Das McNeill Imperium - Eine mächtige Familie im Bann der Leidenschaft (9-teilige Serie) - Joanne Rock - E-Book

Das McNeill Imperium - Eine mächtige Familie im Bann der Leidenschaft (9-teilige Serie) E-Book

Joanne Rock

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Beschreibung

DIE FEURIGEN KÜSSE DES MILLIARDÄRS
Star-Ballerina Sofia lässt sich bloß auf eine Scheinverlobung mit Milliardär Quinn McNeill ein, um ihrem verkupplungsfreudigen Vater zu entkommen. Denn sie liebt nichts so sehr wie ihre Freiheit! Dumm nur, dass Quinns feurige Küsse diese sinnliche Sehnsucht wecken …

GEFÄHRLICH, GEHEIMNISVOLL - UND UNGLAUBLICH SEXY
Er war verrückt nach ihr - bis die umwerfende Lydia ihn plötzlich sitzen ließ. Jetzt findet Ian McNeill heraus, dass sie die geheimnisvolle Fremde ist, die seine Familie in Verruf bringt. Diese Frau macht ihn wirklich rasend. Wenn sie nur nicht so unwiderstehlich wäre …

KARIBISCHE LIEBESNÄCHTE MIT DEM BOSS
Immer freundlich und geduldig: Auch bei dem anspruchsvollen neuen Gast verliert die hübsche Hotelangestellte Maresa nie die Nerven. Doch dann erfährt sie schockiert, dass es sich um Cameron McNeill handelt - ihren Boss. Und der hat einen skandalösen Wunsch!

WIE EIN SINNLICHES FEST
Aus einem hitzigen Streit wird eine leidenschaftliche Umarmung - mit süßen Folgen! Doch Delia lehnt Jagers Antrag ab. Sie weiß, dass er nicht an die Liebe glaubt. Aber warum setzt er trotzdem alles daran, sie im weihnachtlichen Manhattan zu einem Ja zu verführen?

SINNLICHE SEHNSUCHT NACH DIR
Als seine Frau spurlos verschwindet, sucht Damon McNeill die ganze Welt nach ihr ab - vergeblich. Ein Jahr später steht Caroline plötzlich vor seiner Villa, und der Software-Millionär ist außer sich vor Glück. Fatal, denn Caroline scheint ihn nicht mehr zu kennen!

EINE UNFASSBAR SINNLICHE SCHEINEHE
Hotelbesitzer Gabe McNeill überredet seine Mitarbeiterin und gute Freundin Brianne zu einer Zweckehe auf Zeit. Selbstverständlich nur, damit sein kleiner Sohn Anrecht auf sein Erbe hat - nicht weil es zwischen der schönen Brianne und ihm so verführerisch heiß knistert. Denn nach seiner letzten Beziehung hat er der Liebe für immer abgeschworen!

WER BIST DU, GELIEBTER CASANOVA?
Bei seinem Anblick stockt Jillian der Atem - dieser Mann sieht ja noch besser aus als auf den Fotos! Nicht lange, und sie liegt in Codys Armen. Doch dann stellt sie zwei Dinge fest: 1. Er ist nicht der, für den sie ihn gehalten hat. 2. Die Nacht mit ihm hat Folgen …

SICHER IN DEINEN STARKEN ARMEN
Auf der Flucht vor ihrem Ex-Freund versteckt sich Stuntfrau Emma auf Carson McNeills Ranch. Nach leidenschaftlichen Küssen unterm Sternenhimmel verbringt sie auch die Nächte sicher in den starken Armen ihres sexy Gastgebers. Bis eine Intrige jäh ihr Glück bedroht …

EINE NACHT MIT DEM COWBOY
Knisterndes Verlangen liegt in der Luft, als der sexy Rancher Hannah wie versehentlich berührt. Schon bald gibt sie sich ihm hin. Erst am Morgen danach wird Hannah klar, dass ihr Liebhaber Brock McNeill ist. Ein Mitglied der Familie, die sie abgrundtief hasst!

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Seitenzahl: 1718

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Joanne Rock

Das McNeill Imperium - Eine mächtige Familie im Bann der Leidenschaft (9-teilige Serie)

IMPRESSUM

Die feurigen Küsse des Milliardärs erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2017 by Joanne Rock Originaltitel: „The Magnate’s Mail-Order Bride“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARABand 392 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Brigitte Marliani-Hörnlein

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A., Hrecheniuk Oleksii / Shutterstock

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733717490

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Kein Wunder, dass ihrer Performance die Leidenschaft fehlt. Hast du Sofia jemals mit einem Mann gesehen?“

Normalerweise lauschte Sofia Koslov nicht. Doch jetzt, auf dem Weg von der Küche des Gulfstream Jets zu ihrem Sitz, blieb sie bei den geflüsterten Worten abrupt stehen.

Sofia, Solotänzerin beim New York City Ballet, hatte letzte Woche ein kurzes Engagement mit kleinem Ensemble in Kiew übernommen. Für den Rückflug in die Vereinigten Staaten hatte ihr wohlhabender Vater seinen Privatjet zur Verfügung gestellt. Ihre Kolleginnen hatten das Angebot nur zu gern angenommen, doch offensichtlich hatte ihr diese Großzügigkeit keine neuen Freunde eingebracht. Im Gegenteil. Sie war im Ensemble eine der am schnellsten aufgestiegenen Tänzerinnen und hatte recht bald die Kehrseite des Erfolgs kennengelernt: den Neid.

Sie drückte die zerlesene Ausgabe des Sommernachtstraums gegen die Brust und spähte zum Sitz ihres Vaters vorn im Jet. Sie war dankbar, dass er noch in einer geschäftlichen Telefonkonferenz steckte. Vitali Koslov hatte das Ensemble auf die Reise in die Ukraine, sein Geburtsland, begleitet. Er hatte die seltene Zeit mit seiner Tochter genutzt, um Druck auf Sofia auszuüben. Sie sollte endlich heiraten und ihm Enkel schenken, die vielleicht mehr Interesse an der Übernahme seines Imperiums zeigten, als sie es tat.

„Das ist nicht fair, Antonia“, sagte eine der anderen Tänzerinnen und machte sich nicht einmal die Mühe, die Stimme zu senken. „Keine von uns hat Zeit für andere Menschen übrig während der Spielzeit. Ich hatte das ganze Jahr über keinen Lover. Macht mich das leidenschaftslos, wenn ich auf der Bühne stehe?“

Sofia mahnte sich weiterzugehen, bevor der Pilot für die Landung zum Anschnallen aufforderte. Doch sie blieb wie angewurzelt stehen. Sie blickte auf das Buch und tat, als würde sie die Notizen zu ihrer Rolle als Titania studieren, falls sie jemand bemerken sollte.

„Aber Sofia gehört seit der Ballettschule zum Ensemble, und haben wir je ihren Namen in Verbindung mit einer Romanze gehört?“ Antonia Blakely war zeitgleich mit Sofia in der Ballettschule gewesen. „Ihr Dad scheint auch der Meinung zu sein, dass sie zu einer vertrockneten alten Schachtel wird, denn … Stellt euch vor.“ Antonia legte eine theatralische Pause ein. Auch in ihrer Karriere vertraute sie mehr auf geschickte Zurschaustellung als auf technisches Können. „Ich habe gehört, wie ihr Vater mit einer Partneragentur gesprochen hat, die er beauftragt hat. Einer Agentur, die vor allem auf Hochzeiten spezialisiert ist.“

Sofia hatte ein flaues Gefühl im Magen, obwohl der Jet noch gar nicht mit dem Landeanflug begonnen hatte. Mehr als ein Jahr lang hatte sie sich den Bemühungen ihres Vaters widersetzt, eine Partnervermittlung in Anspruch zu nehmen. Aber es stimmte – er hatte den Druck während ihres Besuchs in der Ukraine erhöht, hatte darauf beharrt, dass sie an ihre Familie und ihre Wurzeln dachte.

Während es mit ihrer Karriere bergauf ging, war eine Hochzeit definitiv nicht auf ihrem Radar. Ihr Dad würde doch nicht ohne ihre Zustimmung eine Agentur beauftragen? Ihr Blick wanderte wieder zu dem stolzen Milliardär, der ein Vermögen gemacht hatte, indem er seinem Bauchgefühl vertraut und nicht eine Sekunde an sich gezweifelt hatte.

Natürlich würde er das tun.

„Wirklich?“, fragte eine der anderen Tänzerinnen. „Eine private Kupplerin?“

„Natürlich. Reiche Leute nutzen nicht dieselben Online-Dating-Webseiten wie wir. Sie haben ihre eigenen.“ Antonia sprach mit einer nervigen Überheblichkeit. „Wenn Papa Koslov seinen Kopf durchgesetzt hat, dann wartet am Flughafen jetzt schon ein reicher, heiratswilliger junger Mann auf seine kostbare Tochter.“

Sofia legte die Hand an den Mund, um einen entgeisterten Aufschrei und eine Handvoll Flüche zu unterdrücken. Zum einen war sie nicht reich. Ihr Vater mochte einer der reichsten Männer der Welt sein, aber das bedeutete nicht zwangsläufig, dass sie ebenfalls reich war. Bis zum Tod ihrer Mutter – Sofia war damals gerade dreizehn Jahre alt gewesen – hatte sie nicht eine einzige Nacht unter dem Dach ihres Vaters verbracht. Sie war dem Vorbild ihrer Mutter gefolgt und hatte schon vor langer Zeit in finanziellen Dingen eine Grenze gezogen und seine Unterstützung abgelehnt. Ihr Vater setzte Geld mit Macht gleich, und sie würde ihn nicht über ihr Leben bestimmen lassen. Das Ballett war ihre Rebellion – ihre Entscheidung, die Kunst über den allmächtigen Dollar zu stellen.

