Das Meisterstück - Hannelore Cayre - E-Book

Das Meisterstück E-Book

Hannelore Cayre

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Unionsverlag
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Christophe Leibowitz, das liebenswerte Scheusal, ist frisch aus dem Gefängnis entlassen und versucht, als Advokat der kleinen Gangster und Ganoven wieder Fuß zu fassen. Als einer seiner Stammkunden wegen eines aufsehenerregenden Bilderraubs in die Mühlen der Pariser Justiz gerät, findet er sich unversehens mitten in einer Raubkunst-Affäre, die hoch bis in die besten Kreise und tief hinein in die dunkle Vergangenheit Frankreichs reicht. Wie kommt es, dass das geraubte Gemälde seines heiß geliebten Schiele in keinem Werkverzeichnis auftaucht? Aktenkundig ist nur, dass zuletzt Hermann Göring ein Auge darauf geworfen hatte. Sicher ist sicher, denkt sich Leibowitz, und schafft den erotischen Mädchenakt vorsichtshalber erst mal in seine Wohnung …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 181

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch

Christophe Leibowitz ist frisch aus dem Gefängnis entlassen und versucht, als Advokat der kleinen Gangster und Ganoven wieder Fuß zu fassen. Doch dann findet er sich unversehens mitten in einer Raubkunst-Affäre, die bis in die besten Kreise und die dunkle Vergangenheit Frankreichs reicht.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

Hannelore Cayre (*1963) arbeitet in Paris als Strafverteidigerin mit der gleichen Art Klientel wie der Protagonist ihrer Romane. Sie hat Kriminalromane veröffentlicht, Kurzfilme realisiert und mehrere Drehbücher geschrieben.

Zur Webseite von Hannelore Cayre.

Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Hannelore Cayre

Das Meisterstück

Kriminalroman

Aus dem Französischen von Rudolf Schmitt

Ein Fall für Leibowitz (2)

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

HINWEIS: Ihr Lesegerät arbeitet einer veralteten Software (MOBI). Die Darstellung dieses E-Books ist vermutlich an gewissen Stellen unvollkommen. Der Text des Buches ist davon nicht betroffen.

Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 2 Dokumente

Die Originalausgabe erschien 2005 unter dem Titel Toiles de maître bei den Éditions Métailié in Paris.

Die Übersetzung aus dem Französischen wurde unterstützt durch das Centre National du Livre des Französischen Kultusministeriums.

Originaltitel: Toiles de maître (2005)

© by Éditions Métailié 2005

© by Unionsverlag, Zürich 2020

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Egon Schiele, Akt gegen farbigen Stoff, 1911 (Christie’s Images/Corbis)

Umschlaggestaltung: Martina Heuer

ISBN 978-3-293-30378-2

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

Produziert mit der Software transpect (le-tex, Leipzig)

Version vom 04.05.2020, 12:39h

Transpect-Version: ()

DRM Information: Der Unionsverlag liefert alle E-Books mit Wasserzeichen aus, also ohne harten Kopierschutz. Damit möchten wir Ihnen das Lesen erleichtern. Es kann sein, dass der Händler, von dem Sie dieses E-Book erworben haben, es nachträglich mit hartem Kopierschutz versehen hat.

Bitte beachten Sie die Urheberrechte. Dadurch ermöglichen Sie den Autoren, Bücher zu schreiben, und den Verlagen, Bücher zu verlegen.

http://www.unionsverlag.com

[email protected]

E-Book Service: [email protected]

Unsere Angebote für Sie

Allzeit-Lese-Garantie

Falls Sie ein E-Book aus dem Unionsverlag gekauft haben und nicht mehr in der Lage sind, es zu lesen, ersetzen wir es Ihnen. Dies kann zum Beispiel geschehen, wenn Ihr E-Book-Shop schließt, wenn Sie von einem Anbieter zu einem anderen wechseln oder wenn Sie Ihr Lesegerät wechseln.

Bonus-Dokumente

Viele unserer E-Books enthalten zusätzliche informative Dokumente: Interviews mit den Autorinnen und Autoren, Artikel und Materialien. Dieses Bonus-Material wird laufend ergänzt und erweitert.

