche, schlüpfe in meine hellen Sneaker und trete auf die Veranda hinaus. Dort lehnt Ilyas an einem der Stützbalken. Als Mom mit Sprinkles von ihrer morgendlichen Joggingrunde zurückkehrt, weicht er ihm instinktiv aus. Der riesige Pitbull stürmt seinerseits freudig auf mich zu. Glücklich reibt er seinen gigantischen Kopf an mir und hechelt. Als Mom nicht hinsieht, stecke ich ihm ein Leckerli zu.
Der graue Hund wirkt auf den ersten Blick unheimlich furchteinflößend, als Welpe war er mit seinen kleinen weißen Flecken allerdings so niedlich, dass ich den Namen Sprinkles perfekt fand. Inzwischen ist er um das Fünffache gewachsen, aber tollpatschig wie eh und je. Und obwohl er keiner Fliege etwas zuleide tun kann, macht er Ilyas nervös. Ich könnte mich darüber köstlich amüsieren, denn für gewöhnlich hat er vor nichts Angst – nur bei Grannys verspieltem Rüden bekommt er Panik. So auch jetzt, als Sprinkles schwanzwedelnd zu ihm herumwirbelt.
»Bist du endlich fertig?« Er erstarrt, als Sprinkles an ihm hochspringen will. Ich pfeife ihn nicht zurück, denn die Aktion mit dem Wasserkran nehme ich Ilyas noch übel.
»Ich hoffe, heute läuft es«, sagt Mom zu mir, nimmt Sprinkles am Halsband und nickt Ilyas zu. »Einen guten Tag für euch.«
»Ich gebe mein Bestes«, entgegnet Ilyas. Sein Seitenblick zu mir ist unmissverständlich: Was man von Ihrer Tochter ja nicht behaupten kann.
Ich schultere meinen Rucksack und recke das Kinn. »Das tue ich immer. Bist du endlich fertig?«
Ilyas funkelt mich an, dann folgt er mir. Schweigend stapfen wir nebeneinander durch das hohe Gras in Grannys Garten auf die dunklen Bäume zu. Sie verschlucken uns genauso wie jegliches Tageslicht. Als ich mich nach einigen Schritten umdrehe, ist von Grannys Haus nichts mehr zu sehen.
Früher hat sie allein in Westworgh gelebt und wir in Milian, einem kleinen Vorort ein paar Stunden entfernt. Aber letztes Jahr kam Raven her, nachdem … Dinge passiert sind. Schlimme Dinge. Dinge, an denen ich schuld bin.
Es dauerte, bis sich alles geklärt hatte und wir nachkommen konnten, ich, Mom und Dad. Jetzt leben wir zu fünft in diesem Haus und so glücklich wie es mich an den meisten Tagen auch macht, so sehr belastet es mich an den anderen. So wie heute, wenn ich ihnen in die Augen schauen muss und diesen Hoffnungsschimmer darin erkenne, nur um ihn zunichtemachen zu müssen, wenn ich zurückkomme.
»Wehe, du machst das nochmal«, knurrt Ilyas. Er stapft vor mir durch das dichte Unterholz, auf der Suche nach dem Pfad. Beiläufig hält er einen Zweig zur Seite und als er es bemerkt, ist es schon zu spät. Wenn er ihn jetzt losließe, würde er mir geradewegs ins Gesicht peitschen. Zugegeben, kurz sieht er aus, als würde er das in Erwägung ziehen, wartet dann jedoch darauf, bis ich unter dem Zweig hindurchgetaucht bin.
»Was denn?«, entgegne ich unschuldig. Ich bin nicht in Stimmung für Vorwürfe.
»Das weißt du ganz genau, Moon.«
»Ich will nicht, dass du mich so nennst!«
Wir haben den schmalen Weg erreicht, der durch den Green Darkness führt. Ich streiche meinen faltenlosen Rock glatt und zupfe ein Blatt von meinen Schuhen.
»Es ist dein Name.«
»Ich will diesen Namen nicht.«
Er schnaubt. »Andere würden für einen magischen Hexennamen töten.«
Mein Magen dreht sich um, Ilyas wirft mir einen knappen Seitenblick zu. Wir scheinen das gleiche zu denken, denn er fährt fort: »Wobei du ja auch einige Leben zerstört hast, um an ihn zu kommen.«
»Wenn Hexennamen so besonders sind, warum verrätst du deinen dann nie?«, feuere ich zurück, bevor ich zu lange über das Gesagte nachdenken kann. Denn wenn ich das tue, überkommt mich das Bedürfnis, mein schwarzes Buch hervorzuholen.
Ilyas zuckt zusammen, als hätte ich ihn geschlagen. Dabei ist es wahr: Ilyas ist der Name, den er von seiner Mutter erhalten hat. Doch für gewöhnlich verwenden Hexen nur den Namen, den sie beim Initiationsritus von der Urhexe bekommen. Sie sind sehr stolz darauf und ich dachte, gerade er würde sich damit brüsten.