Ihr Vater wusste, dass er keinen Einfluss auf ihre Entscheidungen hatte. Nicht einmal Vitali Koslov war so vermessen, ihr vor zwanzig Kolleginnen einen möglichen Heiratskandidaten zu präsentieren. Nicht nach anstrengenden Auftritten in Übersee und neun Stunden in der Luft über sieben Zeitzonen hinweg. Oder?

Ein Klingelton riss sie aus ihren Gedanken. Sie blickte sich um und merkte schnell, dass der Ton aus ihrer Tasche kam. Ihr Handy. Offensichtlich hatte sie es nicht ausgeschaltet.

Sofia eilte zu ihrem Sitz und schnallte sich für die Landung an. Sie checkte die SMS, die sie bekommen hatte, während der Pilot die üblichen Anweisungen vor der Landung gab.

Ihre beste Freundin Jasmine Jackson war in der Öffentlichkeitsarbeit tätig und hatte zugestimmt, Sofia in diesem Jahr bei einer PR-Initiative zu unterstützen. In Jasmines SMS ging es um das Interview, das Sofia dem Magazin Dance versprochen hatte.

Reporterin und Kamerafrau werden am Terminal sein, um deine Ankunft zu filmen. Du musst aussehen, als kämst du von einer erfolgreichen Welttournee! Frisch dein Make-up auf, und keine Yogahose, bitte.

Panik ergriff Sofia bei dem Gedanken, sich ausgerechnet jetzt mit der Presse zu treffen, wo sie erschöpft war und verärgert über die Kommentare der anderen Tänzerinnen. Dennoch nahm sie ihre Reisetasche und suchte darin nach ihrem Kosmetiktäschchen, um Jasmines klugen Rat zu befolgen. Es war gut möglich, dass Antonia das Gespräch ihres Vaters falsch interpretiert hatte. Er mochte selbstherrlich und anmaßend sein, aber er wusste von dem Interview. Sie hatte ihm erzählt, dass eine Journalistin sie möglicherweise am Flughafen treffen wollte. Er würde sie nicht absichtlich in Verlegenheit bringen.

Oder doch? Wollte er einen Streit mit ihr verhindern, indem er sie mit einem Mann überraschte, während die Kamera lief?

Unmöglich. So weit würde selbst er nicht gehen. Sie hatte bereits den Lipgloss aufgedreht, als noch eine SMS von Jasmine kam.

VORSICHT – die Kamerafrau arbeitet freiberuflich für die Klatschpresse. Ich mache mir natürlich keine Gedanken um dich, aber vielleicht solltest du die anderen Tänzerinnen warnen. Viel Glück.

Der Jet setzte mit einem Ruck auf der Landebahn auf. Sofia fiel fast das Handy aus der Hand. Sie drehte den Lipgloss wieder zu, wohl wissend, dass kein Make-up der Welt die bevorstehende Katastrophe hätte verdecken können. Wenn Antonia recht hatte, was die Pläne ihres Vaters betraf, und irgendein Klatschreporter den daraus resultierenden Streit zwischen Sofia und ihrem Vater einfing – die Folgen wären schrecklich. Das würde alles gefährden, wofür sie gearbeitet hatte.

Der berühmte Choreograf Idris Fortier war diese Woche in der Stadt mit seinem neuesten Werk, das in New York uraufgeführt werden sollte. Sofia würde für eine Hauptrolle vortanzen – so wie alle anderen Frauen in dem Flieger auch. Der Konkurrenzkampf könnte schrecklich werden und in Bösartigkeiten ausarten.

Vielleicht war es bereits passiert.

Sie wappnete sich für das, was auch immer im Terminal geschehen würde, und holte tief Luft, um ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen. Vorgewarnt war gewappnet, richtig? Sie sollte froh sein, dass sie dank ihrer tratschenden Kolleginnen von dem Plan ihres Vaters wusste. Vor laufender Kamera durfte sie sich nicht den kleinsten Fehler leisten. Sie konnte später mit ihm streiten, wenn sie allein waren. Sie würde diesen PR-Termin nicht verpatzen und sich dadurch die Chance nehmen, eine Haupttänzerin in dem neuen Idris-Fortier-Ballett zu werden.

Sie würde dies als Performance betrachten, und sie würde es schaffen − egal, welche Überraschungen die öffentliche Bühne zu bieten hatte. Das war ihr Job, verdammt.

Und dieses Mal würde niemand sagen, dass ihrer Darbietung die Leidenschaft fehlte.

„Mach nichts Unüberlegtes, nur weil du sauer bist.“ Quinn McNeill versuchte, vernünftig mit seinem jüngsten Bruder zu reden, als er neben ihm zum Terminal des größten Privatflughafens in der Nähe von Manhattan lief. Sie waren zusammen vom Büro der McNeill Resorts im Stadtzentrum zum Terterboro Airport gefahren, auch wenn Quinns Flug zu einem Treffen mit möglichen Investoren in Osteuropa erst in einigen Stunden ging. Er hatte seine Nachmittagstermine abgesagt, um seinen Bruder Cameron zur Vernunft zu bringen.

„Ich bin nicht sauer.“ Cameron breitete die Arme weit aus. „Sieh mich an. Sehe ich aus, als wäre ich sauer?“

Mit seinem gezwungenen Lächeln sah er so aus, ja. Als Quinn nichts sagte, fuhr Cameron fort: „Ich lasse zu, dass Gramps mein Leben bestimmt und mich wie eine Schachfigur hin und her schiebt, damit ich eines Tages einen Anteil am Familienunternehmen erben kann. Was ich eigentlich nicht will, aber er hat uns Loyalität eingebläut und dass kein anderer als ein McNeill die McNeill Resorts leiten soll.“

In der letzten Woche waren Quinn, Cameron und ihr Bruder Ian in die Kanzlei des Anwalts ihres Großvaters bestellt worden. Bei dem Termin wurde das geänderte Testament des alten Herrn erklärt, wonach der Weltkonzern zu gleichen Teilen aufgeteilt werden würde. Die Neuigkeit an sich barg keine Überraschung, denn das hatte der Patriarch schon vor Jahren versprochen und sie auf ihre Rollen in seinem Unternehmen vorbereitet, auch wenn jeder von ihnen seine eigenen geschäftlichen Interessen weiterentwickelt hatte. Malcom McNeills einziger, leider etwas phlegmatischer Sohn hatte kurzzeitig das Ruder übernommen und sich als unfähig erwiesen, sodass der alte Herr entschieden hatte, die nächste Generation als Erben einzusetzen.

Der Haken an der Sache war, dass jeder von ihnen seinen Anteil nur bekam, wenn er verheiratet war. Und sollte die Ehe nach weniger als zwölf Monaten enden, würde der Anteil zurück in die Erbmasse fallen.

Aus einer übertriebenen Loyalität heraus schien Cameron bereit zu sein, den Bund der Ehe mit einer Frau zu schließen, die er online aus einem Angebot an heiratswilligen ausländischen Frauen ausgewählt hatte und die er bisher nicht kannte. Entweder das oder er hoffte, dass sein wahnwitziger Gang zum Altar ihrem Großvater bewusst machen würde, was für eine schlechte Idee diese neue Klausel war, und dass er sie wieder strich.

Quinn hingegen würde abwarten. Der alte Mann war bei guter Gesundheit. Und er hatte praktischerweise gleich nach dem Treffen bei seinem Anwalt eine Reise nach China angetreten, was eine Diskussion mit ihm in den nächsten Wochen unmöglich machte.

„Cam, sieh es doch mal so. Wenn es Gramps wirklich wichtig wäre, dass das Unternehmen in der Hand der Familie bleibt, dann hätte er diese neue Klausel nicht hinzugefügt.“

„Gramps wird nicht ewig leben.“ Cameron hob die Stimme, als ein Jet über sie hinwegdonnerte. „Dieses Testament mag abstrus sein, aber es ist trotz allem ein legales Dokument. Ich möchte nicht, dass das Unternehmen irgendwann versteigert wird und irgendein Investor es sich schnappt.“

„Das will ich auch nicht. Stattdessen will ich versuchen, den sturen alten Herrn davon zu überzeugen, dass erzwungene Ehen die Stabilität im Unternehmen mehr gefährden als alles andere.“

„Wer sagt, dass meine Ehe nicht funktioniert? Es könnte der richtige Weg sein, einen Heiratsvermittler einzuschalten. Allein habe ich Mrs. Right bisher schließlich nicht gefunden.“

Cameron galt als Playboy. Er war ein Charmeur und ging mit den schönsten Frauen der Welt aus.

Quinn schüttelte den Kopf. „Sag nicht, dass du je nach einer ernsthaften Beziehung gesucht hast.“

„Ich will keine Frau, die nur ihre eigenen Interessen verfolgt.“ Cameron zog ein finsteres Gesicht. „Ich lerne zu viele Frauen kennen, die nur danach schauen, was ich für sie tun kann.“

„Das könnte bei dieser Frau doch genauso sein. Vielleicht bist du ihr Ticket zu einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung in den Vereinigten Staaten.“ Sie kämpften sich durch eine kleine Gruppe Geschäftsleute, die lachend aus dem Flughafengebäude kamen. Quinn hielt seinem Bruder die Tür auf. „Was weißt du eigentlich über deine Braut? Du hast bisher kein Wort mit ihr gewechselt. Spricht sie überhaupt Englisch?“

„Ich weiß, dass sie Sofia heißt und aus der Ukraine kommt. In ihrem Profil steht, dass sie heiratswillig ist. Genau wie ich.“ Cam zog sein Smartphone aus der Tasche und hielt es Quinn unter die Nase. „Das ist sie.“

Auf dem Display war eine außergewöhnlich hübsche Frau zu sehen. Ihre Gesichtszüge entsprachen dem osteuropäischen Schönheitsideal: hohe Wangenknochen und geschwungenen Augenbrauen, die ihr ein stolzes Aussehen verliehen. Sie hatte graue Augen und blonde Haare. Die Schultern waren nackt, und sie trug eine Fülle von Perlenketten, was dem Foto einen professionellen Eindruck verlieh.

