Das Mädchen, das mit dem Teufel Lambada tanzte -  - E-Book

Das Mädchen, das mit dem Teufel Lambada tanzte E-Book

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Beschreibung

"Klein, aber fein, denkt man beim Betrachten, übertrifft doch das Format dieser Kunstwerke niemals neun mal zehneinhalb Zentimeter. So groß sind nämlich die Folhetos, die Leseheftchen der kleinen Leute im Nordosten Brasiliens, und fast alle sind mit einer verblüffenden Kunstfertigkeit illustriert. Die Literatura de Cordel spiegelt neben europäischer Kultur auch afrikanische und indianische Traditionen wider. Sowohl in der Poesie wie im Holzschnitt wird das Bemühen deutlich, die Komplexität des Lebens in einer einfachen, übergreifenden Weltsicht zu fassen. Deswegen werden auch aktuelle Ereignisse, wie zum Beispiel der Golfkrieg, nicht ausgespart. Hierin liegt das Faszinierende einer Tradition, die sich in der Abgeschlossenheit des brasilianischen Hinterlandes erhalten konnte." (Berliner Morgenpost) "Wenn der Leser nicht krank ist und gerne herzlich lacht, dann lese er in Ruhe diese Geschichte ..." (João de Barros)

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Das Mädchen, das mit dem Teufel Lambada tanzte

Zur brasilianischen Literatura de Cordel

Herausgegeben vom Haus der Kulturen der Welt, BerlinMit Texten von Christof Vonderau und Gerdt Kutscher († 1979)Übertragungen aus dem brasilianischen Portugiesisch von Marianne Gareis

Edition diá

Über dieses Buch

»Klein, aber fein, denkt man beim Betrachten, übertrifft doch das Format dieser Kunstwerke niemals neun mal zehneinhalb Zentimeter. So groß sind nämlich die Folhetos, die Leseheftchen der kleinen Leute im Nordosten Brasiliens, und fast alle sind mit einer verblüffenden Kunstfertigkeit illustriert. Die Literatura de Cordel spiegelt neben europäischer Kultur auch afrikanische und indianische Traditionen wider. Sowohl in der Poesie wie im Holzschnitt wird das Bemühen deutlich, die Komplexität des Lebens in einer einfachen, übergreifenden Weltsicht zu fassen. Deswegen werden auch aktuelle Ereignisse, wie zum Beispiel der Golfkrieg, nicht ausgespart. Hierin liegt das Faszinierende einer Tradition, die sich in der Abgeschlossenheit des brasilianischen Hinterlandes erhalten konnte.« (Berliner Morgenpost)

»Wenn der Leser nicht krank ist und gerne herzlich lacht, dann lese er in Ruhe diese Geschichte …« (João de Barros)

Inhalt

Die Poesie des Alltags

Der maskierte BanditO Bandido Mascarado

Das Gesicht der Folhetos

Die Folhetos

DankImpressum

Passarinho, Sänger und Gitarrenspieler, in Rio de Janeiro

Die Poesie des Alltags

Volksdichtung im brasilianischen Nordosten

Den modernen Massenmedien zum Trotz blüht im Nordosten Brasiliens, vor allem im Staate Pernambuco, bis zum heutigen Tage eine mit reizvollen Holzschnitten verbundene Volksdichtung. Sie ist als »Literatura de Cordel«, Kordel-Literatur, bekannt geworden. Die eigentliche Heimat dieser Dichtwerke bildet der Agreste, jenes weitflächige Gebiet zwischen der atlantischen Küste und dem durch João Guimarães Rosa inzwischen auch in Deutschland zum Begriff gewordenen Sertão. Weit davon entfernt, ihrem Ende entgegenzugehen, dringt diese Volksliteratur – getragen von den Auswanderern aus dem Nordosten – in weitere Gebiete Brasiliens vor. Von dem Interesse, das der Literatura de Cordel entgegengebracht wird, legen umfangreiche private und öffentliche Sammlungen der Folhetos, der kleinen Hefte, Zeugnis ab.

Der Name »Literatura de Cordel« erklärt sich aus der Form, in der die dünnen, oft von den Verfassern selbst auf primitiven Handpressen gedruckten Hefte auf den Wochenmärkten Caruarus oder andernorts angeboten werden: Mit Wäscheklammern an Kordeln befestigt, locken sie – in der Bonbonfarbe ihrer grasgrünen oder zitronengelben, hellblauen oder rosafarbenen Umschläge wie ein lustiges Wimpelspiel im Winde schaukelnd – den Käufer an.

Bereits für das Spanien des 11. Jahrhunderts lässt sich eine Populärliteratur ähnlicher Art – als »libres de cordel« bekannt – nachweisen, sodass kein Zweifel über den altweltlichen Ursprung dieser Tradition bestehen kann. In Brasilien können die Spuren der Literatura de Cordel bis in das Ende des 19. Jahrhunderts zurückverfolgt werden, doch dürfte ihr Erscheinen in Amerika beträchtlich früher nachzuweisen sein.