Stattdessen erwidert er: »Ich verwende lieber Ilyas Delacroix, damit alle direkt wissen, dass ich von meinem Vater abstamme und mindestens genauso gefährlich bin wie er.« Seine Worte klingen distanziert, meinen Blick meidet er.
»Schön, aber du kannst ihn doch trotzdem verraten?«
»Nein, das bleibt ein Geheimnis, das die Urhexe nur mir anvertraut hat. Also hör auf zu fragen.«
Ich schnaube. »Bist du eigentlich sicher, dass du und Casmaron verwandt seid?«
Ilyas hebt eine Braue und kickt einen Ast ins Unterholz. Er springt über ein paar kleine Steine und verschwindet im Dickicht. »Was meinst du?«
»Dein Bruder ist nett, er macht Raven glücklich und du … du bist …«
Er lässt sich zu mir zurückfallen. Die Lederjacke spannt sich an seinen breiten Oberarmen, sein harter Kiefer wird von einem schmalen Streifen Sonnenlicht nachgezeichnet, aber seine Mundwinkel zucken. »Was bin ich, Moon?«
Ich funkele ihn an. »Du bist du.«
»Und?«
»Das ist unerträglich.«
Ilyas lacht auf. »Oh, eine Beleidigung ausgerechnet von Little Miss Perfect.« Er bedeutet mir, vorwegzugehen, dennoch kann ich seine tiefe Stimme klar und deutlich hinter mir vernehmen. »Glaub mir, meine Liebe, das beruht auf Gegenseitigkeit. Wenn es nach mir ginge, würdest du eine Magiefessel tragen, die deine Kräfte blockiert und fertig. Aber der Rat will ja, dass du lernst, sie zu trainieren. Doch auch wenn deine reizende Familie dir jeden Tag versichert, dass das heute klappen wird, befürchte ich, dass dem nicht so ist. Und das wiederum bedeutet, dass ich bis zum Ablauf der Frist dein Mentor sein muss.«
»Ich danke dir für dein Vertrauen und dafür, dass du mir einen weiteren Grund gibst, es eher zu schaffen.«
Wir erreichen die Waldlichtung. Auf den ersten Blick ein nahezu malerischer Ort. Der Westriver plätschert in einiger Entfernung, der Wind rauscht durch die Baumwipfel, das Licht verleiht Ilyas’ Haaren einen bronzefarbenen Schimmer.
Mentor, denke ich verächtlich, als er auf den steinernen Torbogen zuhält, der mitten im Wald steht. Bodyguard trifft es wohl eher. In erster Linie ist Ilyas nämlich nicht dazu beauftragt, mich zu unterstützen. Im Gegenteil.
Ilyas’ Job ist es, zu beschützen.
Ich beobachte, wie er eine Hand an den Steinbogen legt. Man könnte ihn für die Überreste einer alten Ruine halten, zerfallen und von Moos überwachsen.
Willkommen in der Andernwelt, willkommen in der Andernwelt, wurde in den uralten Stein geritzt und bei Ilyas’ Berührung beginnen die Symbole zu leuchten. Grüne Funken lösen sich aus ihnen und taumeln auf das Gras zu. Sie bilden einen Vorhang im Torbogen, einen schimmernden Schleier zwischen dieser und der Andernwelt.
Den Weltenschleier.
Ilyas dreht sich zu mir um und hält mir den Arm hin. Man könnte es als höfliche Geste auffassen, dabei weiß ich es besser. Er kann nicht riskieren, dass ich das Portal allein passiere und möglicherweise an einen anderen Ort springe als den, welchen er im Visier hat. Welchen ich seit Monaten tagtäglich besuchen muss.
Ich gehe auf ihn zu und schlinge widerwillig meinen Arm um sein breites Kreuz, sodass Ilyas seinen um mich legen kann. Ich spüre seine Hand an meiner Schulter, seinen festen Griff. Ganz gleich, wie beschützend das wirken mag, in Wahrheit ist es eine Warnung.
Denn Ilyas beschützt nicht mich.
Er beschützt andere Leute.
Vor mir.
Durch ein Portal zu springen, ist jedes Mal aufs Neue ein berauschendes Gefühl. Wir treten mitten hinein in den schimmernden Schleier, werden umgeben von wirbelnden Lichtpunkten. Doch auf der anderen Seite wartet nicht länger der Green Darkness auf uns. Die leuchtenden Pigmente setzen sich zu einer anderen Umgebung zusammen, sie fließen ineinander und gießen ein neues Bild für uns.