Quinn hatte das Gefühl, sie schon mal irgendwo gesehen zu haben. War sie ein Model?

„Das ist vermutlich ein Foto aus irgendeinem Magazin, das sie als ihres ausgegeben hat. So eine Aufnahme ist nicht billig. Und hast du einen Privatflug für die Frau bezahlt, damit sie kommt?“ Nicht dass es ihn etwas anging, was sein Bruder mit seinem Geld machte. Aber verdammt.

Selbst Cameron fand das übertrieben.

„Nein, natürlich nicht. Sie hat den Flug selbst arrangiert. Oder vielleicht die Heiratsvermittlerin.“ Er zuckte mit den Schultern, als spiele es keine Rolle, aber offensichtlich hatte er überhaupt nicht darüber nachgedacht. „Außerdem kommt sie aus der Ukraine.“ Er zog das Wort in die Länge. „Ich dachte, sie könnte mir beim Kauf von Immobilien in Osteuropa eine Hilfe sein. Es ist immer gut, wenn man jemanden hat, der die Sprache spricht. Vielleicht überlässt Gramps mir ja auch die Umgestaltung der Hotels, sobald ich den Ehetest bestanden habe.“ Er sagte das mit absolut ernstem Gesichtsausdruck.

Das konnte nur ein Scherz sein. Gleich würde Cameron sagen „Zum Teufel hiermit!“ und gehen. Oder lachen und gehen. Aber er würde nicht irgendeine Fremde begrüßen und ihr einen Antrag machen.

Quinn legte die Hand auf die Brust seines Bruders und zwang ihn, einen Moment stehenzubleiben.

„Versuch nicht, mir diese behämmerte Idee als praktisch zu verkaufen.“ Sie sahen sich einen Moment an, dann ging Cameron weiter, den Blick auf die Landebahn gerichtet.

Quinns Blick fiel auf eine Handvoll Reisende, die in der Nähe der Zollstation aus einem Flugzeug stiegen. Der Schal einer Frau schien sich im Handlauf der Fluggasttreppe verfangen zu haben.

„Das könnte sie sein.“ Cameron sah ebenfalls zu der Frau hinüber. „Ich hätte Blumen mitbringen sollen.“ Er drehte sich um und lief zu einem Counter in der Nähe des Pilotenclubs, auf dem eine Vase mit exotischen Blumen stand.

Nur vage bekam Quinn mit, wie Cameron auf seine charmante Art eine Dame vom Bodenpersonal bat, ihm ein paar Orchideen zu verkaufen. Quinns Aufmerksamkeit galt der Frau, die den pinkfarbenen Schal gerade vom Handlauf löste. Auch wenn eine große Sonnenbrille die Hälfte ihres Gesichts verdeckte, ähnelte sie mit dem blonden Haar und dem Schmollmund der Frau auf dem Foto. Etwa zwanzig weitere Passagiere stiegen aus dem Flugzeug, fast alle junge Frauen.

Die Sorge um seinen Bruder machte Quinn misstrauisch. Der Reisebegleiter der Frau war ein aalglatt wirkender Mann, alt genug, um ihr Vater zu sein. Er streckte die Hand aus, um ihr die Treppe hinunterzuhelfen. Die Frau war sehr zierlich und bewegte sich ausgesprochen anmutig. Als wäre sie es gewohnt, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen.

„Die ist ja winzig.“ Cameron stand wieder neben Quinn.

Quinns Gehirn arbeitete auf Hochtouren, als er versuchte, die Teile zu sortieren, die nicht passten. Es musste schnell gehen, bevor die zukünftige Mrs. McNeill den Zoll passierte.

„Wer macht euch miteinander bekannt?“ Quinns ungutes Gefühl verstärkte sich von Sekunde zu Sekunde. „Ich hoffe, deine Heiratsvermittlerin hat eine angemessene Vorstellung arrangiert.“ Er sollte besser die Notizen für sein Meeting heute Abend durchgehen, statt sich Gedanken darüber zu machen, wer seinen idiotischen Bruder mit einer Heiratsschwindlerin bekannt machte.

Schon oft hatte Cameron mit einer impulsiven Entscheidung Probleme heraufbeschworen, war dann einfach gegangen und hatte die Schadensbegrenzung anderen überlassen.

„Niemand.“ Cameron zuckte mit den Schultern. „Sie hat mir nur eine SMS geschickt, wann ich am Flughafen sein soll.“

„Cam, lass es sein. Finde zumindest erst einmal heraus, wer sie wirklich ist, bevor du mit ihr zum nächsten Friedensrichter eilst.“ Sie beobachteten, wie die Frau die Sonnenbrille abnahm, als sie mit dem Zollbeamten sprach. Ihr Reisebegleiter wich ihr nicht von der Seite.

„Sofias Foto zumindest ist echt. Die Frau sieht umwerfend aus.“ Camerons Urteil klang so leidenschaftslos und distanziert, als ginge es um ein Gemälde für eines seiner neuen Hotels.

Quinn gelang es dagegen nicht, gleichgültig zu bleiben. Die Frau hatte etwas Faszinierendes an sich. Sie war eine zarte Schönheit, ihre Körperhaltung und der anmutige Gang strahlten Selbstsicherheit aus. Frustriert stellte er fest, dass ihn Camerons zukünftige Braut magisch anzog.

Cameron schob seinen Bruder zum Gate. „Gib es zu, Sofia ist genau wie beschrieben.“

Bevor Quinn etwas sagen konnte, näherten sich zwei Frauen den Türen. Beide trugen Namensschilder um den Hals, eine hielt eine professionell wirkende Kamera in den Händen.

Reporterinnen?

Cameron hielt den beiden die Tür auf und folgte ihnen nach draußen.

Und wie bei einer Katastrophe, bei der man nicht wegsehen kann, beobachtete Quinn, wie Cameron die zierliche Ukrainerin mit dem Blumenstrauß und – Quinn traute seinen Augen nicht – einer edlen Samtbox charmant begrüßte. Die Kamerafrau schaffte es gerade noch, das Bild in den Kasten zu bekommen.

Quinn eilte zu seinem Bruder, wusste aber, dass er zu spät kam. Hatte Cameron eine Freundin von der Presse angerufen? Wollte er, dass die Geschichte gefilmt wurde, damit ihr Großvater davon hörte? In welches Chaos auch immer Cam sich gerade hineinritt, Quinn hatte das Gefühl, dass er derjenige sein würde, der ihm wieder heraushalf.

Der kalte, trockene Winterwind wehte ihm ins Gesicht, als er Camerons Worte hörte.

„Sofia, ich habe den ganzen Tag sehnsüchtig darauf gewartet, meine Braut zu treffen.“

2. KAPITEL

Sofia hatte sich innerlich darauf vorbereitet, auf einen Heiratskandidaten zu treffen. Doch sie hatte nicht mit einem Antrag gerechnet.

Sie hatte schon einiges durchgestanden: Sie hatte die Choreografien des weltberühmten George Balanchine getanzt, auf blutigen Zehenspitzen. Sie hatte bravouröse Pirouetten gedreht, immer in der Angst, vor dem Publikum zu stürzen. Doch niemals war sie so verunsichert gewesen wie jetzt, wo ihr dieser große, dunkelhaarige Mann gegenüberstand, der Blumen in der Hand hielt und … einen Ring.

Wie sie mit dieser Begegnung umging, würde entscheidend sein für ihre weitere Karriere als Balletttänzerin.

Sie hörte Antonia flüstern. Und kichern.

„Um Gottes willen, Mann, lassen Sie uns reingehen.“ Sofias Vater ergriff als Erster das Wort.

Nach außen hin bewahrte Vitali Koslov Haltung, doch Sofia kannte ihn gut genug, um die Überraschung in seiner Stimme herauszuhören. War es möglich, dass er so eine übereilte Aktion nicht vorhergesehen hatte, als er ohne Sofias Zustimmung eine Agentur beauftragt hatte? Je länger sie darüber nachdachte, desto wütender wurde sie. Wie konnte dieser fremde Mann es wagen, ihr in aller Öffentlichkeit einen Antrag zu machen?

Sie trat aus der Kälte in die warme Flughafenhalle. Wenn sie doch einfach hätte weiterlaufen können, bis zum Ausgang! Aber die Kamerafrau folgte ihr. Sofia musste die Situation in den Griff bekommen, bevor ein alberner Antrag den Fokus von der eigentlichen Geschichte in Dance ablenkte: ihrem Tanz.

„Ladies.“ Sie schenkte den Reporterinnen ein strahlendes Lächeln, verdrängte ihre Erschöpfung mit der eisernen Entschlossenheit, mit der sie auch siebenstündige Proben überstand. „Es tut mir ausgesprochen leid. Ich habe völlig vergessen, dass ich einen privaten Termin habe. Wenn Sie so freundlich wären, mir einen Moment Zeit zu geben?“

„Ach, aber das ist so eine gute Geschichte.“ Die schlanke, zierliche Reporterin war sicherlich eine ehemalige Tänzerin. Sie lächelte mit derselben Falschheit wie so viele von Sofias Kolleginnen – gespielte Nettigkeit vor einem bitterbösen Angriff. „Sofia, Sie haben in unserem Vorgespräch nicht erwähnt, dass es einen Mann in Ihrem Leben gibt.“

Die Kamera schwenkte zu dem Mann, der ihr gerade einen Antrag gemacht hatte, und zu dem noch attraktiveren neben ihm – ein weiterer dunkelhaariger, blauäugiger Fremder, der nicht ganz so groß war wie ihr Verehrer. Sie mussten verwandt sein. Die blauen Augen des zweiten Mannes waren dunkler, sein Blick offen und abschätzend zugleich. Er hatte breite Schultern und schien stark genug, um mehrere Ballerinen gleichzeitig hochzuheben. Mit Leichtigkeit.