Regelmässig erneuert, verbessert, aktualisiert

Durch die datenbankgestütze Produktionweise werden unsere E-Books regelmäßig aktualisiert. Satzfehler (kommen leider vor) werden behoben, die Information zu Autor und Werk wird nachgeführt, Bonus-Dokumente werden erweitert, neue Lesegeräte werden unterstützt. Falls Ihr E-Book-Shop keine Möglichkeit anbietet, Ihr gekauftes E-Book zu aktualisieren, liefern wir es Ihnen direkt.

Wir machen das Beste aus Ihrem Lesegerät

Wir versuchen, das Bestmögliche aus Ihrem Lesegerät oder Ihrer Lese-App herauszuholen. Darum stellen wir jedes E-Book in drei optimierten Ausgaben her:

Standard EPUB: Für Reader von Sony, Tolino, Kobo etc.Kindle: Für Reader von Amazon (E-Ink-Geräte und Tablets)Apple: Für iPad, iPhone und Mac

Modernste Produktionstechnik kombiniert mit klassischer Sorgfalt

E-Books aus dem Unionsverlag werden mit Sorgfalt gestaltet und lebenslang weiter gepflegt. Wir geben uns Mühe, klassisches herstellerisches Handwerk mit modernsten Mitteln der digitalen Produktion zu verbinden.

Wir bitten um Ihre Mithilfe

Machen Sie Vorschläge, was wir verbessern können. Bitte melden Sie uns Satzfehler, Unschönheiten, Ärgernisse. Gerne bedanken wir uns mit einer kostenlosen e-Story Ihrer Wahl.

Informationen dazu auf der E-Book-Startseite des Unionsverlags

Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

Impressum

Unsere Angebote für Sie

Inhaltsverzeichnis

DAS MEISTERSTÜCK

Prolog

1 – Kaum hatte ich wieder zu schuften begonnen …

2 – Marie-France, im strahlenden Zenit ihrer Vierziger, betrachtete mich …

3 – Um Aziz Choukri im Gefängnis La Santé zu …

4 – Schon am nächsten Tag machte ich mich beschwingt …

5 – Lazare erwartete mich im Lipp. Er hatte einen …

6 – Die folgenden Wochen vergingen ohne Zwischenfälle. Ich lebte …

7 – Anfang Dezember rang Garance sich endlich dazu durch …

8 – »Sie haben acht Tage Frist, um den Bescheid …

9 – Also trat ich die Reise nach Forges-les-Eaux an …

10 – Aziz war grantig; ich hatte ihn ins Sprechzimmer …

Intermezzo

11 – Weihnachten stand vor der Tür

12 – Deprimiert kleidete ich mich mit dem an …

13 – Einen Tag vor Neujahr trat die Untersuchung zum …

14 – Um das Internet zurate zu ziehen, begab ich …

15 – Was geschehen musste

16 – Die nie verblühende Marie-France, prachtvoll auf dem Höhepunkt …

17 – Ich schaute in die Berge rund um den …

Epilog

Anmerkungen

Mehr über dieses Buch

Über Hannelore Cayre

»In diesem Beruf braucht man eine große Klappe.«

Clémence Vasseur: Die Lust, ein Flegel zu sein

Andere Bücher, die Sie interessieren könnten

Bücher von Hannelore Cayre

Zum Thema Kriminalroman

Zum Thema Frankreich

Zum Thema 2. Weltkrieg

Zum Thema Malerei

Zum Thema Kunst

… auf die Hässlichkeit,auf die Schönheit,auf Jean-Christophe.

»Um die Menschen zu verstehen,muss man die Extreme erforschen.«

Simone de Beauvoir

Prolog

Herr, schenke mir Kraft …

»Wie schaffst du das bloß, dass du Pädophile verteidigst … Nein, ich könnte das nicht … Die Mörder lassen sie nach dem Urteil ohnehin gleich wieder laufen … Auch die Zuhälter … Wenn man meinem Kind auch nur ein Haar krümmt … Kastration, das ist die einzige Lösung … Du wirst doch mit kriminellem Geld bezahlt, oder etwa nicht? … Würdst du etwa gern vergewaltigt werden? … Und die Zigeuner, womit bezahlen die ihre Mercedes?«

Ich rufe Jo, den Wirt der Kneipe, und bestelle einen Rum. Ich brauche ein Trösterchen, um diesen Stuss mit einem Lächeln zu ertragen.

