Das Nibelungenlied - Karl Wilhelm Osterwald - E-Book

Das Nibelungenlied E-Book

Karl Wilhelm Osterwald

0,0

Beschreibung

*Illustrierte Schmuckausgabe mit 46 Bildern der berühmten Nibelungen-Holzschnitte Siegfried und Kriemhild, Gunther und Brünhild, Hagen und Etzel ... all diese Namen sind über die Jahrhunderte ebenso unsterblich geworden wie das mittelalterliche Heldenepos selbst, dem sie entstammen ... Falls Sie dieses herrliche, um 1200 n. Chr. geschriebene Kleinod deutscher Literatur gerne einmal als Roman lesen würden, sind Sie am Ziel Ihrer Suche angekommen, denn Karl Wilhelm Osterwald verstand es wie kein Zweiter, aus den Versen mittelalterlicher Heldenepik spannende Romane zu erschaffen, die Jung und Alt gleichermaßen zu begeistern wussten. Nehmen Sie teil an rauschenden Festen und heroischen Schlachten, und begleiten Sie den stolzen Königssohn Siegfried auf seinen gefahrvollen Abenteuern. Begegnen Sie dem sagenumwobenen Schatz der Nibelungen, der unsichtbar machenden Tarnkappe und dem mächtigen Schwert Balmung, Siegfrieds treuem Begleiter. Und natürlich werden Sie auch erfahren, warum in aller Welt der große Burgundenkönig Gunther seine Hochzeitsnacht gut verschnürt an einem Nagel hängend verbringen muss. „Quality Books“ hat die Originalausgabe des Romans umfassend modernisiert, mit 46 Illustrationen versehen und diverse Begriffserklärungen hinzugefügt, die gerade jüngeren Lesern von einigem Nutzen sein werden. Prof. Dr. Karl Wilhelm Osterwald (1820 - 1887), ab 1865 Direktor des Gymnasiums im thüringischen Mühlhausen, war ein engagierter Pädagoge und vielseitiger Schriftsteller, der eine Vielzahl von Dichtungen und Dramen, aber auch wissenschaftliche Arbeiten zur komparativen Mythologie schuf. Besonders lag es ihm am Herzen, der Jugend die Schätze des klassischen Altertums und des deutschen Mittelalters durch Prosaübertragungen nahezubringen. Zeitgenossen Osterwalds schätzten seine hohen Geistesgaben, seine vielseitige Bildung und das eindrucksvolle Wesen seiner Persönlichkeit.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 279

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Nibelungenlied

 

 

In Prosa übertragen

von

Karl Wilhelm Osterwald

 

Quality Books

2018

* * * *

Quality Books

Klassiker in neuem Glanz

 

Textgrundlage:

Erzählungen aus der alten deutschen Welt für Jung und Alt,

Zweiter Teil: Siegfried und Kriemhilde.

Karl Wilhelm Osterwald.

Dritte Auflage. 1865, Halle a. S., Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses.

 

Modernisierte, kommentierte und erweiterte Neufassung

Herausgeber: Marcus Galle

Umschlaggestaltung + Grafik: Michael Sauer, Marcus Galle

Illustrationen: E. Bendemann, A. Rethel, J. Hübner, H. Stilke

 

© 2016 by Quality Books, Hameln

E-Mail: [email protected]

 

ISBN 978-3-946469-03-2

 

2., überarbeitete Auflage: Mai 2018

 

Für die vollständige Anschrift klicken Sie bitte auf den nachfolgenden Link:

Anschrift

 

Dieses E-Book, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Zustimmung des Herausgebers nicht vervielfältigt, wiederverkauft oder weitergegeben werden.

Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

 

Das Nibelungenlied - Erster Teil -

I. Kriemhild und Siegfried

II. Der Sachsenkrieg

III. Brünhild

IV. Doppelhochzeit

V. Brünhilds Groll

VI. Der Streit der Königinnen

VII. Verrat und Mord

VIII. Die Witwe

IX. Rüdigers Werbung

 

Das Nibelungenlied - Zweiter Teil -

X. Die Einladung

XI. Die Fahrt ins Hunnenland

XII. Treue Warnung und erste Feindseligkeiten

XIII. Der Kampf bricht aus

XIV. Das Blutbad im Saal

XV. Rüdigers Tod

XVI. Dietrich von Bern

 

Über den Autor

Endnoten

Impressum (Anschrift)

Das

Nibelungenlied

- Erster Teil -

I.

KRIEMHILD UND SIEGFRIED

Im Land der Burgunden, auf der alten Königsfeste zu Worms am Rhein, verwalteten drei junge Könige das Reich und Erbe ihres früh verstorbenen Vaters Dankrat. Sie hießen Gunther, Gernot und Giselher und waren ebenso stark an Kräften wie edel von Gesinnung, auf nichts eifriger bedacht, als ihres hohen Vaters würdig zu leben, nach Kräften des Reiches alte Ehre zu wahren und so ihre edle Mutter Ute in ihrem schweren Witwenleid zu trösten. Daher sammelten sie um sich einen Hof der tapfersten und edelsten Helden: den kühnen Hagen von Tronje und seinen Bruder Dankwart, den sie zum Marschall des Reiches machten, wie seinen Neffen Ortwin von Metz zum Truchsess; ferner die beiden Markgrafen Gere und Eckewart und den mutigen Volker von Alzeie, der weithin berühmt war durch seine Kunst, die Geige zu spielen; die Helden Rumolt, Sindolt und Hunold, an welche die Würden des Küchenmeisters, des Schenken und des Kämmerers verteilt waren, und viele andre stattliche Ritter, deren Namen aufzuzählen zu lange dauern würde. Da alle auf den Ruhm und die Ehre ihrer Herren achteten, wo und wie sie nur konnten, so war es kein Wunder, dass ringsumher in allen Landen viel Redens und Rühmens war von dem Glanz des Hofes zu Worms und von der herrlichen Ritterschaft der drei Könige.