Magische Wesen, Hexen, wie Ilyas und ich es sind, leben für gewöhnlich nicht in der Welt der Menschen. Wir leben in Anduen, der Andernwelt, gemeinsam mit vielen anderen übernatürlichen Kreaturen. Hier gibt es keine Menschen, die uns schaden wollen, zudem sind wir in Anduen stärker, denn jeder und jede von uns ist mit ihr verbunden. Magie fließt in den Flüssen, steckt in der Erde, liegt in der Luft. Es gibt keinen Grund für ein magisches Wesen, Anduen zu verlassen, außer vielleicht die Liebe zu einem Menschen oder die Verbannung für einen schlimmen Fehler.
In meinem Fall war es letzteres.
Zugegeben, ich habe mich nicht ganz an die Verbannung gehalten, was die Sache noch schlimmer gemacht hat. Ein weiterer Grund, weshalb ich die Andernwelt nur noch mit Ilyas betreten kann. In diesem Moment ist er mir jedoch gleich, genauso wie die Tatsache, dass ich ohne ihn nicht in Anduen sein könnte.
Ich bin hier.
Ich bin zu Hause.
Es ist ein ureigenes Gefühl, das einen in Anduen überkommt. Als würde ihre Magie die Funken in uns anstupsen und zum Leuchten bringen. Heller und strahlender, als sie es in der Welt der Menschen jemals könnten. Ich spüre, wie sich meine Magie regt, summend erwacht. Ich grabe die Nägel in meine Handballen, konzentriere mich darauf, das Biest im Zaum zu halten, zu kontrollieren. Das Summen wird zu einem Dröhnen, mein Herz rast.
So sehr ich Anduen liebe, weil ein Teil von mir hierhergehört, so sehr macht mir dieses Gefühl Angst.
Es ist mein dunkelster Teil. Mein verhasster Teil.
Der Teil, den ich nicht kontrollieren kann.
Genau deshalb sind wir hier.
Vor uns ragt die imposante Fassade der Akademie empor. CrowsNest hat ihren Namen unter anderem der hoch aufragenden Türme, die aus der gotischen Fassade in den Himmel stechen. Spitzbogenförmige Fenster blicken wie dunkle Augen auf uns herab, schwarzer Schiefer bedeckt die Dächer; Zinnen und verschlungene Ornamente lenken den Blick auf die Balustraden und vor allem auf die gigantische Treppe, die sich in zwei Bögen auf den Vorplatz schwingt und von dort vereinigt zum Eingangsportal führt. Die schwarzen Krähen, die auf den Absätzen des Geländers hocken, beobachten uns aus ihren steinernen Augen. Ihr Gefieder ist so fein gemeißelt, als könnten sie tatsächlich mit den bereits ausgebreiteten Flügeln schlagen und sich in die klaren Lüfte erheben.
Ilyas verzieht das Gesicht, wie jeden Morgen, den wir herkommen. Es ist eine Qual für ihn.
»Willkommen an der Akademie, Catcher«, kann ich mir nicht verkneifen zu sagen.
Er funkelt mich an. »Ich habe meine Ausbildung schon vor Jahren beendet. Es ist demütigend, tagein, tagaus herkommen zu müssen.«
»Man kann nie genug lernen, findest du nicht?« Ich setze einen Fuß auf die breite Treppe. »Sogar der beste Catcher des Jahrhunderts.« Den sarkastischen Unterton habe ich von Raven übernommen und muss gestehen, dass ich in Ilyas’ Gegenwart oft verlockt bin, ihn zu verwenden.
»Ich bin nicht hier, um zu lernen«, knurrt Ilyas und stellt sich auf dieselbe Stufe wie ich. »Ich habe schon ganze Horden an Albträumen vernichtet und mehr als eine abtrünnige, dunkle Hexe gefangen genommen.«
Und getötet.
Er würde auch mich töten, wenn er es müsste.
Wenn ich zu gefährlich werden würde.
An Ilyas’ Kompetenzen gab es nie einen Zweifel. Er hat seinen Abschluss an der Akademie schneller gemacht, als es irgendjemand zuvor schaffen konnte. Ein Überflieger – und mir damit nicht unähnlich.
Allerdings unterscheidet uns ein wesentlicher Punkt: An dieser Akademie werden Hexen ausgebildet, um unsere Art zu schützen, und zwar vor allem, was ihr gefährlich werden könnte. Ilyas wurde zu einem Catcher, einem Jäger geformt.
Und ich war die Gejagte.
Es war sein Auftrag, mich zu töten.
»Trotzdem stehe ich noch hier«, entgegne ich, steige eine Stufe nach oben, sodass wir auf Augenhöhe sind. »Dein Auftrag hat sich geändert.«
Ilyas schnaubt. »Catcher sind dazu da, um andere zu beschützen. Wir sollen dunkle Hexen vernichten, nicht sie dabei zu bewachen, wie sie lernen, ihre Macht zu kontrollieren.«
»Nicht jede Hexe mit Geistmagie ist dunkel«, sage ich, wende mich ab und steige die Treppe hinauf. Ilyas holt mich erst am Eingangsportal ein, wo die mächtigen Steintüren für uns aufschwingen. Im Innern ist die Akademie genauso imposant wie von außen, ein gigantischer Kronleuchter heißt uns willkommen und seine flackernden Kerzen jagen Schatten über Ilyas’ hartes Gesicht.