Sie wandte den Blick von ihm ab und verdrängte den Gedanken. „Wenn ich ein paar Minuten mit meinem Freund unter vier Augen sprechen kann, dann können Sie mein Vortanzen für Idris Fortier filmen“, versprach Sofia der Reporterin, um die dringend benötigte Atempause zu bekommen. So wenig ihr daran gelegen war, dass das Vortanzen öffentlich dokumentiert wurde – vor allem, wenn sie es nicht schaffte, die Hauptrolle zu bekommen –, es war wichtig, dass die Kamera jetzt für einen Moment ausgeschaltet wurde.

Nach einem kurzen Blickwechsel mit ihrer Kollegin senkte die Kamerafrau die Kamera, und die beiden zogen sich zu einem Ledersofa in der Halle zurück. Die anderen Tänzerinnen standen indessen weiter um Sofia herum.

„Würden Sie uns kurz allein lassen, Ladies?“, bat Sofias Vater ihre Kolleginnen. Und auch wenn einige schmollten, so schlossen sie sich doch den Reporterinnen an und ließen Sofia und ihren Vater mit dem großen Mann und dessen gut aussehendem Begleiter allein.

Zu spät merkte Sofia, dass sie die Orchideen von dem Fremden angenommen hatte, ohne es wirklich wahrzunehmen. Sie konnte nur erahnen, wie die Szene auf den Fotos und dem Video der Kamerafrau aussehen musste.

Der Frau, die nebenberuflich als Paparazza arbeitete, wie Jasmine sie gewarnt hatte. Wie schnell würde die Geschichte die Runde machen?

„Sofia.“ Der große Mann beugte sich zu ihr. „Ich bin Cameron McNeill. Unsere Partnervermittlung hat dir doch gesagt, dass ich zum Flughafen komme?“ Selbst jetzt senkte er die Stimme nicht, auch wenn er verwirrt schien.

Sofia deutete auf eine Sitzgruppe, die weit entfernt von den anderen stand, doch der Mann bewegte sich nicht vom Fleck.

Sein Begleiter – er musterte sie immer noch mit diesem skeptischen Blick aus seinen blauen Augen – flüsterte ihm etwas ins Ohr. Mahnte er zur Vorsicht? Verstohlen blickte er auf sein Smartphone.

„Woher kenne ich Ihren Namen, McNeill?“ Ihr Vater hob herausfordernd das Kinn.

„Dad, bitte.“ Sie wandte sich wieder an Cameron. „Könnten wir uns einen Moment setzen?“

Ihr Vater schnippte mit den Fingern, bevor sich jemand bewegte. „McNeill Resorts?“

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, trat Camerons Begleiter mit einer gewissen Autorität vor. Er musste fast einen Meter neunzig groß sein. Und trotz ihrer Müdigkeit schoss ihr der romantische Gedanke durch den Kopf, dass dieser Mann besser zu ihr passen würde. Natürlich nur aus der Perspektive einer Tänzerin.

Er sieht aus wie einer von der Wall Street, dachte sie. Doch in seinen dunkelblauen Augen lag ein Glitzern, eine Bissigkeit, die sie als verborgene Leidenschaft erkannte.

Wie ihre.

„Vitali Koslov?“ Allein indem er einen Schritt vortrat, übernahm der Mann irgendwie das Kommando. „Ich heiße Quinn McNeill. Wir haben vor zwei Jahren bei der Met-Gala in New York kurz miteinander gesprochen.“

Sein Bruder, dachte sie.

Sein sehr attraktiver Bruder. Einer, der ihr keinen Heiratsantrag vor laufender Kamera gemacht hatte. Schon jetzt akzeptierte sie diesen McNeill mehr als den anderen, auch wenn sie sich fragte, was die beiden Männer eigentlich wollten.

Sie musste schnell und gründlich nachdenken.

„Sofia hat Familie in New York“, informierte Cameron seinen Bruder, als würde er eine frühere Unterhaltung wieder aufnehmen. „Ich weiß, dass sie nicht irgendeine Braut aus dem Katalog ist.“ Er bedachte sie mit einem Grinsen, das für ihren Geschmack viel zu eingeübt war. „Die Reporter arbeiten wohl an einer Geschichte? Ich habe an den Namensschildern gesehen, dass sie vom Magazin Dance kommen.“

„Eine Braut aus dem Katalog?“ Bei diesem lauten Ausruf ihres Vaters drehten selbst ein paar abklärte New Yorker die Köpfe, wenn auch nur für eine Sekunde. „Ich werde gerichtlich gegen Ihre Familie vorgehen, McNeill, wenn Sie andeuten wollen …“

„Ich weiß, dass sie nicht auf die Green Card aus ist“, unterbrach Cameron ihn. Er zog sein Smartphone aus der Tasche. Sofia wünschte, sie könnte diesen Tag noch einmal von vorn beginnen. „Quinn war es, der dachte, dass an dem Treffen etwas faul ist. Aber ich habe das Foto von meiner Partnervermittlung …“

„Es muss sich um eine Verwechslung handeln.“ Quinn trat zwischen die beiden Männer, wofür Sofia ihm dankbar war.

Sie wusste nicht, was sie wütender machte: dass sie fälschlicherweise für eine Katalogbraut gehalten worden war oder dass jemand sie nur aufgrund eines Fotos heiraten wollte.

„Warum? Wer ist sie dann?“, fragte Cameron seinen Bruder. Er legte die samtene Box auf den Tisch. Sofia spürte, dass die Blicke ihrer Mittänzerinnen magisch davon angezogen wurden. Selbst über den gesamten Wartebereich hinweg.

„Sofia Koslov, Solotänzerin beim New York City Ballet.“ Quinn reichte Cameron sein Handy. Er hatte ihr Foto und ihre Biografie geöffnet – sie erkannte die Webseite des Ensembles. „Ihr Vater ist der Gründer des Online-Auktionshauses Self-Sale und einer der einflussreichsten Männer in der Ukraine, wo ich dieses historische Hotel kaufen will.“

Die Brüder tauschten einen bedeutungsvollen Blick, offenbar auf der Hut vor Vitali Koslovs internationalem Einfluss.

Während Cameron leise pfiff und mit dem Finger über das Display wischte, schien Sofias Vater kurz davor, ihn zu erwürgen. Vielleicht bedauerte er jetzt schon die Wahl seiner Heiratsvermittlerin. Sofia ärgerte sich auf jeden Fall darüber, dass er so arrogant war sich einzubilden, er könnte ihr Privatleben nach seinen Wünschen beeinflussen.

„Sie nennen das eine Verwechslung?“ Der Akzent ihres Vaters verstärkte sich, ein sicheres Zeichen dafür, dass er wütend war. „Wie kommen Sie darauf, dass sie eine Green Card benötigt? Sie ist Amerikanerin!“ In scharfem Ton fuhr er Quinn McNeill an: „Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wie schnell ich Ihren Hotelkauf zunichtemachen kann, McNeill? Wenn Sie glauben, dass ich diese Beleidigung einfach …“

„Natürlich nicht.“ Quinn zuckte nicht mit der Wimper. „Wir finden etwas …“

Sofia verpasste den Rest des Satzes, da Cameron sich zu ihr beugte und sie leise fragte: „Sind Sie wirklich eine Ballerina?“ Er klang freundlich, doch in seinen Augen bemerkte sie eine Vorsicht, die sie oft bei Menschen sah, die „Ballerina“ mit „Primadonna“ oder „Diva“ gleichsetzten.

„Ja.“ Sie fühlte sich angegriffen, hob das Kinn und überlegte, ob Quinn sie hören konnte. Er sprach weiter leise mit ihrem Vater. Er faszinierte sie wie selten ein Mann. Bildete sie es sich ein, oder erwiderte er tatsächlich sehr oft ihren Blick? „Ich habe jahrelang dafür gekämpft, bei einem der besten und berühmtesten Ensembles der Welt eine Topposition zu erreichen.“

Männer entschuldigten sich nie dafür, dass sie sich auf ihre Karriere konzentrierten. Warum tat sie es?

Cameron nickte, sagte aber nichts. Sie spürte, dass er ernsthaft über seinen Heiratsantrag nachdachte. Nicht dass es eine Rolle spielte – eine Hochzeit würde es nicht geben. Aber wie sollte sie aus dieser Sache unbeschadet herauskommen? Wäre sie nicht so erschöpft gewesen von dem langen Flug und der anstrengenden Woche, dann wäre ihr vielleicht eine elegante Lösung eingefallen.

Sie sah, dass die Mitglieder ihres Ensembles näher kamen. Ohne Zweifel versuchten sie mitzubekommen, was bei diesem merkwürdigen Treffen vor sich ging. Alle hatten ihr Handy in der Hand. Sofia konnte sich die Tweets nur zu gut vorstellen.

Sofia Koslov verlobt. Hat sie überhaupt genug Zeit für Fortiers Projekt?

Die Tanzwelt würde verrücktspielen. Wilde Spekulationen würden folgen. Würde Fortier mit einer Frau zusammenarbeiten wollen, die nicht ihre gesamte Zeit dem Tanz widmete?

Ihr wurde flau im Magen, und sie fröstelte. Das wäre so unglaublich unfair. Aber es brauchte nicht viel, eine Hauptrolle zu verlieren. Alles hing davon ab, was Fortier wollte.

„Und Sie suchen nicht nach einem Ehemann?“ Cameron sah sie ernsthaft an.

„Nein“, erwiderte sie ehrlich. „Ich wusste nicht einmal, dass mein Vater jemanden beauftragt hat. Das habe ich erst kurz vor der Landung erfahren. Zufällig. Er hat es ohne meine Zustimmung getan.“

„Dann entschuldige ich mich, Miss Koslov. Es tut mir leid, wenn ich Sie mit meiner Eile in Verlegenheit gebracht habe.“ Cameron hob ihre Hand und führte sie an seine Lippen. Die Geste hatte den Charme eines höflichen Flirts, lässig-elegant, aber ohne Gefühl. „Mein Bruder hat mich vor einem überstürzten Antrag gewarnt. Und wie immer hat er recht gehabt.“

Er richtete sich auf, als wollte er gehen, und ihr war sofort klar, dass sie diese Geschichte den Reportern allein würde erklären müssen. Und dem Ensemble. Doch sie machte Cameron keinen Vorwurf. Nur ihrem Vater.