Als die schönste Zierde dieses Hofes galt jedoch weit und breit Kriemhild, die Schwester der jungen Könige. Und mit Recht, denn sie war schöner als irgendeine Jungfrau, die von der Sonne beschienen worden ist, und mit der Schönheit des Leibes verband sie das kostbare Gut eines edlen, tugendsamen Herzens. Daher wurde sie in gleicher Weise von den Frauen geehrt, wie von den Rittern bewundert, ohne dass sie es wusste oder auch nur wissen wollte. Denn sie war in stiller Unschuld herangewachsen und zur lieblichen Jungfrau erblüht, gleichwie die Rose, die ja auch nicht weiß, wie viele sie mit der Pracht und dem Duft ihrer Blüte entzückt; und indem sie voll seligen Friedens sich ihres schönen Lebens freute, dachte sie nicht daran, irgendjemand zu gefallen, es sei denn ihrer Mutter oder ihren Brüdern, die sie von ganzem Herzen liebte.

 

 

Aber nicht allzu lange sollte sie des schönen Friedens genießen. Schon nahten die Vorboten des künftigen Leides, schon wurde das Herz der lieblichen Jungfrau von bangen Träumen beunruhigt. So träumte sie einst, dass sie einen edlen Falken erzogen und lange Zeit mit liebevoller Sorgfalt gepflegt habe, da stürzten plötzlich zwei wilde Adler aus der Luft herab und zerrissen mit ihren grimmigen Krallen vor ihren Augen das geliebte Tier. Ängstlich erzählte sie am anderen Morgen den Traum ihrer Mutter. Die aber wiegte bedenklich das greise Haupt, und das liebliche Mädchen in ihre Arme schließend, sagte sie: »Möge Gott mit dir sein, liebe Tochter, wie auch mit dem Manne, der dir dereinst bestimmt ist, denn ich weiß den edlen Falken deines Traumes nicht anders zu deuten als auf einen Gatten.«

 

 

Als Kriemhild das hörte, schüttelte sie ungläubig den Kopf und erwiderte lächelnd, dass dann der Traum nichts Ängstliches verkünden könne, denn sie wolle von keinem Mann wissen, sondern bis an den Tod unvermählt bleiben. Da sprach mit freundlichem Ernst die ehrwürdige Mutter: »Liebes Kind, verachte mir nicht die Liebe eines wackeren Mannes und stemme dich nicht in unbesonnenen Worten gegen sie, denn von ihr kommt dem Weibe alle Lust und Freude dieses Lebens.«

»Wie könnte das wohl sein, liebe Mutter«, antwortete Kriemhild, »da ja das Leben so vieler Frauen den Beweis liefert, dass aus der Liebe am Ende das bitterste Leid erwächst. Darum will ich mich lieber fernhalten von ihr und ihrem schlimmen Lohn, auf dass ich glücklich bleiben möge.«

So sprach das liebliche Mädchen und wollte sich selbst die trübe Ahnung wegreden, aber noch lange stand ihr im Geiste das blutige Traumbild vor Augen, und die trübe Deutung ihrer Mutter bewegte sie im sinnenden Herzen, obgleich sie keinen Mann auf Erden wusste, dem sie ihre Liebe hätte schenken mögen.

 

 

Zu derselben Zeit lebte im Niederland zu Xanten am Rhein ein herrlicher Königssohn mit Namen Siegfried, der Sohn Siegmunds und Siegelindes, der mit dem Ruhm seiner Taten schon in früher Jugend die Herzen seiner Mitmenschen mit Staunen und Bewunderung erfüllt und in manchem Land eine bleibende Spur seiner Stärke zurückgelassen hatte. Als er aber zum Mann herangewachsen war und die Kunde durch das Land ging, dass der alte König dem jungen Helden die Ritterehre erteilen wollte, da freuten sich alle, die zu dem glänzenden Hofgelage geladen waren, dass sie den herrlichen Helden sehen sollten, von dem keiner zu sagen wusste, ob er die Herzen der Menschen mehr durch seine Schönheit oder durch seine Kraft und Kühnheit oder durch seine feinen und anmutigen Sitten gewinne, genug, dass ihm alle in gleicher Weise zugetan waren. Bevor aber der Tag heranrückte, an dem Siegfried die höchste Ehre aus der Hand seines königlichen Vaters empfangen sollte, war manches schöne Mädchen geschäftig und legte kostbare Edelsteine in das Gold, um sie in die Gewänder der jungen Helden zu wirken, die mit Siegfried zugleich Ritter werden sollten. Siegmund aber ließ herrliche Sitze für die geladenen Gäste bauen und alles aufs Schönste und Prachtvollste für die Festlichkeit herrichten.