Na ja, ich übertreibe. Trotz eines Vornamens, den ihr kein Hotelportier abnimmt, und eines Hangs zu Gemeinplätzen ist Bergamote ein sympathisches und geduldiges Mädchen. Ganze vierzehn Tage verweigere ich mich ihr schon, ohne dass sie daran was auszusetzen fände. Angeblich ist das die neue Rollenverteilung: Die Frauen sind zu allem bereit, die Männer zieren sich und machen auf unnahbar. Vierzig bin ich und ein Perversling, doch was solls: Ich wirke wie einer, den man nicht einfach so um den Finger wickeln kann.

Dennoch wird es höchste Zeit, das Thema zu wechseln, sonst vergeht mir noch die Lust, sie zu bespringen.

»Zeig mir lieber, was du eingekauft hast.«

Sie ist selig, weil sie mir eine Freude machen kann, und leert eine Tüte der Galeries Lafayette auf der Bank aus.

Na endlich, ich bekomme einen Ständer.

Ist schon mal ein guter Anfang.

Nebenbei bemerkt: Seit sie eingewilligt hat, sich die Haare rot zu färben, sieht sie verdammt hübsch aus.

»Ich hab ein schwarzes Röckchen mit rotem Blumenmuster gefunden …«

»Bravo! Das ist ja fast der gleiche wie der von dem Mädchen auf dem Bild.«

»Eine tief ausgeschnittene beige Bluse mit kurzen Ärmeln. Ich hoffe, bei dir ist gut geheizt, weil ich mir sonst nämlich was abfrieren werde.«

»Ja … ja …«

»Gut … Und hier … diese wunderbaren Dior-Strümpfe mit schwarzem Satinstraps, der zu dem …«

Ich bin äußerst verstimmt; diese Idiotin hat überhaupt nichts begriffen von meinem masturbatorischen Projekt.

»Ich hab dir doch gesagt, dass das Mädchen auf dem Bild Wadenstrümpfe aus grober schwarzer Wolle trägt, die in Falten über die Knöchel gerutscht sind … Niemals hab ich dir irgendwas von einer Schlampenkostümierung erzählt …«

»Darauf kommts doch nicht an … Seidenstrümpfe, gehalten von diesem herrlichen Teil hier, so was ist doch wohl erregender als alte Wollstrümpfe …«

Mit einem Blick über den Tresen sucht Bergamote Unterstützung. Jo nickt mit Kennermiene, während er weiter seine Gläser trocken wienert.

»Ich weiß doch wohl, was mich erregt, oder?«

Sie seufzt.

»Entweder wir führen meine Inszenierung konsequent zu Ende, oder wir lassen es. Aber halbe Sachen kommen überhaupt nicht in Frage.«

»Gut … gut … ich geh ja schon und kauf deine Wadenstrümpfe. Ich beeil mich, die Geschäfte schließen in einer halben Stunde.«

Sie küsst mich auf die Stirn. »Du bist unverbesserlich!«

»Und überhaupt, damits perfekt wär, müsste sie unter sechzehn sein.«

1

Kaum hatte ich wieder zu schuften begonnen, steckte ich schon wieder im Schlamassel. Ein Rückfall reinster Sorte. Kaum glaubt man, geheilt zu sein, ist die Krankheit schon wieder da.

Die ersten Symptome zeigten sich im letzten Herbst, als ich mich auf Jos kluge Ratschläge hin total naiv zu dieser blödsinnigen Thalassotherapie angemeldet hatte.

»Eins, zwei, eins, zwei, schön die Knie hochziehen. Na los, Madame Rullier, nicht lockerlassen! Eins, zwei, kräftig die Pomuskeln anspannen. So ist es gut … Jetzt sind wir im Rhythmus … Hopp … Hopp … Hopp … Synchron! Los … Mehr Energie, Madame Rullier! … Tempo! … Die Knie … Höher … Hopp … Hopp … Hopp …«

Zwei Längen noch, und ich werd mich in aller Ruhe vollstopfen können, hatte ich mir gesagt, während ich untertauchte, um nicht mehr mit anhören zu müssen, wie dieser hirnamputierte Bademeister den Omas seine Befehle zubrüllte.