„Sie waren tatsächlich bereit, eine Frau zu heiraten, mit der Sie nicht einmal gesprochen haben?“ Sie konnte sich nicht vorstellen, was ihn dazu getrieben hatte, einer völlig Fremden einen Antrag zu machen.

„Ich habe mich auf die Agentur verlassen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber das nächste Mal werde ich die Braut zumindest vorher anrufen. Ich wünsche Ihnen alles Gute, Sofia.“ Er steckte die Hände in die Manteltaschen. „Wenn Sie Hilfe mit den Reporterinnen brauchen, mein Bruder hat das Talent, einen kühlen Kopf zu bewahren. Er wird wissen, was zu tun ist.“

„Sie … gehen?“

„Ich bin nur zum Flughafen gekommen, um Sie zu sehen. Quinn bleibt noch, er hat einen Flug gebucht. Doch zuerst hilft er Ihnen mit den Reporterinnen. Er ist ein Experte darin, die McNeills gut darzustellen. Ich bin derjenige, der immer wieder Probleme macht.“

Ihr kam nicht in den Sinn, Cameron McNeill aufzuhalten, als er sich umdrehte und davonging.

Die ganze Sache fühlte sich seltsam unwirklich an. Und jetzt kamen auch noch die beiden Reporterinnen von der anderen Seite des Terminals direkt auf sie zu. Sie hätte sich rechtzeitig etwas einfallen lassen sollen. Vielleicht sollte sie den Journalistinnen sagen, dass der Antrag ein Scherz gewesen war?

Doch sie würde über jede Geschichte stolpern, die sie erfand. Außerdem schwirrten ihr noch die Worte ihrer Kolleginnen im Kopf herum, dass es keinen Mann in ihrem Leben gab.

Dass es ihr an Leidenschaft mangelte.

Was würden sie jetzt sagen, wo ihr Verehrer sie öffentlich abserviert hatte?

Ihr Vater und Quinn McNeill näherten sich ihr ebenfalls.

„Hör zu, Sofia. McNeill hat einen guten Plan.“ Vitali schien sehr zufrieden zu sein mit dem, was auch immer sie beschlossen hatten.

Sie bekam regelrecht Angst, als die Reporterinnen sich unaufhaltsam näherten. Die beiden Männer hatten keine Ahnung von der Welt, in der sie lebte – vor allem nicht davon, was für eine Reaktion dieses kleine Drama auslösen würde. Wie sollte sie die Rolle in dem Fortier-Ballett bekommen, wenn das gesamte Ensemble über den Heiratsantrag lachte?

„Nein, ich kümmere mich selbst darum.“ Sie blickte zu Quinn McNeill. „Ich muss mein Gesicht wahren. Ich muss mir irgendetwas einfallen lassen, damit es nicht so aussieht, als wäre ich sitzengelassen worden …“ Verdammt, sie wusste nicht, was sie brauchte. Sie konnte sich nicht einmal Quinn gegenüber verständlich machen. Wie sollte sie dann den Reporterinnen eine vernünftige Erklärung liefern?

Quinns Blick gab nichts preis. Während die Augen seines jüngeren Bruders charmant blitzten, war der Blick dieses Mannes nicht zu lesen. Er schien jedoch entspannt zu sein und beugte sich näher zu ihr, während ihr Vater diskret auf die Uhr blickte und sich zwischen sie und die nahenden Tänzerinnen positionierte.

„Ihr Vater ist wütend auf meinen Bruder.“ Quinns Stimme war ein zärtliches Streicheln an ihrem Ohr. Trotz aller Nervosität schoss eine angenehme Wärme durch ihren Körper. „Ich würde ihn gern beschwichtigen, aber wichtiger ist mir, dass Sie nicht in eine peinliche Situation kommen. Wie kann ich Ihnen helfen?“

Sie stieß das Erstbeste hervor, was ihr in den Sinn kam. „Idealerweise hätte ich die nächsten drei Wochen einen Verlobten. Bis ich den Part im Ballett sicher habe.“ Kaum waren die Worte heraus, da wusste sie schon, dass es unmöglich war. Cameron McNeill war bereits gegangen.

Aber Quinn war offensichtlich nicht abgeschreckt. Er nickte.

„Was auch immer ich gleich sagen werde, denken Sie daran, es ist nur Show.“ Er legte die Hand auf ihren Rücken. Die Wärme, die er ausstrahlte, drang durch ihr Cape aus Mohairwolle. „Wir geben ein kurzes Statement vor der Presse ab. Später können wir die Einzelheiten klären und dann eine offizielle Pressemitteilung herausgeben. Lassen Sie mich nur machen. In weniger als fünf Minuten gehen Sie als glückliche Braut hier raus.“

Sie hatte keine Zeit, seinem Blick zu begegnen und für sich zu entscheiden, wie ernst er es meinte. Weil die Kameras schon wieder liefen. Das aufgeregte Geschnatter der anderen Tänzerinnen lieferte eine unangenehme Hintergrundmusik für die Performance, die Quinn McNeill geben wollte.

Obwohl ihr Ruf auf dem Spiel stand, konzentrierte sie sich ganz darauf, wie sicher er sie führte. Selbst ein Tanzlehrer hätte es zu schätzen gewusst.

Ihr Vater blieb zurück, als das blinkende rote Licht am Schwebestativ der Kamerafrau in ihre Richtung schwenkte. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie er die samtene Box mit dem Ring nahm, die Cameron liegen gelassen hatte, und sie Quinn gab.

„Ladies.“ Quinns Stimme klang anders, als er sich den beiden Journalistinnen zuwandte. Die Tänzerinnen hielten ihre Handys bereit, um sofort ein Update des kleinen Dramas zu twittern. „Verzeihen Sie mir, dass ich Sofia vorhin so schnell entführt habe. In meiner Begeisterung, sie wiederzusehen, habe ich dieses Interview völlig vergessen.“

Sofia konnte fast hören, wie alle nach Luft schnappten. Oder war sie es? Ihr wurde wieder flau im Magen, sie hatte Angst vor dem, was er als Nächstes sagen würde. Wie jeder starke Partner, führte er mit Autorität.

Außerdem war alles reine Show.

„Wo ist Ihr Bruder?“, fragte die Reporterin. „Er konnte es doch gar nicht abwarten, seine Braut zu treffen.“

Ohne Zweifel hatte sie im Internet nach Informationen über Cameron und Quinn gesucht.

„Mein Bruder hat einen Scherz gemacht. Cameron kannte Sofia noch nicht, und so wie Brüder manchmal sind …“ Er grinste charmant. „Cam hat das nur gesagt, um mich aus dem Konzept zu bringen. Er wusste, dass ich Sofia eine ganz wichtige Frage stellen wollte.“

Quinn drehte sich jetzt zu ihr. Der Blick aus seinen blauen Augen war so intensiv, dass sich eine unerwartete Hitze in ihr ausbreitete. Auch wenn sie mit hundertprozentiger Sicherheit wusste, dass alles nur Show war.

„Er hatte also ganz zufällig den Ring in der Tasche?“, fragte die Reporterin.

„Ich hatte keine Ahnung, dass er einen alten Ring unserer Mutter mitgenommen hat“, erwiderte Quinn. „Glauben Sie mir, mein Bruder hat Sinn für Humor – wenn auch manchmal einen etwas verdrehten.“

Selbst Sofia dachte über die Geschichte nach. Quinn wirkte absolut überzeugend, vor allem, als er sie ansah, als wäre sie die einzige Frau auf der Welt.

Sie leckte ihre Lippen, hatte plötzlich einen trockenen Mund. Sie musste etwas sagen. Diese Farce stoppen, die doch niemand glauben würde. Andrerseits … hatte sie sich nicht geschworen, eine Performance abzugeben, die sich anzuschauen lohnte?

Eine Show der Leidenschaft?

„Und jetzt …“, sein Blick ruhte weiter auf ihr, auch als er mit den Reporterinnen sprach, „… bitte ich Sie, einen neuen Termin für das Interview mit Miss Koslov anzusetzen. Morgen. Denn heute Abend haben wir etwas sehr Privates und Wunderschönes zu feiern.“

Die Kamerafrau stieß einen kleinen Freudenschrei aus, während jemand anderes – ohne Zweifel eine Kollegin aus dem Ensemble – einen enttäuschten Laut von sich gab. Weil die Geschichte nicht so ausgegangen war, wie sie gehofft hatte? Oder weil sie bis morgen auf Antworten warten musste? Einige klatschten halbherzig. Die Tänzerinnen, die auf einen Skandal gehofft hatten, waren sichtlich enttäuscht, während Sofia sich fragte, wie sie es hatte wagen können, Quinn McNeill zu sagen, dass sie vorübergehend einen Verlobten brauchte. Sie konnte nicht glauben, dass er ihren Wunsch erfüllt hatte.

Und nicht sein Bruder, sondern Quinn selbst, spielte den Verlobten.

Die Kameras fingen jeden Moment dieser absurden Geschichte ein. Und um keinen Zweifel an der Wahrheit aufkommen zu lassen, küsste er sie.

3. KAPITEL

Normalerweise konnte Quinn McNeill sich an ein Konzept halten. Aber alles war anders, so schien es, wenn diese exotische Schönheit sich in seine Arme schmiegte. Gerade hatte er noch eine Geschichte geliefert, die Cams Verhalten erklärte und Sofia Koslov trotzdem einen Verlobten bescherte. Und jetzt verlor er sich in ihren großen grauen Augen und ihren vollen Lippen, die zum Küssen einluden.

Dies war keineswegs der Plan, den er sich hatte einfallen lassen, um die Geschäftsbeziehungen mit Sofias wütendem und mächtigem Vater nicht zu gefährden. Er hatte Vitali Koslov gesagt, dass er sich in aller Öffentlichkeit entschuldigen und erklären würde, dass der Antrag ein Scherz unter Freunden gewesen war. Aber als Quinn die Panik in Sofias Gesicht gesehen hatte, wusste er, dass er ihr helfen musste.