Als sich endlich der Tag der Sonnenwende einstellte, an dem die Feier anberaumt war, zogen von allen Seiten die Freunde und Mannen des Königs und viele edle Fremde auf die Burg zu Xanten, und zu Siegfried gesellten sich voll freudiger Erwartung vierhundert edle Rittersöhne, in die schönen Gewänder ihres Königs und Herrn gekleidet, um das Schwert zu empfangen und so, an einem Tag mit dem jungen König, Ritter zu werden. Nach der frommen Sitte der Alten eröffnete eine kirchliche Feier die Reihe der Festlichkeiten, und erst nachdem zu Gottes Ehre die Messe gesungen war, wurden die jungen Helden, dem Ritterbrauch gemäß, zu Rittern geschlagen. Freudig schwangen sie sich nun auf die wohlgezäumten Rosse und sprengten mutig auf den Hof, wo sich nun ein so lautes Ritterspiel erhob, dass der Palast von den mutigen Schwertschlägen dröhnte, welche die hochbeherzten Degen einander austeilten. Zu den Jungen mischten sich die Alten, in denen beim Anblick der kraftvollen Jugend die alte Kampfeslust wieder erwachte, und so wurde mancher Schaft zerschmettert, dass die Splitter hoch in die Lüfte flogen, und manch leuchtender Edelstein aus den glänzenden Schildspangen gebrochen, bis der Wirt, der edle Siegmund, seine Gäste ermahnte, von dem Streit abzustehen und die Freuden der Tafel zu genießen.

Gerne folgten sie der freundlichen Einladung des Wirtes und aßen kostbare Speisen und tranken guten Wein, während fahrende Spielleute sie mit Gesang und Saitenklang ergötzten. König Siegmund übertrug nun auf seinen Sohn auch das königliche Recht, die Ritter mit Land und Burgen zu belehnen. Siegfried tat es mit würdigem Anstand, bedachte dabei reichlich seine jungen Schwertgenossen, die mit ihm zu gleicher Zeit die Ritterwürde empfangen hatten, und zeigte sich während der ganzen Dauer der Festlichkeiten so edel und freigebig, dass, als endlich am siebenten Tag die Gäste Abschied nahmen, es so manchen gab, der den jungen König noch lieber auf dem Thron gesehen hätte als den alten.

Siegfried aber war anders gesonnen, und obgleich er wusste, dass ihm sein Vater Siegmund gern alle Macht abtreten würde, sofern er selbst es wünschte, wollte er doch um keinen Preis die Krone tragen, solange seine Eltern noch lebten. Vielmehr wollte er sich noch der Stärke und Kraft seiner Jugend freuen und ringsumher alle Gefahr, die er für sein Land fürchtete, in ritterlicher Kühnheit zuschanden machen. Darum zog er umher und bewahrte Mut und Macht, sodass der Ruf seiner Taten weithin gefeiert wurde.

 

Da erreichte den mutigen Helden die Kunde von der lieblichen Jungfrau zu Worms im Land der Burgunden, wie sie so schön sei und zugleich so jungfräulich stolz, dass aus der großen Zahl der Ritter, die um sie zu werben gekommen wären, noch nicht ein Einziger sich ihrer Liebe rühmen dürfte. Als Siegfried das hörte, stellte er seinen Sinn auf hohe Dinge und beschloss in seinem Herzen, die Liebe der schönen Königstochter zum Preis seiner Taten zu machen, und als seine Freunde ihn erinnerten, dass es Zeit sei, sich nach einer würdigen Gefährtin umzusehen, und als sie ihn fragten, ob er vielleicht schon gewählt habe, rief er mit rascher Entschlossenheit: »Ich will Kriemhild nehmen, die schöne Jungfrau von Burgundenland! Denn wahrlich, der mächtigste Kaiser könnte stolz sein, wenn sie ihn ihrer Liebe würdigte!«

Als der alte Siegmund den Entschluss seines Sohnes vernommen hatte, erschrak er in seinem Herzen und vereinigte sich mit seiner Gattin, der edlen Königin Siegelinde, um ihn durch Bitten und Einwände von seinem Vorhaben abzubringen. Denn sie kannten den König Gunther und sein stolzes Gefolge und bangten um das Leben des geliebten Sohnes, wenn sie daran dachten, dass er mit ihnen in Unfrieden geraten könnte. Aber ihre Bedenken fanden keinen Eingang in das Herz des edelmütigen Helden, und was sie auch reden oder bitten mochten, er blieb bei seinem Wort und erklärte mit männlicher Entschiedenheit, dass er die Liebe jeder Frau verschmähen werde, wenn ihm nicht gestattet sei, dem Zug seines Herzens zu folgen.

Als Siegmund die Festigkeit seines Sohnes sah, ehrte er sie und fügte sich seinem Willen und versprach ihm beizustehen, wie er nur immer könnte, damit er in voller Würdigkeit die Reise nach Worms unternehmen möge. Doch konnte er nicht ganz die bangen Sorgen überwinden, die ihm das Vorhaben einflößte. »Denn«, sagte er, »König Gunther hat an seinem Hof manchen hochfährtigen Mann; und wenn auch niemand anders da wäre als der furchtbare Hagen, er allein wäre Manns genug, um uns in ernste Sorge deinetwegen zu versetzen. Wenn uns nur diese Brautfahrt, die du so lustig zu bestehen gewillt bist, nicht bald schon Trauer und Herzeleid bringt!«

»Lieber Vater«, antwortete Siegfried, »was gibt es da zu befürchten? Denn ihr könnt versichert sein, was ich mir nicht im Guten erbitten kann, das werde ich mir mit meiner Stärke zu erzwingen wissen und, wenn es sein muss, dem stolzen König Land und Leute abgewinnen.«