Von unten wirkte dieser hopsende Trupp noch absurder. Tatsächlich ließ Madame Rullier jeden Eifer vermissen, eine alte, müde Walkuh, die nicht mehr an die ganze Sache glaubte, während die synchron strampelnde Herde im lichtdurchfluteten Blau des Wassers davonschwamm.

Wider Erwarten ist ausgerechnet dort, auf dem Grund eines Schwimmbeckens, meine unter Depressionen begrabene Anwaltsseele mit einem Schlag neu erwacht.

Energie durchflutete mich; Madame Rullier und ich wurden eins. Das Leben im Allgemeinen und die Aquagymnastik im Besonderen waren mir mit einem Mal scheißegal. Ich hatte absolut keine Lust mehr, »synchron« zu sein, wollte nur noch eins: diesem respektlosen Arschloch die Faust in die Fresse hauen.

Und als ich mich dann anschickte, mit dem Kopf aus dem Wasser aufzutauchen, um Madame Rullier zu verteidigen, fand ich mich plötzlich Auge in Auge mit … mein Gott … Richterin Baroing! Die Vorsitzende der zehnten Kammer, die als Musterschülerin der ganzen Truppe munter voranzappelte. Gott sei Dank, sie erkannte mich nicht. Ich tauchte auf der Stelle wieder unter und verließ hastig das Becken, als hätte man gerade Alligatoren dort ausgesetzt.

Ich hatte ein Tabu gebrochen, eine Grenze überschritten, einen Blick in eine verbotene Welt getan. Dieses Schauspiel war wider die Natur: Die Vorsitzende einer Strafkammer hopst im Badeanzug herum. Ein Anwalt, der das sieht und bezeugen kann, verdient, geblendet zu werden. Denn er hat gegen das Grundgesetz der Sittlichkeit verstoßen.

Inkognito in meinem Bademantel huschte ich zur Bar. Als ich an der großen Fensterfront vorbeikam, sah ich, wie die Nacht hereinbrach. Instinktiv kuschelte ich mich ins Frottee ein, schaute übers aufgewühlte Meer und beobachtete, wie die spärlichen eingemummten Spaziergänger den Angriffen des Windes und des sintflutartigen Regens standzuhalten versuchten. So muss man es sich vorstellen, das Nahen des Jüngsten Gerichts: ein Vier-Sterne-Hotel am Meer, ein umherirrendes Gespenst im weißen Bademantel, das auf den Styx hinaussieht, und von ferne zieht es herauf …

Untermalt wurde das alles von der Filmmusik aus Titanic, in Fahrstuhlversion und Endlosschleife.

Angesichts dieser feindseligen Welt erschien es mir angebracht, umgehend mein tägliches Besäufnisritual einzuleiten.

»Ich habe gerade eine Richterin meines Gerichtshofs quasi nackt ertappt«, meinte ich zu meinem Freund Enrique, dem Barmann, statt einer Bestellung.

Dieser entschied, mir einen Baileys auszuschenken. Wahrscheinlich, damit ich mich weniger schuldig fühlte, schon um fünf mit dem Picheln anzufangen.

Meinen kleinen Schwenker in der Hand, ließ ich die Eiswürfel in der braunen Flüssigkeit langsam kreisen, auf dass der soeben durchlittene Albtraum verblassen mochte.

»Diese Schlampe lehnt sich jedes Mal in ihren Sitz zurück und schließt die Augen, sobald ich mit meinem Plädoyer anfange …«

»Haben Sie eigentlich nichts als Ihren Job im Kopf?«

»Weil die nämlich schon ganz genau weiß, wie viel Jahre Knast sie aufbrummen wird, und daran hält sie eisern fest. Sie zieht sich innerlich zurück, damit die Anwälte sie nur ja nicht umstimmen.«

»Man kommt doch zur Thalasso, um mal ’ne Auszeit zu nehmen«, erwiderte mir Enrique vorwurfsvoll.

Eine Auszeit? Eine Auszeit wovon?

Seit ich aus dem Knast entlassen und von meiner Kollegenschaft widerwillig rehabilitiert worden war, hing ich durch, wie meine Kunden sagen würden. Dass ich kein Geld mehr verdienen musste, machte die Sache nicht besser. Da konnte ich noch so dicke Geschenke springen lassen, mir die teuersten Karren kaufen, die entlegensten und albernsten Reiseziele wählen, mir blieben immer noch zwei Drittel der anderthalb Millionen Euro, die ich dafür kassiert hatte, David Sellem zur Flucht zu verhelfen.1

Jo, der Kneipier, sah mich dicker und dicker werden und geradewegs in den Alkoholismus schlittern. Er machte sich echt Sorgen. Eine Thalassotherapie würde mich sicher auf andere Gedanken bringen, meinte er, das hatte noch jedem geholfen.