Erst als er sie küsste, kam ihm der Gedanke … Was, wenn sie an eine vorgetäuschte Verlobung mit seinem Bruder gedacht hatte?

Langsam löste Quinn sich von Sofia und blickte auf ihre vom Kuss geschwollenen Lippen und ihre geröteten Wangen. Nein, sie konnte nicht gemeint haben, dass sie irgendetwas mit Cameron zu tun haben wollte. Nicht nach diesem Kuss.

Dennoch, indem er sie als seine Verlobte ausgab, hatte er die Sache noch verkompliziert.

„Sie sind also mit Miss Koslov verlobt?“, fragte die Reporterin, während die Kamerafrau ihre Kamera ausschaltete.

„Sie bekommen morgen früh ein ausführliches Statement“, mischte Vitali Koslov sich ein, bevor Quinn antworten konnte. Die Geduld des älteren Mannes war offensichtlich erschöpft. Er bedachte Quinn mit einem düsteren Blick.

Die Abschlüsse für die Hotels in Kiew und Prag waren ernsthaft gefährdet. Der Mann hatte gedroht, den Verkauf mit allen Mitteln zu stoppen, wenn Quinn die Angelegenheit bei der Presse nicht bereinigte. Und Vitali Koslov hatte damit ganz sicherlich nicht gemeint, dass Quinn die Stelle seines Bruders als Sofias Verlobter einnahm.

„Kommen Sie mit“, flüsterte Quinn Sofia ins Ohr. Ihr seidiges Haar streifte seine Wange, als er sich vorbeugte, um ihre Tasche zu nehmen. „Ihr Vater wird die Presse unterhalten. Wir sind viel zu glücklich und verliebt, um irgendjemandem Aufmerksamkeit zu schenken.“

Er machte sich auf den Weg in Richtung Ausgang, in der Hoffnung, dass sie weiter mitspielte. Sie tat es, lief neben ihm her und bedachte ihn immer wieder mit Blicken, die mehr als Zuneigung ausdrückten.

Teufel. Diese Blicke brachten die Luft zum Knistern.

„Was sind wir doch glücklich“, bemerkte sie trocken. Ihr Tonfall passte jedoch überhaupt nicht zu der Art, wie sie ihn ansah, und zeigte ihm, was für eine talentierte Schauspielerin sie war.

War der Kuss auch reine Show gewesen? Gern würde er glauben, dass dem nicht so war.

„Es tut mir leid, dass wir dies tun müssen. Ich hoffe, mein Bruder hat zumindest genug Anstand besessen, sich zu entschuldigen, bevor er sich aus dem Staub gemacht hat.“

Er hielt Sofia die Tür auf und winkte das erste Taxi heran, das er entdeckte. Er übergab dem Fahrer ihr Gepäck, damit er es verstaute.

„Das hat er.“ Sofia wickelte ihr weiches Cape enger um sich und wartete darauf, dass der Fahrer ihr die Tür öffnete. Sie gab ihm die Adresse zu ihrer Wohnung. „Er hat gesagt, dass es ihm leidtut, und mir gleichzeitig versichert, dass Sie sich um alles kümmern.“ Sie stieg ein und rutschte auf die andere Seite des Fahrzeugs, um Abstand zu Quinn zu schaffen. „Sagen Sie, Quinn, wie oft schreiten Sie ein und kümmern sich um seine ausrangierten Verlobten?“

Ihm war klar, dass sie frustriert war, deshalb mahnte er sich, nicht in die Defensive zu gehen.

„Es ist das erste Mal“, erwiderte er leichthin und setzte sich neben sie. „Ich habe versucht, ihm auszureden, auf diese Weise auf die Jagd nach einer Ehefrau zu gehen, aber er war fest entschlossen.“

Der Fahrer saß schon hinterm Lenkrad und fuhr Richtung Ausfahrt. Es war mittlerweile dunkel geworden.

„Es wäre nicht so peinlich gewesen, wenn die Presse nicht anwesend gewesen wäre.“ Sie nahm ihren Schal ab und wickelte ihn um ihre Hand. „Vielleicht doch, denn alle vom Ensemble waren bei mir, und unter ihnen sind Tänzerinnen, die nichts lieber hätten als eine Chance, meine Position im Ensemble zu schwächen.“

„Ihr Vater hat mir erzählt, dass Sie gerade zur Solotänzerin avanciert sind.“ Er kannte sich mit Ballett nicht aus, hatte aus gesellschaftlichen Gründen nur einige Aufführungen gesehen. „Macht das eine Tänzerin zur Zielscheibe?“

„Nur, wenn der Name der Tänzerin für einen begehrten Part in einer neuen Choreografie steht, die im folgenden Jahr Premiere hat. Oder wenn man zu schnell nach oben kommt. Oder wenn der Vater eine Benefizveranstaltung sponsert und dafür sorgt, dass man an prominenter Stelle im Programm gezeigt wird.“ Sie wickelte den Schal um die andere Hand, zog ihn durch ihre Finger. „Dann ist es egal, wie talentiert du bist. Dann hält sich das Gerücht, dass du die Position nur mit Geld erreicht hast.“

Im Licht der Straßenlampen betrachtete er ihre schmalen Handgelenke, als sie mit dem Schal herumfummelte. Im Flughafen war sie nicht so nervös gewesen. Machte er sie nervös? Oder ließ sie es jetzt, wo sie nicht mehr im Rampenlicht stand, einfach zu, dass sich ihre Nervosität zeigte?

Sie weckte auf jeden Fall seine Neugier. Besser wäre es allerdings, er würde sich auf die Details ihrer kurzen, vorgetäuschten Verlobung konzentrieren, statt über ihr Leben nachzudenken. Den Kuss.

„Sie bewegen sich in einer Welt mit starker Konkurrenz.“ Damit kannte er sich aus durch seine Arbeit außerhalb der McNeill Resorts. Den größten Teil seines Geldes verdiente er als Hedgefonds-Manager. Jede seiner Finanzbewegungen wurde von seinen Konkurrenten beobachtet und analysiert und von nervösen Investoren im Nachhinein angezweifelt.

„Dieser Konkurrenzkampf hat mich veranlasst, auf eigene Kosten eine PR-Agentur zu engagieren. Viel Geld in Anbetracht der geringen Gage einer Tänzerin. Aber sie hat mir das Feature im Dance – Magazin gesichert.“

Er hatte keine Ahnung, was eine professionelle Tänzerin verdiente, aber dass sie eine Agentur beauftragt hatte, deutete auf eine große Investition in ihre Karriere hin. Quinn fand es spannend, dass sie, trotz des Reichtums ihres Vaters, die Agentur selbst bezahlte.

Das war nicht alles, was ihn faszinierte. Die heftige Anziehungskraft, die er verspürte, überraschte ihn. Er lehnte das Ehe-Ultimatum seines Großvaters entschieden ab, und doch war er heute in die Bresche gesprungen und hatte Sofia als seine Verlobte ausgegeben.

Nicht nur wegen McNeill Resorts. Auch, damit Cameron sie nicht haben konnte.

Kaum hatte er sie heute gesehen, hatte er ein unbestreitbares sexuelles Interesse verspürt. Nein, Begierde. Lust.

„Ich weiß, dass mein Bruder Sie in eine missliche Lage gebracht hat. Sie haben jedes Recht, frustriert zu sein.“

„Sie haben mir aus der Bredouille geholfen, als ich so nervös war, dass ich keinen Ton herausbrachte. Vielen Dank dafür.“ Sie legte die Hände in den Schoß und schaute aus dem Fenster auf die Geschäfte links und rechts der Interstate 17 in Richtung Manhattan. „Vor mir liegt ein schwieriges Vortanzen, und ich weiß, dass ich mich nicht darauf konzentrieren könnte, wenn das Debakel am Flughafen das allgemeine Gesprächsthema wäre.“ Sie lächelte verhalten. „Wenn ich keinen Verlobten hätte, würden mich alle damit piesacken, was passiert ist. Aber da ich tatsächlich einen habe? Ich glaube nicht, dass mich noch jemand ausfragen wird. Leider sind meine Mitbewerberinnen mehr an meinen Misserfolgen interessiert als an meinen Erfolgen.“

Er verstand. Er hoffte nur, dass ihr Vater ihre Wünsche bezüglich der Scharade mittragen würde.

„Die Ereignisse heute Abend lassen jedoch ein Hintertürchen offen, wenn Sie ein Statement herausgeben möchten, dass Sie meinen Antrag abgelehnt haben.“ Er hatte bis jetzt nicht daran gedacht, aber dass er den Eindruck vermittelt hatte, er würde um ihre Hand anhalten, bedeutete nicht zwangsläufig, dass sie akzeptierte. „Wenn Sie Ihre Meinung geändert haben, dann kann ich einen Text für die Presse aufsetzen lassen, in dem meine Bewunderung für Sie zum Ausdruck kommt, meine Enttäuschung über Ihr Nein …“

„Nützlich für Sie, aber nicht für mich.“ Sie legte den Kopf ans Fenster. Er sah die Schatten unter ihren Augen. „Ein Statement, in dem es heißt, dass ich Nein gesagt habe, verhindert Fragen zu meinem Liebesleben nicht. Die Presse ist heiß auf eine Story und würde anfangen zu recherchieren. Und solange ich nicht weiß, wie Cameron an meine Kontaktdaten gekommen ist, möchte ich nicht, dass die Presse nachforscht. Ich wollte nie etwas mit einer Heiratsvermittlung zu tun haben. Und ich fürchte, dass derjenige, wer auch immer es war, den mein Vater engagiert hat, irreführende Angaben über mich gepostet hat. Wie kommt Ihr Bruder darauf, dass ich Ukrainerin bin? Warum wusste er nicht, dass ich Tänzerin bin?“

„Wir könnten uns eine Geschichte einfallen lassen.“

„Ich bin müde, wegen der Zeitverschiebung meint mein Körper, es wäre Mitternacht, und morgen um zehn habe ich eine Probe. Was ich jetzt brauche, ist Schlaf und nicht ein Abend im Arbeitszimmer.“

War ihr eigentlich bewusst, wie viele Komplikationen es geben würde, wenn sie diese angebliche Verlobung aufrechterhielten? Er hatte wirklich geglaubt, sie würde die Chance nutzen und sagen, dass sie seinen Antrag abgelehnt hatte. Andererseits konnte er den Anflug von Begierde nicht leugnen bei der Aussicht, sie wiederzusehen.