Als Siegmund diese kecken Worte hörte, erschrak er erst recht und versuchte von Neuem, den hochfliegenden Sinn des Sohnes zu mäßigen. »Bedenke«, sagte er, »dass du schwerlich jemals Gunthers Reich betreten dürftest, wenn diese deine Rede dort am Rhein bekannt würde. Bedenke auch die Macht Gunthers und Gernots und dass es ein Unding ist, sich die schöne Jungfrau, ihre Schwester, mit Gewalt zu nehmen.«

Da antwortete ihm Siegfried, dass er durchaus nicht die Absicht habe, mit gewaltiger Heerfahrt die herrliche Kriemhild zu erzwingen, seiner eigenen Hand wolle er sie einzig zu danken haben, und nicht mehr als zwölf Genossen sollten ihn nach Worms begleiten.

Darauf ging er auch zu seiner Mutter und tröstete sie wegen der Tränen, die sie vergoss, weil sie bangte, den herrlichen Sohn zu verlieren. Sein Mut und seine Stärke, sagte er, würden ihn gegen alle Feinde schützen. Sie aber möge dafür sorgen, dass er mitsamt seinen Genossen mit schöner Kleidung für die Reise versehen würde.

Gerne sagte Siegelinde das zu, als sie sah, dass er sich von seinem Vorhaben nicht abraten ließ, und nun mussten auf ihren Befehl die schönen Frauen ihres Hofes Tag und Nacht sitzen und durften nicht ruhen, bis der Staat Siegfrieds und seiner Genossen aufs Köstlichste bereitet war. Sein Vater Siegmund aber ließ ihm inzwischen die Ritterrüstung zieren: leuchtende Panzer, fest geschmiedete Helme und breite schöne Schilde.

Als nun alles instand gesetzt und die schönen Rosse mit goldrotem Reitzeug gezäumt waren, da bat Siegfried für sich und seine Begleiter um Urlaub bei seinen Eltern, der ihm unter Tränen erteilt wurde, und wohlgemut sprengten nun die herrlichen Jünglinge den Rhein entlang dem Land der Burgunden zu.

 

 

Am siebenten Morgen kamen sie in Worms an. Als die Leute ihre herrlichen golddurchwirkten Gewänder und ihre leuchtenden Waffen sahen, da gafften sie ihnen von allen Seiten staunend nach, Gunthers Mannen aber gingen ihnen ehrerbietig entgegen, um sie nach Fug und Recht als Gäste im Land ihres Herrn zu empfangen. Daher ergriffen sie die seidenen Brustriemen und goldroten Zäume und wollten die Rosse in die Ställe ziehen, aber Siegfried versuchte, es zu verhindern. »Lasst uns nur«, sagte er, »die Pferde stehen, denn wie mir zumute ist, so bleiben wir nicht lange hier. Könnt ihr mir aber sagen, wo der mächtige König Gunther von Burgundenland zu finden ist, so weiset mich zu ihm.«

Da sagte man ihm, dass Gunther mit seinen Helden auf dem Königssaal sei, und so machte er sich mit seinen Genossen auf, dorthin zu gehen.

Inzwischen war auch dem König gemeldet, dass fremde Gäste gekommen seien. Niemand kenne sie, ihre Rüstungen aber seien herrlich und kostbar, sodass man sie wohl für unverzagte Ritter halten müsse. Gunther sann nach, woher die glänzenden Gäste wohl gekommen sein könnten und bedauerte, dass niemand ihm ihre Namen zu nennen wusste. Da riet ihm sein Truchsess, Herr Ortwin von Metz, nach seinem Oheim Hagen zu senden, denn dem seien weit und breit die fremden Reiche bekannt. Der König folgte dem Rat und sandte nach Hagen. Der kam stolzen Schrittes und fragte, was von ihm begehrt werde? Als man ihm aber gesagt hatte, worum es sich handelte, schritt er ans Fenster und prüfte mit scharfem Blick das Aussehen der fremden Gäste. Er lobte den Glanz ihrer Rüstungen und die Schönheit ihrer Rosse und meinte, dass sie Fürsten oder zum Mindesten Fürstenboten sein müssten, ihre Namen könne er jedoch nicht nennen, diese Helden seien ihm bis auf diese Stunde fremd gewesen. Nach einer Weile setzte er jedoch hinzu: »Ich habe zwar Siegfried in meinem Leben noch nicht gesehen, aber wenn mich nicht alles täuscht, so ist er es, der mit seinen Genossen zu uns kommt. Denn alles, was ich von ihm gehört habe, stimmt mit der Gestalt des Helden, der dort so stattlich einherschreitet, überein.«

Und nun erzählte er dem staunenden König von den berühmten Taten des wunderbaren Jünglings: wie er einst auf seinen Fahrten vor einem großen Berg die beiden Königssöhne Schilbung und Nibelung im Streit um den unermesslichen Hort ihres Vaters Nibelung angetroffen habe, wie die beiden ihn zum Schiedsrichter ernannt und ihm im Voraus zum Lohn das Schwert Balmung gegeben hätten, wie er darauf nach Gewissen und Recht den Schatz geteilt und dann, als die beiden Streitenden, unzufrieden mit der Teilung, sich vereinigt gegen ihn gewandt, auf das Unerschrockenste sich gegen sie gewehrt hätte. »Der kühne Held«, sagte Hagen, »gewann ihnen den unermesslichen Schatz, den hundert Doppelwagen nicht hätten fortschaffen können, und dazu Land und Leute ab. Sie selbst aber, die beiden Königssöhne, erschlug er mit dem guten Schwert Balmung, mit dem er auch den mächtigen Zwerg Alberich bezwang, der bereit war, den Tod seiner Herren zu rächen. Aber so stark und gewandt Alberich auch war, der kühne Siegfried überwältigte ihn doch und nahm ihm die unsichtbar machende Tarnkappe ab. Den unermesslichen Schatz aber ließ er wieder in den Berg tragen und setzte den bezwungenen Alberich zum Kämmerer darüber, nachdem er ihm feste Eide der Treue und Dienstbarkeit abgenommen hatte.«