Doch nun lebte ich schon drei Wochen zurückgezogen am Meeresgestade, und meine einzige neue Bekanntschaft war der Barkeeper. Ich ging ihm auf die Nerven mit den Erinnerungen an diesen Job, dem ich mich verweigerte, weil ich andernfalls auf direktem Weg wieder in die Bredouille geraten würde.

Ich begriff, dass genau da das Problem lag: Ich war schlichtweg unheilbar krank. Beim Versuch, endlich vernünftig zu werden, würde ich mich zu Tode langweilen. Ich war und blieb mit Haut und Haar ein Rechtsanwalt, und daran konnte ich nichts ändern.

Der Einfall einer widerlichen Horde leitender Angestellter lenkte mich von meinen Überlegungen ab. Nach ihrem Seminartag verteilten sie sich lärmend in der Hotelbar, gruppiert um ein paar Kolleginnen mit Kostümchen und Pferdeschwänzchen.

Seit drei Tagen beobachtete ich ihre Balz und schloss mit Enrique Wetten darüber ab, wer als Erster seine Josiane ficken würde. Wie alt mochten sie wohl sein, diese strotzenden Zuchtkarnickel? Dreißig? Fünfzig? Zwanzig Jahre mehr oder weniger, man konnte es nicht sagen.

Von den Bestellungen dieser Kretins schwer in Beschlag genommen, vernachlässigte mich Enrique, obwohl ich doch gerade meinen neunten Baileys bei ihm bestellt hatte. Alkohol macht mich ohnehin völlig unausstehlich, und ich hatte niemanden zum Reden, also fing ich an, meinem Nachbarn und dessen Freundin, eine kaufmännische Angestellte bei … ich weiß es nicht mehr, ich war schon zu besoffen, um mir zu merken, was auf ihrem Namensschildchen stand … Ich begann, den beiden also ganz ungehemmt den Kapitalismus zu erklären.

Der Typ machte mächtig den Pfau und erzählte dem Mädchen seine Großtaten. Und ich, auf den Tresen gefläzt, nickte innigst zu all seinen Bonmots.

Ich ging ihnen auf die Nerven. Klasse! Schließlich schaltete ich mich ein: »Schon klar, seit drei Jahren rackerst du dich ab, aber dieses Jahr hat man in dem Laden endlich erkannt, dass du was in der Hose hast …«

Ich kann es ja verstehen: In einer Bar von einem unterm Frotteemantel splitternackten Säufer angemacht zu werden, das bricht die onda, wie die Südamerikaner sagen.

»Musst dich nicht genieren, wenn du mit Mademoiselle rumflirtest … Nur zu …«, meinte ich und machte abstoßende obszöne Gesten.

Angeekelt verließ das Mädchen die Bar, und der Typ hatte einen tödlichen Rochus auf mich. »Widerlicher Scheißhaufen!«, warf er mir wütend an den Kopf.

»Na mach schon … Geh und vernasch sie … Zeig, was du in der Hose hast … Und wenn du dann wieder im Büro bist, kehrst du gegenüber dem Personal den aufgeblasenen Scheißkerl raus … Und wer weiß, mit ein bisschen Glück, wenn du schön gemein bist, lässt man dich schon nächstes Jahr wieder ans Meer fahren …«

Als ich ihm dann auszumalen begann, wie der nächste Aufkäufer seiner Firma ihn vor die Tür setzen würde, verpasste mir das Karnickel einen Faustschlag, der mich vom Hocker fegte.

Genau in diesem Moment entschied ich, meinen Irrungen ein Ende zu setzen und nach Paris heimzukehren.