»Vielleicht nicht jede Geisthexe, aber Magiediebinnen sind es definitiv«, sagt er und sein Blick wird von Erinnerungsschatten verdunkelt. Schmerz zuckt über seine Züge, obwohl er ihn zu verbergen versucht. »Die letzte deiner Art hat meinen Vater auf dem Gewissen – wusstest du das? Er gehörte zu den Catchern, die sie aufhalten sollten. Es kam zum Kampf, sie hat ihn ermordet. So viel zu den guten Hexen.«
Ich schlucke schwer.
Deshalb also diese Abneigung gegen Geisthexen – gegen mich. Die Sorge, dass ich zu ähnlichem fähig bin. »Das … wusste ich nicht. Es tut mir leid, dass ihr das erleben musstet.«
Ilyas’ Kiefer mahlen, er meidet meinen Blick. »Ich brauche keine Entschuldigung.« Es soll hart klingen, aber was ich gebraucht hätte, wäre mein Vater, schwingt ungesagt mit. »Er war ein Catcher, er wusste, was ihn erwartet. Wie gefährlich Geisthexen sind.«
»Nur weil diese Magiediebin das getan hat, bin ich nicht auch so …« Ich wünsche es mir zumindest sehr.
»Ach nein?« Er lacht trocken. »Was hast du denn mit deiner Schwester getan? Mit Kiana?«
Ich schweige, denn leider ist es wahr. Ich habe schreckliche Dinge getan. Ilyas beugt sich zu mir herab, bis sein Mund nah an meinem Ohr ist. Sein warmer Atem streift meine Haut. »Ich erkenne eine dunkle Hexe, wenn sie vor mir steht, Moon. Ich brauche nur darauf zu warten, bis der Hexenrat das ebenfalls einsieht.«
* * *
»Ich möchte, dass Sie Ihre Elementmagie visualisieren«, hallt die Stimme von Dr. Dreyfuß durch das Klassenzimmer.
An der Akademie werden junge Hexen in verschiedenen Fächern unterrichtet. Magiebeherrschung gehört auch dazu, denn die Ausbildung hier beginnt nach der magischen Grundausbildung im Alter von zehn Jahren. Ich wurde in die letzte Klasse eingeordnet, gemeinsam mit denjenigen, die zu dieser Wintersonnenwende ihre Ausbildung beenden und die Akademie verlassen werden. Das soll auch mir gelingen. Bisher sieht es mit meiner Beherrschung allerdings bescheiden aus – um nicht zu sagen hoffnungslos.
Ich schließe die Augen, fühle in mich hinein. Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Magie ist sofort da. Sie ist wie ein schlafendes Raubtier. Kaum dass ich mich auf sie konzentriere, spüre ich, wie sie ihre Klauen in meine Brust schlägt. Sofort beginnt mein Herz zu rasen, denn genau das ist es, was mir Angst macht: diese schiere Kraft in mir.
Ich will sie nicht spüren. Ich will sie nicht finden. Nicht so. Ich strecke mich langsam nach ihr, nervös. Stelle mir vor, wie sie aussieht – wild, chaotisch – und versuche, sie zu visualisieren. Ein Ruck geht durch meinen Körper, als die Energie aus mir hervorbricht.
Erschrocken schlage ich die Augen auf.
Dagger, mein Tischnachbar, ist ein gutes Stück abgerückt und wirft mir einen nervösen Blick zu. Nein, nicht mir.
Meinen Händen.
In seinen leuchtet ein kleiner, violetter Energieball. Luftmagie. In meinen wütet eine schwarze Rauchkugel, in deren Innern Nebel umherwirbelt. Meine Finger beben.
»Konzentration, Moon. Sie kontrollieren die Magie, nicht andersherum«, erinnert mich mein Lehrer.
Ich nicke, hastig, abgehackt. Mein Blick zuckt zu Ilyas hinüber, der an der Rückwand des Klassenzimmers lehnt und mich wachsam beobachtet, bereit, jederzeit einzuschreiten falls nötig.
»Jede Magie ist einzigartig«, erklärt Dr. Dreyfuß. »Zwar besitzt jeder und jede von Ihnen eines der vier Elemente – Erde, Wasser, Feuer, Luft –, aber die Ausprägung dieser Elementmagie kann sehr unterschiedlich sein. Sie ist etwas ganz Besonderes.«
Ich muss mich nicht umsehen, um zu wissen, dass alle um mich herum andere Farben in den Händen halten. Warmes Grün, sanftes Türkis, feuriges Rot oder geheimnisvolles Violett.
Es gibt nicht nur vier Elemente.
Es gibt fünf.