Staunend hörten Gunther und seine Mannen die Taten Siegfrieds, Hagen fügte jedoch noch eine hinzu, die wohl geeignet war, das Staunen noch zu erhöhen. »Siegfried«, sagte er, »hat in seiner Jugend einen furchtbaren Drachen erschlagen und sich in dem Blut des erschlagenen Ungetüms gebadet. Davon ist seine Haut wie mit Horn überzogen, sodass keine Waffe seinen Leib versehren kann. Darum, wenn er es ist, so rate ich ihn freundlich und mit allen Ehren zu empfangen, auf dass wir nicht den Groll des furchtbaren Helden erwecken.«

Gunther stimmte dem Rat Hagens bei, und indem er die ritterliche Gestalt des fremden Helden bewunderte, forderte er sein Gefolge auf, mit ihm den Gästen entgegenzugehen und sie im Burgundenland willkommen zu heißen. Mit freundlichem Gruß wurden die Helden empfangen und mit freundlichem Dank verneigte sich Siegfried vor dem König der Burgunden. Da fragte ihn Gunther, woher er komme und welche Absicht ihn zu der Stadt Worms führe?

Rasch entgegnete Siegfried: »Ich habe im Land meines Vaters euren Hof so vielfach und so oft rühmen hören, wie ihr die kühnsten Recken um euch versammelt hättet, und wie euch selbst an männlicher Tapferkeit alle Könige der Erde nachstehen müssten, dass mich mein Mut und meine Neugier nicht länger daheim ließen: Darum bin ich hierher gekommen, um zu sehen, ob ich die Wahrheit dessen befinde, was mir gesagt ist. Ich bin auch ein Recke und die Krone Siegmunds erwartet mich. Ich möchte es aber gern so fügen, dass man dereinst von mir sagt, dass ich die Krone mit Recht trage und Land und Leute nicht unverdient besitze, und will gern mein Haupt und meine Ehre dafür zum Pfand setzen. Wohlan denn! Seid ihr so kühn und tapfer, wie das Gerede unter den Leuten geht, so messet eure Kräfte mit mir, denn nicht geringer ist meine Absicht, als Land und Burgen mit dem Schwert von euch zu erzwingen.«

Geteilt zwischen Verwunderung und Unwillen hörte König Gunther die seltsame Rede des kecken Gastes, und als er sich umsah in dem Kreis der Seinen, um den Eindruck zu prüfen, den die unerhörten Worte auf sie gemacht hätten, traf sein Blick rings auf zornentflammte Gesichter. Gunther aber hielt an sich und fragte mit edler Ruhe den verwegenen Fremdling: »Doch womit hätte ich das verdient, Herr Siegfried, dass ich die Krone, die mein Vater so lange in Ehren getragen hat, nun an einen Fremden verlieren sollte, der auf seine Überkraft pocht? Wahrlich, wenn ich solches geduldig leiden wollte, so bewiese ich schlecht und elend meine Ritterschaft.«

»Beweise sie«, sagte Siegfried, »so gut du kannst, und damit du nicht glaubst, ich verlange Unbilliges, so biete auch ich mein ganzes reiches Erbe dar. Lass uns die beiden Reiche, das deine und das meine, zusammenlegen und uns um den Preis ihres Besitztums kämpfen. Wer als Sieger aus dem Streit hervorgeht, der soll Herrscher sein über beide Länder.«

Wohl mochte Gunthers Blut bei einem solchen Vorschlag rascher wallen und die verlockende Hoffnung des Sieges und der Ehre sein Herz heftiger schlagen machen, als er dem kampflustigen Jüngling ins Auge schaute; aber schnell traten Gernot und Hagen zwischen die beiden und unterdrückten noch im Entstehen jeden gefährlichen Entschluss, der in der Brust des Burgundenkönigs aufsteigen konnte.

»So nicht, Herr Siegfried«, sagte Gernot, »uns stehen die Sinne nicht so sehr nach dem Erwerb neuer Länder, dass wir darum den Tod eines Helden wünschen würden. Groß und reich ist unser Erbe, und nach altem Recht dienen uns die Leute dieses Landes.«

Ruhig, aber fest waren diese Worte gesprochen, und man hörte es ihnen an, dass Gernot keinen Kampf und keine Leidenschaft wollte, solange friedliche Vorstellungen noch ihren Platz fänden. Aber anders dachten seine Freunde, die trotzigen Burgunden, die mit grimmiger Gebärde auf den überkühnen Siegfried blickten. Vor allen anderen tobte der junge Truchsess, der Schwestersohn Hagens, Ortwin von Metz.