Voll der guten Vorsätze kam ich zurück. Ich brauchte eine Kanzlei, die diesen Namen verdiente, und mietete eine kleine Wohnung in der Avenue Victoria, zwei Schritte vom Justizpalast entfernt. Damit setzte ich einer mehr als zehn Jahre alten beruflichen Kohabitation mit meinem Kumpel und Amtsbruder Bertrand ein Ende. Wie ein schlechter Schüler, der beschließt, zuletzt doch noch einen guten Abschluss hinzukriegen, kaufte ich mir eine Bibliothek, wie sie der perfekte Jurist braucht. Sie war in La Vie judiciaire inseriert und stammte von einem verstorbenen Kollegen. Inmitten dieser Waffensammlung platzierte ich meinen neuen Schreibtisch. Falls Kundschaft kam, würde ich einen seriösen Eindruck machen.

Bertrand, der in der Affäre Sellem ja auch mein Anwalt gewesen war, schien überglücklich, dass ich mein Leben endlich wieder in die Hand nahm. Zum Abschied beglückte er mich mit einem riesigen Sack Post.

Ich machte es mir in meinem hübschen Sessel bequem und begann, meine Korrespondenz auf der Suche nach neuen Mandaten auseinanderzupflücken.

Im Nu lastete das Gewicht meiner unzähligen Berufsjahre wieder mit aller Macht auf meinen Schultern. Abonnementserneuerungen für irgendwelche Zeitschriften zum Handelsrecht, deren Titel ich kaum kapierte. Bedrohliche Mahnungen des Fiskus, der Sozialversicherung, der Familienkassen. Geschädigte, die sich darüber beschwerten, nicht entschädigt worden zu sein …

Dann die Kreuze, unter denen ich seit Ewigkeiten ächze: mindestens dreißig Briefe von Ben Oufa aus seiner Haftanstalt. »Hr. Anwald, mir is elent, ich werd mich umbringen, und meine mamma wird sich auch …« Na ja, er hatte immerhin fünfzehn Jahre wegen vierfacher Vergewaltigung bekommen, der dicke Ben Oufa. Hätten die Mädchen erkannt, wie sehr dieser arme Teufel seine Mutter vergötterte, sie wären, bin ich mir sicher, versucht gewesen, das Ganze mit dem Mantel des Vergessens zuzudecken. Bei der Schwurgerichtsverhandlung hatte ich nicht übel Punkte gemacht, doch dann hatten die arabischen Schimpftiraden, welche die ungeheure, in ihren muslimischen Schleier eingepackte Madame Ben Oufa den Opfern entgegenschleuderte, mir das Parkett doch ein klein wenig seifig gemacht.

Dann waren da Drohbriefe von Mademoiselle Bergounian, die von Unbekannten in ihrem Studentenwohnheim mit Rohypnol betäubt und sodomisiert worden war. Nichts half, sie verstand einfach nicht, warum die Ermittlungen nicht vom Fleck kamen, obwohl man doch dreierlei verschiedene Spermen in ihrem Anus gefunden hatte. Was konnte ich da ausrichten? Es ist immer ratsam, sich von Typen mit einer polizeilich einschlägig registrierten DNA vergewaltigen zu lassen, statt von irgendwelchen Dahergelaufenen, die hierher kamen, um Französisch zu studieren.

Außerdem hatten mir noch ein paar Typen geschrieben, um mich als Anwalt zu bestellen. Als ich dann binnen Wochenfrist nicht im Gefängnis auftauchte, schrieben sie nochmals, um mich in die Wüste zu schicken oder zu beschimpfen.

Lediglich Aziz, einer der jüngeren Choukri-Brüder, war soeben erst geschnappt worden, sodass ich mir bei seiner Untersuchungsrichterin noch fristgerecht eine Besuchserlaubnis besorgen konnte. Die Choukris waren Kokainschieber aus dem Departement Essonne, deren Ruhm mühelos bis ins Stadtzentrum vorgedrungen war. Amin und Ichem hatten vor ein paar Jahren noch die großen Pariser Feste mit Schnee versorgt, vor allem aber Tarik, den man den »Irren« nannte, nachdem zweien seiner Kompagnons, die auf eigene Rechnung arbeiteten und ihn bescheißen wollten, allerlei Unbill widerfahren war.

Die Choukris waren meine erlesensten Kunden. Ich hatte sie bereits als halbe Kinder vor dem Jugendrichter verteidigt, und sie waren mir treu geblieben.