„Ich bin bereit, die Verlobung weiter vorzutäuschen, wenn es dann einfacher für Sie ist.“ Er wollte gutmachen, was Cameron angerichtet hatte. Und dieses Mal nicht Cameron zuliebe.

Sondern Sofia zuliebe.

„Es wäre einfacher für mich.“ Sie strich ihr Haar hinters Ohr, und er bemerkte fünf winzige Perlen an ihrem Ohrläppchen. „Nur für die nächsten drei Wochen. Höchstens einen Monat. Ich muss durch dieses wichtige Vortanzen kommen.“

Sie sah das erste Mal auf der Fahrt in seine Richtung und erwischte ihn dabei, wie er sie anstarrte.

„Natürlich“, stimmte er zu und stellte in Gedanken seinen Terminkalender neu zusammen, um eine Frau in sein Leben zu integrieren. Die Reise nach Kiew könnte er ohne Probleme Cameron oder Ian überlassen. „In diesem Fall sollten wir einen Vertrag mit allen Bedingungen des Arrangements aufsetzen.“

Da Vitali Koslov damit drohte, sein Geschäft in Osteuropa zu blockieren, musste Quinn diese Angelegenheit genauso sorgfältig behandeln wie jeden anderen komplizierten ausländischen Abschluss.

„Ist das klug? Ein Papier macht es leichter, unser Geheimnis zu entdecken.“

Sie holte eine Dose Pfefferminz aus der Tasche, nahm einige heraus und bot ihm eins an. Sein Blick wurde magisch von ihrem Mund angezogen, als sie die Lippen leicht öffnete. Sofort musste er an den Kuss denken. Und dass eine Verlobung weitere Gelegenheiten bieten würde, sie zu berühren. Von dieser Seite betrachtet war der Gedanke, ihren Verlobten zu spielen, alles andere als eine Strafe.

„Quinn?“ Sie neigte den Kopf ein wenig und betrachtete ihn. „Wenn Sie wirklich meinen, dass wir einen Vertrag benötigen …“

„Nicht unbedingt.“ Er sollte die Sache als einen Freundschaftsdienst betrachten. „Aber wir wollen doch beide sicher sein, dass unsere Interessen gewahrt bleiben.“

„Ein Ehevertrag bei einer vorgetäuschten Verlobung.“ Sie schüttelte den Kopf. „Das gibt es nur in New York.“

„Ihr Vater wird sicherstellen wollen, dass Ihr Ruf unbeschädigt bleibt.“

Der Taxifahrer trat so plötzlich auf die Bremse, dass beide nach vorn fielen. Instinktiv streckte Quinn den Arm aus, um Sofia festzuhalten. Eine reine Schutzmaßnahme, bis zu dem Moment, als ihm bewusst wurde, dass sein Unterarm gegen ihre Brüste drückte und seine Hand auf ihrer Schulter lag, unter ihrem seidigen Haar.

Eine sanfte Röte zog über ihr Gesicht, als er sie losließ und sie sich beide zurücksetzten.

„In Ordnung. Wenn Sie etwas aufsetzen wollen, dann unterschreibe ich es, und Sie können sicher sein, dass ich keine Probleme mache, wenn wir die Verlobung beenden.“

Sie wickelte das Cape fester um ihre zierliche Gestalt, eine Geste, die ihn daran erinnerte, wie sie sich angefühlt hatte.

Verdammt. Sein Körper reagierte, als wäre er seit Monaten mit keiner Frau zusammen gewesen, dabei …

Vielleicht war es tatsächlich schon so lange her, dass er die Beziehung mit Portia beendet hatte, einer Bauunternehmerin, die versucht hatte, ihm ein Penthouse in der Park Avenue zu verkaufen. Am Ende war Quinn nicht bereit gewesen, den Komfort des Pierre aufzugeben, des Hotels, das er seit fast zehn Jahren sein Zuhause nannte. Er war auch nicht bereit gewesen für Portia, die mehr daran interessiert war, mit ihm zusammen das Powerpaar von New York zu geben, als an ihm persönlich.

Seitdem war er einer Beziehung aus dem Weg gegangen, und das war seit … letztem Jahr. Verdammt. Kein Wunder, dass ihn die leichteste Berührung mit ihrem Körper unruhig machte. Er biss die Zähne zusammen gegen die aufwallende Begierde und mahnte sich, auf Kurs zu bleiben. Konzentriert. Den Mist zu bereinigen, den sein Bruder gebaut hatte.

Je schneller sie den Monat hinter sich brachten, desto besser.

Sofia atmete tief ein und aus. Sie ignorierte die verwirrenden Gefühle und griff auf ihre lebenslang eingeübte eiserne Disziplin zurück.

Sie beherrschte ihren Körper, nicht andersherum. Und sie würde ganz sicher nicht zulassen, dass der attraktive Quinn McNeill sie mit seiner Berührung durcheinanderbrachte. Oder mit Küssen, die nur der Show dienten. Auch wenn der eine, den sie ausgetauscht hatten, sich echt angefühlt hatte.

Mühsam lenkte sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Unterhaltung.

„Ich bin neugierig auf den Plan, den Sie und mein Vater ausgeheckt haben. Ich bin sicher, eine Verlobung ist nicht vorgesehen.“

Nachdem ihre Mutter an Brustkrebs gestorben war, hatte Sofia unter dem Dach ihres kalten, herrschsüchtigen Vaters gelebt und war ständig mit ihm aneinandergeraten. Mit ihrer Mutter hatte sie einen unkonventionellen Lebensstil gepflegt, ein Künstlerleben, das sie durch ganz Amerika und Europa geführt hatte. Ihre Mutter hatte gemalt, sie hatte getanzt. Als ihre Mutter starb, war Sofia zu jung gewesen, um auf eigene Faust die Welt zu entdecken, und ihr Vater war entschlossen gewesen, sie mit seinem Reichtum und den dadurch gegebenen Möglichkeiten für sich zu gewinnen.

Sie hatte nichts davon gewollt. Bis er sie mit einem Bonbon lockte – mit der Ballettschule in St. Petersburg, Russland, eine Chance, die sie nicht ignorieren konnte. Aber sie hatte für dieses Privileg einen hohen Preis bezahlt.

„Er wollte, dass ich Cams Verhalten als einen privaten Scherz zwischen alten Freunden darstelle.“ Quinn wechselte ohne Problem in den Plaudermodus. „Aber ich bin sicher, er ist froh, dass Ihre Wünsche berücksichtigt werden.“

„Vitali hat sich nie für meine Wünsche interessiert. Ich muss ihn unbedingt anrufen und von ihm verlangen, dass er die Heiratsagentur zurückpfeift. Ich will nicht, dass mein Foto und mein Profil noch irgendwo gepostet werden.“

„Soll ich es ihm sagen?“, fragte Quinn. Sie musste überrascht gewirkt haben, denn er fügte schnell hinzu: „Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Aber er und ich haben noch eine Rechnung offen, und ich will genau wissen, wo Cameron Ihr Profil gefunden hat. Ich bin nicht sicher, wer die Schuld an der Kommunikationspanne zwischen Ihrer Heiratsvermittlerin und seiner trägt, aber ich werde der Sache nachgehen, um McNeill Resorts rechtlich abzusichern, da Ihr Vater mit einer Klage gedroht hat.“

Sofia seufzte. „Ich bin zu neunzig Prozent sicher, dass die Drohung nur heiße Luft ist, aber ich verstehe Sie. Und da ich lieber nicht mit meinem Vater spreche, wenn ich so wütend auf ihn bin, wäre ich Ihnen tatsächlich dankbar, wenn Sie die Sache in die Hand nehmen würden.“

„Wird erledigt. Aber, nur damit Sie es wissen, ich habe bei meinem Gespräch mit ihm den Eindruck gewonnen, dass Sie ihm sehr wohl wichtig sind.“ Quinn drückte sich vorsichtig aus. Diplomatisch. Kein Wunder, dass Cameron sich in heiklen Situationen auf ihn verließ. „Aber ich mache mir Gedanken, was Sie von mir erwarten.“ Er sah sie durchdringend an. „Zum Beispiel, wie oft wir uns zusammen in der Öffentlichkeit zeigen müssen. Wenn wir die Geschichte durchziehen wollen, dann müssen wir Tage und Uhrzeiten koordinieren.“

„Wirklich?“ Sie war zu müde und zu überwältigt von den Ereignissen des Abends, um jetzt, wo sie allein waren, den pragmatischen Kurs beizubehalten. „Auch wenn es schon länger her ist, dass ich eine Beziehung hatte, bin ich sicher, dass wir unsere Treffen ohne große Planung managen können. Ich schicke Ihnen morgen eine SMS.“

Er lachte kurz auf. „Na schön. Aber vielleicht könnten wir uns morgen die Zeit nehmen, miteinander zu reden. Wir müssen uns auf eine Geschichte über unser Kennenlernen verständigen, bevor Sie mit der Presse sprechen.“

„Ich habe morgen um zehn eine Probe, davor geht gar nichts. Ich gehe den Reportern einfach aus dem Weg, bis wir zusammen gesprochen haben.“

Die Proben morgen würden schon schwierig werden. Sie konnte nicht glauben, dass sie dem Magazin Dance auch noch angeboten hatte, ihr Vortanzen bei Idris Fortier in der kommenden Woche zu filmen. Sie wäre schon gestresst genug, ohne dass ihre Fehler auf Video festgehalten wurden.