Druckstock des Folheto-Umschlags »A Mulher Vampiro e o Exemplo das Costas Nuas« (Die Vampirfrau und das Beispiel des nackten Rückens)links: Vorderseite des Folheto mit Holzschnitt von José Francisco Borges (Jota Borges)rechts: Rückseite mit Werbung für die Folheteria Borges

Die Herstellung der Heftchen, deren Format in der Regel 12 mal 16 Zentimeter beträgt, ist denkbar einfach. Der auf billiges Zeitungspapier gedruckte Text wird in einen einfarbigen, einseitig bedruckten Papierumschlag eingeklebt, dessen Vorderseite der Holzschnitt eines lokalen Künstlers schmückt. Über dem Bild erscheinen in großen Lettern der Titel des Folheto sowie in kleinerer Schrift der Name des Autors und möglicherweise auch der des Verlegers, während unter dem Holzschnitt genügend Platz bleibt, um den Erscheinungsort und das Erscheinungsjahr sowie die Nummer innerhalb einer »Serie« und die Höhe der Auflage dem interessierten Leser mitzuteilen. In der Regel freilich sind diese bibliografischen Angaben höchst unvollständig.

Aus drucktechnischen Gründen ist der Umfang der Folhetos genau festgelegt. Das Heftchen besteht normalerweise aus nur einem einzigen Bogen, der – zweimal gefaltet, jedoch unbeschnitten – acht Seiten ergibt. Ist das Poem länger, was nicht selten der Fall ist, so wird ein weiterer, gleichfalls beidseitig bedruckter Bogen in den ersten eingelegt. Hefte mit 32 oder gar 48 Seiten dagegen zählen zu den Ausnahmen. Häufig genug werden die Folhetos zu Serien mit fortlaufender Nummerierung zusammengefasst, um dann dem Leser auf der hinteren Umschlagseite den Kauf der ganzen Reihe zu empfehlen. Ist die Länge der Dichtungen durch die stets voll ausgenutzte, jedoch begrenzte Seitenzahl bestimmt, so ist auch die Form genau festgelegt. Die Regel bilden sechszeilige Strophen, bei denen sich jeweils der zweite, vierte und letzte Vers reimen, der erste, dritte und vorletzte dagegen nicht. Vier, höchstens fünf dieser Strophen füllen eine Seite, sodass bei einem Umfang von acht Seiten Gedichte von rund vierzig Strophen im Heft Platz finden. Die Endstrophe ist oft ein Akrostichon, was gestattet, den Namen des Dichters noch einmal abgekürzt mitzuteilen (siehe »Der Weltenspalter«).

Der Inhalt dieser Volkspoesie, der die brasilianischen Volkskundler und Literaturwissenschaftler schon seit Längerem das entsprechende Interesse entgegengebracht haben, ist überraschend reich. Hier seien nur die wichtigsten Themenkreise genannt. Eine Unzahl von Folhetos verherrlicht im Volke populäre menschliche Helden oder auch Tierwesen. Andere Hefte dagegen verdanken einem aktuellen Anlass ihre Entstehung: Sie berichten im Moritatenstil sehr anschaulich von Schrecknissen aller Art wie Flutkatastrophen oder Unglücksfällen, denen zahlreiche Omnibusreisende – am Ende des Poems mit ihren Namen aufgeführt – zum Opfer fielen. Besonders umfangreich ist die Gruppe von Heften mit Gedichten religiös-erbaulichen Charakters. Um bestimmte Vertreter des geistlichen Standes – wie etwa den besonders populären Padre Cícero Romão – ranken sich ganze Serien. Und von ganz hervorragender Bedeutung ist verständlicherweise die Gestalt des Teufels, diabo, der – oft als Dämon, demônio, schlechthin bezeichnet – nicht nur die Heiligen versucht. Fantasievolle Darstellungen des Satans, dessen Antlitz häufig entfernt an japanische Masken erinnert, zieren dann die Umschläge der Folhetos. Eine weitere Gruppe bilden schließlich jene Hefte, in denen die pelejas, die von Gitarrenmusik begleiteten Wettgesänge zwischen den verschiedenen Volksdichtern, zur Erinnerung festgehalten werden – vor allem auch für diejenigen, die dem Sangeswettstreit selbst nicht beiwohnen konnten.

Wettgesang zwischen José da Luz und Pinga Fogovon Severino Milanez da SilvaHolzschnitt: José Soares da Silva (Dila)ohne Jahr

Diese pelejas, die sich großer Popularität erfreuen, sind durchaus nicht auf das männliche Geschlecht beschränkt, wie etwa der bekannte Wettgesang zwischen Ana und Maria Roxinha zeigt. Um diese pelejas grafisch zu veranschaulichen, führt der begleitende Holzschnitt, der auch von einem der Dichter selbst gefertigt worden sein kann, die beiden städtisch gekleideten Sänger, mit ihren Gitarren auf niedrigen Hockern sitzend, im Wettstreit vor. Die einfachen Holzschnitte, die sich in schwarzem Druck wirkungsvoll von dem einfarbigen Hintergrund abheben, dienen als Blickfang. Der Fantasiereichtum der Künstler ist bewundernswert groß, gilt es doch, für jedes Heftchen einen neuen, originellen Druckstock herzustellen. Als Material dient dabei das Holz verschiedener Baumarten, wobei es eine Frage der persönlichen Vorliebe zu sein scheint, welcher Holzart der Vorzug gegeben wird. Die Stärke der Druckstöcke, deren mittlere Maße 9 mal 10,5 Zentimeter betragen, liegt bei 2,2 Zentimetern. In der Regel fertigt jedoch der Dichter nicht selbst den Druckstock an, sondern überlässt die Herstellung einem ihm bekannten, in der Technik des Holzschnittes erfahrenen Künstler.