Allerdings hat Dr. Dreyfuß recht: An der Akademie werden für gewöhnlich nur Hexen mit einem der übrigen vier ausgebildet. Hexen, die das fünfte Element, den Geist, beherrschen, sind hier nicht erwünscht. Ihre Magie ist gefährlich, denn ihre Ausprägung kann leicht in die dunklen Künste abrutschen: Geisteranrufung, Gedankenmanipulation, Totenbeschwörung. Genau deshalb werden Geisthexen gemieden, beobachtet und, falls sie tatsächlich dunkle Kräfte anwenden, gejagt.
Geistmagie ist nicht sanft und warm und leuchtend.
Sie ist schwarz.
Wie die Kugel in meinen Händen.
Ich bemühe mich, sie ruhig zu halten, aufsteigen zu lassen, wie all die anderen im Kurs es tun. Es geht darum, sich selbst zu beherrschen, die Magie zu lenken. Ein Gespür für sie zu entwickeln. Genau das fällt mir schwer und dass alle von mir abrücken, macht es nicht leichter. Während ihre Kugeln bereits unter der gewölbten Decke leuchten, schlingert meine mit etwas Abstand hinterher. Die anderen Energiebälle machen ihr Platz, meine Mitschülerinnen und -schüler werfen mir nervöse Blicke zu, als könnte bereits eine Berührung mit meiner Magie sie verdammen.
Sie verschlingen.
So wie mich.
»Sehr gut«, lobt Dr. Dreyfuß, als alle Kugeln um den Kronleuchter mit den schwarzen Kerzen schweben. »Nun verwandelt sie. Ich will, dass Sie Ihre Magie formen. Sie muss Ihrem Willen gehorchen.«
Gleich darauf springen fröhliche Delfine durch den Raum, filigrane Vögel flattern um die Köpfe der Anwesenden; ich erkenne eine wunderschöne Giraffe, die anmutig über die Tische stolziert. Kiana, in der Reihe vor mir, lässt ein feuriges Pferd durch die Lüfte galoppieren.
»Moon.« Dr. Dreyfuß nickt mir zu. »Sie schaffen das.«
Ich spähe nervös zu meiner Energiekugel, die noch immer um den Kronleuchter taumelt. Meine Hände sind schweißnass. Meine Magie brodelt, Blitze zucken über die Gewitterwolken im Innern der Kugel.
»Es ist Ihre Magie. Sie bestimmen, was sie tun soll«, sagt Dr. Dreyfuß. »Wenn Sie wollen, dass sie die Gestalt eines Tieres annimmt, muss sie das tun.«
Ich nicke, strecke die Finger aus. Kianas Pferd galoppiert an mir vorbei und hinterlässt einen feurigen Schweif, der mich blendet. Als ich wieder sehen kann, ist meine Energiekugel ein gutes Stück abgesackt und trudelt über die Köpfe der Personen in der ersten Reihe.
Sie ducken sich panisch.
»Konzentration.«
Ich versuche es ja! Angestrengt fixiere ich meine Energie, überlege fieberhaft, zu was ich sie formen könnte. Sie kommt mir zu dunkel vor für einen eleganten Schwan, einen frechen Otter oder einen majestätischen Elefanten. Wenn ich sie ansehe, wie sie dort in der Luft direkt vor mir steht, weiß ich nicht, was uns verbindet. Wie kann sie ein Teil von mir sein? So, wie sie zuckt und der Rauch in ihr umherwirbelt, macht sie mir mehr Angst als jedem anderen im Raum.
Aber ich muss das schaffen. Ich muss sie kontrollieren.
Meine Finger beben, es gelingt mir, die Magiekugel zu verändern. Ein schwarzer Panther erhebt sich aus dem Rauch, reckt stolz den Kopf.
Dr. Dreyfuß strahlt. »Sehr gut!«
Ein nervöses Lächeln zuckt über meine Lippen. Der Panther richtet sich auf, schleicht auf einer Wolke schwarzer Wirbel auf und ab. Sogar Ilyas beugt sich anerkennend vor.
Ich habe es geschafft. Ich kann das!
Unbändige Freude flutet mich, als ich meine Magie so sehe. In Bahnen gelenkt. Genau das ist mein Fehler. Das Glücksgefühl durchströmt meine Adern, elektrisiert mich und mit mir meine Magie. Der Panther schwillt an, sinkt auf einen der Tische. Mit einem mächtigen Hieb seiner Pranke zerstört er Kianas Pferd. Sie stößt einen Schrei aus, als es in Funken zerbirst.
»Oh nein! Entschuldige, Kiana, ich …«
Mein Panther brüllt auf, stürzt sich auf einen kleinen Schmetterling. Seine scharfen Reißzähne zerfetzen ihn.
»Tut mir leid!«, rufe ich aus, als Dagger entsetzt die Augen aufreißt. »Es tut mir leid, ich regele das!«
Tu doch einfach das, was ich dir sage, flehe ich meine Magie an. Der Panther reißt sein Maul auf und die violetten Funken, die er verschluckt hat, beginnen zu leuchten, färben ihn ein, bis er von innen erstrahlt.