»Was sollen uns so friedliche Worte«, rief der wütende Jüngling, »da Siegfried euch ohne allen Grund zum Streit herausgefordert hat? Seid ihr denn so sanftmütigen Herzens, dass ihr euch nicht dem Überstolzen zur Wehr setzen wollt? Nun wohlan, so will ich ihn zwingen, dass er sein herrisches Wesen ablegt; und wenn er auch ein ganzes Königsheer mit sich führte, ich wollte dennoch mit ihm streiten.«

Als Siegfried diese Worte hörte, zürnte er gewaltig, und mit einem stolzen Blick den kühnen Sprecher messend, sagte er: »Nicht zwölf Männer von deiner Stärke dürften es im Streit mit mir aufnehmen, du aber, der du eines Königs Dienstmann bist, solltest schweigen und dich nicht wider einen mächtigen König vermessen.«

Ortwin war außer sich vor Wut und rief Rache schnaubend nach Schwertern. Aber wieder legte Gernot sich ins Mittel und redete zum Guten: Besser sei es, den starken Siegfried zum Freund zu gewinnen, als sich mit ihm zu entzweien. Nun redete auch Hagen, der bis dahin zu Gunthers großem Leidwesen geschwiegen hatte. »Es tut mir von Herzen leid«, sagte der gewaltige Mann, »dass Siegfried hierhergekommen ist und Streit begehrt; wäre er daheimgeblieben, so würden ihm hier meine Herren nicht übel begegnet sein.«

Trotzig erwiderte der Held aus Niederland: »Wenn euch meine Worte so missfallen, Herr Hagen, so werde ich mir freilich durch die Taten meines Schwertes euren Beifall erzwingen müssen.«

Nun wusste Gernot kein anderes Mittel, als seinen kühnen Gefährten Schweigen zu gebieten, damit nicht ein neues rasches Wort die drohenden Funken des Streites, die schon auf beiden Seiten in gleicher Weise glimmten, zur hellen Flamme anfachte. Er selbst aber wandte sich nochmals mit versöhnlicher Rede an den streitfertigen Siegfried. »Was würde es uns helfen«, sagte der Königssohn, »mit euch um den Besitz dieses Landes zu streiten? Wie viele Helden auch dabei fallen würden, uns würde es wenig Ehre bringen und euch geringen Lohn.«

Aber dem Sohn Siegmunds klangen noch die stolzen Worte der anderen in den Ohren. »Warum zögern die beiden kühnen Helden Hagen und Ortwin?«, rief er. »Warum rufen sie nicht ihre gerühmten Freunde und sammeln sie zum Streit gegen mich? Ich bin bereit, mich ihnen zu stellen.«

Trotz des Hohnes, der in diesen Worten lag, blieben Hagen und Ortwin ihm die Antwort schuldig, denn sie fürchteten das Gebot Gernots, ihres Herrn. Der aber fuhr fort, freundlich zu Siegfried zu reden und seinen Ungestüm zu beschwichtigen. »Seid uns im Land willkommen«, sagte er, »ihr selbst, wie auch eure Mannen, und lasset euch in Frieden und Freundschaft unsere Dienste gefallen.«

»Ja«, sagte Gunther, »was ihr in Frieden und in Ehren von den Unsrigen verlangt, das soll euch gerne gewährt sein, und Gut und Blut wollen wir mit euch teilen, wenn ihr unsere Freundschaft nicht verschmäht.«

Da gedachte Siegfried an die liebliche Kriemhild, um derentwillen er in dieses Land gekommen war, und er wurde sanfter, folgte der Einladung Gunthers und trank den Wein, den der König den Gästen einzuschenken befohlen hatte.

Da nahm man den edlen Fremdlingen ihr Rüstzeug zur Verwahrung ab, führte die Rosse in die Ställe und suchte die besten Herbergen für die Helden, die da irgend zu finden waren. Siegfried aber wurde hochgeehrt von den Königen und den Leuten ihres Banns, und er wusste es seinen Wirten auch wohl zu beweisen, wie würdig er der Ehre sei. Denn sooft die kühnen Burgunden der Kurzweil halber ihre Kampfspiele betrieben, war er bei Weitem der Erste, mochten sie nun den Stein nach dem Ziel werfen oder mit dem Speer schießen: Keiner der anwesenden Ritter konnte es ihm gleichtun an Kraft und Gewandtheit des Leibes.

Daher ließen auch die schönen Frauen des Hofes ihre Augen mit Wohlgefallen auf dem schönen Helden ruhen und flüsterten, so oft sie ihn erblickten, miteinander von dem Ruhm seiner Taten und seiner wunderbaren Schönheit. Er aber achtete ihrer nicht, sondern gedachte einzig des schönen Königskindes, der lieblichen Kriemhild, auf deren hohe Liebe er all sein Sinnen und Begehren gestellt hatte. Hätte er ahnen können, wie oft die herrliche Jungfrau aus dem Fenster ihres einsamen Gemaches in züchtiger Verschämtheit auf ihn herniederblickte, wenn er auf dem Hof im Spiel der Waffen seine Kraft und Schönheit sehen ließ vor den Leuten; hätte er ahnen können, dass das liebliche Kind mit fliegenden Blicken seinen Bewegungen folgte und von geheimer Freude durchzittert wurde, wenn alle Stimmen sich zu seinem Preise vereinten: wahrlich, er würde dann nicht so oft in stille Trauer versunken und in träumerisches Sinnen verloren gewesen sein. Aber er ahnte es nicht, er hatte die hohe Jungfrau noch nicht einmal von Angesicht zu Angesicht gesehen, und fast zweifelte er in seinem jugendlichen Unmut daran, dass er je um ihre Liebe werben könnte.