Die Wechselfälle des Metiers hatten sie genötigt, etwas kürzerzutreten. Tarik brummte dreißig Jahre im Zentralgefängnis von Moulin ab und dirigierte sein Völkchen mittels eingeschmuggelter Mobiltelefone. Amin und Ichem waren nach drei Jahren auf Bewährung freigekommen und lieferten unter dem umsichtigen Auge des Strafvollzugsrichters Pizza aus.

Aziz war stets insofern der Außenseiter gewesen, als er Dope nie angerührt hatte. Dadurch hatte er sich ein wundersam jungfräuliches Strafregister bewahren können. Er verlegte sich aufs Einbrechen und besuchte die Wohnungen von Bälgern reicher Leute, die seine Spitzel, allesamt Dealer und ehemalige Kollegen seiner Brüder, mit Koks versorgten. Er klaute schnell und teuer, denn er verfügte über ein gutes Hehlernetz. Und operierte immer nur am helllichten Tag während der Arbeitszeit von Monsieur, der Gymnastikstunde von Madame und den Univorlesungen des Sprösslings mit der Nase voll weißen Pulvers.

Amel, Aziz’ Zwillingsschwester, ein Engel an Sanftheit, war die Einzige mit einem richtigen Job: Croupière im Casino von Forges-les-Eaux.

An der Spitze der Pyramide stand die geplagte Madame Choukri, Kolonialwarenhändlerin in Evry. Eine große Philosophin, diese Madame Choukri. In heiterem Fatalismus fand sie sich ab mit der Tatsache, dass ständig mindestens ein Drittel ihrer Sprösslinge im Bunker hockte. Ich rief sie kurz an und bestätigte ihr, ich würde den Fall ihres Sohnes gerne übernehmen.

In dem Haufen Post befand sich auch eine ganze Reihe Briefe eines gewissen Marcel Lazare. Marcel Lazare … Das sagte mir nichts. Als ich die Poststempel auf den Umschlägen verglich, realisierte ich, dass er seit sechs Monaten eine einseitige Korrespondenz mit mir pflegte. Dass ich nicht geantwortet hatte, schien ihn nicht zu stören.

Lazare saß im Zentralgefängnis Clairvaux und berichtete mir laufend Neuigkeiten von seiner Verhandlung. Und er kommentierte auch alles, was an Informationen über mich zu ihm gelangte.

Offensichtlich wusste er, dass ich für den schändlichen Dalil Lakdar selig gearbeitet hatte, den Anwalt der vier Typen, die einen Geldtransporter der Banque de France überfallen hatten. Er wusste auch, dass Lakdar mich wegen meiner Ähnlichkeit mit Sellem benutzt hatte, dem Einzigen aus der Bande, der geschnappt worden war und lebenslänglich bekam. Und er ahnte zumindest, dass ich Sellem zur Flucht verholfen und dafür einen dicken Packen Kohle eingestrichen hatte. In einem dieser Briefe prophezeite er mir sogar, ich würde auch nach meiner Freilassung Anwalt bleiben. Denn wenn einer – so sagte er – die Lächerlichkeit überlebt, Christophe Leibowitz-Berthier zu heißen, so überlebt er alles.

Während ich Brief um Brief hervorklaubte, näherte ich mich zwangsläufig dem Boden des Sacks und folglich auch der Genese seiner Geschichte.

Da traf mich die Erkenntnis wie ein Blitz.

Tatsächlich. Anderthalb Jahre zuvor hatte Lazare mich kontaktiert, um mir seinen Fall darzulegen: Damals war er dreiundsiebzig gewesen und verbüßte fünfzehn Jahre Gefängnis wegen Drogenvergehen im Wiederholungsfall. Ihm blieb noch die Hälfte abzusitzen. Doch ein Darmkrebs, der trefflich den Kriterien des Kouchner-Gesetzes entsprach – ein Krankheitsbild mit tendenziell letaler Prognose, bot ihm die Aussicht auf vorzeitige Entlassung. Er brauchte einen Anwalt und hatte aus unerfindlichen Gründen ausgerechnet mich gewählt. Also hatte ich seinerzeit für ihn das Gesuch beim Strafvollzugsrichter eingereicht.

In diesen anderthalb Jahren war so viel passiert, dass ich das vollkommen vergessen hatte. Unterdessen aber war die Akte im Takt der Gutachten und Gegengutachten ganz von allein hin und her gependelt.