»Das ist meine Magie!«, keucht Dagger.
»Ich weiß, ich weiß, ich gebe sie dir zurück!« Ich lenke den Panther zu ihm hinüber, doch er springt erschrocken auf, sein Stuhl kippt krachend um.
»Moon, passen Sie auf«, warnt Dr. Dreyfuß, erst da bemerke ich, dass auch ich stehe, die Arme verzweifelt ausgestreckt. Der lila Panther erwischt einen der schillernden Delfine im Sprung, Blau mischt sich mit dem Violett, er schimmert und funkelt, nun gar nicht mehr dunkel.
Je schöner er aussieht, desto gefährlicher wird er.
Ich stolpere vorwärts, höre im selben Moment, wie Ilyas mit seinen schweren Stiefeln herannaht. Nein, er soll nicht eingreifen müssen, ich will das selbst regeln!
»Geh zur Seite, Dagger, ich mache das!«, rufe ich.
»Lass gut sein, Moon«, knurrt Ilyas hinter mir.
»Nein, ich kann das, ich kann das!«, kreische ich.
»Du kannst es nicht, sieh es ein.« Er macht noch einen Schritt auf mich zu, Dagger kauert sich hinter den Tisch. Der Panther dreht seinen Kopf zu der Giraffe, die vor ihm zurückweicht.
»Oh, oh!«, keucht June. Mein Panther hebt die Pranke.
»NEIN!«
Wumm.
Der Panther zerspringt unter meinen Fingern, Schwärze flutet den Raum. Sie verschluckt alles: jedes magische Tier, das Licht des Kronleuchters, alle Anwesenden.
Für einen Moment herrscht nichts als Finsternis. Die Magie in mir brüllt auf, zufrieden, endlich frei zu sein. Ich schreie, als sie mich verschlingt, meine Ohren schrillen, ich halte sie zu, sinke auf die Knie. Mein ganzer Körper kribbelt vor Macht und ich hasse es, will sie nicht. Ich schlinge die Arme um mich, presse die Fingernägel so heftig in meine Schultern, dass warmes Blut herabrinnt.
Dann ist es vorbei.
Licht zerbricht die Dunkelheit, als Ilyas meine Magie in die Schranken weist. Ihm gelingt, woran ich gescheitert bin: Die Finsternis zu vertreiben.
Langsam richte ich mich auf.
Alle Anwesenden kauern auf dem Boden, unter den Tischen, klammern sich aneinander. Die Wände sind mit Schwärze überzogen, genau wie meine Arme: Von meinen Fingerspitzen bis hoch zu meinen Ellenbogen zieht sich Tintenschwärze. Als hätte ich sie in einen Todessee getaucht. Entsetzt blicke ich zu Dr. Dreyfuß. Der enttäuschte Blick in seinen Augen trifft mich wie ein Fausthieb.
»Ich denke, wir brauchen eine kurze Pause. Mr. Delacroix, würden Sie Moon nach draußen begleiten? Fünfzehn Minuten wären gut.« Dr. Dreyfuß bemüht sich um ein Lächeln. »Vielleicht bleiben Sie heute lieber bei der Theorie, Moon. Sie haben ja Block und Stift dabei.«
»Sicher.«
Ich wanke aus dem Raum. Ilyas folgt mir als mein Schatten. Ich spüre seine leichte Berührung an meinem Rücken – wüsste ich es nicht besser, könnte sie behutsam, gar beschützend wirken …
Die Magie in mir grollt, ich verfluche sie dafür. Genau deshalb werde ich an der Akademie unter Catchern ausgebildet: Sollte ich durchdrehen, wüssten sie genau, wie ich auszuschalten bin. Wie Ilyas werden sie dafür trainiert, Hexen wie mich zu vernichten, sollte ich zu gefährlich werden.
Sollte es nicht bei Magiefunken und Rauchschwaden bleiben, sondern jemand ernsthaft verletzt werden.
Schon wieder.
Ein Jahr. So viel Zeit hat mir der Hexenrat gegeben, meine Magie unter Kontrolle zu bringen. Falls Cara Lynn Moore, unter Hexen Moon genannt, dies nicht gelingen sollte, erhält sie die Strafe, die ihr für ihre bisherigen Vergehen zusteht.
Auf den Raub fremder Magie, selbst wenn er unbeabsichtigt geschieht, steht ausnahmslos eine Strafe:
der Tod.
Hey, Sonnenschein, wie ist es gelaufen?« Calluna lässt sich neben mir auf die Bank fallen und stellt ihren Suppenteller unter lautem Klappern ab. Ich zucke zusammen und verschütte dabei einen Löffel Tomatensuppe auf meinen Notizen aus Magiebeherrschung.