Die Könige der Burgunden stellten inzwischen manche prächtige Fahrt durch ihr Land an und sammelten um sich alle Ritter und Recken; Siegfried schloss sich ihnen stets an und verließ zum Leidwesen aller Frauen des Hofes den Ort, an dem das weilte, was ihm das Liebste auf Erden war. Und unter solchen Fahrten und Zügen brachte er wohl ein ganzes Jahr bei den Burgunden zu, ohne auch nur einmal die schöne Tochter Utes gesehen zu haben.

 

* * *

II.

DER SACHSENKRIEG

Das Erscheinen einer fremden Gesandtschaft brachte plötzlich eine unerwartete Abwechslung in das Hofleben der Könige zu Worms. Lüdeger nämlich, der König der Sachsen, und sein Verbündeter, der Dänenkönig Lüdegast, hatten ihre Boten an Gunther gesandt, um ihm den Krieg anzukündigen. Binnen zwölf Wochen, so sagten die fremden Männer, würden ihre Herren mit gewaltiger Heerfahrt gegen Worms ziehen und ihren Zorn mit scharfen Schwertstreichen rächen, sofern die Burgunden es nicht vorzögen, durch Unterhandlungen die starken Feinde fernzuhalten.

Gunther forderte Bedenkzeit, um die Botschaft mit seinen Getreuen beraten zu können. Darauf berief er die besten Männer seines Rates, und indem er mitteilte, was die feindlichen Könige ihm entboten hatten, verschwieg er ihnen nicht die Besorgnisse, mit denen diese Botschaft sein Herz erfüllte.

Mit mutiger Rede versuchte Gernot, den verzagten Bruder zu trösten. »Unsere Feinde sollen uns willkommen sein«, sagte er, »wir wollen unserer Ehre gedenken und sie mit dem Schwert empfangen, der Tod kann ja doch nur die treffen, denen er einmal bestimmt ist.«

Aber Hagen, auf dessen Ausspruch Gunther das meiste zu geben pflegte, stimmte dem kühnen Gernot nicht bei. In besonnener Rede wies er auf die Übermacht der Feinde hin und stellte dar, wie unmöglich es sei, in so kurzer Frist ein tüchtiges Heer aufzustellen und auszurüsten. Zuletzt riet er, den starken Siegfried von der Botschaft der übermütigen Feinde in Kenntnis zu setzen.

Gunther ließ nun den fremden Boten Herbergen in der Stadt anweisen und befahl, sie aufs Beste zu bewirten, so feindlich man ihnen auch gesinnt wäre. Denn er wollte erst an seinen Freunden erproben, wer seinem Bann folgen wollte zu diesem Krieg. Während er so in schweren Sorgen dastand und in bangem Ernst der Zukunft gedachte, sah Siegfried ihn und seinen Kummer. Und sofort schritt er auf ihn zu und fragte mit teilnehmendem Herzen nach dem Grund der Traurigkeit, die nun statt der frohen Weise bei ihm eingekehrt sei.

Gunther antwortete, sein Leid sei so groß, dass er es vor den Leuten verbergen müsste und nur seinen treusten Freunden klagen könnte. Als Siegfried das hörte, ward er bleich und rot, darum, weil der König ihn nicht unter seine treusten Freunde zu rechnen schien, und gekränkt antwortete der Held: »Noch habe ich euch nie etwas versagt und gedenke auch fernerhin euch beizustehen in allem eurem Leid. Darum, wenn ihr Freunde sucht, Herr König, so will ich euch einer sein und es auch bleiben bis ans Ende meines Lebens.«

Da dankte ihm der König für seine treue Gesinnung und versprach ihm den Lohn der Freundschaft, auch wenn seine Kraft und sein Mut nicht ausreichten, das Leid von den Burgunden zu wenden. Und nun erzählte er ihm, mit welchem Stolz seine Feinde ihm den Krieg angesagt hätten.

Da tröstete Siegfried den zagenden König. Und wenn die Feinde dreißigtausend Mann ins Feld führten, so getraute er sich dennoch, sie zu bestehen, und wenn er auch nur über tausend Ritter zu gebieten hätte. Da er selbst jedoch nicht mehr als seine zwölf Gefährten stellen könne, so bitte er den König, die tausend Mann zu sammeln, deren er bedürfte, und auch Hagen und Ortwin und Dankwart und Sindolt zum Kampf zu entbieten. Volker, der kühne Spielmann von Alzeie, solle die Fahne tragen, denn ein besserer könne zu diesem Amt nicht gefunden werden. Die fremden Boten aber solle er zu ihren Herren mit dem Bescheid zurücksenden, dass die Burgunden des angesetzten Kampfes gewärtig wären.

Gunther hatte bei diesen Worten wieder Mut und Freudigkeit gewonnen, und er eilte, den Rat des entschlossenen Helden auszuführen. Er schickte nach seinen Freunden und Mannen, dass sie sich rüsteten zum Krieg gegen die Sachsen und Dänen, und die Boten sandte er mit reicher Gabe und sicherem Geleit mit dem Bescheid zurück, dass er und seine Freunde mit dem Schwert auf alle Drohungen antworten würden.