„Die Nachricht könnte sich schnell verbreiten.“ Er machte ein finsteres Gesicht. Ganz offensichtlich missfiel ihm der Gedanke zu warten. „Doch ich weiß, dass ein Jetlag für eine Unterhaltung eher kontraproduktiv ist. Kann ich Sie morgen von der Probe abholen?“

Seine Stimme durchbrach für einen Moment ihre Schutzmauer. Die Frage gehörte zu der Gattung, die ein Lover stellen könnte. War es verrückt, diesen Monat so viel Zeit mit Quinn zu verbringen? Er war das Gegenteil der Männer, mit denen sie normalerweise ausging – Künstler, die sich in einer völlig anderen Welt bewegten als die Koslov-Dynastie. Quinn dagegen war der gepflegte, mächtige Industrielle, der die Welt gern nach seinen Vorstellungen regierte. Das war ihr gleich in dem Moment aufgefallen, als er heute in ihr persönliches Drama platzte und dann gelassen übernommen hatte.

Seine Unterstützung war sehr wertvoll gewesen, ohne Frage. Aber würde sie es bereuen, dass sie einen Mann wie ihn so nah an sich heranließ? Vor allem einen mit dieser unglaublichen Anziehungskraft?

„Nach der Probe passt. Ich bin gegen vier Uhr fertig. Wissen Sie, wo das Theater ist?“

„Natürlich. Hat das Theater einen Seitenausgang? Gibt es dort einen Ort, wohin wir diskret verschwinden können?“

Sie schlug die Beine übereinander, rückte etwas von ihm ab.

„Ja. Auf der Columbus Avenue gibt es einen Coffeeshop.“ Sie suchte den Kontakt in ihrem Smartphone und teilte ihn mit ihm, als das Taxi endlich in die Ninth Street im East Village einbog, in der sie lebte. Ihr Handy vibrierte ständig, was sie daran erinnerte, dass die ganze Welt morgen Fragen an sie hatte.

„Leben Sie allein hier?“, fragte Quinn, als der Wagen anhielt.

Die Frage sollte sie nicht überraschen, denn es war nicht die Gegend, in der Hedgefonds-Manager sich niederlassen würden. Auch ihr Vater versuchte immer wieder, sie von hier fortzulocken. „Ja. Und ich lebe gern hier.“

Er stieg aus dem Wagen, um sie zur Tür zu geleiten, während der Fahrer ihr Gepäck aus dem Kofferraum holte. In der Zeit, die sie benötigte, ihren Schlüssel zu finden, stolperten zwei Männer aus einer Bar. Betrunken und laut. Sie bemerkte, dass Quinn die Männer im Auge behielt, bis sie an ihrem Gebäude vorbei waren.

„Danke, dass Sie mich nach Hause gebracht haben.“ Sie öffnete die Haustür, froh, gleich ins Bett fallen zu können.

Allein. Auch wenn sie den Gedanken, mit Quinn ins Bett zu fallen, ausgesprochen erregend fand.

„Ich bringe Sie bis an Ihre Wohnungstür.“ Wieder ließ er seinen Blick die Straße entlang schweifen, in der es mehr Bars als Wohnhäuser gab.

Zu müde, um zu widersprechen, nickte sie nur und führte ihn durch den dunklen Flur zum Fahrstuhl. Aus den Augenwinkeln heraus nahm sie wahr, dass er dem Taxifahrer das Gepäck abgenommen hatte. Einen Moment später erreichten sie Apartment 5C. Quinn trat ein, um ihre Tasche in der schmalen Diele abzustellen. Komisch, wie viel kleiner das Apartment schien, wenn er darin war.

Vielleicht war es eine plötzliche Befangenheit, die sie nach dem Handy greifen ließ, als es wieder vibrierte. Sie blickte auf das Display und stellte fest, dass die Nachrichten nicht von neugieren Kolleginnen oder ihrem Vater kamen.

Die Hälfte war von ihrer PR-Agentur. Die andere Hälfte von der Ballettmeisterin. Sofia überflog sie und stellte fest, dass sich alle um dasselbe sorgten – um Spekulationen in den sozialen Netzwerken, sie könnte das Fortier-Ballett nicht ernstnehmen und sich zu sehr auf ihr Privatleben konzentrieren. Sofia spürte, wie ihre Muskeln sich verspannten. Der Stress machte sich in den Schultern bemerkbar, ihre Schläfen schmerzten.

„Ist alles in Ordnung?“ Quinns Stimme schien von weither zu kommen.

„Sie hatten recht. Die Nachricht von unserer Verlobung hat sich schnell verbreitet.“ Sie schluckte und legte ihr Smartphone auf das antike Schränkchen neben der Tür. „Meine PR-Beraterin rät mir, morgen einen Ring zu tragen, um Fragen zuvorzukommen, bis sie die Pressemitteilung geschrieben hat.“ Eine erneute Welle der Verärgerung riss sie aus ihrer Lethargie. „Es ist eine mehr als traurige Aussage über meine Leistungen, wenn lebenslange harte Arbeit von dem Antrag eines reichen Mannes überschattet wird.“

Sie nahm den Schal ab und nestelte wütend an den Knöpfen ihres Capes herum.

„Gerade wegen Ihrer Leistungen ist jeder an Ihrem Privatleben interessiert“, sagte Quinn und half ihr, die Knöpfe zu öffnen.

Sie hätte vielleicht gegen die plötzliche Nähe protestiert, doch im nächsten Moment stand er schon hinter ihr, nahm ihr das Cape von den Schultern und hängte es an die Garderobe.

„Es ist trotzdem nicht fair. Von keinem Mann würde man verlangen, einen Ring zu tragen, damit die Kollegen sich nicht das Maul über seine Liebesbeziehung zerreißen.“

„Nein.“ Er griff in seine Manteltasche und holte die kleine samtene Box heraus, die am Flughafen für Unruhe gesorgt hatte. „Aber da mein Bruder Sie in diese unangenehme Situation gebracht hat, sollten wir mal nachsehen, was für einen Ring er ausgesucht hat.“

Er hielt die Box hoch und ihr damit die Absurdität des Abends vor Augen. Wer hätte ahnen können, als sie vor so vielen Stunden in Kiew an Bord ihres Fliegers ging, dass sie jetzt, bevor sie zu Bett ging, in ihrem Apartment mit einem Fremden die Bedingungen einer Verlobung aushandeln würde?

„Warum nicht? Bei all dem, was mich im Moment belastet, kann ich sowieso nicht schlafen.“ Sie zuckte mit den Achseln, ging einige Schritte in ihr Apartment hinein und schaltete die Bogenlampe über dem schwarzen Sofa an. „Kommen Sie rein, wenn Sie möchten. Ich war drei Wochen nicht zu Hause, und ich bin froh, wieder hier zu sein.“

Sie bot ihm einen Platz auf der Couch an. Sie selbst setzte sich auf die Truhe, die als Tisch diente.

„Nur ganz kurz.“ Er zog seinen Mantel nicht aus, setzte sich aber. „Ich weiß, dass Sie müde sind.“ Ihre Blicke trafen sich für einen flüchtigen Moment, bevor er wieder auf die Box sah. „Lassen Sie uns einen Blick hineinwerfen.“

Er öffnete die Box, und zum Vorschein kam ein Ring, der ihr den Atem raubte.

Quinn stieß einen leisen Pfiff aus. „Sie sind sicher, dass Sie meinen Bruder bis heute nicht kannten?“

„Absolut.“ Sie griff nach dem funkelnden, mit vielen Brillanten besetzten Ring. „Der kann nicht echt sein.“

„Er ist echt.“ Quinn nahm den Ring aus der Box. „Und angesichts des Ärgers, den sein Antrag gemacht hat, ist es nur fair, wenn Sie den Ring morgen tragen.“

Er hielt den Ring in einer Hand und nahm ihre Hand mit der anderen. Seine warmen Finger auf ihrer Haut zu spüren, brachte sie ganz schön aus dem Gleichgewicht.

„Den kann ich nicht tragen.“ Sie saß ihm gegenüber, ihre Knie stießen aneinander, sein Daumen lag an ihrer Handfläche.

Die Berührung bohrte sich tief in ihr Bewusstsein, entfachte dort etwas. Ihr Herz schlug schneller.

Ein Lächeln zog über Quinns attraktives Gesicht.

„Wir haben uns auf diese Fake-Verlobung verständigt. Finden Sie nicht, dass es vernünftiger ist, den Ring zu tragen, den wir haben, statt einen neuen zu kaufen?“

Er legte den Ring neben sie. „Entscheiden Sie, ob Sie ihn morgen tragen oder nicht. Und jetzt gehe ich, damit Sie etwas Ruhe bekommen.“

Er stand auf und ließ das wertvolle Schmuckstück auf der letzten Ausgabe der Vogue liegen.

„Quinn.“ Sie stand auf, um ihn an die Tür zu bringen. Im Gehen griff sie nach dem Ring. „Bitte. Ich möchte ihn nicht hierbehalten.“

Er drehte sich zu ihr, machte aber keine Anstalten, das funkelnden Schmuckstück zu nehmen.

„Wenn Sie meine Braut wären, dann würde ich keine Kosten scheuen, um der Welt zu zeigen, dass Sie mir gehören.“ Seine blauen Augen strahlten eine Wärme aus, die sie an seinen Kuss denken ließ. Ihr stockte der Atem, und sie fragte sich, wie es wäre, wenn sie wirklich ihm gehörte.

Seine Braut.

„Ich bin …“ Sprachlos. „Das heißt …“ Sie schloss die Finger um den Ring. Die Steine drückten in ihre Haut, lenkten sie von der Nähe des Mannes ab. „Wenn Sie darauf bestehen.“

„Es ist eine Sache der Glaubwürdigkeit, Sofia.“

„Es ist nur für einen Monat.“