»Ach herrje!« Calluna schlägt ihre Beine im Schneidersitz unter. Wie immer ist ihre gemusterte Strumpfhose mit zahlreichen Flecken versehen, weil sie als Hexe mit dem Element Erde viel Zeit in den Beeten im Gewächshaus verbringt. Sie wirft einen Blick auf die fein säuberlichen Mitschriften, die Seite um Seite mit meiner akkuraten Handschrift gefüllt sind. »Also mies.«
»Ziemlich mies.« Ich tupfe die oberste Seite mit einer Serviette trocken, richte damit allerdings mehr Schaden als Nutzen an. Wütend knülle ich das Stofftuch zusammen. »Vermutlich hätten mir die Mitschriften ohnehin nichts gebracht. Ich starre die ganze Zeit drauf und frage mich, warum …« Ich unterbreche mich selbst. Zusammenreißen, Cara! Kaum dass ich die Stimme erhoben habe, starren June und ihre Freundinnen erschrocken zu mir hinüber.
Natürlich hat sich keine von ihnen zu mir gesetzt.
Niemand außer Calluna wagt sich je an meinen Tisch. Sie haben Angst, ich könnte die Kontrolle verlieren, könnte versehentlich oder auch absichtlich ihre Magie stehlen. Calluna ist die Einzige, die sich nicht wegdreht, wenn ich einen Raum betrete; die mit mir spricht, anstatt zu fürchten, dass bereits ein Blick von mir dazu führen könnte, dass sie ihre Kräfte verliert. An meinem ersten Tag an der Akademie hat sie sich schwungvoll neben mich gesetzt, ihre verdreckten Gartenhandschuhe auf den Tisch gepfeffert und mir ihre Hand hingehalten. »Du siehst aus, als könntest du eine Freundin gebrauchen, also: Hi, ich bin Calluna.«
Es hat gedauert, bis ich glauben konnte, dass die Erdhexe mit den wilden dunklen Locken, den flattrigen Röcken und den frechen Sommersprossen auf der Nase wirklich mit mir befreundet sein wollte. Wenn ich ehrlich sein soll, verstehe ich es bis heute nicht, denn es macht sie automatisch auch zu einer Ausgestoßenen.
Calluna sagte, das mache ihr nichts aus. Sie habe ein Problem damit, wenn man andere ausgrenzt, und ich sei ihr ohnehin ähnlicher als die anderen. Als ich fragte, was sie damit meine, behauptete sie, dass die meisten hier mit ihrer vorlauten und aufgedrehten Art nicht zurechtkämen. Es klang verdächtig nach einer Ausrede, zumal ich das Gegenteil von aufgeweckt bin, aber ich wollte nicht zu neugierig sein und nach dem wahren Grund fragen. Schon oft ist mir aufgefallen, dass auch Calluna gelegentlich ein wenig einsam wirkt, als fühle sie sich nicht richtig zugehörig.
Woran es liegt, konnte ich bisher nicht herausfinden.
Ich war und bin froh, dass sie Zeit mit mir verbringt. Durch ihre Nähe fühlen sich die geflüsterten Bemerkungen der anderen weniger schlimm an.
Ein scharfer Blick von Ilyas zu June und ihren Freundinnen und sie verstummen und senken rasch die Köpfe. Dennoch bemerke ich, wie sie verstohlen zu mir herüberlinsen, als er sich wieder seinem Essen zuwendet. Als würden sie nur darauf warten, dass ich erneut in Schwärze explodiere.
Ich seufze leise. »Vergiss es.«
Meine einzige Freundin verdreht die Augen. »Du darfst wütend auf dich sein, Cara! Das ist okay.«
Nein, ist es nicht. Ich ziehe die Schleife an meinem Hinterkopf zurecht und einen neuen Zettel aus meinem Rucksack, um die versaute Seite noch mal abzuschreiben.
»Cara«, setzt Calluna an, doch ich schüttele den Kopf.
»Es ist alles in Ordnung. Ich muss einfach mehr üben. Dr. Dreyfuß will später noch einmal mit mir allein trainieren.«
»Du übst Tag und Nacht – ich weiß genau, dass du zu Hause bei deiner Familie auch nichts anderes tust.«
»Offenbar reicht es noch nicht.«
»Du bist viel zu streng mit dir.«
»Ich muss streng mit mir sein«, widerspreche ich und beginne mit dem Abschreiben. »Jeder andere hier schafft es, nur ich nicht. Dabei ist es für mich noch wichtiger als für sie. Wenn ich es nicht schaffe … wenn …«
»Ich weiß«, unterbricht mich Calluna. Sie deutet mit ihrem goldenen Suppenlöffel auf mich. Genau wie auf der Strumpfhose klebt auch unter ihren Nägeln Erde. »Ich kenne dich, seit du an die Akademie gekommen bist, und ich weiß, wie du dich abmühst. Vielleicht ist genau das dein Problem: Du willst es zu sehr. Aber weißt du, Magie ist nichts, was man erzwingt. Man muss sie spüren.«
»Du hast gut reden«, murmele ich. »Deine Erdmagie gehorcht dir im Schlaf.«
Calluna fährt leicht zusammen, allerdings könnte ich es mir auch eingebildet haben. Zwar fällt Sonnenlicht durch die spitzbogigen Fenster des Speisesaals, zusätzlich schweben aber auch unzählige dunkle Kerzen durch den Raum, deren flackernder Lichtschein oft die Augen trügt. Magie hängt in der Luft, flirrend und sirrend und Sinne täuschend.