Als die Boten ihren Herren die stolze Antwort der Burgunden überbrachten und von Siegfrieds und der übrigen Helden mutigem Wesen erzählten, bereute Lüdegast fast den Übermut, mit welchem er so mächtige Könige zum Krieg herausgefordert hatte. Doch da das Geschehene nun nicht mehr zu ändern war, beeilte er sich desto mehr, Freunde zu gewinnen, und sammelte zu der anberaumten Heerfahrt wohl zwanzigtausend Mann, und Lüdeger, der Sachsenkönig, tat desgleichen, sodass sie eine Streitmacht von vierzigtausend und mehr aufbieten konnten, um damit in das Land der Burgunden zu ziehen.

Inzwischen hatten sich auch die Mannen Gunthers gesammelt und waren bereit, den Feinden entgegenzuziehen. Volker trug die Fahne, Hagen war Scharmeister des Heeres, und mit ihm ritten Sindolt und Hunolt, Dankwart, Ortwin und Gernot, der Bruder des Königs. Gunther selbst musste auf Siegfrieds Rat zu Hause bleiben und die edlen Frauen behüten, und wie ungern er sich auch dem Kampf entziehen mochte, so gab ihm doch Siegfrieds hoher Mut die besten Hoffnungen über den Ausgang des gefährlichen Krieges. Nun rückten die kühnen Helden aus und zogen vom Rhein durch Hessen zum Sachsenland.

Als sie an der Grenze angekommen waren, wurde die Nachhut des Heeres den kühnen Helden Dankwart und Ortwin übergeben, Siegfried aber wählte für sich das gefahrvolle Amt, den Feinden gegenüber, der Warte zu pflegen, und nachdem er die Leitung und Aufsicht des Heeres an Hagen und Gernot abgetreten hatte, ritt er ganz allein tatenlustig und wohlgemut voraus ins Land der Sachsen. Und er hatte nicht lange auf eine Gelegenheit zur kühnen Waffentat zu warten. Denn auch von feindlicher Seite war ein tüchtiger Markwächter ausgesandt, ein herrlicher Ritter, dessen Hand einen goldenen Schild vor sich hielt, und der mutig auf und absprengte, um sein Heer vor einem Überfall zu behüten. Sobald die beiden einander gewahrten, drückten sie ihren Rossen die Sporen in die Flanken, neigten die Lanzen mit aller Kraft auf die Schilde und rannten wie vom Winde getrieben aufeinander los. Mit gleicher Kraft hatten beide den Lanzenstoß geführt, und umsonst waren die starken Eschenschäfte zersplittert. Da griffen die Helden zu den Schwertern, um von Neuem das Glück des Kampfes zu versuchen. Furchtbar schlug Siegfried auf den Gegner los, sodass das Feld ringsumher von den Schlägen widerhallte und die roten Funken wie Feuerbrände aus dem festen Helm sprangen. Wohl wehrte sich der Feind mit ritterlichem Mut und ließ es auch seinerseits nicht an grimmigen Schwertschlägen fehlen, aber dennoch konnte er gegen Siegfried nicht bestehen, und ehe ihm die Leute seines Bannes, die der Stahlschall zur Grenze lockte, zu Hilfe kommen konnten, waren ihm drei tiefe Wunden durch den glänzenden Harnisch geschlagen und der stolze Dänenkönig musste sich für besiegt erklären und um sein Leben flehen. Denn es war kein Geringerer als Lüdegast selbst, mit dem Siegfried auf der Vorhut gekämpft hatte. Der Sieger wollte seinen hohen Gefangenen eben von dannen führen, da kamen dreißig tapfere Dänen dahergesprengt und rannten ihn an, um ihren Herrn zu befreien. Siegfried aber spottete der Feinde und schlug so ungestüm darein, dass alle bis auf einen ums Leben kamen, der bestürzt zu den Seinen eilte, um die schlimme Neuigkeit voller Entsetzen zu verkünden.

Nun brachte Siegfried seinen Gefangenen zum Heer der Burgunden und übergab ihn dem gewaltigen Hagen zur Bewachung. Darauf forderte er die kühnen Streiter auf, ihm gegen Lüdegers Scharen zu folgen. »Kommt«, sagte er, »und lasst uns die Helme der Feinde verhauen, dass manches sächsische Weib darüber trauern und wehklagen muss!«

Da sprangen die Mannen Gernots hurtig zu den Rossen, da ließ Volker, der kühne Spielmann, die Heerfahne wehen und ritt der Schar mit lustigem Mut voran, und der Staub wirbelte auf von den Straßen, als die kühnen Männer durch das Land sprengten, dem Feind trotzig zu begegnen. Und doch waren es außer den zwölf Recken Siegfrieds nur tausend Mann, die sich mit dem übermächtigen Heer der wilden Sachsen messen wollten!

Diese aber ließen nicht lange auf sich warten: Die scharfen Schwerter schwingend kamen sie mit wütenden Gebärden dahergesprengt, um die kühnen Feinde von ihren Burgen und Ländern abzuwehren. Ein furchtbarer Kampf begann nun zwischen den beiden Heeren, und die Luft hallte weit umher wider von den mächtigen Schwertschlägen, mit denen die Sachsen und Dänen ihren alten Schlachtruhm zu bewähren suchten. Aber wie wütend auch die streitkühnen Sachsen einhieben, wie grimmig auch die Dänen die Gefangenschaft ihres Königs zu rächen trachteten: Sie konnten doch nicht verhindern, dass die hochherzigen Burgunden den Schein manches Helmes mit fließendem Blut auslöschten und so kühn und sieghaft um ihre Ehre warben, dass die Sättel der Feinde allerorten rot gefärbt wurden.