»Gib dir Zeit.«
»Noch mehr Zeit?« Ilyas löffelt seine Suppe. »Neun Monate sind rum und es tritt keinerlei Verbesserung ein. Was ist, wenn noch jemand verletzt wird?« Echte Sorge schwingt in seiner Stimme mit.
»Ach, halt die Klappe, Delacroix!«
»Er hat recht.« Mein Stift kratzt über das Papier, ich drücke zu fest. »Ich sollte besser sein.«
»Oh, jetzt reicht es mir aber.« Calluna zieht mir das Blatt weg. Ich keuche auf, als dabei ein Tintenklecks auf der Seite landet. Calluna kümmert er nicht, sie rafft die anderen Zettel zusammen und stopft sie in meine Tasche. »Dein Problem ist, dass du zu sehr unter Druck stehst. Wie soll sich deine Magie da entfalten können? Mach mal Pause, Cara. Iss Suppe, reg dich mit mir über Rektor Quentin auf oder sag mir, dass Kiana gar nicht so heiß aussieht, wie ich denke, damit ich weniger enttäuscht bin, dass sie mich nicht mal mit dem Arsch anguckt.«
»Ich habe keinen Hunger«, wage ich einen letzten lahmen Versuch, während ich versuche, meine Zettel zurückzuerobern, aber mein knurrender Magen straft mich Lügen und Calluna hält meinen Rucksack außer Reichweite.
»Von wegen. Also: Sieht sie wirklich so hinreißend aus, jetzt, da ihre Locken wieder rot sind und das Schwarz rausgewachsen ist, oder bilde ich mir das nur ein?«
Ich sehe hinüber zu Kiana, eine jungen Frau in Ilyas’ Alter, die an einem der anderen Tisch sitzt. Sie lacht etwas steif über einen Witz. Ein Klumpen bildet sich in meinem Magen, denn auch das ist meine Schuld. Genau wie Ilyas hat sie ihre Ausbildung bereits vor Jahren beendet. Nun ist sie zurück und muss erneut lernen, ihre Magie zu kontrollieren.
Weil ich sie ihr gestohlen habe.
Ausgerechnet der Tochter der obersten Ratshexe.
Ich habe sie ihr zwar zurückgegeben, doch monatelang ohne Magie zu leben, ist für eine Hexe ein herber Verlust. Kiana muss einen neuen Zugang zu ihr finden. Sie beginnt von vorn.
Es ist nicht zu übersehen, wie sehr sie das belastet. Wie unwohl sie sich fühlt.
»Du musst das nicht machen, Calluna«, sage ich leise.
»Was denn?« Sie schlürft geräuschvoll die Suppe.
»Nett zu mir sein. Zeit mit mir verbringen.« Verlegen rühre ich in meinem Essen.
»Ich mag dich, Cara, deshalb verbringe ich Zeit mit dir.«
»Vielleicht, aber ich habe gesehen, wie die anderen dich deshalb behandeln. Schau dich doch um.« Ich deute knapp mit dem Löffel um uns. Einige Auszubildende senken rasch den Blick. »Solange du dich mit mir abgibst, werden sie dich meiden.«
Calluna zuckt nur mit den Schultern. Ihre dunklen Space Buns wippen auf und ab. »Wenn das der Grund dafür ist, macht es mir nichts aus.« Zweifelnd runzele ich die Stirn, doch Calluna redet weiter: »Sie flippen so aus, weil jetzt eine Geisthexe an der Akademie ist – ernsthaft?« Sie wischt sich über den Mund. »Großes Drama. Du bist genauso Hexe wie sie.«
Mir fallen tausend Gründe ein, warum dem nicht so ist.
Calluna würgt mich auf der Stelle ab. »Geist ist ein Element wie die anderen auch. Und nur weil du einen Fehler gemacht hast, als du deine Magie noch nicht kontrollieren konntest, heißt es nicht, dass du eine dunkle Hexe bist.«
Sofort zuckt mein Blick zu Ilyas.
»Ist ja nicht so, als wäre das ’ne Kleinigkeit gewesen, anderen Hexen die Magie zu stehlen«, murmelt er mehr zu sich selbst.
»Hast du nie Schwierigkeiten mit deiner Magie gehabt?«, faucht Calluna. »Als sie erwacht ist? Jeder von uns macht Fehler – aber wenn eine Geisthexe einen macht, ist sie gleich gefährlich.«
